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Confiteor
Dieses Bekenntnis eines Psychiaters zu Vincent van Gogh soll vornehmlich ein Schuldbekenntnis sein.
Lediglich Dr. Gachet begegnete ihm mit Verständnis, Teilnahme und ärztlicher Haltung als wahrer Freund. Wir Späteren sezierten in analytischer Manier seinen Lebensgang, versuchten, ihm das Etikett einer Diagnose aufzukleben, pervertierten sein Tun und Lassen lediglich zu Symptomen und wollten Scheinbarem und Anscheinendem unumstößliche Beweiskraft geben. Den Zeitströmungen folgend, machte man van Gogh zum Epileptiker, zum Paralytiker, zum Neurotiker, zum Schizophrenen und Psychopathen.
Kaum war die Schläfenlappenepilepsie geboren, so wurden ihm psychomotorische Attacken unterstellt. Besorgt meinte Leibbrand erst dieser Tage, daß die anthropologische Deutung des Morbus van Gogh nicht mehr lange auf sich warten lasse.
Kein Wort der Entschuldigung ? aber Dynamik und Struktur dieses Meisters und sein Werk sind eine Faszination ohnegleichen, besonders für den Psychiater.
Hic et nunc soll Vincent van Gogh selbst mit seinen sachkundigen Freunden zu Wort kommen. Seine Selbstbildnisse sind mehr als Beweise der Könnerschaft Sie sind Zeugnisse für die »souveräne Haltung gegenüber seiner Krankheit«, wie Jaspers meint.
Diese Selbstporträts sind die echten Kontrollen seines Intaktseins, die demütigen Fragen nach der gerechten Gnade als Ausdruck des Kampfes gegen die ständige Bedrohung.
Sicher sind es Werke einer großen, eigenwilligen, künstlerischen Meisterschaft, darüber hinaus aber Bekundungen einer fortschreitenden Menschlichkeit.
Unter jedem könnte es stehen ? Ecce homo.
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