Dennoch wird dreimal auf dem Album eine kraftvolle musikalische Verbindung geschmiedet: Morrison baut sein "Have I Told You Lately That I Love You" über Flöten und Pfeifen geduldig zu einem großartigen Höhepunkt auf; Ry Cooder fügt der Instrumentalversion von "Dunmore Lasses" einen geheimnisvollen, nach zentralasiatischen Traditionen klingenden Gitarrenpart hinzu; und auf "The Rocky Road to Dublin" halten Charlie Watts' irische Ceili-Drums eine lose, abenteuerliche Jam Session zusammen, bei der Kevin Coneffs Leadgesang und ein wilder Austausch zwischen den Zwillingsgeigen der Chieftains und den Gitarren der Rolling Stones zu hören ist.
Drei Höhepunkte mögen nicht genug sein, um das Long Black Veil-Projekt zu rechtfertigen, aber im 1988 von Van Morrison und den Chieftains aufgenommenen Irish Hearbeat, einer der großartigsten irischen Aufnahmen aller Zeiten, findet man ein ganzes Album voll von solchen Momenten. --Geoffrey Himes
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Die Mannen um Paddy Moloney zählen zum Urgestein des Irish Folk, bei Kollegen hoch angesehen. Das erkennt, wer den "schwarzen Schleier" über der Gästeliste lüftet. Da nölt Mick Jagger den Titelsong, die Stones gehen auf die gar nicht so rockige Rocky Road To Dublin.Van Morrison (voll Soul: Have I Told You Lately) und Sinéad O'Connor (zittrig in Foggy Dew) vergießen irisches Herzblut. Ry Cooder und Mark Knopfler greifen zur Klampfe. Sting (nett), Tom Jones (schmalzig) und Marianne Faithfull (brüchig) reihen sich in den folkloristischen Reigen ein.
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Am irischen Wesen könnte die Popwelt genesen. Wo sonst auf diesem Planeten haben so viele Menschen die Musik quasi mit der Muttermilch aufgesogen wie auf der Grünen Insel? Wo sonst ist man so tief in der (überreichen) Tradition verwurzelt und blickt zugleich zuversichtlich und phantasievoll in die Zukunft? Es versteht sich bei dieser Lage der Dinge fast von selbst, daß der Generationenkonflikt in Irland keine große Rolle spielt. Die Jungen bringen den Alten ihre Wertschätzung entgegen, den verdienstvollen Veteranen wiederum ist es eine Freude, mit dem Nachwuchs zu musizieren. So geschah es auch, als die Säulenheiligen des Irish Folk, die Chieftains, Prominenz von weit her für "The Long Black Veil" ins Studio luden. Das Instrumentalensemble von Weltgeltung umgab sich hier mit markanten Stimmen: Gleich in der Eröffnungsnummer, dem keltischen Traditional "Mo Ghile Mear" ("Our Hero"), übernimmt Sting die englischen Textpartien. Für den Titelsong, einen Country-Evergreen, stellte sich Mick Jagger mit Cowboy-Hut ans Mikrofon. Van Morrisons unverkennbar schnarrendes Organ ist in der von ihm selbst verfaßten Ballade "Have I Told You Lately That I Love You" zu bewundern. Und Tom Jones legt den "Tennessee Waltz" mit musikulöser Schmetterstimme auf die Bretter. Weibliche Gesangsakzente setzen Marianne Faithfull ("Love Is Teasin'") sowie Sinead O'Connor, die bei den Folk-Dauerbrennern "Foggy Dew" und "He Moved Through The Fair" den Gitarrenkünstler Ry Cooder an ihrer Seite hat. Bleibt noch zu erwähnen, daß auch Saitenspezialist Mark Knopfler seine Finger mit im Spiel hatte ("Lily Of The West") - und daß die kompletten Rolling Stones in "Rocky Road To Dublin" die Tanzdiele zittern lassen: außergewöhnliches Finale einer außergewöhnlichen Session.
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