Das Biedermeier mit seiner bürgerlichen Lebenskultur, seinem Drang zum behaglichen Kachelofen, seinem Sinn für die Idylle erscheint uns noch immer - oder bereits wieder - als Urbild der "guten, alten Zeit". Zwischen den Wirren der Napoleonischen Kriege und den revolutionären Erschütterungen von 1848 wirkt es wie eine stille Insel des Friedens. Die Welt des Biedermeier entfaltet sich in der ersten Periode, bis 1830, vor allem innerhalb der häuslichen vier Wände. Mit seinen Tapeten, Vitrinen, Vorhängen, Klingelschnüren, Lampen, Scherenschnittbildern und dem schlichten, zweckmäßigen Mobiliar repräsentiert es zwischen dem strengeren Empire des französischen Kaiserreichs und dem eklektizistischen Stilvakuum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine eigene Kulturform von unvergänglichem Reiz, eine unerschöpfliche Fundgrube für Kunstkenner und Sammler. In diese Bilderbogenwelt führt Günter Böhmer den Leser, den er am häuslichen Leben, den Alltagssorgen ebenso teilnehmen läßt wie an Familienfesten, der Putzsucht, sonntäglichen Spaziergängen, Tanzvergnügungen, schwärmerischer Freundschaft und Albumspoesie.

Allerdings zeigt das Biedermeier in seiner zweiten Periode zwischen 1830 und 1848 ganz andere Seiten, die in dem heute üblichen Bild dieser Epoche viel zu kurz kommen. Spitzwegs Idyllen mit ihren kauzigen Gestalten, die lange nach dem Ende der Biedermeierzeit aus einer Sehnsucht nach der Welt von gestern entstanden sind, haben nachhaltig dazu beigetragen, das authentische Bild zu verharmlosen und den "Biedermeier" in einen weltfremden Spießbürger zu verfälschen, auf den das berühmte Wort vom "beschränkten Untertan" zutrifft.

Diese Verkennung und Verfälschung einer ganzen Epoche - der Epoche Metternichs und des jungen Marx, Heines, Hegels und Schuberts, Stifters und Balzacs - begann schon mit ihrer postumen Taufe, bei der die beiden Witzblattfiguren Biedermann und Bummelmeier Pate standen. So wurde die gärende Zeit des Vormärz zwischen dem Wiener Kongreß und der Revolution von 1848 verniedlicht und sentimentalisch verklärt. Sie war in Wirklichkeit eine Epoche der Unruhe, des Wandels und der nur mühsam niedergehaltenen sozialen Empörung, erfüllt vom Lärm der ersten Lokomotiven und Fabriken, vor denen dem alten Goethe graute, vulkanisch bewegt von neuen politischen und kritischen Kräften, die eines der größten Ereignisse des Jahrhunderts auslösten, die Emanzipation des Bürgers, der bald die des Arbeiters folgte ... .

In dieser liebevoll und reich illustrierten Neuerscheinung werden dem Biedermeier Nachtmütze und Schlafrock ausgezogen. Die Dokumente der Zeit weisen das Biedermeier als ein erregendes kultursoziologisches Phänomen aus mit mancherlei Parallelen in unserer Gegenwart und als jenen gigantischen Szenenwechsel der Geschichte, in dem das gesellschaftliche Bild unseres Jahrhunderts seine ersten Konturen gewann.

Mit 350 Abbildungen und 24 Vierfarbtafeln.

Das Buch wurde von Günter Böhmer geschrieben und ist im Bertelsmann Verlag, Gütersloh erschienen.

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