Doctor Martinus Luther Augustiners Unterricht auff etlich artickel dye im von seynen abgunnern auff gelegt und tzu gemessen werden. Leipzig: Melchior Lotter d. Ä., 1519. 4 Blatt. Maße ca. 15x19 cm. Schlichter moderner Kartoneinband. Ränder wasserfleckig. [Benzing/Claus Nr. 295]


Laut Benzing/Claus die dritte Ausgabe dieser Schrift, aber wohl zeitgleich mit den erstgenannten Ausgaben von Rhau-Grunenberg erschienen. Luther war mit der Druckqualität und den ganzen Druckbedingungen der Druckerei Rhau-Grunenberg unzufrieden, sodass er den Leiziger Drucker Lotter 1519 überredete einen Ableger seiner Druckerei in Wittenberg zu eröffnen. Luther vergab dann oft zeitgleich Druckaufträge: an Rhau-Grunenberg aus Verbundenheit und an Melchior Lotter aufgrund der besseren Qualität.  



Zur Geschichte und Bedeutung der Veröffentlichung:



Vor der Veröffentlichung der 95 Thesen im Jahr 1517 war Martin Luther ein kaum bekannter Augustinermönch, seine Thesen fanden aber viel Zuspruch und so wurde er quasi über Nacht ein bedeutender Protagonist der damaligen Zeit. Die Kirche unter Papst Leo X. Versuchte den Einfluss und die Wirkung Luthers einzudämmen und schickte daher im Januar 1519 den päpstlichen Nuntius Karl von Miltitz nach Wittenberg. Luther vernahm die baldige Ankunft Miltitz und ihm schwante schon eine Gefangennahme. Bei einem Treffen in Altenburg geschah dies allerdings nicht, sondern man einigte sich darauf, die Angelegenheit einem deutschen Bischof vorzulegen, der urteilen sollte. Bis dahin versprach Luther zu schweigen, wenn auch die päpstliche Seite schweigen würde. Zudem versprach er einen demütigen Brief an Papst Leo X. zu schicken und in einer weiteren Veröffentlichung das Volk zur reinen Verehrung der römischen Kirche zu ermahnen.


Bei eben jener Veröffentlichung für das Volk handelt es sich um den „Unterricht auff etlich Artickel“, die vor dem 24. Februar 1519 erschien. In der Schrift behandelt er Themen wie die Fürbitte der Heiligen, Fegefeuer, Ablass, Kirchengebote, gute Werke, Vorrang Roms und erklärt seine Position gegenüber Kritikern. Allerdings war er schon kurze Zeit nach dem Erscheinen unzufrieden mit der Schrift, Luther bereute es, dem Papst und der römischen Kirche so viel zugestanden zu haben. Den Inhalt der Schrift fasst der Forscher Johannes Preuss wie folgt zusammen:


„Es sei kein Zweifel, dass die römische Kirche von Gott vor allen andern geehrt sei; ist sie doch eine Märtyrerkirche. „Ob nu leyder es zu Rom alsso steht, das woll besser tuchte, sso ist doch die und keyn ursach sso gross, noch werden mag, das man sich von derselben kirchen reyssen adder scheyden soll.“ Vielmehr solle man helfen, wo es am schlimmsten steht. Nur ja nicht die „Liebe zertrennen und die geistliche Einigkeit teilen“! Doch unterscheidet er auch hier zwischen dem heiligen römischen Stuhl, dem man in allen Dingen folgen soll, und den Heuchlern, denen man nimmer glauben soll — und auch hier steht über der Kirche doch immer wieder Gottes Gebot und Verbot. Man soll beiderlei Gebot halten, doch mit grossem Fleiss unterscheiden, wie Holz und Stroh von Gold und Edelgestein. Leider ist aber die umgekehrte Beurteilung üblich: man setzt Kirchengebot über Gottesgebot. Um diesem Missurteil zu begegnen, schlägt Luther vor, dass man in einem Konzil einen Teil der Kirchengebote aufhebt, „auff das man gottis gepot auch eyn mal scheynen und leuchten liess“.
Was schliesslich noch den Umfang der „gewalt und ubirkeit Romisches stuels“ betrifft, so mögen das die Gelehrten ausmachen, denn das ist keine Angelegenheit der Seelenseligkeit, sondern ein rein weltliches Ding, wie Ehre, Reichtum, Gunst, Kunst. Wir sollen ihr aber gehorchen, weil wir als Christen Frieden halten müssen.
Wenn er auch die wahre Kirche Christi in „inwendiger Liebe, Demut und Einigkeit gesetzt und gegründet findet“, glaubt er doch, mit all dem Gesagten der römischen Kirche nichts von dem ihr schuldigen Gehorsam abgebrochen zu haben und schliesst: „Sihe na hoff ich, es sey offenbar, das ich der Romischen Kirchen nichts nemen will“.