Sie bieten auf einen interessanten Brief der DDR-Lyrikerin Beate Bell.


Interessantes Zeugnis zur Avantgarde- / Außenseiter-Literatur der DDR.


Beate Bell war Mitglied im "Lyrikclub Pankow" und mit dem Literaten Uwe Greßmann (1933-1969) befreundet.


Vgl. hierzu Roland Berbig (Hg.): Der Lyrikclub Pankow: Literarische Zirkel in der DDR, Berlin, C.H. Links Verlag 2000, S. 133f.: "1965 lernte Greßmann Beate Bell kennen. Sie kam aber erst 1968 zum Lyrikclub hinzu, als er selbst nur noch 'nominell' dabeiwar. [...] Beate Bell ist eine der wenigen Personen gewesen, denen gegenüber Greßmann sich zu öffnen vermochte. Ihr teilte er viel über seine Art, die Poesie als Merkmal der Umgebung zu erleben, mit." S. 133f.


Im Klappentext dieses Werkes findet sich eine Passage über den Lyrikclub Pankow:

"Von 1965 bis 1995 existierte im Ostberliner Stadtbezirk Pankow ein privat initiierter Zirkel, in dem sich junge Lyriker und literarisch Interessierte regelmäßig zum Gespräch trafen. Hier stellten Thomas Brasch, Bettina Wegner, Uwe Greßmann, Richard Pietraß, Uwe Kolbe und Hartmut König ihre Texte vor, hier lasen Günter Kunert und Stephan Hermlin. Eine Gruppe um Bettina Wegner protestierte gegen den Militäreinmarsch in die CSSR und verhandelte im Lyrikclub oppositionelle Gedichte. Verhaftungen und Gefängnisstrafen waren die Folge. Trotzdem gelang es dem langjährigen Leiter Hans Laessig, den Club zu erhalten. Über zwei Jahrzehnte tagte der Club in seiner Wohnung und wurde zu einer Art Durchlaufstation für junge, an Poesie, aber auch an Politik interessierte Leute."


Gerichtet an den Lyriker und Germanisten Erhard Scherner (* 1929), stellvertretender Chefredakteur der Neuen Deutschen Literatur (NDL).


Datiert 22. November 1966.


Interessanter 2-seitiger signierter Brief (A4, maschinenschriftlich) an Scherner, dem sie einige ihrer Werke "auf Empfehlung Frau Tschesno-Hells hin" zusendet (dazu auch Werke eines Lyrikers namens Sulitze).


Sie schreibt über ihr künstlerisches Schaffen, ihren (prekären) Werdegang etc.


Ursula Tschesno-Hell war die Ehefrau des DDR-Kulturfunktionärs Michael Tschesno-Hell (1902-1980).


Wichtige biographische Quelle!


Original-Typoskript ohne Umschlag.


Zustand: Blätter längs und quer gefaltet; Papier leicht gebräunt. Bitte beachten Sie auch die Bilder!

Interner Vermerk: KRSt 210314


Über Uwe Greßmann und Erhard Scherner (Quelle: wikipedia):

Uwe Greßmann (* 1. Mai 1933 in Berlin; † 30. Oktober 1969 in Berlin) war ein deutscher Lyriker. Er gilt als Poète maudit der DDR.

Leben und Werk: Uwe Greßmann verbrachte seine Kindheit in verschiedenen Waisenhäusern und bei wechselnden Pflegeeltern. Nach Abschluss der Volksschule begann er eine Lehre als Elektroinstallateur, musste diese aber nach kurzer Zeit wegen einer schweren Tuberkuloseerkrankung abbrechen. Die Jahre von 1949 bis 1954 verbrachte er in Kliniken und Sanatorien und konnte daher weder die Lehre fortsetzen noch ein geplantes Studium an der ABF aufnehmen. Er arbeitete ab 1954 als Montierer in einer Privatfirma in Berlin, ab 1958 bei den HO-Gaststätten Berlin Mitte zunächst als Bote, später als Postabfertiger. Ende der 1960er Jahre wurde er vom Dienst suspendiert und lebte als freier Autor und Übersetzer in Berlin.

Greßmann war literarischer Autodidakt, überliefert sind Berichte über sein exzessives Lesepensum. 1961 erschienen erste Gedichte in der Literaturzeitschrift NDL, gefolgt von weiteren Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Gefördert wurde er insbesondere von Adolf Endler, der sich bei Institutionen, Zeitungen und Verlagen für ihn einsetzte. 1966 erschien als einzige eigenständige Publikation zu Lebzeiten Greßmanns sein Gedichtband Der Vogel Frühling, der von Elke Erb in Sinn und Form überaus positiv besprochen wurde und mit dem der Autor endgültig zu einer der wichtigsten Stimmen der Lyrik seiner Zeit avancierte. Seinen zweiten Gedichtband Das Sonnenauto konnte Greßmann noch vorbereiten, die Publikation erfolgte 1972 bereits posthum. Einen dritten Gedichtband Sagenhafte Geschöpfe stellte Holger J. Schubert aus dem Nachlass zusammen. Weitere Herausgaben aus dem umfangreichen Nachlass, der im Literaturarchiv der Akademie der Künste zu Berlin liegt, besorgte Richard Pietraß 1978 in der von ihm betreuten Reihe Poesiealbum (Heft 126) sowie 1982 mit Lebenskünstler, einer umfangreichen Werkauswahl und Materialien zum Autor bei Reclam Leipzig (eine zweite, erweiterte Auflage erschien 1992). Unter dem Titel Schilda Komplex veröffentlichte Andreas Koziol 1998 im Druckhaus Galrev ein im Archiv überliefertes Nachlass-Konvolut von Texten, die dem DDR-Staat in Adaption der bekannten Schilda-Anekdoten satirisch-ernsthaft den Spiegel vorhalten. Wie Koziol in seinem editorischen Nachwort anmerkt, sei dieses Konvolut zu Beginn der 1970er Jahre, kurz nach Sicherstellung des Nachlasses, von unbekannter Hand aus dem Archiv entwendet worden und unter nicht verifizierbaren Umständen wieder dorthin zurückgelangt.

Obwohl er im Literaturbetrieb seiner Zeit ein Außenseiter blieb und zu Lebzeiten nur einen einzigen Gedichtband publizierte, war Greßmanns Werk für seine Zeitgenossen und auch die nachfolgende Generation vor allem ostdeutscher Lyriker von großer Bedeutung. Seine Art des Schreibens ist bis heute singulär. Eine Gesamtausgabe seiner – vielfach Fragment gebliebenen – Werke steht noch aus.

Im Jahr 2012 wurde eine Gedenkstele für Uwe Greßmann auf dem Friedhof Pankow III errichtet.

Werke

Der Vogel Frühling. Gedichte, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1966 (2. Aufl. 1967).

Das Sonnenauto. Gedichte. Mit einem Essay von Uwe Greßmann. Hrsg. und mit einem Nachwort von Holger J. Schubert, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1972.

Werke aus dem Nachlass

Sagenhafte Geschöpfe. Gedichte, aus dem Nachlaß hrsg. und mit einem Nachwort von Holger J. Schubert, Mitteldeutscher Verlag, Halle-Leipzig 1978.

Poesiealbum 126, hrsg. von Richard Pietraß, Verlag Neues Leben, Berlin 1978.

Uwe Greßmann: Lebenskünstler. Texte, Lebenszeugnisse, Erinnerungen, hrsg. von Richard Pietraß, Reclam Leipzig 1982. 2. Aufl. 1992. ISBN 3-379-00681-5

Schilda. Christine Schlegel (Kaltnadelradierungen), Auswahl aus den nachgelassenen Gedichten besorgten Andreas Koziol und Richard Pietraß. Edition Mariannenpresse, Berlin 1996. ISBN 3-922510-87-6.

Uwe Greßmann: Schilda Komplex, hrsg. von Andreas Koziol, mit Zeichnungen von Christine Schlegel, Edition qwert zui opü im Druckhaus Galrev, Berlin 1998. ISBN 3-933149-03-7


Erhard Scherner (* 12. Januar 1929 in Berlin) ist ein deutscher Schriftsteller, Lyriker, Nachdichter und Germanist.

Leben: Aufgewachsen ist Erhard Scherner im Scheunenviertel in Berlin. Die Ehe mit der Sinologin und Übersetzerin Helga Scherner führte ihn in den 1950er Jahren zum ersten Mal nach China. In die DDR zurückgekehrt, arbeitete er als Schlosser und Neulehrer. Er studierte Germanistik und promovierte. Einige Zeit war er stellvertretender Chefredakteur der Neuen Deutschen Literatur (NDL), betreute dann den literarischen Nachlass von Alfred Kurella, dessen Mitarbeiter er war, als dieser der Kulturkommission beim Politbüro vorstand. Als Mitarbeiter der Kulturkommission beim Politbüro forderte er beim Lyrikabend am 11. Dezember 1962 die Anwesenden auf, eigene Gedichte zu lesen. Das war der Auslöser für die Lyrikwelle in der DDR. Erhard Scherner hat drei Kinder. Lange lebte die Familie in Schöneiche bei Berlin.

Werke

Der chinesische Papagei. Verlag am Park, Berlin 2015, ISBN 978-3-945187-40-1.

Geschichten vom Lao Wai. Im Himmel der Hunde von Peking und andere Innenansichten aus China. Eisbär, Berlin 1997, ISBN 3-930057-12-3.

Herausgeber: Depesche an meine zukünftigen Eltern – Texte für den Frieden. Verlag Neues Leben, Berlin 1984.