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Führer durch Castan's Panopticum
und Postkarte „Gruß aus Castan's Panopticum" um 1900
Berlin - Chronik – Geschichte

um 1900
erstmals erschienen
Reprint – Faksimile – unveränderter Neudruck
Neuauflage - etwa 1999

Quelle: Sammlung Friederici
neu im Archiv - Verlag in Braunschweig

interessanter Zeitbeleg

Der undatierte Katalog vermittelt , wie die Katalognummern 57, 133 und 220 nahelegen, einen Eindruck aus dem Jahr 1900 in der Berliner Friedrichstraße 165, Ecke Behren¬straße 25/26 und Französische Straße 51. Hier hatte das Brüderpaar Louis Castan (21.9. 1828 - 14.7. 1908) und Gustav Castan (6. 12. 1836 - 15. 7. 1899) am 27. November 1888 ihren Panopticum-Palast wiedereröffnet, im neuen und zum großen Teil ausschließlich auf ihre Bedürfnisse hin erbauten Pschorr-Bräu, das noch heute steht. Die im Ver¬gleich zum früheren Quartier um 200 qm vergrößerte Ausstellungsfläche umfaßte alle Räume im 1. und 2. Stock¬werk sowie außer den Wohnräumen noch Ateliers, Arbeits¬und Lagerräume im 3. Stock. Lebensgroße Wachsfiguren preußischer, deutscher und ausländischer Persönlichkeiten sowie berühmter und be-rüchtigter Zeitgenossen machten neben den genrehaft dargebrachten wächsernen Szenen aus dem Volksleben, Totenmasken sowie den plastischen Nachbildungen be¬rühmter Gemälde den Hauptanteil der nicht ausschließlich wächsernen Exponate aus. Bilder, beglaubigte Original¬dokumente und Autographen, historische Alltagsgegen¬stände und Nachlässe berühmter Persönlichkeiten, Kriegs¬beute und Trophäen, Waffensammlungen, optische Illusionen und ein Irrgarten mit ungeheure Menschenmengen vor¬täuschendem Kaleidoskop, Fußbekleidungssammlungen, Raritäten und Kuriositäten gehörten ebenfalls in dieses Wachsfigurenkabinett. Neben den hervorragenden wäch¬sernen medizinisch-anatomischen Modellen, die oft in einem Extra-Katalog besprochen und erklärt wurden, wirkte vor allem die Schreckenskammer mit ihren lebenswahr und lebensgroß gestalteten Mördern samt deren Opfern als Besuchermagnet. Die originalen Richtschwerter, Folter¬instrumente und Verbrechenswerkzeuge zogen seit den 1890er Jahren an den Wochenenden durchaus bis zu 10 000 Besucher an. Der in Wachs nachgebildete Riesenknabe Carl Ullrich (Kat.-Nr. 188) war in diesen Räumen bereits lebend aufge¬treten. Nach einer Zeitungsmeldung von 1893 zeigten seine Hände und Füße wahrhaft riesige Verhältnisse, der Durchschnitt des Mittelfingers hatte die Größe eines Thalers und bemerkenswert war, daß an dem Knaben, wie der Mediziner Rudolf Virchow schreibt, keine krankhaften Erscheinungen zu beobachten waren, alle Organe fehler¬los arbeiteten. Trotz seines kurzen Aufenthalts in Berlin verkehrte der Riesenknabe mit dem Publikum in unge¬zwungener Weise und beantwortete die an ihn gerichteten Fragen mit viel Humor. „In einem nach dem Hofe hinaus in dem Zwischenbau zur Französischen Straße hin gelegenen Saal vollziehen sich von heute ab alltäglich die noch immer räthselhaft geblie¬benen illusorischen Wunder Galathea's und Magneta's", berichtete die Vossische Zeitung am 28. November 1888 und am 18. Dezember 1892: ,.In Castans Panoptikum wird die seit längerer Zeit vorbereitete neue Illusion Die Lotos¬blume' heute zum ersten Male vorgeführt werden" (alle Katalog S. 21). Was passierte da eigentlich und wie wirkten diese rätselhaften Wesen auf ihre neugierigen Betrachter? Kaum hatte der Besucher in dem kleinen, völlig im Dun¬keln gelassenen Vorführungssaal Platz genommen und sich an die mit schweren Vorhängen dekorierte, nur schwach erleuchtete Bühne gewöhnt, nahm er eine mar¬morne Frauenbüste wahr, die in der Mitte des Podiums auf einer kleinen Erhöhung stand. Galathea war es, die Nereide, Tochter des Meergreises Nereus und der Doris, ein Meer¬wesen, welches der Sage nach die Anträge eines Verehrers ständig abwies. Die Büste stand, inzwischen hell ange¬leuchtet, der Sage gemäß steinern, kühl und glatt, bis sich auf einmal die Züge der Dame zu beleben schienen. Ihr Mund zuckte, der Ausdruck des Gesichtes wurde mensch¬lich, veränderte sich, die Augen blitzten auf und der Kopf drehte sich. Ein lebendiger, sich bewegender Frauenober¬körper war zu schauen, der, wie man erschüttert wahrneh¬men mußte, allmählich wieder zu erstarren schien, steif wurde, erkaltete, erneut zu Stein ward. In ähnlicher Form wiederholte sich dies Schauspiel mit der vollständig sicht¬baren Dame Magneta, die einer traumähnlichen Erschei¬nung gleich während ihres Auftritts den Boden der Bühne nicht betrat, sondern innerhalb des Bühnenraumes schwebte. Sie war deutlich zu erkennen, machte Be¬wegungen und Gesten, wechselte den Standort mit den akrobatischsten Übungen, ohne je mit den Füßen die Bühnenbretter zu berühren. Es war eine Inszenierung mit Licht und Glas, die unerklärt blieb und unerklärlich war, auch dem Besucher, der als Zwölfjähriger bei Castan gewesen ist und 1967 in einer Berliner Zeitung die Wirkung einer Täuschung derselben Eigenart beschrieb: „Das nachgeahmte Schweißtuch der heiligen Veronika, damals als technisches Wunder ange¬staunt, ist mir heute noch unerklärlich. In die Wand war wie ein Fenster eine Glasscheibe in der Größe eines Stuhl¬sitzes eingelassen. Dahinter lag Dunkelheit, daneben war eine Kurbel zum Drehen angebracht. Es erschien nun hin¬ter dem Glase ein weißes, wollenes Tuch, nicht straff gespannt, sondern locker an Nägeln aufgehängt. Beim Weiterdrehen kam langsam ein Gesicht darauf zum Vor¬schein, zuerst noch ganz verwaschen, nach und nach klarer und als das wie gemalte Bild des Schmerzensmannes fertig war, trat es mehr und mehr körperlich hervor. Das Tuch verschwand, der Gesichtsschädel war rein plastisch zu sehen. Man möchte schwören, es sei kein optisches Bild, sondern eine Wachsmaske, dann aber nach näherem Hin¬sehen, es sei keine Maske, sondern ein lebendiger Kopf. Man glaubte das Kinnzittern, das Zucken der Unterlippe und der Lider zu sehen. Die Vortäuschung des Plastischen und darüber hinaus des Lebendigen war vollkommen. Ich nenne es nicht Kunst, aber man konnte es deshalb nicht einfach als Kitsch abtun, weil man sich gegen die Erschüt¬terung beim Anblick solcher Qual und Hilflosigkeit nicht wehren konnte. Ich bin überzeugt, die Erscheinung wäre mir auch heute noch ergreifend." Der auf der farbigen Bildpostkarte modellierende Bild¬hauer der Szene „Unverhoffter Besuch in Castan's Atelier" stellt ein getreues Abbild Louis Castans dar, die plastische Gruppe wurde seit November 1893 dauerhaft gezeigt. Castan's Panopticum schloß im Februar 1922. Erstickt am Anspruch einer Allesschau, aus der Mode gekom¬men, weil keinem technischen Geist der Moderne ver¬pflichtet, erstarrt in der unbewegten Pose und als Medium dem aktuellen Film unterlegen, verstaubt mit der wachsenden Entfernung zum kaiserzeitlich geprägten und vorgeführten Weltgeschehen, ging es, scheinbar für immer, unter.

48 Seiten - pages
Format ca. 14 x 22 cm

Kartoncover mit Klammerheftung

sehr guter Zustand - very good condition

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