Hans Dvořák (19. Jh.), Schattiger Hohlweg, 1888

Hans Dvořák (19. Jh.). Schattiger Hohlweg in einem sonnigen Wald. Aquarell und Feder, 58,5 x 43 cm (Sichtmaß), 70 x 55,5 cm (Rahmen), links unten signiert und datiert „Hans Dvořák [18]88“.

Unter Glas gerahmt.



Ins Innerste des Waldes


Das großformatige Aquarell zeigt eine lichte Waldlandschaft im gleißenden Licht der Mittagssonne. Unmittelbar vor dem Betrachter quert ein Bach den Weg, dessen erfrischende Kühle durch die umgebenden Schatten noch hervorgehoben wird. Jenseits des Bachlaufs ist das Gelände hell beschienen. Hier präsentieren sich die bodennahen, vom Wasser gespeisten Gewächse in ihrer ganzen vegetativen Kraft, während das aufgeschichtete, von der starken Sonne ausgeblichene Holz die gräuliche, mit dem Grün des Blattwerks kontrastierende Farbe des felsigen Bodens angenommen hat. Zwischen dem grünen Blätterteppich links und dem Holzstapel rechts liegt die Mündung eines leicht ansteigenden, tunnelartig überwölbten Weges, der abermals in die lichte Sommersonne hinausführt, so dass der hellblaue Fond des Himmels die dunkle Waldpassage von hinten durchleuchtet.
Die vom Schatten des unmittelbaren Bildvordergrundes ins Lichte, vom Lichten erneut ins Verschattete und von dort wieder ins erahnbare Licht führende Licht-Schatten-Abfolge verleiht dem Bild eine stark erzählerische Dimension, die von der zeitlosen Atmosphäre der mittäglichen Stunde getragen wird. Und doch verfließt - dem panta rhei des Baches folgend - die Zeit. Die Blätter des neben dem Stapel abgestorbenen Holzes stehenden zarten Baumes haben bereits eine leichte herbstliche Einfärbung angenommen. Das Changieren des Bildes zwischen Erzählung und Atmosphäre findet sich auch auf der Ebene der künstlerischen Formierung: Die mit der Feder klar konturierte Gegenständlichkeit verschwebt durch den Charakter des Aquarelles ins Diffus-Atmosphärische. Das Bild ist durchlichtet und geheimnisvoll zugleich.
Mit diesem Werk hat Hans Dvorak ein an der plein air Malerei inspiriertes nahsichtiges Landschaftbild geschaffen, dessen intensive Anziehungskraft in der ‚naturalistischen Allegorie‘ wurzelt, wie sie von der Landschaftsmalerei der Romantik begründet worden ist. Damit bewegt sich Dvorak ganz auf der Höhe der im späten 19. Jahrhundert zur letzten Blüte gebrachten, auf die unergründliche Schöpfung bezogenen traditionellen Landschaftsmalerei.




ENGLISH VERSION


Hans Dvořák (19th century). Shady hollow way in a sunny forest. Watercolour and pen-and-ink drawing, 58.5 x 43 cm (visible size), 70 x 55.5 cm (frame), signed and dated "Hans Dvořák [18]88" at lower left.

Framed under glass.



Into the heart of the forest


Das großformatige Aquarell zeigt eine lichte Waldlandschaft im gleißenden Licht der Mittagssonne. Unmittelbar vor dem Betrachter quert ein Bach den Weg, dessen erfrischende Kühle durch die umgebenden Schatten noch hervorgehoben wird. Jenseits des Bachlaufs ist das Gelände hell beschienen. Hier präsentieren sich die bodennahen, vom Wasser gespeisten Gewächse in ihrer ganzen vegetativen Kraft, während das aufgeschichtete, von der starken Sonne ausgeblichene Holz die gräuliche, mit dem Grün des Blattwerks kontrastierende Farbe des felsigen Bodens angenommen hat. Zwischen dem grünen Blätterteppich links und dem Holzstapel rechts liegt die Mündung eines leicht ansteigenden, tunnelartig überwölbten Weges, der abermals in die lichte Sommersonne hinausführt, so dass der hellblaue Fond des Himmels die dunkle Waldpassage von hinten durchleuchtet.
Die vom Schatten des unmittelbaren Bildvordergrundes ins Lichte, vom Lichten erneut ins Verschattete und von dort wieder ins erahnbare Licht führende Licht-Schatten-Abfolge verleiht dem Bild eine stark erzählerische Dimension, die von der zeitlosen Atmosphäre der mittäglichen Stunde getragen wird. Und doch verfließt - dem panta rhei des Baches folgend - die Zeit. Die Blätter des neben dem Stapel abgestorbenen Holzes stehenden zarten Baumes haben bereits eine leichte herbstliche Einfärbung angenommen. Das Changieren des Bildes zwischen Erzählung und Atmosphäre findet sich auch auf der Ebene der künstlerischen Formierung: Die mit der Feder klar konturierte Gegenständlichkeit verschwebt durch den Charakter des Aquarelles ins Diffus-Atmosphärische. Das Bild ist durchlichtet und geheimnisvoll zugleich.
Mit diesem Werk hat Hans Dvorak ein an der plein air Malerei inspiriertes nahsichtiges Landschaftbild geschaffen, dessen intensive Anziehungskraft in der ‚naturalistischen Allegorie‘ wurzelt, wie sie von der Landschaftsmalerei der Romantik begründet worden ist. Damit bewegt sich Dvorak ganz auf der Höhe der im späten 19. Jahrhundert zur letzten Blüte gebrachten, auf die unergründliche Schöpfung bezogenen traditionellen Landschaftsmalerei.