Tauben fliegen auf von Melinda Nadj Abonji - Roman


2010, Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 315 Seiten.  

Privatverkauf. Zustand: Neuwertig. Versand mit Deutsche Post.
Format 12,6 x 3,1 x 19,1 cm
Neupreis: 22 E

Es ist ein schokoladenbrauner Chevrolet mit Schweizer Kennzeichen, mit dem sie zur allgemeinen Überraschung ins Dorf einfahren, und die Dorfstraße ist wirklich nicht gemacht für einen solchen Wagen. Sie, das ist die Familie Kocsis, und das Dorf liegt in der Vojvodina im Norden Serbiens, dort, wo die ungarische Minderheit lebt, zu der auch diese Familie gehört.
Oder, richtiger, gehörte. Denn sie sind vor etlichen Jahren schon ausgewandert in die Schweiz, erst der Vater und dann, sobald es erlaubt war, auch die Mutter mit den beiden Töchtern, Nomi und Ildiko, und Ildiko ist es, die das hier alles erzählt. So auch den Besuch im Dorf, der dann nicht der einzige bleibt, Hochzeiten und Tod rufen sie jedesmal wieder zurück ins Dorf, wo Mamika und all die anderen Verwandten leben, solange sie leben.
Zuhause ist die Familie Kocsis also in der Schweiz, aber es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem, sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben?

Über den Verlust der Heimat

»Wir haben hier noch kein menschliches Schicksal, wir müssen es uns erst noch erarbeiten«, sagt Ildikos Mutter. Längst ist die Familie eingebürgert und betreibt ein Café in bester Seelage. Doch angekommen sind sie nicht, die beiden Töchter Ildiko und Nomi wachsen zwischen zwei Welten auf, sind hin- und hergerissen zwischen der verlorenen Heimat in der Vojvodina und dem Wunsch, Teil der Schweizer Gesellschaft zu sein. Es dauert lange, bis Ildiko erkennt, dass hinter dem Schweizer Idyll knallharte Fremdenfeindlichkeit lauert. Ein höchst zeitgemäßer Text über Emigration und den Preis der Assimilation.





Lesermeinungen    

Wirklich spannende Geschichte über eine Einwanderfamilie ind er Schweiz – vor allem über deren Töchter. Wunderbar geschrieben, interessant, tief und gut beobachtet. Der Wechsel zwischen dem neuem Leben in der Schweiz, das man sich erst erarbeiten muss und den Erinnerungen an die idyllische Kindheit auf dem einfachen Bauernhof der Oma – eine Generation im Aufbruch und Aufwachsen und dem Erobern von eigenen Wegen, überschattet auch vom Balkankrieg in den 90zigern. Es beeindruckt mich auch lange nach dem Fertiglesen noch und ich empfehle es gern weiter.

Ein einfühlsames sprachlich wunderbares Buch welches uns in die Welt der Zuwanderer, ihrer inneren und äußeren Not führt. Die langen für den Leser ungewöhnlich interpunktionslosen Sätze lassen uns den Drang der Erzählerin spüren zu versuchen, ihrem Leben einen eigenen Sinn zu geben. Wie atemlos berichtet sie von der verlorenen Heimat und deren Geborgenheit sowie der Sprachlosigkeit, dem Sarkassmus und Angepasstheit der Eltern und dem Kampf der Familie im neunen Land anzukommem und dazu zugehören. Eine differenzierte feinfühlige Beschreibung einer Schwester- Eltern- Beziehung, dazu die erste Liebe, dies alles eröffnet neue Perspektiven



Biografie

Melinda Nadj Abonji wurde 1968 in Becsej, Vojvodina, geboren. Sie ist Autorin, Musikerin und Textperformerin und lebt in Zürich. Für ihre Arbeit erhielt sie ein Aufenthaltsstipendium am Literarischen Colloquium Berlin und den Hermann-Ganz-Preis 2001. Sie gewann 2010 den Deutschen Buchpreis für "Tauben fliegen auf".