`Donum Fortitudinis / Die Gab der Stärcke´
`Dis Feür thut auch der Seel so grosse Stärcke geben, / Das sie dem Mars
allzeit kann sigreich widerstreben.´
`JGB´

Blatt/ sheet: 23,7 x 15,0 cm
Platte/ plate: 22,5 x 13,8 cm

Die Gabe der Stärke.
Eine weibliche Personifikation der Stärke, bekleidet mit einem Bärenfell
und einem Helm; Keule, Schwert und Schild zu deren Füßen.

Aus der Folge 'Die Sieben Gaben des Hl. Geistes', nach Jesaja (Isaias).

Radierung von Johann Georg Bergmüller (1688-1762), Blatt aus der Folge der
8 (7 Gaben + Titelbaltt) 'Septem Dona Spiritus Sancti' (Die Sieben Gaben
des Hl. Geistes) (LeBlanc 79-86), Augsburg, ohne Datum, um 1730/35.

(Dr. Alois Epple in 'Der Fels', Juli 2015, S. 205) - Manche Gabe, wie die des Verstandes, braucht die
Gabe der Stärke, damit man das ausführt, was man als das Richtige erkannt hat. Durch die Gabe der
Stärke werden Schwierigkeiten und Hindernisse, vor allem aber die Trägheit, überwunden. Die Gabe
der Stärke vollendet sich, nach dem hl. Bonaventura, im Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit.
Die Gabe der Stärke überwindet die Furcht vor Gefahren. Wie wichtig diese Gabe heuteist, zeigt sich
auf Schritt und Tritt. Selbst wenn man Richtiges von Falschem unterscheiden kann, ist man oft zu lax,
um für das Richtige öffentlich einzutreten und um es durchzusetzen. Im erläuternden Bildtext unten
wird der Dualismus zwischen körperlicher u. seelischer Stärke angesprochen. Erstere wird symbolisiert
durch den römischen Kriegsgott Mars, letztere ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Mars wird unten im
Bild symbolisiert durch eine Lanzenfahne, vor der ein mit Federn verzierter Helm liegt. Nach vorn
folgen ein Morgenstern, ein Schwert in einer Scheide mit antikisierendem Ornament und ein Schild.
Auf dem Schild sieht man das Planetenzeichen des Mars, ein Kreis mit einem Pfeil nach oben, welches
heute auch als Männlichkeitszeichen bekannt ist. Auf dem Sockel, auf welchem diese Attribute des Mars
liegen, steht ein Säulenstumpf. Auch dieser ist Symbol für Stärke. Hier allerdings für gebrochene Stärke,
denn diese abgebrochene Säule ist ihrer Funktion, ein Gebälk zu tragen, verlustig gegangen und dient
nun eher als Sitzgelegenheit der Personifikation der seelischen Stärke. Betrachtet man jedoch die Haltung
dieser Personifikation genauer, so erkennt man, dass sie nicht auf dem Säulenstumpf sitzt, sondern sich
nur mit der rechten Hand auf ihm abstützt. Ihre Beinhaltung ist eine tänzerische. Dies erinnert daran, dass
am Fest des Mars die Priesterschaft in Kriegsbekleidung tanzend durch Rom zog. Auch Mars selbst wird
bis in die römische Kaiserzeit oft tanzend dargestellt. Die „Stärke“ trägt einen gegürteten Lederkoller über
einem langen, faltenreich dargestellten Rock. Über ihre Schulter hat sie ein vor der Brust geknotetes
Bärenfell geworfen. An ihren Füßen trägt sie Schnürsandalen, auf ihrem Kopf einen Helm mit Federbüschen.
Ganz unmartialisch, tänzerisch, in pseudoantiker Kleidung zeigt sich also die „Stärke“. Hierzu passt auch,
dass sie in ihrer linken Hand locker ein korinthisches Kapitell hält. Dies muss ihr nicht schwer fallen, denn
sie streckt sogar noch den kleinen Finger weg. Die Personifikation befindet sich in einer Halle. Auf beiden
Seiten öffnet sich im Hintergrund ein Blick ins Freie, auf ziehende geballte Wolken. Dachte der Entwerfer
dieses Stiches hier an den Ort, vielleicht eine Halle, wo die Apostel zusammen waren, als plötzlich vom
Himmel her ein Brausen, gleich dem eines daher fahrenden heftigen Windes das ganze Haus erfüllte?
(Apg 2,1-2) Das Bild wird durch zwei Kompositionsrichtungen bestimmt: Die eine ist die Senkrechte.
Zu ihr gehören der seitliche Rahmen des Rundbogenfensters im Hintergrund und die Mittelsenkrechte,
die vom Säulenstumpf ausgeht, über den Oberkörper der Personifikation verläuft und im Hintergrund-
pfeiler mit Rustikaquadern endet. Die anderen Linien verlaufen von rechts unten nach links oben. In diese
Richtung ordnen sich die Fahnenstange, der Oberkörper mit Hals und Kopf der Personifikation und die
mächtige Vorhangdraperie vor dem Hintergrundgemäuer ein. Dieser Riesenvorhang ist unrealistisch und
artifiziell. Er kontrastiert zur ebenen Hintergrundwand, unterbricht die oben beschriebene Mittelsenkrechte
und schafft so Spannung. Er zeigt sich auch als Vergrößerung des Faltenwurfes des Rocks der Personifikation.

(Dr. Alois Epple in 'Der Fels', April 2 015, S. 118).....schwach erkennbar, eine Art von Hieroglyphen.
Barockmaler erfanden, zwar nicht häufig, aber doch immer wieder, solche Geheimschriften. Man kann
diese Schrift entziffern, indem man sie von rechts nach links liest und jedem gleichen Fantasiezeichen
einen gleichen Buchstaben unseres Alphabets zuordnet. So steht hier („Donum Fortitudinis“).


Referenz:
- LeBlanc, Bd. 1, (1854), S. 287, aus Nr. 79 - 86;
- Friedlmaier (1998), D 347, aus D 343 - D 350;
- A. Epple, Augsburger Kupferstiche: aus der Sammlung von Alois Epple,
1. Teil, (2018), S. 121, Nr. 123 (mit Abb.), aus Nr. 118-125.;
- Alois Epple in 'Der Fels', Juli 2015, S. 205;
- s.a. Alois Epple in 'Der Fels', März 2015, S. 75;
- A. Epple (Hrsg.), Materialien zur Bergmüller-Forschung, Heft 14,
(2015), (S. 2), die Geheimschrift in der Stichserie;
- Herzog Anton Ulrich-Museum, Nr. 'JGBergmüller AB 3.4'.

Ein ganz ausgezeichneter und feinzeichnender Abdruck auf Bütten mit
schmalem Rand um die Plattenkante. Das Blatt angestaubt und vor allem
im weißen Rand u. im Titelfeld stärker fleckig. Das Blatt minimal knittrig,
sonst schön erhalten.
Photos s.u. sowie li. oben (HR).

 

 

 

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