`Donum Sapientiae / Die Gab der Weisheit´
`Die wahre Weisheit lehrt der Heilig Geist allein, drumb Phoebe ziech
zurück dein falschen Weisheit=Schein.´
`JGB´

Blatt/ sheet size: 31,6 x 19,2 cm
Platte/ plate size: 22,6 x 13,7 cm

Die Gabe der Weisheit.
Eine weibliche Personifikation der Weisheit, mit einem Buch (Bibel?) und
der Fackel des Lichts (Weisheit).

Aus der Folge 'Die Sieben Gaben des Hl. Geistes', nach Jesaja (Isaias).

Radierung von Johann Georg Bergmüller (1688-1762), Blatt (1) aus der Folge
der 8 (7 Gaben + Titelbaltt) 'Septem Dona Spiritus Sancti' (Die Sieben Gaben
des Hl. Geistes) (LeBlanc 79-86), Augsburg, ohne Datum, um 1730/35.

(Dr. Alois Epple in 'Der Fels', April 2015, S. 118) - ....Die personifizierte Weisheit ist eine Frau, die auf
einem Sockel steht. Sie stemmt ein aufgeschlagenes Buch in ihre Hüfte. Da nicht in jedem Buch Weises
steht, könnte hier die Bibel, oder spezieller das ‚Buch der Weisheit‘ gemeint sein. Möglich wäre auch,
bei diesem Buch an Thomas von Aquins ‚Summa theologica‘ oder ‚Summa contra gentiles‘ zu denken.
Diese Vermutung gründet sich auf zwei Beobachtungen: Einmal hat die Weisheit ein Sonnenmedaillon
um ihren Hals hängen. Die Sonne ist jedoch nicht nur Symbol der Weisheit, sondern auch Attribut des
hl. Thomas von Aquin. Zweitens hat der Aquinat versucht, christliche Theologie u. griech. Philosophie zu
verbinden. Er arbeitet in seiner Gotteslehre die Bedeutung der Offenbarung heraus, die für philosophische
Überlegungen allein unerreichbar bleibt. Und genau dies erwähnt der Text unten in diesem Stich. In ihrer
rechten Hand hält die Personifikation der Weisheit eine brennende Fackel, welche leuchtet wie die Weisheit.
Verstärkt wird dieses Leuchten durch die Sonne, welche direkt hinter der Fackel strahlt. Um die Fackel
windet sich eine geflügelte Schlange. Zuerst denkt man hier an Mt 10, 16: Seid daher klug wie die
Schlangen. Die Schlange war aber auch bei den Griechen Symbol der Weisheit. Unterlegt man ihr diese
Bedeutung und bedenkt den Text unten, so wird auch ihr Zurückfauchen vor dem Fackelschein, welcher
die Weisheit des Hl. Geistes symbolisiert, verständlich. Rechts hinter der Weisheit ragt ein Sockel auf,
welcher von einem Pinienzapfen o. einer Zirbelnuss bekrönt ist. Der parallele Verlauf dieses Mauerwerkes
und der Personifikation gibt der Gestalt der Weisheit Gewicht und Halt. So eine Zirbelnuss kommt im
Augsburger Stadtwappen vor. Wollte der Maler damit anbiedernd oder ironisch andeuten, dass sich die
Stadt Augsburg für den Sitz der Weisheit hält? Im Hintergrund links liegt eine Sphinx auf einer Mauer.
Diese galt bei den Ägyptern als Symbol der Weisheit. Phlegmatisch liegt die Sphinx da und blickt, fast
etwas neidisch, aber gelangweilt, zur Weisheit auf. Sie hat verstanden, was wirkliche Weisheit ist.Mit der
im Text erwähnte Phoebe kann die Großmutter des Apollon und Inhaberin des Orakels von Delphi gemeint
sein. Hier ist jedoch daran zu denken, dass Phoebos auch ein Beiname von Apollon ist u. „der Leuchtende“
heißt. Auf Apollon spielt auch die Lyra und der Bogen mit gerissener Sehne an, auf welche die Weisheit tritt,
war er doch der Gott der Bogenschützen und der Musik. Auch das kreisrunde Planetenzeichen der Sonne im
Wappenschild ganz unten am Sockel weist auf Apollon hin, den griechischen Sonnengott. Es ist eine
altbewährte Bildformel, dass man Unterlegenes und Besiegtes, zu Füßen des Siegreichen zeigt. Hier ist dies
der Irrglaube an die Weisheit des Apollon, des Orakels und an den Einfluss der Planeten auf das Menschen-
schicksal. All dies ist falscher Weisheitsschein. Im Sockelfeld, auf dem die Sphinx liegt, sieht man, nur
schwach erkennbar, eine Art von Hieroglyphen. Barockmaler erfanden, zwar nicht häufig, aber doch immer
wieder, solche Geheimschriften. Man kann diese Schrift entziffern, indem man sie von rechts nach links liest
und jedem gleichen Fantasiezeichen einen gleichen Buchstaben unseres Alphabets zuordnet. So steht in
diesem Stich hier „Donum Sapientiae“.


Referenz:
- LeBlanc, Bd. 1, (1854), S. 287, Nr. 80, aus Nr. 79 - 86;
- Friedlmaier (1998), D 344, aus D 343 - D 350;
- A. Epple, Augsburger Kupferstiche: aus der Sammlung von Alois Epple,
1. Teil, (2018), S. 120, Nr. 120 (mit Abb.), aus Nr. 118-125.;
- Alois Epple in 'Der Fels', April 2015, S. 118;
- s.a. Alois Epple in 'Der Fels', März 2015, S. 75;
- A. Epple (Hrsg.), Materialien zur Bergmüller-Forschung, Heft 14,
(2015), (S. 2), die Geheimschrift in der Stichserie;
- Herzog Anton Ulrich-Museum, Nr. 'JGBergmüller AB 3.7'.

Ein ganz ausgezeichneter und feinzeichnender Abdruck auf Bütten mit
schönem Rand um die Plattenkante. Das Blatt angestaubt und vor allem
im weißen Rand stärker fleckig bzw. fingerfleckig (Druckerschwärze).
Die Darstellung nur rechts außen betroffen, sonst schön erhalten.
Bindungslöchlein oben im weißen Rand.
Photos s.u. sowie li. oben (HR).

 

 

 

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