Vorphila-Brief des Ober-Collegiums Medicum, der obersten Gesundheitsbehörde in Preußen

 

Schreiben an den "ehemaligen Pollnischen Regiments-Chirurgo Hildebrand zu Czenstochau" (=Tschenstochau in Schlesien). Betrifft die Anforderung einer Probearbeit ("themata medico legalia"), die zur Übertragung eines Physikats in Südpreußen benötigt wird. Signiert vom Direktor Johann Daniel Scheibler (1745-1812), der 1798 geadelt wurde.

 

Berlin 1797

 

Deutsche Handschrift auf Papier, datiert Berlin, den 2. Oktober 1797. -- Folio-Brief auf Stempelpapier; mit großem papiergedecktem Siegel über dem Adressfeld; dieses mit handschriftlichem Taxvermerk "10".

 

Zustand: Papier gebräunt und fleckig, mit Einrissen und Randschäden.

 

Johann Daniel Scheibler (ab 1798: von Scheibler), geb. 1745 in Stargard als Sohn des Stadtphysicus Johann Friedrich Scheibler (1718-1784), gest. 1812 in Berlin, war Geheimer Oberjustiz- und Tribunalrat sowie Direktor des Ober-Collegiums Medicum. Er war ein Bruder des  Küstriner Regierungspräsidenten Johann Friedrich von Scheibler (1750-1810). -- Über das "Collegium medicum" in Berlin (Quelle: wikipedia): Als oberste Gesundheitsbehörde schuf man 1685 in Berlin das "Collegium medicum", der erste Dekan war Martin Weise. Mit der im Jahre 1700 gegründeten "Societät der Wissenschaften" erhielt Preußen außerdem 1713 in der Hauptstadt ein Theatrum anatomicum. Aus dem Collegium medicum ging im Jahre 1723/24, unter dem Akademiepräsidenten Jacob Paul von Gundling, das von Friedrich Wilhelm I. gegründete Collegium medico-chirurgicum hervor, welches als Lehrinstitut mit dem Theatrum anatomicum verbunden wurde. Zur chirurgischen Ausbildung sämtlicher Medizinalberufe wurde 1723 ein Anatomieprofessor bestellt. In Preußen standen neben den akademisch ausgebildeten Ärzten und Apothekern die in Zünften organisierten Bader und Barbiere, wie das gesamte Heilpersonal, unter der Aufsicht des Collegium medicum, welches im Jahre 1725 zum "Ober-Collegium medicum" an der Charité umgestaltet wurde. Zudem wurden ab dem Jahre 1724 "Provinzialkollegien" eingerichtet. Das Oberkolleg bestand aus einem Staatsminister als Vorsitzenden, den Leib- und Hofärzten, dem Physikus, den ältesten Praktikern in Berlin, dem Leib- und Generalchirurg, Hofapotheker sowie drei Chirurgen mit zwei Apothekern als Assessoren. Das Medizinaledikt vom 27. September 1725 ordnete in Preußen an, dass die Barbiere und Bader sich in der Praxis eines "Gottwohlgefälligen, nüchternen und eingezogenen mäßigen Lebens befleissigen sollten, damit sie jederzeit bei begebenden Fällen tüchtig sein mögen, ihren Nächsten mit ihrer Kunst und Wissenschaft zuträglich und mit Verstande, es sei bei Tag oder Nacht, dienen - auch in vorkommender Pest und Sterbenszeiten, da Gott vor sei, wenn sie beordert werden, in die Lazareten zu gehen." Die Preußische Armee hatte als Feldschere Bader und Wundärzte, die eine abgeschlossene Lehre vorzuweisen hatten. Vermutlich erfüllten jedoch in der vorangegangenen Vergangenheit nicht alle Feldschere diese Mindestvoraussetzungen. Auch die Ausrüstung der Feldschere galt als völlig unzureichend. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts setzte Preußen deswegen einen Generalchirurgen ein, dem alle Feldschere unterstellt waren, womit sich vieles verbesserte; vor allem wurden sie jetzt einheitlich ausgebildet. Der erste Generalchirurg war Ernst Konrad Holtzendorff (1688-1751), durch den die Versorgung der Verwundeten entscheidend verbessert wurde. Zur besseren Aus- und Weiterbildung der Armeefeldschere mitbegründete Holtzendorff die chirurgische Ausbildung am "Collegium medico-chirurgicum" und wandelte als Ausbildungsstätte ein Pesthospiz in ein Armeehospital unter dem Namen "Charité" in Berlin um, das später allen Bürgern geöffnet wurde. Präsident des "Ober-Collegium medicum" wurde 1724 der Professor Georg Ernst Stahl, der Leibarzt König Friedrich Wilhelms I. In Preußen konnte fortan ein Chirurg nur dann approbiert werden, wenn er einen Lehrbrief vorgelegt und mindestens sieben Jahre bei einem Meister, auch als Feldscher bei der Truppe, gedient hatte und nach einem Operationskurs von dem "Ober-Collegium Medicum" geprüft worden war. Am 13. Dezember 1809 wurde das Collegium medico-chirurgicum infolge der Gründung der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität aufgelöst und die Bücherei von der weiteren schon 1795 gegründeten militärärztlich-chirurgischen Ausbildungsstätte Pépinière übernommen, selbst wenn 1810 bis zur Aufnahme des Lehrbetriebs der Universität noch vereinzelte Lehrveranstaltungen stattfanden.