Zweihundert Jahre zusammen - Die russisch-jüdische Geschichte 1795-1916. 

Band 1.

Von Alexander Solschenizyn

""Ich bin aufrichtig bemüht, beide Seiten zu verstehen. Deshalb tauche ich in die Ereignisse ein, nicht in eine Polemik." Diesem Credo einer ausgewogenen Betrachtungsweise folgend, widmet sich Alexander Solschenizyn in vorliegendem Buch der Geschichte der 'jüdischen Frage' in Russland. Er greift damit ein Thema auf, das ihm durch seine jahrzehntelange literarische Auseinandersetzung mit der Geschichte der russischen Revolution begleitete und im Romanszyklus 'Das rote Rad' (1971-1987) seinen Niederschlag fand. Mit der 'Russisch-jüdischen Geschichte' legt der Autor nun erstmals eine historische Dokumentation vor. Durch die Teilung Polens (1772, 1793, 1795) kamen große Teile der ostjüdischen Bevölkerung zu Russland, die sich zu einem 'unaufhörlich wachsenden und eigenwilligen Organismus im Körper des Russischen Reiches' entwickelten und zu einem unlösbaren Problem zu werden drohten. Betrug ihre Zahl zunächst etwa eine Million, hatte sie sich Ende des 19. Jahrhunderts mehr als verfünffacht: Das russische Judentum machte nun über 50 Prozent der jüdischen Weltbevölkerung aus. Der Autor schildert in vorliegender Publikation das wechselvolle Zusammenleben von Russen und Juden innerhalb eines Staates. Wir erfahren über den Alltag im sog. Ansiedlungsrayon und die allmähliche Befreiung der Juden aus dessen wirtschaftlichen und kulturellen Grenzen, und auch über die Abhängigkeit der russischen - bis 1861 leibeigenen - Bauern von den jüdischen Händlern. Ausführlich wird auf die fehlgeschlagene Kolonisierung Neurusslands als Maßnahme zur 'Umgestaltung der jüdischen Lebensweise in Russland' eingegangen, für die im Laufe der Zeit zehn hochrangig besetzte 'Jüdische Komitees' von der zaristischen Regierung gebildet wurden. Die Arbeit dieser Komitees schlug sich nieder in einem Reigen von Unterdrückungen - wie Umsiedlungen, Rekrutenpflicht, Numerus clausus -, aber auch deren Lockerungen, und führte schließlich, insbesondere nach den Progromwellen ab den 1880er-Jahren, zum radikal-revolutionären Kampf um Gleichberechtigung vor allem unter der russisch-jüdischen Jugend. Erst Ministerpräsident Pjotr Stolypin setzte nach der Revolution von 1905 für die Entwicklung des nun parlamentarisch-autokratischen Staates wichtige Veränderungen durch, die auch die Gleichstellung der jüdischen Bürger vorsahen. Doch gerade er fiel 1911 einem politischen Attentat zum Opfer - verübt von dem Kiewer Juden Bogrow. Um dem Vorwurf des Antisemitismus zu entgehen, suchte man bei den Ermittlungen die Herkunft des Attentäters zu verschweigen. Mit Stolypin, so die Meinung des Autors, hätte Russland das Ende der Monarchie und die Katastrophe des Umsturzes vielleicht abwenden können. Der Erste Weltkrieg stellte das russisch-jüdische Zusammenleben vor eine neuerliche Zerreißprobe. Es begannen Aussiedlungsaktionen aus den frontnahen Gebieten im Westen. Obwohl sich die russische Intelligenzija mit der jüdischen Bevölkerung solidarisierte, stempelte man diese als Feinde des Vaterlandes ab und erklärte alle Integrationsversuche für gescheitert. Zur Gleichberechtigung schien für die Juden jetzt nur noch ein Weg zu führen: Die Revolution. In seinem neuesten Werk, dessen erster Band - für den Zeitraum 1795 bis 1916 - nun auch in deutscher Sprache vorliegt, löst der Nobelpreisträger wiederum das Prinzip ein, mit dem er sich einst dem totalitären Sowjetstaat entgegenstellte: 'Nicht nach der Lüge leben!'"

gebundene Ausgabe ohne Schutzumschlag, Herbig Verlag 2002, 560 Seiten

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