Hochbarock 1 Liter Steinzeug Schenkkrug Krug Kanne Majolika- & Ofenfabrik Johann Glatz Villingen-Schwenningen ~1900

Schöner dickwandig massiver alter 1-Liter Schenkkrug, hellbeiger Feinsteinzeug-Scherben, waagerechte Profil-Bänder, vegetabiler teils reliefierter Dekor mit Blüten-, Girlanden- und Gittermuster unter polychromer Glasur im Hoch-Barock Stil. Umlaufender Text "Prüfe das Neue und Alte, das Beste behalte 1583". Henkel mit Blattornament graviert und glasurbemalt. Hergestellt von Johann Glatz in Villingen (Baden) um 1900. Der Boden gepresst schlecht lesbar bezeichnet "Villingen" und "J. Glatz". Höhe 18,5 cm, Durchmesser am Boden 9 cm und an der breitesten Stelle (ohne den Henkel gemessen) 15 cm. Guter  gebrauchter originaler Zustand mit Glasur-Chips, ohne Haarlinie, ohne Restaurierung. Das letzte Foto zeigt Glatz Exponate,  die 2009 bei der Ausstellung im Franziskanermuseum in Villingen zu sehen waren.

International Bidders very welcome: Vintage Johann Glatz 1Liter serving jug/pitcher.

Die Majolikafabrik und Kunst-Töpferei von Johann Evangelist Glatz befand sich in Villingen, Baden (heute Villingen-Schwenningen, Baden-Württemberg) in der Mönchweilerstraße 1.  Glatz produzierte Steingut Luxusgüter aller Art, Töpferwaren wie Krüge, Kannen, Vasen, Jardinieren, Altdeutsche Renaissance Ausstellungsstücke, hochwertige alte deutsche und jugenstilmoderne Steingut Kachelöfen, Öfen, Herde und Baukeramik. Mit 24 Jahren begann Johann Glatz nach seiner Ausbildung als Hafergeselle 1870 die Fertigung von Hafnerwaren und Majolika im Schwarzwald und spezialisierte sich auf die Herstellung von „gemaltem Majolika Tongeschirr“. Bereits 1876 begann er eine intensive Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern. Ab diesem Jahr arbeitete der Kunsthafner Glatz mit dem Karlsruher Ingenieur Franz Keller-Leuzinger zusammen, der für ihn eine Reihe von Prunkgefäßen im orientalischen oder auch Neorenaissance-Stil entwarf. Ab 1882 lieferte dann auch die Karlsruher Kunstgewerbeschule Entwürfe im historischen Stil. Mit Elisabeth Schmidt-Pecht und Käthe Roman-Försterling prägten auch Einflüsse des Jugendstils die Produkte von Johann Glatz. Die Zusammenarbeit mit der Kunstschule entstand aus der Beharrlichkeit, mit der Johann Glatz dem badischen Großherzog Friedrich I. immer wieder unaufgefordert Keramik-Beweise seiner Kunstfertigkeit schickte, die dieser auch anstandslos bezahlte. Die jeweiligen Landesherren wie auch Großherzog Friedrich I., die nach der 1871 vollzogenen Reichseinigung ihre Souveränität verloren hatten, entdeckten die Förderung des heimischen Handwerks als willkommenes Betätigungsfeld, woraus 1878 auch die Gründung der Karlsruher Kunstgewerbeschule durch den Großherzog resultierte. Schon 1893 beschickte Glatz eine Kunsthandwerk-Ausstellung in Chicago mit seinen Waren und wurde auch auf dem internationalen Markt mit Auszeichnungen geehrt. Die Werkstatt des Töpfermeisters Glatz zählte um 1900 zu den bedeutendsten Werkstätten.1905 erbaute Glatz ein Geschäfts- und Wohnhaus in Villingen und beschäftigte bis zu seinem Tod im Jahre 1915 um zehn Personen, die ihm bei der Keramik-Herstellung halfen. 1916 wurde ein großer Teil der Kunsttöpferei aus dem Majolika Bereich liquidiert und Modelle der Kunstkeramik von Professor Keller-Leuzinger in die Schweiz verbracht. 

Das Villinger Franziskanermuseum zeigte 2009 in der Ausstellungsreihe „Der Oberrhein um 1900“ mit einer Ausstellung in den historischen Räumen des Alten Rathauses in Villingen Exponate des Villinger Kunsthafners Johann Glatz. Zu dieser gehörte natürlich auch der außerordenliche Prunkofen im Alten Rathaus, der eine Glatz Kopie des im 16. Jahrhundert vom berühmten Kunsthafner Hans Kraut geschaffenen Originals ist. Nachdem dieser Kachelofen als reines Funktionsobjekt angesehen war und achtlos entsorgt wurde, beauftragte man Johann Glatz 1894 damit, den geschichtsträchtigen Ofen, in Aufbau und Stil dem Original entsprechend, erneut herzustellen. Lediglich die Darstellungen auf den Kacheln, die in Bildern historische Ereignisse aus der Villinger Geschichte wiedergeben, weichen vom Original ab. Eine solche Auftragsarbeit war aber nicht die Norm im Wirken von Johann Glatz.