Der Kaiser besichtigt in Potsdam die Verstärkung der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, 15. Juni 1894.
Vereidigung von zwei Kompanien zu je 120 Mann von Kaiser Wilhelm II am Neuen Palais in Potsdam.
Originale, farbige Offset – Lithographie, um 1906.
Nach einer Originalgemälde von Carl Becker.
In der Platte signiert.
Größe 250 x 355 mm.
Mit mittiger, vertikaler Bugfalte.
Mit minimalen Alterungs- und Gebrauchsspuren, sonst sehr guter Zustand.
Hervorragende Bildqualität auf Kunstdruckpapier – extrem selten!!!
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Zu Rückgabe und AGB bitte mich-Seite beachten. Die dort hinterlegten Informationen sind verbindlicher Bestandteil dieses Angebots/dieser Artikelbeschreibung!1894, 19. Jahrhundert, Adel, Afrika, Aristokratie, Armee, Bajonett, Brandenburg, D-14469 Potsdam, Degen, Deutsche Geschichte, Deutsche Kolonialpolitik, Deutsche Kolonien, Deutsche Schutzgebiete, Deutsches Kaiserreich, Deutsches Reich, Deutsch-Südwestafrika, DSWA, Ehrenzeichen, Gewehre, Heer, Heerführer, Heerwesen, Hochadel, Hohenzollern, Inspektion, Kaiser Wilhelm II, Kaiserliche Schutztruppe, Kaiserzeit, Karabiner, Kolonialgeschichte, Kolonialismus, Kolonialkämpfe, Kolonialkrieg, Kolonialpolitik, Kolonialtruppe, Kolonialtruppen, Kolonialwesen, Kolonialzeit, Kolonien, Kriegsauszeichnungen, Landeskunde, Militär, Militaria, Militärmaler, Monarchie, Namibia, Neues Palais, Orden, Ortskunde, Patriotismus, Pickelhaube, Portepee, Potsdam, Preußen, Säbel, Sanssouci, Schutz- und Überseetruppen, Schützenschnur, Schutzgebiete, Schutztruppe, Schutztruppler, Soldaten, Topographie, Tropenuniform, Truppe, Uniform, Uniformen, Uniformkunde, Vaterland, Waffen, Wilhelminisches Zeitalter, Zeitgeschehen, Zeitgeschichte, Corduroy Uniform, Cord Uniform, Südwester, Marine-Infanterie, Marineinfanterie Carl Becker, bedeutender deutscher Militär- und Historienmaler, Buchillustrator und Postkartenzeichner. Geboren am 29. Januar 1862 in Karlsruhe, gestorben zwischen 1922 und 1934. Studium in Karlsruhe. Leben und Wirken Zur Eröffnung des Karlsruher Panoramas am 31. Oktober 1894 wurde ein speziell für Karlsruhe von Carl Becker unter Mithilfe der Landschaftsmaler Kehr und Kallmorgen erstelltes Schlachtengemälde des Gefechts bei Nuits am 18. Dezember 1870 im deutsch-französischen Krieg 1870/71 gezeigt. Becker starb 1922 in der Reichshauptstadt Berlin, nach anderen Angaben „vor 1935“ (1934?) in Gengenbach bei Offenburg. Becker ist vor allem als Militärmaler bekannt. Werke (Auswahl): Oberst im 1. Badischen Leib-Grenadier-Regiment Nr. 109 in Paradeanzug (Aquarell) ein Major der Leibdragoner im Dienstanzug zu Pferd (Aquarell) Postkartenmotiv Leibgrenadier Dragoner des 2. Badischen Dragoner-Regiments Nr. 21 im Paradeanzug zu Pferd (Aquarell) Unteroffizier im Badischen Fußartillerie-Regiment Nr. 14, feldmarschmäßig (Aquarell) preußischer Oberstabsarzt im Dienstanzug, mit Rotkreuz-Armbinde (Aquarell) Ludwig Gustav Adolf von Estorff (* 24. Dezember 1859 in Hannover; † 5. Oktober 1943 in Uelzen) war ein deutscher Offizier, zuletzt General der Infanterie sowie von 1907 bis 1911 Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika und Divisions-Kommandeur in Ersten Weltkrieg. Leben Ludwig entstammte einem alten Adelsgeschlecht und war das zweite Kind des späteren Generalmajors Eggert Ludwig von Estorff (1831–1903) und dessen Ehefrau Julie Bernhardine, geborene von Witzendorff (1836–1902). Estoff besuchte die Selekta der Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde bei Berlin und begann Anfang 1878 seine Offizierslaufbahn im Infanterie-Regiment „Graf Bose“ (1. Thüringisches) Nr. 31. Dort erfolgte am 13. Dezember 1887 seine Beförderung zum Premierleutnant. Ab 1. Oktober wurde er zur Preußischen Kriegsakademie kommandiert. Dort verblieb er bis zu seiner Versetzung in den Großen Generalstab am 29. März 1892. Gleichzeitig übernahm er am 14. September 1893 als Hauptmann (seit 14. September) und Chef eine Kompanie in seinem Stammregiment, ehe er am 17. Oktober desselben Jahres von seinem Kommando im Großen Generalstab entbunden wurde. Am 31. Mai 1894 erfolgte seine Versetzung zur Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika. Dort wurde er ab 4. Juni 1894 bis 9. Juli 1899 als Kompaniechef eingesetzt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kam er ab 13. September 1899 zunächst wieder in den Großen Generalstab, wurde dort am 27. Januar 1900 zum Major befördert und am 18. April desselben Jahres zum Oberkommando der Kolonialschutztruppe versetzt. Von dort kam er am 9. Juni 1900 zunächst zur Schutztruppe nach Deutsch-Ostafrika und am 12. März 1901 nach Deutsch-Südwestafrika. Man beauftragte Ihn am 6. Februar 1902 mit der Stellvertretung des Kommandeurs der dortigen Schutztruppe. Am 25. Juni 1904 erfolgte seine Ernennung zum Bataillons-Kommandeur im 1. Feld-Regiment. Als solcher nahm er im August 1904 an der Schlacht am Waterberg teil. Im Krieg gegen die Herero führte Estorff eine der drei Hauptabteilungen der Schutztruppe, die Westabteilung, zu der die 2. und 4. Feldkompanie, eine Kompanie des Seebataillons sowie einige Geschütze verschiedenen Kalibers gehörten. Ihr Ziel war die Befriedung des Distrikts Omaruru. Er wurde von Lothar von Trotha angewiesen, die Herero in der fast wasserlosen Omaheke-Wüste, den Flüchtenden nachzusetzen und sie „.. immer wieder von event. dort gefundenen Wasserstellen zu verjagen ...“. Eine Praxis, die viele Tausende Herero das Leben kostete. [2] Von Estorff berichtete später von diesem Einsatz: „Die Herero flohen nun weiter vor uns in das Sandfeld. Immer wiederholte sich das schreckliche Schauspiel. Mit fieberhafter Eile hatten die Männer daran gearbeitet, Brunnen zu erschliessen, aber das Wasser ward immer spärlicher, die Wasserstellen seltener. Sie flohen von einer zur andern und verloren fast alles Vieh und sehr viele Menschen. Das Volk schrumpfte auf spärliche Reste zusammen ...“ Dieser Taktik rühmte sich noch 1907 der Generalstab in seinem Bericht: „... wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich willenlos ein Opfer der Natur des eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Hererovolkes.“ Am 4. Januar 1906 wurde er Kommandeur des 2. Feld-Regiments und am 10. April desselben Jahres zum Oberstleutnant befördert. Ein Jahr später erfolgte am 1. April 1907 seine Ernennung zum Kommandeur der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika. Gleichzeitig wurde er Mitglied einer Kommission, die im Reichskolonialamt die bei der Entsendung von Verstärkungen für die Schutztruppe gesammelten Erfahrungen beraten sollten. Estorff wurde am 20. April 1909 zum Oberst befördert und Anfang 1911 wieder nach Deutschland zurückbeordert. Hier übernahm er am 20. März 1911 als Kommandeur zunächst das Braunschweigische Infanterie-Regiment Nr. 92 und am 1. Oktober 1912 unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalmajor die 68. Infanterie-Brigade in Metz. Mit seiner Einheit war er bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs an der Westfront im Einsatz und wurde dort am 1. September schwer verwundet. Nach Lazarettaufenthalt und Genesung übernahm er am 11. Mai 1915 als Kommandeur die 103. Infanterie-Division. Seine Truppen beteiligten sich im Herbst 1915 im Verband des X. Reserve-Korps am Feldzug gegen Serbien und wurden im Mai 1916 auch in der Schlacht von Verdun eingesetzt. Am 6. Juni 1916 erfolgte seine Beförderung zum Generalleutnant und am 7. November 1916 wurde er mit dem Kommando über die 42. Infanterie-Division betraut. Estorff erhielt am 6. September 1917 für seine militärischen Verdienste den Pour le mérite verliehen. Im Rahmen der Operation Albion, der Besetzung der baltischen Inseln Ösel, Dagö und Moon, nahm er mit seinem Verband an den Kampfhandlungen teil. Seit 17. Dezember 1918 war er stellvertretender Befehlshaber der 8. Armee und der deutschen Truppen im Baltikum. Am 5. Februar 1919 wurde er zum Gouverneur von Königsberg ernannt und kurz darauf am 25. Februar 1919 mit der Führung des I. Armee-Korps beauftragt. Ab 1. Oktober 1919 folgte seine Übernahme in die Vorläufige Reichswehr und hier übernahm er die Führung über das Gruppenkommando 3, sowie zeitgleich das Wehrkreis-Kommando I und als Kommandeur die Reichswehr-Brigade 1. Am 8. April 1920 wurde er im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch zur Disposition gestellt. Eine weitere Verwendung fand nicht mehr statt. Am 27. August 1939 erhielt Estorff den Charakter als General der Infanterie verliehen und eine Kaserne auf dem Stiftberg in Herford wurde nach ihm benannt. Curt Karl Bruno von François (* 2. Oktober 1852 in Luxemburg; † 28. Dezember 1931 in Königs Wusterhausen) war Offizier der deutschen Schutztruppe in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Curt von François gründete am 18. Oktober 1890 die namibische Hauptstadt Windhoek (Windhuk). Werdegang und Leben Kindheit und Ausbildung Curt von François war Sohn des preußischen Generals Bruno von François. Die Familie war hugenottischen Ursprungs. Er besuchte das Kadettenhaus in Wahlstatt sowie die Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde bei Berlin und machte den Deutsch-Französischen Krieg mit. Sein Vater fiel in diesem Krieg 1870 bei der Erstürmung der Spicherer Höhen. 1883 beteiligte Curt von François sich an der Kassai-Expedition Hermann von Wissmann und unternahm 1885 mit George Grenfell eine Forschungsreise zum Tschuapa und Lulongo. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er in den Großen Generalstab berufen und zum Hauptmann befördert. Seit 1887 wurde er als Vermessungs- und Forschungsoffizier in den deutschen Kolonien Togo und Kamerun eingesetzt. 1887 ging François im Auftrag des Auswärtigen Amtes nach Togo und reiste über Salaga hinaus nach Norden in das Land der Mossi bis zum 12. Breitengrad. Südwestafrika 1890-1892 In Togo erreichte ihn 1889 die Anfrage, ob er bereit wäre, im Auftrage der Deutschen Kolonialgesellschaft in Deutsch-Südwestafrika eine Schutztruppe zur Absicherung der deutschen Interessen aufzubauen und zu leiten. Zwischen Oktober 1888 und Juli 1889 war es zu einer Vertreibung des deutschen Kommissariates und einer Unterbrechung der Hoheitsausübung in Okahandja gekommen. Er nahm dieses Angebot an und begab sich nach Teneriffa, wo er Angang Juni 1889 auf die dort angelandete, unter Führung seines jüngeren Bruders Hugo von François stehende Schutztruppe traf. Sie bestand aus 21 Soldaten, acht Aktiven aus der Kaiserlichen Armee und 13 Freiwilligen. François übernahm diese Truppe und landete mit ihr am 24. Juni 1889 in dem unter britischer Hoheit stehenden Hafen von Walvis Bay. Von dort führte Hauptmann von François seine Soldaten in Fußmärschen nach Otjimbingwe und richtete hier am 8. Juli 1889 sein Hauptquartier ein. Otjimbingwe war seinerzeit der Sitz des ersten Reichskommissars von Deutsch-Südwestafrika, Ernst Heinrich Göring. Als erste militärische Maßnahme ließ François im August 1889 am Swakop in der Nähe von Tsaobis eine befestigte Station (die sogenannte „Wilhelmsfeste“) zur Kontrolle des dortigen Handelswegs errichten. Sodann begab er sich mit seiner Schutztruppe, ohne Zustimmung des Kommissars, zu einer fast zweijährigen Erkundungstour durch den Osten und Norden des noch weitgehend unerforschten Landes. Nach seiner Rückkehr 1890 fand er nicht nur die angeforderten 50 Mann Verstärkung in Otjimbingwe vor, sondern auch einen bereits abberufenen und daher im Aufbruch befindlichen Göring. Als sein Nachfolger übernahm François auch dessen Aufgabe. In der Position des Reichskommissar erneuerte er im Mai 1890 den bereits im Oktober 1885 geschlossenen, aber kurz danach widerrufenen Schutzvertrag mit Maharero, dem Oberhäuptling der Herero, und erreichte bei dieser Gelegenheit auch dessen Zustimmung, sich in der zur Zeit unbewohnten Siedlung Windhoek niederlassen und eine befestigte Station errichten zu dürfen. Samuel Maharero, der Sohn und Nachfolger des kurz nach dem Vertragsschluss verstorbenen Maharero, versuchte zwar, diesen Vertrag erneut für nichtig zu erklären, scheiterte damit jedoch an dem energischen Beharren des neuen Landeshauptmanns François. Am 18. Oktober 1890 wurde der Grundstein für die „Alte Feste“ und damit für die Stadt Windhoek gelegt. Zwar hatte Windhoek schon unter Jonker Afrikaner (ǀHara-mûb oder ǀHôa-ǀaramab) seit 1840 mit einer durchaus beachtlichen Einwohnerzahl von rund 30.000 Bewohnern bestanden, war aber danach mehrfach überfallen und zerstört worden und hatte als Ort aufgehört zu existieren. Ein heute noch in Windhoek stehendes Denkmal von Curt von François erinnert an dieses Ereignis. Von 1890 bis 1892 widmete sich François zusammen mit seinem Bruder Hugo vor allem der kartographischen Erfassung des Landes. Nach Fertigstellung der „Alten Feste“ 1891 wurden Hauptquartier und Reichskommissariat von Otjimbingwe nach Windhoek verlegt, wodurch Windhoek nun auch Landeshauptstadt von Deutsch-Südwestafrika wurde. Besonderen Wert legte François auf die Schaffung eines, von den Engländern unabhängigen Hafens; bei seinen Erkundungstouren wurde er an der Swakopmündung fündig und gründete hier am 12. September 1892 die Hafenstadt Swakopmund. Der Überfall auf „Hornkranz“ 1893 Da die Nama unter Führung ihres Kaptein Hendrik Witbooi (ǃNanseb ǀGabemab) die „Schutzherrschaft“ der Deutschen nicht anerkannten, kam es zunehmend zu Konflikten. Nach Eintreffen einer militärischen Verstärkung von 225 Soldaten aus dem Deutschen Reich griff François am 12. April 1893 den Privatwohnsitz von Hendrik Witbooi, die Festung „Hornkranz“, an. Die deutsche Schutztruppe tötete mindestens 80 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder. Witbooi selbst konnte fliehen. François Vorgehen verstieß gegen die allgemeine Order des Auswärtigen Amtes in Berlin, keine kriegerischen Handlungen vorzunehmen, sondern nur gegen Einzelpersonen vorzugehen. Das Massaker auf Hornkranz beschäftigte in den Folgemonaten die internationale Presse, wobei die tatsächliche Opferzahl nicht abschließend aufgeklärt werden konnte. Südwestafrika 1894 Am 1. Januar 1894 traf der designierte Nachfolger des bisherigen Reichkommissars und Befehlshabers der Schutztruppe in Swakopmund Major Theodor Leutwein ein. Er unterstand zunächst dem ebenfalls zum Major beförderten François und wurde von diesem in die Kolonie und ihre Probleme eingewiesen. Beide unternahmen zwar getrennte, aber aufeinander abgestimmte Erkundungszüge in den Süden des Landes, wo François im März 1894 in Gibeon und Keetmanshoop (damals „Modderfontein“ oder auch „Swartmodder“ genannt) befestigte Schutztruppen-Stationen errichten ließ. 1894 trat eine wesentliche Änderung im Status der Schutztruppe ein: bislang war sie quasi eine Privatarmee der Deutschen Kolonialgesellschaft; dies änderte sich durch kaiserlichen Erlass vom Mai des Jahres: die Schutztruppe wurde nun zum offiziellen Teil der Kaiserlichen Streitkräfte erklärt und erhielt den Namen „Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika“ (was auch mit neuen Uniformen - den nunmehr blauen - verbunden war). Im August 1894 verließ Curt von François Deutsch-Südwestafrika über Kapstadt. Er hinterließ seinem Nachfolger umfangreiches und fundiertes Kartenmaterial, auf dessen Grundlage die ersten militärischen Landkarten der gesamten Kolonie angefertigt werden konnten. Weiteres François kehrte nach Deutschland zurück und beendete 1895 seine Tätigkeit beim Militär. 1897 heiratete er Margret von Francois, geborene Meyer. Bis zu seinem Tod 1931 lebte er in Zernsdorf, er wurde auf dem Invalidenfriedhof in Berlin beigesetzt, sein Grabmal ist nicht erhalten. Hugo von François, der jüngere Bruder von Curt von François, kehrte 1901 nach Südwestafrika auf seine Farm „François“ zurück, wo er 1904 im Zusammenhang mit dem Hererokrieg fiel. Deutsch-Südwestafrika war von 1884 bis 1915 eine deutsche Kolonie auf dem Gebiet des heutigen Staates Namibia. Mit einer Fläche von 835.100 km² war Deutsch-Südwestafrika ungefähr 1,5 mal so groß wie das damalige Deutsche Reich. Deutsch-Südwestafrika war die einzige der deutschen Kolonien, in der sich eine nennenswerte Anzahl deutscher Siedler niederließ. 1915 wurde das Gebiet von Truppen der Südafrikanischen Union erobert, unter deren Militärverwaltung gestellt und 1919 als Völkerbundsmandat Südwestafrika der Verwaltung Südafrikas übertragen. Inbesitznahme Im Auftrag des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz erwarb der 21-jährige Heinrich Vogelsang am 1. Mai 1883 von dem Nama-Häuptling Josef Frederick für 200 alte Gewehre und 100 englische Pfund die Bucht von Angra Pequena, der heutigen Lüderitzbucht, mit fünf Meilen Hinterland. Dieses Gebiet wurde am 24. April 1884 unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt, um die Landerwerbungen des Bremer Kaufmanns gegen britische Gebietsansprüche zu sichern. Die erste offizielle Flaggenhissung fand am 7. August 1884 unter Beteiligung von Besatzungen deutscher Kriegsschiffe, Vertretern der Firma Lüderitz und des Namahäuptlings Josef Frederick nebst seinen Ratsleuten im feierlichen Rahmen statt. Im gleichen Monat schloss Vogelsang einen zweiten Vertrag ab, in dem Lüderitz der Küstenstreifen zwischen dem Oranje-Fluss und dem 26. Breitengrad und ein Gebiet von 20 Meilen landeinwärts von jedem Punkt der Küste aus für weitere 500 Pfund und 60 Gewehre verkauft wurde. 1885 wurde in Otjimbingwe der erste Verwaltungssitz eingerichtet. 1890 vergrößerte sich Deutsch-Südwest um den Caprivizipfel im Nordosten, von dem man sich neue Handelsrouten versprach, und der den Anschluss zum Sambesi-Fluss herstellte. Dieser Gebietsgewinn beruhte auf dem mit Großbritannien abgeschlossenen Helgoland-Sansibar-Vertrag. Am 18. Oktober des gleichen Jahres wurde auf Betreiben des Hauptmanns Curt von François der Grundstein für die Feste „Groß Windhuk“ gelegt. Die Schutzgebietsverwaltung wurde bald darauf in diese Festung verlegt. Um sie herum entstand im Laufe der kommenden Jahre die spätere Landeshauptstadt Windhuk. Bevölkerung Vor der deutschen Besiedlung lebten in Südwestafrika etwa 80.000 Herero, 60.000 Owambo, 35.000 Damara und 10.000 Nama. Deutsch-Südwestafrika war die einzige Kolonie Deutschlands, in der eine gezielte Ansiedlung Deutscher in größerem Stil erfolgte. Neben dem Abbau von Diamanten und Kupfer war es insbesondere die Viehzucht, die deutsche Siedler ins Land lockte. 1902 hatte die Kolonie etwa 200.000 Einwohner, darunter 2.595 Deutsche, 1.354 Buren und 452 Briten. Bis 1914 kamen weitere 9.000 deutsche Siedler hinzu. Wirtschaft und Infrastruktur Die ersten deutschen Siedler beschäftigten sich hauptsächlich mit der Viehwirtschaft. Nachdem im Norden Kupfer und später im Süden Diamanten gefunden wurden, entwickelte sich auch eine industrielle Infrastruktur. Der Bau einer ersten schmalspurigen Bahnstrecke von Swakopmund nach Windhuk wurde 1897 in Angriff genommen und am 19. Juli 1902 eröffnet. Sie wurde später von einer Normalspurstrecke abgelöst, und bis zum Ende der deutschen Herrschaft 1915 folgten weitere Bahnverbindungen in den Süden und Norden des Landes; so von Lüderitz nach Aus und Keetmanshop, von Keetmanshop nach Windhuk, sowie eine Bahnlinie in das Kupferabbaugebiet bei Tsumeb. Damit hatte Deutsch-Südwestafrika das umfangreichste Streckennetz aller deutschen Kolonien, das bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Länge von 2.100 Kilometern hatte. Mit dem Aufbau dieses Bahnnetzes wurde ein entscheidender Anteil am Aufstieg des Landes erreicht. Der frühe, staatlich unterstützte Versuch, mit LKW das Land zu erschließen, brachte mit zwei importierten Modellen keinen Erfolg, da diese im Wüstensand stecken blieben. So beließ man es bis zum Ende der deutschen Kolonialherrschaft bei den ochsenbespannten Karren, die auch das Militär einsetzte. Eine regelmäßige Schiffsverbindung mit Deutschland erfolgte ab 1898 am 25. jeden Monats durch die Woermann-Linie. Eine Schiffsverbindung zwischen Kapstadt und Walfischbai wurde durch den Küstendampfer „Leutwein“ bedient. Kolonialverwaltung bis 1903 Nachdem Lüderitz die deutsche Regierung von der wirtschaftlichen Bedeutung seiner Niederlassung in Südwestafrika überzeugt und dringend um deren hoheitlichen Schutz gebeten hatte, wurde Dr. Gustav Nachtigal 1884 als kaiserlicher Generalkonsul und Kommissar für Westafrika ernannt. In die Ära seiner kurzen Amtszeit fiel der Abschluss des Schutzvertrages mit den Namas. Nach Nachtigals Tod ernannte Reichskanzler Bismarck 1885 Dr. Heinrich Göring, den Vater des späteren Reichsmarschalls Hermann Göring, zum neuen Reichskommissar. Dieser schloss weitere Schutzverträge mit den einheimischen Stämmen ab. Ihm zur Seite standen ein Dr. Büttner als weiterer Unterhändler, sowie der als „Kanzler“ fungierende ehemalige Gerichtsreferendar Nels und der Feldwebel Goldammer, der die Polizeigewalt ausüben sollte. 1887 wurde das Gerücht verbreitet, dass bei der Walfischbucht Gold gefunden worden wäre. Göring wurde daraufhin aufgefordert, vom Reich eine Schutztruppe anzufordern, die die Ordnung auf den vermeintlichen Goldfeldern aufrechterhalten sollte. Die Reichsregierung lehnte mit dem Hinweis, dass das betroffene Gebiet Privatbesitz der Deutschen Kolonialgesellschaft sei, das Ansinnen ab. Die Kolonialgesellschaft stellte daraufhin mit Unterstützung Görings eine eigene Söldnertruppe, bestehend aus zwei Offizieren, fünf Unteroffizieren und 20 schwarzen Soldaten, auf. Der Goldfund stellte sich später als Schwindel heraus, und die Schutztruppe löste sich wieder auf, nachdem sie zuvor lediglich durch ihre Disziplinlosigkeit aufgefallen war. 1888 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Stamm der Witboois und den Hereros, die vergeblich auf Unterstützung der Deutschen hofften. Die Hereros kündigten daraufhin die Schürfrechte der Deutschen und den Schutzvertrag auf. Göring gelang es weder, die Vertragskündigungen rückgängig zu machen noch die kämpfenden Stämme zu befrieden. Als die Witboois zudem begannen, das ganze Land mit Plünderungen zu terrorisieren, zogen sich Göring und die gesamte deutsche Verwaltung dem Chaos entfliehend in das britische Walfischbai zurück. Auf Drängen der Kolonialgesellschaft entsandte die Reichsregierung im Mai 1889 unter der Leitung des Leutnants Hugo von François eine 21-köpfige Truppe, die später auf 50 Mann erweitert wurde, um die deutsche Verwaltung wieder einzusetzen und das Land zu befrieden. François schnitt den Hereros die Waffenzufuhr ab und baute Windhuk zu einer Festung aus. Durch das energische Auftreten beeindruckt, nahmen die Hereros 1890 die Kündigung des Schutzvertrages zurück. Im gleichen Jahr kehrte Göring nach Deutschland zurück und François wurde am 12. Mai 1891 zum vorläufigen Reichskommissar und Landeshauptmann ernannt. Damit lagen die zivile und die militärische Macht in einer Hand. François sah es als seine wichtigste Aufgabe an, die Witboois unter ihrem Häuptling Hendrik Witbooi zurückzudrängen, denn sie überfielen nun zunehmend die deutschen Siedler. Nachdem die Schutztruppe noch einmal auf nun 212 Soldaten und zwei Offiziere vergrößert wurde, nahm François im April 1893 den Kampf gegen die Witboois auf. Als François nach einem halben Jahr die Witboois noch immer nicht besiegt hatte und seine Aufgaben als Landeshauptmann kaum noch wahrnahm, kam sowohl in Südwestafrika als auch in Deutschland Unmut auf. Die Reichsregierung entsandte den Major Theodor Leutwein im Dezember 1893 nach Afrika, zunächst mit der Order, François in seinen Verwaltungsaufgaben zu unterstützen. Schnell arbeiteten beide aber auch militärisch zusammen. Nachdem es ihnen gelungen war, eine Reihe von Militärstationen im Witbooi-Gebiet zu errichten, quittierte François seine Ämter und kehrte nach Deutschland zurück. Leutwein stand nun noch vor der Aufgabe, den Kampf gegen die Witboois unter ihrem Häuptling Hendrik Witbooi zu beenden, die sich inzwischen in der Naukluft, einer unzugänglichen Felsenlandschaft, verschanzt hatten. Nachdem die deutschen Truppen noch einmal durch Nachschub aus Deutschland verstärkt worden waren, griff Leutwein die Witboois am 27. August 1894 mit drei Kompanien an und zwang sie nach für beide Seiten strapaziösen Gefechten am 11. September zur Aufgabe. Mit dem Häuptling Hendrik Witbooi wurde ein Schutzvertrag abgeschlossen, der seinem Stamm ein eigenes Siedlungsgebiet zusicherte, das allerdings unter der Aufsicht einer deutschen Garnison stehen sollte. Die Witboois hielten sich bis zum Ausbruch des Hereroaufstandes an diesen Vertrag. Nachdem es Leutwein anschließend auch gelang, die Hererostämme zu befrieden, zog abgesehen von kleineren Geplänkeln für knapp zehn Jahre Ruhe in Deutsch-Südwestafrika ein. 1898 wurde Leutwein zum Gouverneur der Kolonie ernannt. Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika war die offizielle Bezeichnung einer Kolonialtruppe, die das Deutsche Reich in seiner Kolonie Deutsch-Südwestafrika unterhielt. Beim Aufstand der Herero und Nama 1904 wird sie für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht. Während des Ersten Weltkriegs unterlag die Schutztruppe 1915 den Truppen der Südafrikanischen Union. Gründung Im Auftrag des Bremer Tabakhändlers Adolf Lüderitz erwarb der 22 Jahre alte Kaufmannsgehilfe Heinrich Vogelsang am 1. Mai 1883 die Bucht von Angra Pequena, die heutige Lüderitzbucht und fünf Meilen Hinterland vom Volk der Nama in Bethanien. Am 24. April 1884 telegrafierte Bismarck dem deutschen Konsul in Kapstadt, „Lüderitzland“ stehe unter dem Schutz des Deutschen Reiches. Zwischen Oktober 1888 und Juli 1889 war es im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen den Witbooi und den Herero zu einer Vertreibung des deutschen Kommissariates und einer Unterbrechung der deutschen Hoheitsausübung in Okahandja gekommen. Die daraufhin von der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika gegründete Schutztruppe bestand aus 21 Soldaten, acht Aktiven aus der Kaiserlichen Armee und 13 Freiwilligen unter dem Kommando von Curt von François. Am 3. Mai 1894 wurde durch eine Kaiserliche Kabinettsorder bestimmt, dass die zuvor der Kolonialgesellschaft unterstehende Schutztruppe fortan Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika heißen sollte. Die formelle Gründung der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika erfolgte schließlich durch das Reichsgesetz vom 9. Juni 1895. Die zusammenfassende Regelung der Rechtsverhältnisse der Ksl. Schutztruppen in den genannten afrikanischen Schutzgebieten erfolgte durch das Reichsgesetz vom 7. / 18. Juli 1896 (RGBl. S. 653) (Schutztruppengesetz). Die Erhaltung dieser Truppen oblag dem betreffenden Schutzgebiet (Reichsgesetz über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete vom 30. März 1892, RGBl. S. 369). Der Aufstand der Herero und Nama Nachdem sich die Volksgruppe der Herero durch massive Landkäufe der Deutschen Kolonialgesellschaft immer mehr aus ihrem Siedlungsgebiet zurückgedrängt sah, kam es am 12. Januar 1904 zum Aufstand der Herero unter ihrem Kaptein Samuel Maharero. Zunächst wurden einzelne Farmen, Eisenbahnlinien und Handelsstationen angegriffen. Dabei kamen rund 140 Deutsche und sieben Buren ums Leben. Heftige Kämpfe gab es um die Stadt Okahandja. Die zunächst zahlenmäßig deutlich unterlegene deutsche Schutztruppe wurde im Februar durch 500 Marineinfanteristen und Freiwillige verstärkt. Da Kommandeur Theodor Leutwein die Kampfkraft der Herero falsch einschätzte, gelang es ihm zunächst nicht, entscheidende Vorteile zu erringen. Die Reichsregierung war mit dem Verlauf der Operationen unzufrieden und ernannte den Generalleutnant Lothar von Trotha zum neuen Oberbefehlshaber der Schutztruppe. Im Gegensatz zu Leutwein verfolgte von Trotha das Ziel der völligen Vernichtung des Gegners und ließ noch einmal Verstärkungen aus Deutschland kommen. Er stellte die Herero am 11. August 1904 zu einer Entscheidungsschlacht am Waterberg, die mit deren Niederlage endete. Es gelang den Herero zwar, wie im Falle einer Niederlage geplant, nach Südosten auszuweichen. Dabei waren sie aber zur Flucht mit ihren Rinder- und Ziegenherden, Familien und Verwundeten durch die Omaheke-Wüste gezwungen. Während der Kämpfe und der anschließenden Flucht kamen nach unterschiedlichen Quellenangaben bis zu 60 Prozent der Herero-Kämpfer und ihrer Familien ums Leben. Im Oktober 1904 erhoben sich auch die Nama im Süden des Landes. Der abtrünnig gewordene Kaptein Hendrik Witbooi ließ den ihm freundlich gesinnten Bezirksamtmann von Gibeon von Burgsdorff töten. Gleichzeitig erhob sich Kaptein Jakob Morenga und griff in die Kämpfe ein. Es folgte ein jahrelanger zermürbender Kleinkrieg mit der Schutztruppe, der erst 1907/08 zu seinem Ende kam. Die Vorgänge kosteten durch Krankheiten, Hunger und Durst, Kampfhandlungen, Überfälle, Flucht und vielfach menschenunwürdige Missstände in den Internierungslagern nach Schätzung zwischen 24.000 und 64.000 Herero, etwa 10.000 Nama sowie 1.365 Siedler und Soldaten das Leben. 76 Weiße galten als vermisst und sind wohl größtenteils durch Kriegseinwirkung umgekommen. Struktur vor dem Ersten Weltkrieg Um das Jahr 1900 hatte die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika eine Stärke von rund 800 Mann. Die Anzahl erhöhte sich durch den Krieg gegen die Herero und Nama auf mehr als 14.000 Soldaten im Jahr 1905. Danach fand eine deutliche Reduzierung der Truppenstärke auf etwas über 2.000 Soldaten statt. Diese Zahl konnte 1914 durch Reservisten und Freiwillige etwa verdoppelt werden. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg bestand die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika im Einzelnen aus 6 Stabsoffizieren, 13 Hauptleuten, 70 Oberleutnants und Leutnants, 2 Feuerwerksoffizieren, 9 Veterinäroffizieren, 1 Kriegsgerichtsrat, 1 Kriegsgerichtssekretär, 2 Intendanturräten, 5 Intendantursekretären, 1 Intendanturbausekretär, 4 Proviantamtsinspektoren, 2 Bekleidungsamtsinspektoren, 2 Stabsapothekern, 1 Zahnarzt, 1 Waffenrevisor, 11 Waffenmeistern, 4 Magazinaufsehern, 20 Unterzahlmeistern, 5 Oberfeuerwerkern und Feuerwerkern, 2 Schirrmeistern, 342 Unteroffizieren und 1444 Mannschaften. Die Schutztruppe gliedert sich in 9 Kompanien, 3 Batterien und 2 Verkehrszüge. Hinzu kamen afrikanische Diener der Soldaten, sogenannte Bambusen. Erster Weltkrieg und Ende Die Nachricht über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erreichte Deutsch-Südwestafrika am 2. August 1914 über die Funkstrecke Nauen – Kamina und die sich noch im Bau befindende Großfunkstation in Windhoek. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August 1914 erwartete man auch in Deutsch-Südwestafrika einen Angriff der mit Großbritannien alliierten Südafrikanischen Union und rief am 8. August 1914 die Mobilmachung aus und evakuierte einen 50 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze zu Südafrika. Am 9. September 1914 beschloss das südafrikanische Parlament die Kriegsteilnahme. Am 10. September 1914 gelang der deutschen Seite die Besetzung der zur Südafrikanischen Union gehörenden Exklave Walfischbucht. Erste Auseinandersetzungen mit südafrikanischen Truppen gab es am 13. September 1914 bei den Polizeistationen von Nakop und Ramansdrift. Am 19. September besetzten rund 2.000 Mann die Lüderitzbucht. Einen Tag später überschritt eine Abteilung der Unionstruppen den Oranje, wurden jedoch in der Schlacht bei Sandfontein zurückgeschlagen. Danach verlagerten die Südafrikaner ihre Angriffe wieder an die Lüderitzbucht und konnten dort entlang der Bahnlinie bis zum 9. November 70 Kilometer ins Inland vorstoßen. Der deutsche Kommandeur Joachim von Heydebreck kam am 12. November 1914 bei einer Explosion ums Leben. Am 25. Dezember 1914 musste die Walfischbucht aufgrund südafrikanischer Angriffe wieder aufgegeben werden. Im März 1915 marschierten südafrikanische Truppen von der Walfischbucht aus in Richtung Keetmanshoop, das ihnen am 19. April in die Hände fiel. Im Süden musste die deutsche Schutztruppe der Übermacht des Feindes weichen und zog sich nach Norden zurück. Anfang Mai verlegte Gouverneur Theodor Seitz seinen Amtssitz von Windhuk nach Grootfontein. Die deutsche Schutztruppe war den Südafrikanern sowohl von der Truppenstärke als auch von der Ausrüstung hoffnungslos unterlegen. Zwar konnte die Schutztruppe bei Ausbruch des Krieges durch Seeleute, Reservisten, Freiwillige und Einheimische auf 5.000 Mann aufgestockt werden, ihr standen aber 43.000 Soldaten Südafrikas gegenüber. Die Deutschen hatten zwei Doppeldecker der Hersteller Aviatik und LFG und fünf Kraftwagen zur Verfügung, wogegen die Südafrikaner sechs Militärflugzeuge und über 2.000 Kraftfahrzeuge einsetzen konnten. Nachdem die Unionstruppen die deutschen Verteidiger auch im Norden immer weiter zurückgedrängt hatten, bot Gouverneur Seitz dem südafrikanischen General Botha am 21. Mai 1915 vergeblich einen Waffenstillstand an. Am 1. Juli erlitt die Schutztruppe ihre letzte und endgültige Niederlage bei einem Gefecht bei Otavi, westlich von Grootfontein. Am 9. Juli 1915 unterzeichneten Gouverneur Seitz und Oberstleutnant Victor Franke eine Erklärung über die Übergabe der deutschen Schutztruppe an die Südafrikanische Union. Der aktive Teil der Schutztruppe wurde in einem Lager bei Aus interniert, die Reservisten konnten nach Deutschland zurückkehren. Die Verwaltung der deutschen Kolonie übernahm das südafrikanische Militär. Im Oktober 1919 wurde in Deutschland offiziell die Auflösung aller Schutztruppen verfügt. Schutztruppe war die offizielle Bezeichnung der militärischen Einheiten in den deutschen Kolonien in Afrika von 1891 bis 1918. In den sogenannten Schutzgebieten Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika befanden sich Schutztruppen, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Inneren zur Aufgabe hatten. Sie wurden zum Beispiel zur Niederschlagung von Aufständen, Grenzsicherung oder zur Sicherung von Expeditionen eingesetzt. Für eine Landesverteidigung gegen äußere Angreifer waren sie nicht konzipiert. Die Schutztruppen bildeten einen vom Reichsheer und der Kaiserlichen Marine unabhängigen Teil der Armee des Deutschen Reiches unter dem Befehl des deutschen Kaisers. Ostafrika Die Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika wurde durch das Reichsgesetz vom 22. März 1891, die Schutztruppen für Kamerun und Deutsch-Südwestafrika durch das Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 errichtet. Der Stiftungstag der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika wurde der 8. Februar 1889, um das Andenken der Wissmann-Truppe zu ehren und zu verkünden, dass die Schutztruppe aus der Wissmann-Truppe hervorgegangen ist. Der Stiftungstag für die Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika wurde durch die Allgemeine Kabinettsorder vom 16. September 1911 auf den 16. April 1889 festgelegt. Die zusammenfassende Regelung der Rechtsverhältnisse der Schutztruppen in den afrikanischen Kolonien erfolgte durch das Reichsgesetz vom 7./18. Juli 1896 (Schutztruppengesetz). 1907 wurde die Verwaltung der Schutztruppe in das neu geschaffene Reichskolonialamt eingegliedert. Das Oberkommando der Schutztruppe war in der Mauerstraße 45/46 (Berlin-Mitte) untergebracht, in unmittelbarer Nähe des Reichskolonialamtes. Die Truppen setzten sich aus Offizieren, Sanitäts- und Veterinäroffizieren, Unteroffizieren, Mannschaften und Beamten sowie angeworbenen Einheimischen zusammen, die in der deutschen Armee als spezielle Truppe (Askari) Dienst taten. In Deutsch-Südwestafrika gab es keine Askari. Dafür warb man eingeborene Hilfstruppen an. Südwestafrika Die Mannschaften Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika bestanden aus Soldaten des Heeres und der Marine (und auch Österreichern), die sich freiwillig aus ihren Regimentern für die Truppe gemeldet hatten. Vor der Verschiffung nach Afrika wurden die Freiwilligen auf deutschen Ausbildungsstützpunkten für ihre speziellen Aufgaben vorbereitet. Solch ein Stützpunkt befand sich beispielsweise in Karlsruhe. Wegen der oft feucht-heißen Bedingungen am Oberrhein sorgte man hier für eine frühe Akklimatisierung. Stärke 1913 bestanden die Schutztruppen in Deutsch-Ostafrika aus 410 Deutschen und 2.682 Askari, in Deutsch-Südwestafrika aus 1.967 Deutschen und in Kamerun aus 185 Deutschen und 1.560 Einheimischen. Strafrecht Für die Schutztruppen galten die deutschen Militärgesetze und die deutsche Militärdisziplinarstrafordnung. Die Militärstrafgerichtsbarkeit über sie wurde nach der Verordnung vom 26. Juli 1896 durch das Gericht des Oberkommandos der Schutztruppen (Reichskanzler und ein vortragender Rat) und Abteilungsgerichte (Befehlshaber der Abteilung und ein untersuchungsführender Offizier) verwaltet. Das Verfahren war das der deutschen Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1908. Aufstellung der Schutztruppen Oberkommando der Schutztruppen (ab 1897): Berlin - Reichskolonialamt Deutsch-Ostafrika Kommando Daressalam 1. Kompagnie: Aruscha 2. Kompagnie: Iringa und Unbena 3. Kompagnie: Lindi 4. Kompagnie: Kilimatinde und Ssingidda 5. Kompagnie: Massoko 6. Kompagnie: Udjidiji und Kassulo 7. Kompagnie: Bukoba, Ussuwi und Kifumbiro 8. Kompagnie: Tabora 9. Kompagnie: Usumbura 10. Kompagnie: Daressalam 11. Kompagnie: Kissenji und Mruhengeri 12. Kompagnie: Mahenge 13. Kompagnie: Kondoa-Irangi 14. Kompagnie: Muansa und Ikoma Zusätzlich in Daressalam: ein Rekrutendepot, eine Signalabteilung und Intendatur. Stärke: 68 Offiziere, 42 Ärzte, 150 weiße Beamte, Feuerwerker und Unteroffiziere, 2472 farbige Soldaten Deutsch-Südwestafrika Kommando Windhuk Gericht des Kommandos, Intendantur, Sanitätsamt u. Vermessungstrupp Nordbezirk Kommando Windhuk 1. Kompagnie: Regenstein, Seeis 4. Kompagnie (MG): Okanjande 6. Kompagnie: Outjo und Otavi 2. Batterie: Johann-Albrechts-Höhe Verkehrszug 1: Karibib Proviantamt: Karibib Pferdedepot: Okawayo Artillerie- und Train Depot: Windhuk Lazarett: Windhuk Hauptsanitätsdepot: Windhuk Bekleidungsdepot: Windhuk Ortskommandantur: Windhuk Ortskommandantur u. Proviantamt: Swakopmund Südbezirk Kommando: Keetmanshoop 2. Kompagnie: Ukamas 3. Kompagnie: Kanus 5. Kompagnie (MG): Chamis und Churutabis 7. und 8 Kompagnie: Gochas und Arahoab (Kamelreiter und MG), Lazarett. 1. Batterie: Narubis 3. Batterie: Kranzplatz bei Gibeon Verkehrszug 2: Keetmanshoop Artillerie- und Train-Depot: Keetmanshoop Lazarett - und Sanitätsdepot: Keetmanshoop Bekleidungsdepot: Keetmanshoop Proviantamt: Keetmanshoop Garnisonverwaltung: Keetmanshoop Pferdedepot: Aus Kamelgestüt: Kalkfontain Ortskommandantur u. Proviantamt: Lüderitzbucht Stärke: 90 Offiziere, 22 Ärzte, 9 Veterinäre, 59 Beamte, Feuerwerker, 342 Unteroffiziere, 1444 weiße Soldaten Kamerun (Stand: 1914) Kommando Soppo 1. Kompagnie (Stammkompanie) und Artilleriedetachement: Duala 2. Kompagnie: Bamenda, Wum und Kentu 3. Kompagnie: Mora und Kusseri 4. Kompagnie (Expeditionskompanie): Soppo 5. Kompagnie: Buar und Karnot (Carnot) 6. Kompagnie: Mbaiki, Nola und Nguku 7. Kompagnie: Garua, Nassarau (Nassarao), Mubi, Marua, Lere 8. Kompagnie: Ngaundere 9. Kompagnie: Dume und Baturi 10. Kompagnie: Ojem und Mimwoul 11. Kompagnie: Akoasim (Akoafim), Ngarabinsam und Minkebe 12. Kompagnie: Bumo, Fiange (Fianga), Gore und Schoa Stärke: 61 Offiziere, 17 Ärzte, 23 Beamte, Feuerwerker, 98 weiße Unteroffiziere, 1550 afrikanische Soldaten Polizeitruppen In Afrika und in der Südsee waren diese den Zvilbehörden, in Kiautschou dem Gouvernement unterstellt. Sie waren jedoch in keinem Fall Teil einer militärischen Verwaltung (Bei den Zahlenangaben über Polizeitruppen handelt es sich häufig um Sollstärken.) Deutsch-Ostafrika 4 Offiziere, 61 weiße Wachtmeister, 147 farbige Unteroffiziere, 1.863 Askari (ohne so genannte Knüppel-Askaris) Kamerun 4 Offiziere, 37 Köpfe sonstiges weißes Personal, 1.255 Mann (ausschl. Zoll) Deutsch-Südwestafrika 7 Offiziere, 9 Köpfe Verwaltung, 68 Polizeiwachtmeister, 432 Polizeiserganten, 50 Vertragspolizisten, außerdem farbige Polizeidiener Togoland 2 Offiziere, ? Polizeimeister, 530 farbige Soldaten Deutsch-Neuguinea 19 weiße Polizeimeister, 670 farbige Polizisten in Neuguinea und auf den Inseln 1 farbiger Polizeimeister, 30 Fita - Fita, 20-25 Landespolizisten auf Samoa. Die Fitafita bestand aus Häuptlingssöhnen und war hauptsächlich für den Ordonnanzdienst, den Dienst als Bootsmannschaft, Hilfspolizist, Ehrenwache und Postbote vorgesehen. Die Landespolizisten waren dagegen für den üblichen Polizeidienst vorgesehen. Kiautschou sog. chinesische Polizei (war Teil der Zivilverwaltung und bestand ausschließlich aus Chinesen) Europäischer Stab und 60 Chinesen Die berittene Landespolizei von Deutsch-Südwestafrika bestand im Gegensatz zu den berittenen Polizeien der anderen Kolonien ausschließlich aus Deutschen. Moderne Schutztruppen Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet der aus der Kolonialzeit stammende Begriff Schutztruppe (meist internationale) Truppen, die in anderen Ländern nach einem Krieg oder Ähnlichem die öffentliche Ordnung und Sicherheit bzw. den Herrschaftsanspruch der Großmächte gewährleisten sollen. Ein Beispiel für eine solche Schutztruppe ist ISAF in Afghanistan. Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Albert Victor von Preußen, (* 27. Januar 1859 in Berlin, Preußen; † 4. Juni 1941 in Doorn, Niederlande) entstammte der Dynastie der Hohenzollern und war von 1888 bis 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen. Einleitung Die dreißigjährige Regentschaft Wilhelms II. im Deutschen Reich (von 1888 bis 1918) wird als die wilhelminische Epoche bezeichnet. Herausragende Merkmale waren das Streben des Kaisers nach nationalem Prestige und die Versuche, das Reich in den Rang einer Weltmacht zu erheben. Eng verbunden mit diesem Anspruch war die militärische Aufrüstung des Kaiserreichs und die Forcierung der Kolonialpolitik in Afrika und der Südsee. Dies und die Verwicklung des Deutschen Reichs in verschiedene internationale Krisen (zum Beispiel Krügerdepesche 1896, Marokko-Krisen 1905/06 und 1911, Daily-Telegraph-Affäre 1908) führte zu einer Destabilisierung der Außenpolitik. Die Vorliebe Wilhelms für militärischen Prunk, die sich beispielsweise in zahlreichen Paraden zu den unterschiedlichsten Anlässen ausdrückte, führte auch gesellschaftlich zu einer Überbetonung des Militärs und militärischer Hierarchien bis hinein ins zivile Leben der deutschen Gesellschaft, in der für eine berufliche Laufbahn – nicht nur im Verwaltungsapparat – die Ableistung des Militärdienstes und der militärische Rang eines Menschen von entscheidender Bedeutung war (Militarismus). Der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands während Wilhelms Regentschaft, verbunden mit technologischem, naturwissenschaftlichem und industriellem Fortschritt, begünstigte eine auch vom Kaiser mit getragene allgemein verbreitete Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Innenpolitisch setzte er die für ihre Zeit als modern und fortschrittlich geltende Sozialpolitik Bismarcks fort und erweiterte sie. Er setzte sich für die Abschaffung des Sozialistengesetzes ein und suchte, teilweise erfolglos, den Ausgleich zwischen ethnischen und politischen Minderheiten. Wilhelm II. wollte sowohl die Innen- als auch Außenpolitik des Reiches wesentlich stärker als sein Großvater Wilhelm I. beeinflussen. Das „persönliche Regiment“ des Kaisers war aber in Wirklichkeit eine von häufig wechselnden Beratern gesteuerte Politik, die die Entscheidungen Wilhelms im Urteil der meisten Historiker oft widersprüchlich und letztlich unberechenbar erscheinen ließen. Wilhelm II. nutzte durch seinen sprunghaften Charakter die Macht, die ihm die Reichsverfassung zugestand, nie konsequent, musste aber immer wieder erleben, dass diejenigen, die ihn zu schwerwiegenden Entscheidungen drängten, sich hinter seinem Rücken versteckten, als sich deren Misserfolg abzeichnete. Die Marokkokrisen oder die Erklärung des unbeschränkten U-Boot-Krieges sind nur zwei Beispiele für Entscheidungen anderer Personen, die den Ruf des Kaisers heute nachhaltig belasten. Auch war seine Amtszeit von politischen Machtkämpfen zwischen den einzelnen Parteien geprägt, die es den amtierenden Kanzlern nur schwer möglich machten, längerfristig im Amt zu bleiben. So wurden im Kampf zwischen dem sog. Nationalliberal-Konservativen Kartell, Bülow-Block und Sozialdemokraten fünf von sieben Kanzlern unter kritischem Mitwirken des Parlaments entlassen. Während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 wurde Wilhelms strategische und taktische Unfähigkeit offenbar. Ab 1916 enthielt er sich zunehmend relevanter politischer Entscheidungen und gab die Führung des Reiches faktisch in die Hände der Obersten Heeresleitung, namentlich in die der Generäle von Hindenburg und Ludendorff, die die Monarchie während der letzten Kriegsjahre mit starken Zügen einer Militärdiktatur versahen. Als Wilhelm II. sich nach Ende des „großen Kriegs” in Folge der Novemberrevolution, die zum Ende der Monarchie und zur Ausrufung der Republik führte, zur Abdankung und zur Flucht ins Exil nach Holland entschloss, hatte das deutsche Kaiserreich den Krieg verloren. Etwa 10 Millionen Menschen waren auf den Schlachtfeldern gefallen. Kindheit und Jugend Wilhelm II. wurde am 27. Januar 1859 in Berlin als ältester Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831–1888) (vom 9. März bis 15. Juni 1888 Deutscher Kaiser Friedrich III.) und dessen Frau Victoria (1840–1901) geboren und war somit Enkel Kaiser Wilhelms I. (1797–1888) und der englischen Königin Victoria (1819–1901). Die Geburt Wilhelm des Zweiten war ausgesprochen schwierig, der Prinz kam als Steißgeburt zur Welt und überlebte nur durch das couragierte Eingreifen einer Hebamme, die das leblose Baby ganz gegen das Protokoll mit einem nassen Handtuch schlug. Der linke Arm des Kindes war so verletzt, dass er zeitlebens gelähmt und deutlich kürzer blieb. 101 Salutschüsse verkündeten das freudige Ereignis, eine jubelnde Menschenmenge versammelte sich vor dem Kronprinzenpalais, die Thronfolge im Hause Hohenzollern war gesichert. Keinen gesunden Thronfolger geboren zu haben, empfand Prinzessin Victoria als persönliches Versagen und war nur schwer bereit, die Behinderung des Sohnes zu akzeptieren. Kronprinz Wilhelm erlebte eine Kindheit voll Torturen, nichts blieb unversucht, seine Behinderung zu beheben. Legendär sind Kuren wie das Einnähen des kranken Armes in ein frisch geschlachtetes Kaninchen oder Metallgerüste, die Wilhelm umgeschnallt wurden, um seine Haltung zu verbessern. Wilhelm, von Geburt an durch diesen verkümmerten Arm behindert, verbrachte laut eigenen Aussagen „eine recht unglückliche Kindheit“. Wie im Hochadel üblich, traten seine Eltern als unmittelbare Erzieher ganz hinter seinem calvinistischen Lehrer Georg Ernst Hinzpeter zurück. Als Siebenjähriger erlebte er den Sieg über Österreich-Ungarn 1866 mit der daraus resultierenden Vorherrschaft Preußens in Deutschland. Mit zehn Jahren, im damals üblichen Kadettenalter, trat er beim 1. Garde-Regiment zu Fuß formell als Leutnant in die preußische Armee ein. Als Zwölfjähriger wurde er mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über Frankreich 1871 auch übernächster Anwärter auf den deutschen Kaiserthron. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Kassel trat er am 9. Februar 1877 seinen realen Militärdienst bei seinem Regiment (6.Kompagnie, Hauptmann v. Petersdorff) an. 1880 wurde er am 22. März, dem Geburtstag seines Großvaters Kaiser Wilhelm I., zum Hauptmann befördert. Bereits in diesen Jahren bildete sich bei ihm ein Verständnis seiner monarchischen Rolle, das den liberal-konstitutionellen Vorstellungen seiner Eltern zuwiderlief. Seine folgenden Lebensstationen sind unter dem Aspekt einer Erziehung zum Monarchen zu sehen: Er sollte möglichst vielerlei Erfahrungen sammeln, erhielt aber in keinem Feld, nicht einmal im militärischen, die Chance, sich beruflich solide einzuarbeiten. Zum Studium begab er sich an die von seinem Urgroßvater gegründete Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er nichtschlagendes Mitglied des Corps Borussia wurde. 1881 heiratete er Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (22. Oktober 1858–11. April 1921). Bis 1888 war er dann wechselnden Regimentern zugeordnet, dem 1. Garde-Regiment zu Fuß, dann dem Garde-Husaren-Regiment und dem 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, wurde schnell bis zum untersten Generalsrang (Generalmajor) befördert und zuletzt Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade. Der Militärdienst wurde immer wieder durch Beurlaubungen unterbrochen, damit er sich auch soweit möglich mit der zivilen Verwaltung vertraut machen konnte. Sehr gründlich konnte dies nicht geschehen, denn immer mehr Eile war geboten: Sein Großvater stand im höchsten Alter, und sein Vater war mittlerweile todkrank. Für die Regierungsgeschäfte war dies weniger problematisch, als man vermuten konnte, da bereits seit 1862 Otto von Bismarck, zunächst als preußischer Ministerpräsident, ab 1871 als Reichskanzler die politische Macht fest in seiner Hand konzentriert hatte. Bismarck war nach drei siegreichen Kriegen (1864, 1866, 1870/71) und als Einiger Deutschlands zur stärksten kontinentaleuropäischen Macht ein weltweit respektierter Staatsmann. Wilhelm I. und Friedrich III. hatten ihm gelegentlich opponiert und am Ende stets vertraut. Von diesem Vertrauen hing allerdings nach der Reichsverfassung der Reichskanzler ab, nicht vom Vertrauen des Reichstags. Bismarck baute selbstbewusst darauf, auch den dritten Kaiser lenken zu können. Das Jahr 1888 ging als Dreikaiserjahr in die Geschichte ein. Nach dem Tode Wilhelms I. am 9. März 1888 regierte Friedrich III. aufgrund seiner bereits fortgeschrittenen Krankheit (Kehlkopfkrebs) nur für 99 Tage (der „99-Tage-Kaiser“). Friedrich III. starb am 15. Juni in Potsdam. An diese Konstellation hatte der 29-jährige Wilhelm II. bei seinem Amtsantritt anzuknüpfen. Er wünschte, ein Kaiser aller Deutschen zu sein. Regentschaft und Politik Soziale Reformen „[...], weil die Arbeiter meine Untertanen sind, für die ich zu sorgen habe! Und wenn die Millionäre nicht nachgeben, werde ich meine Truppen zurückziehen und wenn ihre Villen erst in Flammen stehen, werden sie schon klein beigeben!“ (Wilhelm II. zu Otto von Bismarck, als er sich weigerte, Soldaten zur Niederschlagung eines Streiks im Ruhrgebiet zu schicken.) Dieses Zitat und andere Äußerungen Wilhelms in den ersten Jahren seiner Regentschaft weckten in der Arbeiterschaft zunächst Hoffnungen auf einen sozialen Wandel im Reich. Die Sozialpolitik lag Wilhelm II. durchaus am Herzen. Allerdings folgten seinen sozialen Reformen keine strukturellen Veränderungen im Reich. Im Gegenteil, er baute seinen politischen Einfluss noch aus und lehnte eine Demokratisierung der Verfassung ab. Preußen behielt das seit Anfang der 1850-er Jahre bestehende undemokratische Dreiklassenwahlrecht, das eine repräsentative Landtagsvertretung verhinderte. Nach wie vor wurde die Regierung nicht vom Reichstag gewählt, sondern vom Kaiser ohne Berücksichtigung der parlamentarischen Verhältnisse bestimmt oder entlassen. Es war dem Kanzler aber auch nicht möglich ohne Mehrheit im Parlament Gesetze zu erlassen oder den Haushalt zu beschließen. Das Parlament war in seiner Macht, als echte Legislative, nicht zu unterschätzen. Bei alledem forderte Kaiser Wilhelm II. noch während Bismarcks Kanzlerschaft am 178. Geburtstag Friedrichs des Großen in einer Proklamation an sein Volk, mit der Devise: „Je veux être un roi des gueux“ (frz.; zu dt.: „Ich will ein König der armen Leute sein“) das Verbot der Sonntagsarbeit, der Nachtarbeit für Frauen und Kinder, der Frauenarbeit während der letzten Schwangerschaftsmonate sowie die Einschränkung der Arbeit von Kindern unter vierzehn Jahren. Außerdem forderte er bei dem zur Erneuerung anstehenden „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ („Sozialistengesetz“) die Streichung des Ausweisungsparagraphen, der die Polizei zur Ausweisung „gefährlicher Sozialisten“ aus ihrem Heimatort berechtigte. Reichskanzler Bismarck kommentierte dies als „Humanitätsduselei“ und verweigerte sich dem in seinen Forderungen durch den Reichstag unterstützten Kaiser. Seine Forderungen konnte der junge Kaiser erst mit dem Nachfolger Bismarcks durchführen, Leo von Caprivi. Allerdings war Wilhelm II. bei allen sozialen Ambitionen so wenig ein Freund der Sozialdemokratie, wie Bismarck es gewesen war. Im Gegenteil hoffte er, durch seine Reformen die Sympathien für die trotz der Sozialistengesetze erstarkte Sozialdemokratie zu schwächen und durch die Aufhebung des repressiven Sozialistengesetzes der 1890 von SAP in SPD umbenannten Partei ihren Märtyrerbonus zu nehmen. Die Sozialdemokraten ihrerseits ließen sich nicht von dem Reformen Wilhelms II. beeindrucken und setzten unter August Bebel aus ihrem antimonarchistischen Selbstverständnis heraus weiter auf Fundamentalopposition. Obwohl sie den Fortschritt der im Arbeitsschutzgesetz zusammengefassten Reformen sahen, stimmten sie im Reichstag dagegen. Sie forderten grundlegende strukturelle Veränderungen wie zum Beispiel eine Verfassungsänderung, Demokratisierung, ein ausgeweitetes Wahlrecht, Vorrang des Parlaments bei politischen Entscheidungen, eine Umstrukturierung des Haushalts, deutliche Senkung der Rüstungsausgaben, Freiheit für die Kolonien und anderes mehr, für den Kaiser unerfüllbare Anliegen, die seinen Hass auf die Sozialdemokratie noch steigerten. Der Wohlstand der deutschen Arbeiterschaft stieg von Jahr zu Jahr, doch gelang es Wilhelm II. nicht, den Arbeitern in den Städten das Gefühl zu geben, anerkannte Mitglieder der Gesellschaft zu sein, was zu starken Stimmenzuwächsen der Sozialdemokraten im Reichstag und den Landtagen der Länder führte. Diese Vorgänge ließen in Wilhelm II., der immer noch „ein König der Armen“ sein wollte, das Urteil reifen, dass eine Versöhnung mit den Sozialdemokraten nicht möglich sei. Er rief schließlich in Königsberg „zum Kampf für Religion, Sitte und Ordnung, gegen die Parteien des Umsturzes!“ auf. Überblick der unter der Herrschaft Wilhelms II. erlassenen sozialen Reformen 1889: Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni (für Arbeiter) 1890: Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890: Gründung von 31 Versicherungsanstalten – Vorläufer der Landesversicherungsanstalten (LVA) 1891: Auszahlung der ersten Renten an dauernd Erwerbsunfähige und an Arbeiter über 70 Jahre 1891: Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni (23. Novelle zur Reichsgewerbeordnung) mit Frauenschutz, eingeschränkter Nachtarbeit, Sonntagsruhe und Kinderschutz 1891: Einführung der staatlichen Gewerbeaufsicht 1891: Zulassung freiwilliger Arbeiterausschüsse in Betrieben 1891: Verbot der Sonntagsarbeit in Industrie und Handwerk 1892: Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes mit Erweiterungen der Versicherungspflicht (Ausweitung auf Familienangehörige) 1895: Verbot der Sonntagsarbeit für das Handelsgewerbe. 1899: Invalidenversicherungsgesetz 1901: Förderung des Arbeiterwohnungsbaus 1905: Arbeiterausschüsse werden in Bergbaubetrieben zur Pflicht 1908: Höchstarbeitszeit, keine Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche 1911: Reichsversicherungsordnung (RVO) 1911: Einführung der Hinterbliebenenrente 1911: Versicherungsgesetz für Angestellte 1911: Hausarbeitsgesetz (Regelung der Heimarbeit) 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Arbeiter von 70 auf 65 Jahre 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Frauen auf 60 Jahre Entlassung Bismarcks und Antritt Caprivis [Bearbeiten] In der letzten Periode der Regierungszeit Bismarcks hatte das Deutsche Reich einer „Kanzlerdiktatur“ geglichen, dessen politische Ziele nicht die des jungen Kaisers waren. Bismarck wollte Russland als einen starken Verbündeten, Wilhelm II. vertraute auf Österreich-Ungarn. Bismarck wollte den „Kulturkampf“ gegen den politischen Katholizismus fortsetzen, der Kaiser war strikt dagegen. Bismarck wollte das Sozialistengesetz verschärfen, Wilhelm II. wollte es abschaffen: „Ich will meine ersten Regierungsjahre nicht mit dem Blut meiner Untertanen färben!“ Als der Reichskanzler hartnäckig blieb, schickte der Kaiser am Morgen des 17. März 1890 den Chef seines Militärkabinetts, General v. Hahnke, in die Reichskanzlei: Der Kanzler solle am Nachmittag ins Schloss kommen und sein Abschiedsgesuch mitbringen. Dieses wurde ihm am nächsten Morgen aber nur durch einen Boten gebracht. Am 20. März 1890 entließ Wilhelm II. den Reichskanzler Otto von Bismarck. Bismarck überwand dies nie und sorgte indirekt durch vielfach lancierte Kritik an den „Hintermännern“ der wilhelminischen Politik und durch sein Memoirenwerk Gedanken und Erinnerungen für nachhaltige Kritik an Wilhelm II . (Der dritte Teil der Memoiren, in welchem Bismarck seine Entlassung darstellte, wurde in der Tat wegen extremer politischer Brisanz erst 1919 veröffentlicht, als Deutschland Republik geworden war.) Aus der Bismarckschen Darstellung geht explizit hervor, wie isoliert er zum Zeitpunkt der Entlassung schon war, dass er nicht einmal bei den Angehörigen seines eigenen Kabinetts Unterstützung fand und dass sein Stellverteter, Karl Heinrich von Boetticher, in seiner Abwesenheit und ohne seine Billigung mit dem Kaiser in dessen Sinne verhandelt hatte. Bismarck wollte das unterbinden und berief sich auf eine (38 Jahre alte) Kabinettsorder, die es den preußischen Ministern untersagte, ohne Billigung des Kanzlers mit dem Souverän zu sprechen. Damit war für den Kaiser das Maß voll und Bismarck musste „aus Gesundheitsgründen“ sofort zurücktreten. Der Rücktritt Bismarcks war somit zwar primär innenpolitisch begründet, aber langfristig gesehen vor allem außenpolitisch fatal. Bezeichnenderweise erinnerte man nur in Wien, nicht dagegen in St. Petersburg, sofort und explizit an Bismarcks Verdienste (Brief vom Kaiser Franz Joseph I.). Als Bismarcks Nachfolger ernannte Wilhelm II. den General Leo von Caprivi (1831–1899). Caprivi wurde vom Kaiser als „Mann der rettenden Tat“ gefeiert und ob seiner Leistungen in den Grafenstand erhoben. Mit Caprivi glaubte Wilhelm II. eine anerkannte Persönlichkeit gefunden zu haben, mit der er seine geplante Politik der inneren Versöhnung sowie das Arbeitsschutzgesetz durchzusetzen hoffte. Ein wichtiges außenpolitisches Ereignis fiel (quasi „genau passend“) in dieses Jahr des Kanzlerwechsels: Der Rückversicherungsvertrag mit Russland widersprach teilweise den Bedingungen des Dreibundpaktes mit Italien und Österreich-Ungarn. Der Kaiser war gegen ein Verletzen des letztgenannten Paktes, während Bismarck den Rückversicherungsvertrag seinerzeit für unbedingt notwendig gehalten hatte. Jetzt, 1890, ging es um seine Verlängerung. Von der Öffentlichkeit unbemerkt (es handelte sich ohnehin um einen Geheimvertrag), und von Caprivi hingenommen, wurde der auslaufende Rückversicherungsvertrag vom Deutschen Reich bewusst nicht erneuert. In Russland nahm man realistischerweise einen deutschen Kurswechsel an und begann, sich Frankreich anzunähern. Caprivis Kanzlerzeit war durch entschiedene Englandfreundlichkeit geprägt. Er war in der Innenpolitik einer der Hauptverantwortlichen für den Wandel des Deutschen Reiches von der Agrarwirtschaft zur industriellen Exportwirtschaft. Die in diesem Zeitraum gemachten Reformen erleichterten es, dass Deutschland wenig später Großbritannien überholte und zur Weltwirtschaftsmacht Nr. 1 aufstieg. Das „Made in Germany“ errang zu dieser Zeit den Status einer Garantie für höchste Qualität. Integrationspolitik Die turbulente Vereinigung des alten „Deutschen Bundes“ zu einem „Deutschen Reich“ ohne die deutschen Österreicher - die Kleindeutsche Lösung - brachte einige Probleme mit sich. Die rheinländische, süddeutsche und polnische Opposition gegen die preußische Vorherrschaft stützte sich auf ein sich politisierendes katholisches Bürger-, Arbeiter- und Bauerntum. Als Partei des politischen Katholizismus formierte sich das „Zentrum“. Die Versuche Bismarcks, die katholischen Parteien in ihrer Arbeit zu behindern, führte zu Eingriffen in das Leben der Katholiken. Auch die Judenintegration, die es vorher außer in Preußen nur in wenigen anderen Staaten gab, war jung, und der merkliche soziale Aufstieg der jüdischen Bevölkerung nährte Neid und Antisemitismus in der Bevölkerung. In den östlichen Gebieten Preußens, vor allem in der Provinz Posen, gab es eine starke Unterdrückung der polnischen Minderheit, die zu Unruhen und Gefühlen der Ungerechtigkeit führte. Der Kaiser erkannte die Ernsthaftigkeit dieser Probleme und bezeichnete sie als eine seiner Hauptaufgaben. Am besten gelang die Integrationspolitik mit den Katholiken. Sie waren durch den bismarckschen Kulturkampf benachteiligt und an der Teilnahme am politischen Leben, sowie bei der freien Ausübung ihrer Religion gehindert worden. Schon zu seiner Prinzenzeit war Wilhelm gegen diese Praktiken und befürwortete die Beendigung des Kulturkampfes. Um die Einigkeit zwischen Protestanten und Katholiken im Reich zu verbessern, zahlte das Reich die den Opfern vorenthaltenen Gelder zurück, hob allerdings nicht alle gefassten Beschlüsse und Gesetze dieser Zeit wieder auf. Die östlichen Provinzen Preußens (Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien) waren bis zur Vertreibung nach 1945 mehrheitlich von Deutschen bewohnt, minderheitlich von Polen, dazu regional von Kaschuben und Masuren. In der Provinz Posen (Poznan) stellten die Polen die Mehrheit. Seit der Bismarckzeit versuchte der Staat, die hier lebenden Polen zu germanisieren, was allerdings scheiterte und in offenen Protest mündete. Kaiser Wilhelm II. hob viele dieser Repressionen, die vor allem die Sprache des Unterrichts und später auch des Gottesdienstes regelten, auf und erkannte die Polen als eigenes Volk und Minderheit im Deutschen Reich an. Eine der umstrittensten Bereiche in der Einordnung der politischen Meinung des Kaisers ist seine Beziehung zum Judentum bzw. zum Antisemitismus. Die Historiker gehen hier in den Meinungen weit auseinander, je nachdem welche Quellen sie benutzen. Bei den Reichstagswahlen 1880 zogen zum ersten Mal mehrere antisemitische Parteien in den Reichstag ein. Mit fünf Abgeordneten bildeten sie die „Fraktion der Antisemiten“. Grund für den gestärkten Antisemitismus waren wohl die „Gründerkrise“ und die als relativ stark empfundenen wirtschaftlichen Erfolge jüdischer Unternehmer. Die Juden waren im 1871 gegründeten Deutschen Reich zum ersten Mal freie und gleiche Bürger: Die Einschränkungen, die sie, von Land zu Land unterschiedlich, teilweise zu Schutzbefohlenen eines Herrschers machten und ihnen wirtschaftliche Beschränkungen auferlegten oder ihnen bestimmte Berufsverbote erteilten, waren aufgehoben. Auch der Dienst beim Militär, in Schulen oder der Justiz stand ihnen jetzt offen. Als Reaktion auf den Antisemitismus entstanden gesellschaftliche Gruppen, die letzterem entgegenzuwirken versuchten. So bildeten besorgte Christen den Verein zur Abwehr des Antisemitismus, dem neben Heinrich Mann auch der Historiker Theodor Mommsen beitrat. Im Judentum entwickelten sich neben dem orthodoxen Glauben mehrere Strömungen, teilweise auch mit politischem Hintergrund. So gab es erstens die assimilierten Juden, die sich taufen ließen und das Christentum als Erfüllung des jüdischen Messias-Glaubens akzeptierten. Der jüdische so genannte Reform-Glaube (Reformjudentum) lehnte diese Art ab, passte sich aber in seiner Wesensart fast völlig den deutsch-christlichen Traditionen an. Er hielt Gottesdienst am Sonntag, nicht am Sabbat (Samstag), mit deutscher, nicht hebräischer Liturgie, hielt kürzere Gebete mit Orgeluntermalung und verzichtete auf traditionelle Gebetsbekleidung. Kaiser Wilhelm unterstützte diese Art der Religionsausübung sehr und finanzierte den Bau der Reform-Synagoge in der Berliner Fasanenstraße mit, an deren Einweihung er demonstrativ teilnahm. Eine dritte aufstrebende Richtung war der Zionismus, der die Gründung eines eigenen Judenstaates vorsah. Aus Angst, den Antisemitismus zu bestärken, lehnten die Reformgläubigen auch diese, sehr radikale, ursprüngliche Form des Glaubens ab und strich jegliche Passagen über das gelobte Land aus dem Gottesdienst. Der Kaiser unternahm eine Palästinareise mit Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus in Europa. Auf dieser Reise stiftete er in Jerusalem die Erlöserkirche auf dem Muristangelände. Als Erinnerung an diese Expedition wurde dem Kaiser in Haifa 1982 ein Denkmal gesetzt. Bei seiner Integrationspolitik kam Kaiser Wilhelm II. der Parlamentarismus im Reich entgegen. Anders als heute gab es keine Fünf-Prozent-Hürde, welche das Entsenden von Abgeordneten aus kleineren Parteien verhinderte. So hatten Dänen (1-2 Abgeordnete), Elsass-Lothringer (8-15 Abgeordnete) und Polen (13-20 Abgeordnete) von 1871 bis zur letzten Wahl 1912 stets ihre Fraktion im Reichstag. Juden organisierten sich nicht in einer eigenen Partei. Dies widersprach ihrem Selbstverständnis, deutsche Staatsbürger zu sein, welches durch lange Tradition besonders in Preußen sehr stark ausgeprägt war. Das Wahlsystem grenzte aber auch politische Minderheiten nicht aus. Dies sorgte dafür, dass sich auch die reichsfeindlichen Welfen, aber vor allem die Antisemiten aus der Christlichsozialen Partei und der Deutschen Reformpartei organisieren konnten. Die Zahl ihrer Abgeordneten überschritt aber nie die Zahl der Abgeordneten aus den Parteien der ethnischen Minderheiten. Trotz dieser Unterstützung gibt es von Wilhelm II. mehrere Zitate, die einen antisemitischen Klang haben, so: „Ich denke gar nicht daran wegen der paar hundert Juden und der tausend Arbeiter den Thron zu verlassen!“ Ob er allerdings auf die Juden als Kollektiv schimpfte oder einzelne meinte, z.B. die ihn oft kritisch betrachtenden jüdisch geleiteten Zeitungskonzerne, ist unklar. Die Verurteilung der Juden als Volk ist aber unwahrscheinlich, da er in seinem Freundeskreis nie Unterschiede zwischen Deutschen jüdischer oder christlicher Abstammung machte. Der von Antisemiten geprägte und heute noch verwendete Begriff „Kaiserjuden“ verriet allerdings große Missbilligung von Teilen der Bevölkerung an diesen Kontakten. Wirtschaftspolitik und rüstungspolitische Prioritäten Caprivi setzte einen weiteren von Bismarck verwehrten Wunsch Wilhelms II. durch, die progressive Einkommenssteuer, die höhere Einkommen stärker belastete: die Miquelsche Einkommensteuerreform von 1891. Durch die industriefreundliche und exportorientierte Eindämmung des Protektionismus zog sich Caprivi die Feindschaft der im Bund der Landwirte organisierten Grundbesitzer („Ostelbier“, „Junker“) zu, der sehr eng mit der Konservativen Partei verwoben war. Die nach Abschaffung der Schutzzölle wachsenden Agrarexporte der USA bewirkten für sie einen Preisverfall. Durch die Förderung des Einsatzes von Agrarmaschinen konnte man die Verluste zwar teilweise auffangen, erhöhte aber die agrarprotektionistischen Ansprüche der ohnehin unterkapitalisierten und zu Investitionen genötigten Großgrundbesitzer. 1893 löste Wilhelm II. den 1890er Reichstag auf, jetzt, weil der die auch von ihm gewollte Aufrüstung des Heeres abgelehnt hatte. Im darauf folgenden Wahlkampf siegten die Befürworter der wilhelminischen Politik aus der Konservativen und Nationalliberalen Partei. Auch die von Alfred von Tirpitz propagierte Aufrüstung der Kaiserlichen Marine, im Volk populär (vgl. Matrosenanzug), wurde in der Folgezeit von Wilhelm gefördert (1895 Vollendung des heutigen Nord-Ostseekanals, Ausbau der Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven). In diesem Zusammenhang besetzte und pachtete das Deutsche Reich die chinesische Hafenstadt Tsingtao auf 99 Jahre. Wilhelm erkannte trotz seiner Englandfreundlichkeit nicht, dass damit die weltweite Hegemonialmacht Großbritannien aufs Äußerste beunruhigt wurde. Der anhaltende deutsche Kolonialismus – gegen den Bismarck sich noch gewehrt hatte – wurde von ihm nicht als riskant gegenüber den Großmächten England, Frankreich und Japan erkannt und eher gebilligt: 1899 erwarb das Reich die Karolinen, Marianen, Palau und Westsamoa. Wende in den Reichskanzlerberufungen und außenpolitische Dauerprobleme 1894 wurde Caprivi entlassen. Wilhelm berief erstmals einen Nichtpreußen, den Bayern Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der weder Führungsehrgeiz entwickeln sollte noch entwickelte: 1896 versäumte er, Wilhelm von der Krüger-Depesche abzuhalten, einem Glückwunschtelegramm an die Buren zur Abwehr des britisch inspirierten Jameson Raid, die in Großbritannien mit Empörung aufgenommen und nachhaltig als Abkehr von der englandfreundlichen Politik Caprivis gedeutet wurde. 1900 ersetzte er Hohenlohe durch Graf Bernhard von Bülow, der als Reichskanzler weder die anstehenden innenpolitischen Reformen betrieb noch die sich umgruppierenden außenpolitischen Konstellationen (in Deutschland als Einkreisungspolitik verstanden) zu meistern vermochte. Das Verhältnis zu Frankreich wurde nicht verbessert, England nun auch durch die Flottenpolitik herausgefordert und Russland auf dem Balkan nicht gegen Österreich-Ungarn unterstützt (vgl. dagegen den Rückversicherungsvertrag der Bismarck-Epoche). Wilhelm hatte allerdings bis zur Daily-Telegraph-Affäre und den Eulenburg-Prozessen Vertrauen in Bülow, der sich ihm zudem durch Schmeichelei unentbehrlich machte. Friedenspolitisch ergriff Wilhelm II. erst 1905 eine Initiative: Zwecks Wiederannäherung an Russland, das gerade seinen Krieg gegen Japan zu verlieren drohte, schloss er mit Nikolaus II. den Freundschaftsvertrag von Björkö. Frankreich sollte einbezogen werden. Leider wurde aber der deutsch-russische Freundschaftsvertrag schon 1907 von Russland für gegenstandslos erklärt, weil er mit der französisch-russischen Annäherung, die inzwischen stattgefunden hatte, nicht verträglich sei. Diese Annäherung hatte sich ergeben, nachdem Wilhelm II. 1906 in der Ersten Marokkokrise durch seinen Besuch in Tanger Frankreich stark provoziert hatte. Resultat war überdies eine Verschlechterung der Beziehungen zu Japan, das bisher Preußen/Deutschland als wissenschaftlichen und militärischen Lehrmeister angesehen hatte. 1908 wurde Wilhelms Hilflosigkeit durch die Daily-Telegraph-Affäre deutlich: Er beschwerte sich in einem Interview der Zeitung über seine eigene Regierung: sie sei nicht englandfreundlich genug. Bismarck war ein Meister darin gewesen, seine Politik medial zu flankieren (vgl. die Emser Depesche 1870). Bei Wilhelm II. dagegen sollte das Interview und markige Reden die Politik ersetzen. Ein besonders eklatantes Beispiel gab der Kaiser mit der bereits am 27. Juli 1900 in Bremerhaven gehaltenen Hunnenrede. Mit dem Daily Telegraph-Interview fiel er nunmehr der Reichspolitik in den Rücken, knickte angesichts des deutschen Pressesturms ein und versprach, sich künftig zurückzuhalten. Inzwischen begann die Öffentliche Meinung überhaupt, den Kaiser kritisch zu sehen, und eine Kampagne schadete ihm konkret: Schon 1906 hatte der Journalist Maximilian Harden in seiner Zeitschrift Die Zukunft die Kamarilla um den Kaiser und damit das persönliche Regiment des Kaisers angegriffen. Zu besonders harten Auseinandersetzungen führte seine Enthüllung, dass Philipp von Eulenburg und Hertefeld, ein enger Freund und Berater des Kaisers, homosexuell sei und einen Meineid geleistet habe. Es folgten drei Sensationsprozesse gegen Eulenburg, die trotz „freisprechenden“ Urteils das Ansehen des Kaisers beschädigten. 1909 zerbrach der so genannte Bülowblock, in dem sich die regierungsunterstützenden linksliberalen Parteien, sowie die Nationalliberale und die Konservative Partei zusammengeschlossen hatten. Auslöser war der Versuch Bülows, das preußische Wahlrecht zu reformieren, worauf ihm die im Preußischen Landtag dominierenden Konservativen die Gefolgschaft verweigerten. Sozialdemokraten und Zentrum, die diesen Versuch in seinen Grundsätzen unterstützen, verweigerten trotzdem die Zusammenarbeit mit Bülow. Sie warfen ihm Prinzipienlosigkeit vor, da er erst kurz zuvor in Zusammenarbeit mit den Konservativen neue Repressalien gegen die Polen durchgesetzt hatte. Die Germanisierungspolitik wurde auf Betreiben Kaiser Wilhelms II. beendet. Dass Bülow nun aber, um sich die Loyalität der Konservativen Partei zusichern, die Enteignung von polnischen Gütern erleichterte, ignorierte der Kaiser zunächst, um die stabile Parlamentsmehrheit nicht zu gefährden. Daraufhin entließ er ihn jedoch und ernannte Theobald von Bethmann Hollweg zum Reichskanzler. Er überließ ihm die Außenpolitik, die aber ihre Ziele - Wiederannäherung an England und Distanzierung von der antirussischen Balkanpolitik Österreich-Ungarns - nicht erreichte. Die antifranzösische Politik wurde 1911 in der zweiten Marokkokrise durch deutschen Interventionismus verschärft (der „Panthersprung nach Agadir“), Heer und Flotte wurden weiter verstärkt. Markante Eingriffe Wilhelms unterblieben. Der Kaiser war zwar Militarist, aber kein Bellizist, er wollte trotz seiner kriegerischen Reden im Grunde keinen Krieg. Er tat aber auch zu wenig, um dies deutlich zu machen. Insgesamt ist Wilhelms II. Anteil an der deutschen Außenpolitik umstritten. Während John C. G. Röhl in ihm eine wirkungsmächtige Instanz hervorhebt, die in die Politik des Reiches eigenständig eingriff, sieht die Mehrzahl der Historiker wie Wolfgang Mommsen die zivile Reichsleitung im Zentrum der Verantwortung. Unbestreitbar ist, dass der Kaiser nicht als Koordinator zwischen Außen-, Heeres- und Flottenpolitik wirkte. So kam es, dass Reichskanzler, Heeres- und Marineleitung je unterschiedliche Ziele verfolgten, die miteinander nicht verträglich waren: Vor allem der Aufbau der Flotte schuf ein außenpolitisches Problem. Erster Weltkrieg 1914 in der Julikrise spielte Wilhelm II. eine ambivalente Rolle. Er wollte den Frieden retten und auf der Monarchenebene versuchte er sein Bestes, einen fieberhaften Briefwechsel mit dem russischen Kaiser (Lieber Nicky! – Lieber Willy!), der bei der nunmehr objektiven Kriegsentschlossenheit sämtlicher Kontinental-Großmächte gar nichts bewirkte. Objektiv jedoch steigerte der Kaiser die Kriegsgefahr: Denn er ermächtigte Bethmann Hollweg nach dem Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914, Österreich-Ungarn eine Blankovollmacht für dessen aggressive Politik gegen Serbien zu erteilen. Faktisch wurde nach der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien die Außenpolitik von Kaiser und Kanzler dem deutschen Generalstab überlassen: Die Mobilmachung im Russischen Reich erlaubte es nach dessen Urteil dem Deutschen Reich nicht, mit der Kriegserklärung an Russland und Frankreich länger zu warten, da sonst der deutsche Schlieffenplan, bei einem Zweifrontenkrieg erst schnell Frankreich, dann Russland zu schlagen, undurchführbar zu werden drohte. Wilhelm mischte sich in der Folge nicht in militärische Zielsetzungen ein, überließ diese aber nicht verfassungsgemäß dem Reichskabinett, sondern der Obersten Heeresleitung. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges 1914–1918 wurde die Bedeutung des Kaisers immer geringer. Besonders mit der 3. Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und dem dominierenden Ludendorff wurde er 1916–1918 zunehmend von den politisch-militärischen Entscheidungen ausgeschlossen. Jedoch schob die Heeresleitung ihm 1917 die auch im Reich umstrittene Entscheidung über den „uneingeschränkten“ U-Boot-Krieg zu. Er schloss sich – gegen den Rat seines Reichskanzlers – der Meinung der Militärs an und willigte ein, was dann zur Kriegserklärung der USA führte. Diese machten später die Abdankung des Kaisers zur Bedingung für die Eröffnung von Friedensverhandlungen. Ab 1917 hatte Ludendorff eine faktisch diktatorische Position. Auf weitere Reichskanzlerwechsel nahm Wilhelm II. keinen Einfluss, die 1918er Reform der Reichverfassung in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie wurde ohne ihn versucht. Durch den Hungerwinter 1917/18 und das völlige Desaster der Kriegsführung, spätestens nach der gescheiterten Frühjahrsoffensive im Westen 1918, war Wilhelm II. im Reich unhaltbar geworden. Dazu kam die Tatsache, dass der Bevölkerung längst bewusst war, dass ein Friedensschluss unter leidlichen Bedingungen („Selbstbestimmungsrecht der Völker") nur noch von der Abdankung ihres Kaisers abhing, da die USA sich weigerten, Friedensverhandlungen vorher zu beginnen. Am 9. November 1918 gab Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867–1929) eigenmächtig und ohne Wilhelms II. Einwilligung dessen (!) Abdankung bekannt. Damit war in Deutschland die Monarchie überall am Ende. Der noch im selben Monat vom Kaiser selbst ausgesprochene Rücktritt (s.u.) war angesichts der Situation zwangsläufig (s. Novemberrevolution). Die Folgen konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen: Der Sturz der Monarchie ebnete nach Ansicht des späteren britischen Premierministers Sir Winston Churchill den Weg in die Diktatur Adolf Hitlers. Am 10. November 1918 fuhr der Kaiser aus seinem Hauptquartier in Spa in die Niederlande und erbat (und erhielt) dort Asyl. Besonders enttäuscht war er von Hindenburg, der ihn fallen ließ, des Weiteren wetterte er gegen „das Judengesindel“ (O-Ton Wilhelm). Er dankte offiziell am 28. November 1918 ab, 19 Tage nach Ausrufung der Republik, gab aber nie den Wunsch auf, wieder auf den Thron zurückzukehren. Text der Abdankungsurkunde: Ich verzichte hierdurch für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preussen und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone. Zugleich entbinde ich alle Beamten des Deutschen Reiches und Preussens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mann- schaften der Marine, des Preussischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueides, den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter- schrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Amerongen, den 28. November 1918 Wilhelm Zeit nach der Abdankung Exil Bis 1920 lebte Wilhelm II. in Amerongen, danach bis zu seinem Tod in dem von ihm erworbenen Haus Doorn in den Niederlanden im Exil. 1921 starb seine Frau. 1922 heiratete er die verwitwete Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, geborene Prinzessin Reuß ä.L. (1887-1947) („Kaiserin“ in seiner Titulatur, amtlich „Prinzessin von Preußen“). Er versammelte Gelehrte zu kulturhistorischen Studien um sich (Doorner Arbeitskreis), verfasste seine Memoiren und weitere Bücher und hielt sich für die Wiederherstellung der Monarchie bereit. Unter anderem durch den Hitlerputsch 1923 sah er sich darin bestätigt, dass nur ein Monarch Ruhe und Ordnung garantieren könne. Immer wieder äußerte er sich antisemitisch, „Presse, Juden und Mücken“ solle man den Garaus machen, „am besten mit Gas“. 1933 näherte er sich – auch bestärkt durch seine Frau, die im Reich umherreiste – den Nationalsozialisten an, von denen er sich die Restauration des Kaiserreichs versprach, was sich trotz zweimaligen Besuchs Görings in Doorn bald als unrealistisch erwies. Hitler hielt ihn hin. Als er im November 1938 von dem antijüdischen Pogrom, der „Kristallnacht“, erfuhr, äußerte er sich entsetzt und hielt es für eine Schande. Bei Besetzung der Niederlande 1940 ließ Hitler das Anwesen durch die Geheime Feldpolizei abriegeln. Zum deutschen Sieg über Frankreich im Mai erhielt Adolf Hitler ein angeblich von Wilhelm II. abgesandtes Glückwunschtelegramm. Darin wurde zwar nicht dem „Führer“ Hitler, aber dem Reichskanzler, und vor allem zum „Sieg der deutschen Waffen“ gratuliert. Ob es von Wilhelm II. stammte, wird stark bestritten, sein damaliger Hausminister Wilhelm von Dommes dürfte der Urheber dieses Telegramms gewesen sein. Tod Wilhelm II. starb am Morgen des 4. Juni 1941 im Haus Doorn. Seine letzten Worte sind zweifelhaft überliefert: „Ich versinke, ich versinke...“. Trauerfeiern im Reich wurden verboten. Die NS-Machthaber erlaubten nur einer kleinen Zahl von Personen (dem engeren Familienkreis, einigen ehemaligen Offizieren) die Fahrt in die besetzten Niederlande zur Teilnahme an der Beisetzung. Der Kaiser wurde zunächst in einer Kapelle nahe dem Doorner Torhaus beigesetzt. Sodann wurde sein Sarg in das nach seinen Zeichnungen posthum erbaute Mausoleum im Park von Haus Doorn überführt. Sein selbst gewählter Grabspruch lautet: „Lobet mich nicht, denn ich bedarf keines Lobes; rühmet mich nicht, denn ich bedarf keines Ruhmes; richtet mich nicht, denn ich werde gerichtet.“ Beide Gattinnen ruhen im Antikentempel am Neuen Palais in Potsdam. Wilhelm II. als Persönlichkeit Auf Grund von Komplikationen bei seiner Geburt war Wilhelms II. linker Arm um 15 cm kürzer als der rechte und teilweise gelähmt, mit daraus resultierenden Gleichgewichtsstörungen und Haltungsschäden sowie häufigen Schmerzen im linken Ohr. Eine besondere elterliche Zuwendung erfuhr er nicht und dankte es mit einem bleibenden Ressentiment besonders gegen seine Mutter, die ihn selbst wiederum, wie in ihren Briefen deutlich zu lesen, hasste. Schmerzvoll waren die Versuche der Familie, seiner Behinderung entgegen zu wirken. Denn der zukünftige König von Preußen sollte ein „ganzer Mann“ und kein Krüppel sein. So musste er sich als Kleinkind z.B. schmerzhaften Elektroschocktherapien unterziehen. Auch wurde erfolglos versucht, seinen verkümmerten Arm zu strecken. Das beruflich oft erforderliche Reiten fiel ihm daher schwer. Diese unbehebbare Behinderung prägte ihn sehr. Er war gehalten, sie stets als einen Makel zu verbergen. Das Tragen von Uniformen und das Abstützen der linken Hand auf der Waffe war ein Ausweg. Die Behinderung machte ihn vermutlich zu einem Menschen mit Selbstzweifeln und geringem Selbstbewusstsein und einer darauf beruhenden Ichverfangenheit, leichten Kränkbarkeit und ihr zufolge Sprunghaftigkeit. Später dürfte diese auch seine sprichwörtliche Reiselust begünstigt haben. Ob mögliche Neurosen eine ernsthafte seelische Erkrankung unterstellen lassen müssten, ist durchaus strittig. Ob auch eine Anlage zu einer Geisteskrankheit vorlag, noch mehr. Ein schwermütiger Zug wird ihm mitunter attestiert. Der noch heute berühmte Psychiater Emil Kraepelin bezeichnete sogar – auf Grund ferndiagnostisch zugänglicher öffentlicher Quellen – Wilhelms Gemüt als einen „typischen Fall periodischen Gestörtseins“, ein freilich bestrittenes Urteil in Richtung auf eine manisch-depressive Disposition. Anhaltende Schwierigkeiten waren Wilhelm II. verhasst, deswegen ließ er auch bewährte Freunde und Parteigänger schnell im Stich, so dass eher diplomatisierende Charaktere, wie Bülow und viele Höflinge, seinen Umgang ausmachten und seine Personalauswahl bestimmten. Offiziere, unter denen er sich wohlfühlte, erweiterten sein Urteil wenig, denn sie hatten im Zweifel die politischen Vorurteile ihrer kastenartig abgeschlossenen Berufsgruppe, und auch ihr Stil des Schwadronierens färbte auf ihn ab. Von seiner Persönlichkeit her gesehen behinderten narzisstische Züge seine Einfühlungsgabe und sein Urteil über Andere, wie z.B. über Nikolaus II. von Russland. Seine Taktlosigkeiten waren bekannt. Sie fielen seiner Mitwelt besonders bei seinem Regierungsantritt und bei Bismarcks Entlassung ins Auge, die dieser in seinen Gedanken und Erinnerungen rachsüchtig ausbreitete. Eine diese Handikaps ausbalancierende Welt- und Menschenkenntnis zu erwerben, hatte sein Werdegang ihm nicht erlaubt. Trotz der Wesensunterschiede zu seinem altpreußisch-schlichten und im Persönlichen bemerkenswert loyalen Großvater Wilhelm I. versuchte Wilhelm II. immer, dessen Regierungsmuster zu folgen. Man kann sein anfängliches Verhältnis zu Caprivi dergestalt deuten, dass er hier ‚seinen eigenen Bismarck‘ gefunden zu haben hoffte. Zum militärischen Oberbefehlshaber ernannte er den Neffen des berühmten Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke („Ich will auch einen Moltke.“), der dann aber aus dem Schatten Alfred von Schlieffens nicht heraus zu treten vermochte. Allerdings wurde die Zurückhaltung seines Großvaters bei direkten politischen Eingriffen keineswegs bleibendes Merkmal des Enkels; wiederholt griff Wilhelm II. durch Personalentscheidungen und Befehle für Gesetzesvorlagen direkt in die Politik ein. Gar nicht folgte er der öffentlichen Zurückhaltung des alten Kaisers: Selbstdarstellungseifer drängte Wilhelm II. oft repräsentativ in die Öffentlichkeit, wobei eine nicht unbeachtliche Rednergabe ihm Echo einbrachte, aber auch zu politisch bedenklichen Formulierungen verlockte. Auch begünstigte dieser Übereifer sein Verhältnis zu den Massenmedien. Man kann ihn als ersten Medienmonarchen des 20. Jahrhunderts ansehen. Seine Schaustellungen von Uniformen und Orden stimmten im Übrigen zum Protzstil des später nach ihm benannten Wilhelminismus. Die Künste standen ihm fern, die Literatur lag ihm nicht am Herzen. Eigene Interessen entwickelte er für die Archäologie, seine Korfu-Aufenthalte sind auch davon bestimmt. Außerdem oblag er, wie in Adelskreisen nicht unüblich, begeistert der Jagd, seine Trophäenzahl erfreute ihn (er erlegte rd. 46.000 Tiere); im Exil fällte er gerne Bäume. Bei der Jagd lernte Wilhelm auch seinen später engen Freund Philipp Graf zu Eulenburg kennen, der besonders in den Jahren 1890 bis 1898 zu seinen wichtigsten Beratern zählte. Desengagement, wenn die Dinge anders liefen, als er wollte, blieb sein Wesenszug. Noch 1918, angesichts der revolutionären Verhältnisse im Reich, emigrierte er sang- und klanglos ins neutrale Ausland. Seine in Holland verfasste Autobiografie mit ihren Rechtfertigungen oder Themenvermeidungen ist ein gutes Zeugnis seiner Urteilsschwächen. Das Bild Wilhelms II. in der Öffentlichkeit Wilhelm II. war zunächst sehr populär. Die weniger geschätzten Züge einer Reichseinigung „von oben“ mit Bewahrung alter Machtstrukturen fand in der Kaiserverehrung einen willkommenen Ausgleich. Die weithin monarchistisch gesonnene Presse nahm dies auf, man fand für ihn die Bezeichnungen „Arbeiterkaiser“ und „Friedenskaiser“ (dies geht u. a. auf den Vorschlag von Emanuel Nobel von 1912 zurück, Kaiser Wilhelm II. den von Alfred Nobel gestifteten Friedensnobelpreis zuzusprechen, damals hatte das Deutsche Reich unter seinem Kaisertum 24 Jahre Frieden gehalten). Doch wurde er auch als bedrohlich empfunden (vgl. Ludwig Quiddes als Kritik an Wilhelm II. aufgefasste und vielrezipierte 1894er Studie Caligula zum "Cäsarenwahnsinn“). Zunehmend mischte sich dann Spott hinein: „Der erste war der greise Kaiser, der zweite war der weise Kaiser, der dritte ist der Reisekaiser.“ Auch in der Bezeichnung „Redekaiser“ steckte Kritik. Seine vielerlei Uniformen wurden bewitzelt: „Majestät, im Badezimmer ist ein Rohr geplatzt.“ – „Bringen Sie die Admiralsunifom.“ („Simplicissimus“) Von den ihn kritisierenden Demokraten, Sozialisten, Katholiken, auch den kritischen Minderheiten (von 1864 her die Dänen, seit 1866 die Hannoveraner, seit 1871 die Elsass-Lothringer, dauerhaft die Polen) wurde ihm zunächst das die öffentliche Meinung beherrschende Bürgertum am gefährlichsten. Bei den Schriftstellern war er nicht angesehen, der ironische Thomas Mann war in seinem Roman Königliche Hoheit noch am mildesten mit einem behinderten und etwas einfältigen Dynasten umgegangen. Direkte Kritik verbot der Paragraph zur „Majestätsbeleidigung“ im Strafgesetzbuch, aber die Witze über ihn wurden immer beißender. Man vergleiche nur das viel positivere Kaiserbild von Franz Joseph in Österreich-Ungarn, der doch viel stärkere innen- und außenpolitische Probleme hatte. Nach 1918 und seiner Flucht ins Exil überwog die Verachtung, man warf ihm Feigheit vor: Warum ist er nicht an der Spitze seines Heeres kämpfend gefallen? Monarchisten erhofften 1933 mit Hitlers Machtantritt seine Rückkehr. Da Hitler nichts dergleichen im Sinne hatte, wurde Wilhelm II. in seinen letzten zehn Lebensjahren immer stärker vergessen, sein Tod blieb überwiegend unbetrauert. Sein öffentliches Ansehen hat sich seither kaum erholt. Außerhalb Deutschlands war sein Ansehen eher schlechter als in Deutschland. Während des Ersten Weltkrieges war Wilhelm II. oft die symbolische Zielfigur der feindlichen Propaganda. Familie Stammbaum Söhne und Töchter Friedrich Wilhelm Victor August Ernst (1882-1951) ∞ 1905 Herzogin Cecilie zu Mecklenburg-Schwerin (1886-1954) Wilhelm Eitel Friedrich Christian Karl (1883–1942) ∞ 1906-1926 Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg (1879-1964) Adalbert Ferdinand Berengar (1884–1948) ∞ 1914 Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen (1891-1971) August Wilhelm (1887–1949) ∞ 1908-1920 Prinzessin Alexandra von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1887-1957) Oskar Karl Gustav Adolf (1888–1958) ∞ 1914 Gräfin Ina Maria von Bassewitz (1888-1973) Joachim Franz Humbert (1890–1920, Selbstmord) ∞ 1916 Prinzessin Marie Auguste von Anhalt (1898-1983) Victoria Luise Adelheid Mathilde Charlotte (1892–1980) ∞ 1913 Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1887-1953) Titel und Ränge Titular Akademische Titel (alphabetisch nach Hochschulen) Dr. iur. utr. h.c. der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Dr.-Ing. E.h. der Polytechnischen Hochschule in Berlin Ehrendoktor der Wissenschaften der Universität Klausenburg Dr. of Civil Law der Universität Oxford Ehrendoktor der Rechte der Universität von Pennsylvania Ehrendoktor der Medizin der Karls-Universität Prag Militärische Laufbahn 27. Januar 1869: Leutnant im 1. Garderegiment zu Fuß und à la suite des 1. Batl. (Berlin) des 2. Garde-Landwehr-Regiments. 22. März 1876: Oberleutnant 22. März 1880: Hauptmann 16. Oktober 1881: Major 16. September 1885: Oberst und Kommandeur des Garde-Husaren-Regiments 27. Januar 1888: Generalmajor und Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade 15. Juni 1888: Oberster Kriegsherr des deutschen Heeres und Chef der Marine, Chef des 1. Garde-Regiments zu Fuß, des Regiments der Garde du Corps, des Leib-Garde-Husaren-Regiments 13. September 1889: Chef des Königs-Ulanen-Regiment (1. hannoversches) Nr. 13 Chefstellen und andere Ehrenränge Hier geht es um den Rang des Chefs (in Bayern: Inhaber) von Truppenteilen, dessen Namen diese dann auch oftmals trugen (das militärische Kommando liegt nicht beim „Chef“, sondern bei dem jeweiligen „Kommandeur“). Die Generals- und Admirals-Titel sind ebenfalls als Ehrenränge zu verstehen. Deutschland Chef des 1.Garde-Regiments zu Fuß Regiments der Gardes du Corps Leib-Garde-Husaren-Regiments Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoversches) Nr. 13 Königs-Infanterie-Regiments (6. Lothringisches) Nr. 145 Grenadier-Regiments König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreußisches) Nr. 3 Regiments Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1 Leib-Kürassier-Regiments Großer Kurfürst (Schlesisches) Nr. 1 1. Leib-Husaren-Regiments Nr. 1 2. Leib-Husaren-Regiments Königin Viktoria von Preußen Nr. 2 Leib-Grenadier-Regiments Friedrich Wilhelm III. (1. Brandenburgisches) Nr. 8 2. Badischen Grenadier-Regiments Kaiser Wilhelm I. Nr. 110 Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116 a Königlich Sächsischen 2. Grenadier-Regiments Kaiser Wilhelm Nr. 101 Königlich Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 120 Königlich Württembergischen Dragoner-Regiments Königin Olga (1. Württembergisches) Nr. 25 Inhaber des 1. Königlich Bayerisches Ulanen-Regiment „Kaiser Wilhelm II., König von Preußen“ Königlich Bayerischen 6. Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen Ausland Inhaber des K.u.k. Infanterie-Regiments Nr. 34 (Österreich-Ungarn) K.u.k. Husaren-Regiments Nr. 7 (Österreich-Ungarn) Chef des Kaiserlich Russischen St. Petersburger Leib-Garde-Grenadier-Regiments 'König Friedrich Wilhelm III.' 85. Infanterie-Regiments „Wyborg“, (Russland) 13. Husaren-Regiments „Narva“ (Russland) Königlich Großbritannischen 1. Dragoner-Regiments Ehrenoberst des Königlich Portugiesischen 4. Reiter-Regiments Königlich Spanischen Dragoner-Regiments „Numancia“ Kaiserlich Osmanischer Feldmarschall Feldmarschall der Kaiserlich-Königlichen Armee Österreich-Ungarns Königlich Großbritannischer Feldmarschall Königlich Großbritannischer Ehrenadmiral der Flotte Königlich schwedischer Flaggenadmiral Königlich norwegischer Ehrenadmiral Königlich dänischer Ehrenadmiral Admiral der Kaiserlich russischen Flotte Ehrenadmiral der Kgl. griechischen Flotte Sonstige (nichtmilitärische) Ränge und Orden Auswahl Neuntes Oberhaupt und neunter Souverän und Meister des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler Protektor des Johanniterordens Ritter des Hosenbandordens (Vereinigtes Königreich) Ritter des St.Andreasordens (Russland) Ritter des Annunciaten-Ordens (Italien) Ritter des Elefanten-Ordens (Dänemark) Ritter des St.-Hubertus-Ordens Ritter des Seraphinenordens (Schweden) Ritter des Löwen-Ordens (Norwegen) Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies (Spanien) Ehrenbailli und Großkreuz des Souveränen Malteserordens.