Die erste Kaiserreise nach Rußland im Juli 1888.
Nach dem Amtsantritt von Wilhelm II. am 15. Juni 1888 (Dreikaiserjahr), reiste der Kaiser zu ersten Staatsbesuchen zu den Monarchen Rußlands, Schwedens und Dänemarks nach Sankt Petersburg, Stockholm und Kopenhagen. Die Reise, die als Zeichen der Staats- und Völkerfreundschaft diente, begann am 14. Juli 1888 auf der Kaiserlichen Yacht SMS Hohenzollern unter dem Kommando von Prinz Heinrich. Ende des Monats war die Hohenzollern in Kiel zurück.
Originale, großformatige Farb-Offsetlithographie von 1912.
Druck von C. Angerer & Göschl.
Nach dem Originalgemälde von Willy Stöwer.
In der Platte signiert.
An der rechten unteren Ecke mit eingeprägtem Adelswappen.
Größe 430 x 295 mm.
Mit vertikaler, mittiger Bugfalte.
Mit minimalen Alterungs- und Gebrauchsspuren, im Bereich der Bugfalte etwas wellig, sonst sehr guter Zustand.
Hervorragende Bildqualität auf Kunstdruckpapier – extrem selten!!!
100%-Echtheitsgarantie – kein Repro, kein Nachdruck!!!
Besichtigung jederzeit möglich.
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Jahrhundert, Abzeichenfarben, Adel, Akademische Kunst, Akademische Malerei, Altdeutschland, Alte Berufe, Altmeisterlichkeit, aristocracy, aristocratic, Aristokratie, Armee, Ars gratia artis, Attilafarbe, Baltisches Meer, Belle Époque, Beruf, Berufe, Berufsleben, Berufswelten, Berufswesen, Besatzung, Bildnis, Bildniskunst, blaue Jungs, Blaujacken, Boot, Branchen, D-24103 Kiel, Dampfer, Dampferreise, Dampfschiff, Dampfschiffe, Deutsche Geschichte, Deutsche Kriegsmarine, Deutsche Marine, Deutsche Wirtschaft, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Deutscher Kaiser, Deutscher Kaiser und König von Preußen, Deutsches Kaiserreich, Deutsches Reich, Deutschland, Edelleute, Elite, Elitetruppe, Emblem, Fahne, Fahnen, Fahnentuch, Feldzeichen, Fernreise, Fernreisen, Fernverkehr, Fernverkehrsmittel, Flagge, Flaggen, Flotte, Gemälde, Genealogie, German Empire, Germans, Germany, Gründerzeit, gute alte Zeit, Heer, Heeresleitung, Heereswesen, Heerführer, Heerwesen, Heraldik, Herrscher, Herrscherhäuser, Historically, Historienbilder, Historisch, Historische Bilder, History, Hochadel, Hochsee, Hochseeflotte, Hohenzollern, Imperial German Navy, Insignien des Hausordens der Hohenzollern, Kaiser Wilhelm II., Kaiserkrone, Kaiserlich deutsches Marineoffizierkorps, Kaiserliche Marine, Kaiserreich, Kaiserstandarte, Kaiserwappen, Kaiseryacht, Kaiserzeit, Kapitän, Kommandant, Kommando, Königlich Preußische Armee, Kultur, Kulturgeschichte, Kunst, Kunstgeschichte, Leibfahne, Luxusdampfer, Majestät, Marine, Marineeinheiten, Marinemaler, Marinemalerei, Marinetruppen, Maritim, Militär, Militärgeschichte, Militaria, Militärmacht zur See, Militärmalerei, military, Monarchie, Nationalfarben, Nautic, Nautik, naval, navy, nobels, nobility, Norddeutschland, Nostalgia, Nostalgie, Oberster Kriegsherr, Ortsansichten, Ortsgeschichte, Ortskunde, Ostsee, Parade, Passagierdampfer, Passagierschiff, Passagierverkehr, Patriotika, Patriotismus, Persönlichkeiten, Preußen, Preußisches Heer, Pro Gloria et Patria, Raddampfer, Regimentsfarben, Regimentsgeschichte, Regimentszeichen, Reichsmarine, Reichsmarineamt, Reichs-Marine-Amt, Reise, Reisen, Reiseverkehr, Royal, Säkularbänder, Schaufelraddampfer, Schiff, Schiffahrt, Schiffe, Schiffsreise, Schiffsverkehr, Schleswig-Holstein, Seefahrer, Seefahrt, Seekriegswaffe, Seemann, Seereise, Seereisen, Seestreitkräfte, Seewehr, Staatsoberhaupt, Stadtansichten, Stadtgeschichte Kiel, Standarte, Standarten, Standartenträger, Standartentuch, Technik, Technikgeschichte, Topographie, Tradition, Transport, Transportmittel, Transporttechnik, Transportwesen, Truppe, Truppenformationen, Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser, Vaterland, Verkehr, Verkehrsmittel, Verkehrswesen, Wappen, Weltreise, Weltreisen, Weltverkehr, Wilhelminische Ära, wilhelminische Epoche, Wilhelminisches Kaiserreich, Wilhelminisches Zeitalter, Yacht Hohenzollern, Zeitgeschehen, Zeitgeschichte, Zweites Kaiserreich, Zweites Reich Willy Stöwer (* 22. Mai 1864 in Wolgast; † 31. Mai 1931 in Berlin) war ein bekannter deutscher Marinemaler der Kaiserzeit. Nach erster Tätigkeit unter anderem als Techniker an verschiedenen deutschen Werften, erhielt Stöwer bald erste Aufträge als Maler, Zeichner und Illustrator. Seine Maltechnik hatte er sich als Autodidakt angeeignet. Stöwer war Vorstandsmitglied des Deutschen Flottenvereins. Kaiser Wilhelm II. war ein begeisterter Anhänger und Förderer des Künstlers und besaß mehrere seiner Werke. Willy Stöwer begleitete den Monarchen zwischen 1905-1912 auf mehreren seiner Schiffsreisen. 1907 wurde ihm der Professoren-Titel verliehen. Besondere Bekanntheit erlangte Stöwers Darstellung des Untergangs der Titanic in der Zeitschrift Die Gartenlaube, ein Illustrationsauftrag, den er ohne wirkliche Informationen im Detail kurze Zeit nach der Katastrophe anfertigte. Dieses Bild wurde mit seinen Detailfehlern bis in unsere heutige Zeit vielfach im europäischen Raum zitiert und unzählige Male abgedruckt. Vergleichbar mit anderen Lebensläufen von Marinemalern der Kaiserzeit, wie z.B. von Hans Bohrdt, war mit der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und dem Niedergang der deutschen Seemacht und Handelsflotte seine große Schaffensperiode vorbei. Er erhielt nur noch wenige Illustrationsaufträge von deutschen Reedereien und hatte bis zu seinem Tod große Probleme, ohne die kaiserliche Gunst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. C. Angerer & Göschl war eine Kunst-, Druckformenherstellungs- und Reproduktionsanstalt in Wien. Geschichte Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1870 von Carl Angerer (1838–1916), dem Bruder von Ludwig und Viktor Angerer von L. & V. Angerer sowie August I. Angerer von A. & V. Angerer. Die vier Brüder waren somit Gründer von drei voneinander unabhängigen Betrieben des fotografischen Gewerbe. Speziell Carl beschäftigte sich intensiv mit der chemigraphischen Zinkätzung und entwickelte die für die damalige Zeit revolutionäre Wiener Ätzmethode. Drei Jahre später wurde Carls Schwager Alexander Göschl (1848–1900) Partner. Im Jahr 1877 wird ein Fotoatelier gemietet und die Fotografie in die Reproduktionstechniken einbezogen. Der Betrieb setzt im Lauf der Jahre nahezu alle fotografischen Drucktechniken in der Praxis um und entwickelt neue Verfahren und präsentiert sich in zahlreichen in- und ausländischen Ausstellungen. Bereits in den frühen Jahren waren Carl Angerer und Alexander Göschl insbesondere auf dem Gebiet des autotypischen Bilddruckes in Europa marktbeherrschend. Für ihre Verdienste wurden die Inhaber zu k.k. Hof-Chemigraphen ernannt. Sie galten als kluge Firmenpolitiker, die durch gründliche Entwicklungsarbeit auf ihrem Weg immer besser technisierte Reproduktionsverfahren auf einem qualitativ hohen Niveau anbieten konnten. Der erste Standort war in der Hubergasse 15. Es gibt Aufzeichnung über Standorte in der Ottakringer Straße 33 ab 1880 und Ottakringer Straße 49 seit dem Jahr 1899. 1910 beschäftigte das Unternehmen 250 Mitarbeiter. 1916 übernahm Carls Sohn Alexander C. Angerer (1869–1950) das Unternehmen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Filialen im Ausland eröffnet. Gemeinsam mit dem Verlag Ed. Hölzel & Co. und der Wiener Kunstdruck-Gesellschaft erwirbt das Unternehmen um 1920 das Patent für das Farbverfahren Uvachrome für die Länder Österreich, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien. 1921 wird das Buch „Fünfzig Jahre Angerer & Göschl. 1871–1921“ veröffentlicht, eine Denkschrift zum 50-jährigen Unternehmensjubiläum. Alexander war von 1924 bis 1938 Präsident der Photographischen Gesellschaft. Der Schauspieler Helmuth Lohner und der Musiker und Maler Karl Hodina erlernten hier das Handwerk der Chemigraphie. Am 31. März 1983 wurde der Konkurs des Unternehmens beantragt. Ein neugegründetes Unternehmen hat den Namen übernommen und führt unter diesem heute eine herkömmliche Druckerei im 16. Wiener Gemeindebezirk. Auszeichnungen Voigtländerpreis; eine Medaille in Vermeil für hervorragende Leistungen in der Photozikotypie, besonders mit Zuhilfenahme des von ihnen angeführten Korn- und Tonpapiers im Jahr 1883 Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft von Kaiser Franz Josef I. im Jahr 1884 K. u. k. Hof-Kunstanstalt wg. Mitwirkung als Mitglied der Staatsnotenfabrikation im Jahr 1884. Die Hohenzollern war eine Staatsyacht des Deutschen Reiches. Sie diente den deutschen Kaisern für repräsentative Zwecke. Das Schiff gehörte zur Kaiserlichen Marine und wurde als Aviso in der Liste der Kriegsschiffe geführt. Mit dem Stapellauf der als Ersatzbau dienenden gleichnamigen Yacht am 27. Juni 1892 wurde das Schiff in Kaiseradler umbenannt. Bau Zu Beginn der 1870er Jahre bestand die Notwendigkeit zum Bau einer neuen Staatsyacht für den Kaiser des Anfang 1871 gegründeten Deutschen Reiches. Die bis dahin als Yacht genutzte Grille schien aufgrund der geringen Größe und mangelnder Seetüchtigkeit für Repräsentationszwecke nicht mehr geeignet. Daher wurde die in Kiel ansässige Norddeutsche Schiffbau A.G. 1874 mit der Erstellung eines Entwurfes für eine neue Yacht, im Folgejahr auch mit ihrem Bau beauftragt. Das Schiff stand am 5. Juli 1876 zum Stapellauf bereit. Dabei wurde es vom Direktor der Admiralität, Konteradmiral Ludwig Henk, nach dem Stammhaus der preußischen Könige auf den Namen Hohenzollern getauft. Die Fertigstellung des Schiffs zog sich bis in das Frühjahr 1880 hin. Technik Die Hohenzollern wurde als Querspant-Eisenbau ausgeführt, verfügte jedoch über hölzerne Decks. Der Rumpf war in sechs wasserdichte Abteilungen unterteilt. Die Konstruktionsverdrängung wurde auf 1707 t berechnet, die maximale Verdrängung des einsatzbereiten Schiffs lag bei 1962 t. Der Rumpf war insgesamt 90,65 m lang, die Konstruktionswasserlinie maß 81,9 m. Die maximale Breite des Schiffs betrug 17,7 m, wovon ein beträchtlicher Teil auf die beiden seitlichen Kästen der Schaufelräder entfiel. Der Schiffskörper an sich maß 10,36 m an seiner breitesten Stelle. Bei maximaler Verdrängung betrug der Tiefgang 4,24 m vorn und 4,66 m achtern. Die elektrische Ausrüstung der Hohenzollern wurde mit einer Spannung von 67 V betrieben. Sie wurde durch drei Generatoren gespeist, die zusammen eine Leistung von 31 kW erzeugten. Die Besatzung bestand aus neun Offizieren und 136 bis 145 Mannschaften. Die Hohenzollern galt als gutes Seeschiff, hatte aber mit den Nachteilen des Radantriebes zu kämpfen. So war beispielsweise ein Steuern mit dem Ruder bei Rückwärtsfahrt nicht möglich. Bei starker See nahm das Schiff viel Wasser über, verlor dafür gegen See jedoch nur wenig an Fahrt. Antriebsanlage Die Maschinenanlage bestand aus einer zweizylindrigen oszillierenden Dampfmaschine der Firma F. A. Eggels in Berlin. Diese wurden von sechs querstehenden Kofferkessel desselben Herstellers mit Dampf versorgt. Vier davon waren im Heizraum vor dem Maschinenraum untergebracht, die beiden anderen dahinter. Die Kessel verfügten über insgesamt 22 Feuerungen und einer Heizfläche von 1018 m². Sie erzeugten einen Dampfdruck von 2 atü. Die Dampfmaschine sollte eine Leistung von 3000 PSi erzeugen, übertraf diesen Wert jedoch um 180 PSi. Sie wirkte auf die beiden seitlich des Rumpfs angebrachten Schaufelräder, die 8,23 m im Durchmesser maßen und über jeweils zwölf Schaufeln verfügten. Die Antriebsanlage konnte die Hohenzollern auf eine maximale Geschwindigkeit von 15,7 kn beschleunigen. Der mitgeführte Brennstoffvorrat von 220 t Kohle ermöglichte dem Schiff eine Reichweite von 1870 sm bei einer Marschgeschwindigkeit von 10 kn. Zur Unterstützung des Dampfantriebes verfügte die Hohenzollern über eine Takelage. Das Schiff war als Schoner geriggt und mit einer Segelfläche von 356 m² an zwei Masten versehen. Bewaffnung Die ursprüngliche Bewaffnung bestand aus zwei als Prunkgeschütze ausgeführten 12,5-cm-L/23-Ringkanonen. Diese waren ein Geschenk der Essener Firma Krupp und verfügten über eine maximale Schussweite von 5,4 km. Für die Geschütze wurden insgesamt 180 Schuss Munition an Bord mitgeführt. 1884 erfolgte eine Umarmierung der Hohenzollern. Anstelle der 12,5-cm-Geschütze wurden zwei 8,7 cm L/24 Rk eingebaut, die eine Reichweite von 4,7 km besaßen. Außerdem kamen fünf 3,7 cm-Revolverkanonen mit einer Reichweite von 3,2 km an Bord. Für die 8,7-cm-Geschütze waren 220 Schuss, für die Revolverkanonen 2200 Schuss Munition vorrätig. Die Prunkgeschütze wurden später im Museum für Meereskunde und im Zeughaus in Berlin ausgestellt und gelten seit 1945 als verschollen. Einsatz Die Hohenzollern wurde am 10. April 1880 erstmals in Dienst gestellt und führte zunächst die üblichen Probefahrten durch. Nach einer durch einen Werftaufenthalt bedingten Unterbrechung vom 12. bis 20. Mai konnten diese Mitte Juni abgeschlossen werden. Der erste Einsatz als Staatsyacht erfolgte vom 22. bis 28. Juli, als sich Kronprinz Friedrich und Prinz Wilhelm an Bord befanden. Von der Hohenzollern aus beobachteten beide verschiedene Manöver, darunter das Legen einer Minensperre sowie die Versenkung der Barbarossa durch einen scharfen Torpedoschuss der Zieten, sowie den Stapellauf der Baden. Am 29. September hielten sich beide erneut auf der Yacht auf, um der von einer Weltreise heimkehrenden Prinz Adalbert entgegenzufahren. An dieser fast zweijährigen Weltumsegelung hatte der spätere Großadmiral Prinz Heinrich von Preußen im Rang eines Unterleutnants zur See teilgenommen. Die Hohenzollern wurde am 11. November wieder außer Dienst gestellt. Im Jahr 1881 wurde die Yacht lediglich vom 1. bis zum 27. September aktiviert. Nach dem Abschluss des Dreikaiserbundes im Juni 1881 kam es in der Putziger Wiek zu einer Begegnung zwischen Zar Alexander III. und Kaiser Wilhelm I. sowie Otto von Bismarck, die sich am 9. und 10. September an Bord der Hohenzollern aufhielten. Am 17. September beobachtete der Kaiser von der Yacht aus Manöver der Flotte. Dabei löste er die elektrische Zündung einer Mine aus, durch deren Explosion eine Ruderkanonenschaluppe versenkt wurde. Ebenso kam es zu einem scharfen Torpedoschuss der Blücher auf die Hulk Elbe. Zur nächsten Indiensthaltung der Hohenzollern kam es erst nach der Thronbesteigung Wilhelms II. im Jahr 1888. Die Yacht wurde am 5. Juli unter dem Kommando von Prinz Heinrich in Dienst gestellt. Am 14. Juli begann der neue Kaiser eine Besuchsreise zu den Monarchen Rußlands, Schwedens und Dänemarks nach Sankt Petersburg, Stockholm und Kopenhagen. Ende des Monats war die Hohenzollern in Kiel zurück. Im September beobachtete der marinebegeisterte Kaiser von der Yacht aus die stattfindenden Herbstmanöver. Am 29. September wurde das Schiff außer Dienst gestellt. Die Hohenzollern wurde am 28. Mai 1889 wieder aktiviert. Vom 1. bis 27. Juli diente die Yacht dem Kaiser für eine Nordlandreise, die bis zum Nordkap führte. Auch für den kurz darauf stattfindenden Besuch Wilhelms bei seiner Großmutter Königin Victoria nutzte er vom 31. Juli bis zum 10. August das Schiff. Im Oktober und November unternahm das Kaiserpaar mit der Yacht eine Reise nach Griechenland, um an der Hochzeit der Schwester Wilhelms, Prinzessin Sophie von Preußen, teilzunehmen. Auch wurden der osmanische Sultan Abdülhamid II. in Konstantinopel sowie die österreichische Kaiserin Elisabeth auf Korfu besucht. Nach der Rückkehr nach Kiel wurde die Besatzung der Hohenzollern reduziert, das Schiff blieb jedoch weiterhin in Dienst. Nachdem im April 1890 die Besatzung wieder auf Sollstärke aufgefüllt worden war, unternahm Wilhelm II. Ende Juni eine Besuchsreise zu Oskar II. als norwegischen Herrscher sowie zu König Leopold II. von Belgien. Am 9. August brachte die Hohenzollern den Kaiser nach Helgoland, das an diesem Tag offiziell in Besitz genommen wurde. Ebenfalls im August kam es schließlich zum Zusammentreffen Wilhelms mit Alexander III. in Kronstadt. Das Treffen sollte eine russisch-französische Annäherung nach dem Auslaufen des Rückversicherungsvertrages unterbinden, blieb jedoch ergebnislos. Da eine Überholung der Hohenzollern notwendig geworden war, wurde die Yacht am 16. Dezember außer Dienst gestellt. Am 2. Juni 1891 konnte das Schiff wieder in Dienst gestellt werden. Der Kaiser nutzte das Schiff für einen Besuch bei Königin Emma in den Niederlanden sowie für eine erneut bis zum Nordkap führende Norwegenreise. Ab Oktober diente das frühere Segelschulschiff Niobe während des Winters als Wohnschiff für die wiederum reduzierte Besatzung der Hohenzollern. Nachdem es zu einem weiteren Treffen zwischen Wilhelm II. und Alexander III. gekommen war, befand sich die Yacht ab dem 25. Juni in Stettin. Dort fand zwei Tage später der Stapellauf des Avisos St, der neuen Kaiseryacht, statt. Da dieser wiederum auf den Namen Hohenzollern getauft wurde, erhielt der alte Raddampfer den Namen Kaiseradler. Der am 2. Februar unter diesem Namen vom Stapel gelaufene Kreuzer wurde in Seeadler umbenannt. Im Juli erfolgte eine bis Tromsø führende Norwegenreise. Am 27. Juli hielt sich die Kaiseradler in Wilhelmshaven auf, wo der Stapellauf des durch den Kaiser getauften Panzerschiffes Heimdall stattfand. Anfang August brachte die Yacht Wilhelm zu einem Besuch Königin Viktorias nach Cowes. Vom 25. September bis zum 6. Oktober war das Schiff erneut nach England unterwegs, diesmal mit Prinz Heinrich und seiner Gemahlin Irene an Bord. Am 11. Oktober wurde die Besatzung der Kaiseradler reduziert. Da die neue Hohenzollern am 8. April 1893 in Dienst gestellt werden konnte, war ein Einsatz der Kaiseradler als Staatsyacht nicht mehr notwendig. Das Schiff wurde daher am 16. Oktober 1893 außer Dienst gestellt. Im Sommer 1895 fand die letzte Nutzung der Kaiseradler statt. Das Schiff wurde am 1. Juni in Dienst gestellt und war an der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanals am 21. Juni beteiligt. Während der Feierlichkeiten befanden sich mehrere Ehrengäste, unter anderem König Albert von Sachsen, König Wilhelm II. von Württemberg sowie Prinzregent Luitpold von Bayern, an Bord des Avisos. Am 28. August fand die letztmalige Außerdienststellung des Schiffs statt. Verbleib Zeitweise vorhandene Überlegungen, die Kaiseradler Kronprinz Wilhelm zur Verfügung zu stellen, wurden nicht umgesetzt. Der Aviso wurde im Frühjahr 1906 nach Danzig überführt und lag dort in den folgenden Jahren an der Kaiserlichen Werft. Am 26. Mai 1909 erfolgte die Streichung aus der Liste der Kriegsschiffe. Die Kaiseradler sollte im November 1909 sowie am 1. August 1910 versteigert werden, jedoch unterblieb ein Verkauf jeweils aufgrund zu geringer Gebote. Auch der Versuch der Danziger Werft J. W. Klawitter, die Yacht an eine chilenische Reederei zu verkaufen, scheiterte. Letztlich ging der Aviso Ende Juli 1912 in den Besitz der Handelsgesellschaft für Armee, Marine und Großbetriebe mbH in Geestemünde über. Die Verkleidungen der Schaufelräder wurde dem Heimatmuseum in Vegesack übergeben, das Mobiliar und sonstiges Inventar an früher an Bord des Schiffes tätige Offiziere verkauft. Die Kaiseradler wurde noch 1912 in Danzig abgewrackt. Damit endete die Existenz der Yacht acht Jahre vor der Grille, die sie ursprünglich hatte ersetzen sollen. Kommandanten 10. April bis 11. November 1880 Korvettenkapitän von Nostitz 1. bis 27. September 1881 Kapitän zur See von Nostitz 5. Juli bis 29. September 1888 Korvettenkapitän Heinrich von Preußen 28. Mai bis Dezember 1889 Kapitän zur See Volkmar von Arnim Dezember 1889 bis März 1890 Kapitänleutnant Alfred Breusing (reduzierte Besatzung) April bis September 1890 Kapitän zur See Volkmar von Arnim September bis 16. Dezember 1890 Kapitänleutnant Oskar von Truppel (reduzierte Besatzung) 2. Juni bis September 1891 Kapitän zur See Volkmar von Arnim September 1891 bis April 1892 Kapitänleutnant Hermann Gercke (reduzierte Besatzung) April bis Oktober 1892 Kapitän zur See Volkmar von Arnim Oktober 1892 bis Oktober 1893 Kapitänleutnant Hermann Gercke (reduzierte Besatzung) 1. Juni bis 28. August 1895 Korvettenkapitän Oscar Stiege Hohenzollern Schiffsdaten Flagge Deutsches Reich Schiffstyp Aviso Klasse Einzelschiff Bauwerft Norddeutsche Schiffbau A.G., Kiel Baunummer 72 Stapellauf 5. Juli 1876 Indienststellung 10. April 1880 Streichung aus dem Schiffsregister 26. Mai 1909 Verbleib 1912 in Danzig abgewrackt Schiffsmaße und Besatzung Länge 90,65 m (Lüa) 81,9 m (KWL) Breite 10,36 m Tiefgang max. 4,66 m Verdrängung Konstruktion: 1.707 t Maximal: 1.962 t Besatzung 145 bis 154 Mann Maschinenanlage Maschine 6 querstehende Kofferkessel 2 oszillierende 1-Zyl.-Dampfmaschinen 2 Seitenräder ∅ 8,23 m 1 Ruder Maschinenleistung 3.180 PS (2.339 kW) Höchstgeschwindigkeit 15,7 kn (29 km/h) Takelung und Rigg Takelung Schoner Anzahl Masten 2 Segelfläche 356 m² Bewaffnung 2 × Rk 12,5 cm L/23 (180 Schuss) ab 1884: 2 × Rk 8,7 cm L/24 (220 Schuss) 5 × Rev 3,7 cm Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Albert Victor von Preußen, (* 27. Januar 1859 in Berlin; † 4. Juni 1941 in Haus Doorn, Niederlande) entstammte der Dynastie der Hohenzollern und war von 1888 bis 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen. Einleitung Die dreißigjährige Regentschaft Wilhelms II. (von 1888 bis 1918) wird als die wilhelminische Epoche Deutschlands bezeichnet. Herausragende Merkmale waren das Streben des Kaisers nach nationalem Prestige und die Versuche, das Reich in den Rang einer Weltmacht zu erheben. Eng verbunden mit diesem Anspruch war die militärische Aufrüstung Deutschlands und die Forcierung der Kolonialpolitik in Afrika und der Südsee. Dies und die Verwicklung Deutschlands in verschiedene internationale Krisen (zum Beispiel Krügerdepesche 1896, Marokko-Krisen 1905/06 und 1911, Daily-Telegraph-Affäre 1908) führte zu einer Destabilisierung der Außenpolitik. Die Vorliebe Wilhelms für militärischen Prunk, die sich beispielsweise in zahlreichen Paraden zu den unterschiedlichsten Anlässen ausdrückte, führte auch gesellschaftlich zu einer Überbetonung des Militärs und militärischer Hierarchien bis hinein ins zivile Leben der deutschen Gesellschaft, in der für eine berufliche Laufbahn – nicht nur im Verwaltungsapparat – die Ableistung des Militärdienstes und der militärische Rang eines Menschen von entscheidender Bedeutung war (Militarismus). Der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands während Wilhelms Regentschaft, verbunden mit technologischem, naturwissenschaftlichem und industriellem Fortschritt, begünstigte eine auch vom Kaiser mit getragene allgemein verbreitete Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Innenpolitisch setzte er die für ihre Zeit als modern und fortschrittlich geltende Sozialpolitik Bismarcks fort und erweiterte sie. Er setzte sich für die Abschaffung des Sozialistengesetzes ein und suchte, teilweise erfolglos, den Ausgleich zwischen ethnischen und politischen Minderheiten. Wilhelm II. machte äußerlich den Eindruck, sowohl die Innen- als auch Außenpolitik des Reiches wesentlich stärker als sein Großvater Wilhelm I. zu beeinflussen. Das „persönliche Regiment“ des Kaisers war aber in Wirklichkeit eine von häufig wechselnden Beratern gesteuerte Politik, die die Entscheidungen Wilhelms im Urteil der meisten Historiker oft widersprüchlich und letztlich unberechenbar erscheinen ließen. Wilhelm II. nutzte durch seinen sprunghaften Charakter die Macht, die ihm die Reichsverfassung zugestand, nie konsequent, musste aber immer wieder erleben, dass diejenigen, die ihn zu schwerwiegenden Entscheidungen drängten, sich hinter seinem Rücken versteckten, als sich deren Misserfolg abzeichnete. Die Marokkokrisen oder die Erklärung des unbeschränkten U-Boot-Krieges sind nur zwei Beispiele für Entscheidungen anderer Personen, die den Ruf des Kaisers heute nachhaltig belasten. Auch war seine Amtszeit von politischen Machtkämpfen zwischen den einzelnen Parteien geprägt, die es den amtierenden Kanzlern nur schwer möglich machten, längerfristig im Amt zu bleiben. So wurden im Kampf zwischen Nationalliberal-Konservativen Kartell, Bülow-Block und Sozialdemokraten fünf von sieben Kanzlern unter kritischem Mitwirken des Parlaments entlassen. Während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 wurde Wilhelms strategische und taktische Unfähigkeit offenbar. Ab 1916 enthielt er sich zunehmend relevanter politischer Entscheidungen und gab die Führung des Reiches faktisch in die Hände der Obersten Heeresleitung, namentlich in die der Generäle Hindenburg und Ludendorff, die, dem Kaiser durchaus ergeben, die Monarchie während der letzten Kriegsjahre mit starken Zügen einer Militärdiktatur versahen. Als Wilhelm II. sich nach Ende des Ersten Weltkriegs in Folge der Novemberrevolution, die zum Ende der Monarchie und zur Ausrufung der Republik führte, zur Abdankung und zur Flucht ins Exil nach Holland entschloss, hatte Deutschland den Krieg verloren. Etwa 10 Millionen Menschen waren auf den Schlachtfeldern gefallen. Kindheit und Jugend Wilhelm II. wurde am 27. Januar 1859 in Berlin als ältester Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831–1888) (vom 9. März bis 15. Juni 1888 Deutscher Kaiser Friedrich III.) und dessen Frau Victoria (1840–1901) geboren und war somit Enkel Kaiser Wilhelms I. (1797–1888) und der englischen Königin Victoria (1819–1901). Die Geburt Wilhelm des Zweiten war ausgesprochen schwierig, der Prinz kam als Steißgeburt zur Welt und überlebte nur durch das couragierte Eingreifen einer Hebamme, die das leblose Baby ganz gegen das Protokoll mit einem nassen Handtuch schlug. Der linke Arm des Kindes war so verletzt, dass er zeitlebens gelähmt und deutlich kürzer blieb. 101 Salutschüsse verkündeten das freudige Ereignis, eine jubelnde Menschenmenge versammelte sich vor dem Kronprinzenpalais, die Thronfolge im Hause Hohenzollern war gesichert. Keinen gesunden Thronfolger geboren zu haben, empfand Prinzessin Victoria als persönliches Versagen und war nur schwer bereit, die Behinderung des Sohnes zu akzeptieren. Kronprinz Wilhelm erlebte eine Kindheit voll Torturen, nichts blieb unversucht, seine Behinderung zu beheben. Legendär sind Kuren wie das Einnähen des kranken Armes in ein frisch geschlachtetes Kaninchen oder Metallgerüste, die Wilhelm umgeschnallt wurden, um seine Haltung zu verbessern. Wilhelm, von Geburt an durch den verkümmerten linken Arm behindert, verbrachte laut eigenen Aussagen „eine recht unglückliche Kindheit“. Wie im Hochadel üblich, traten seine Eltern als unmittelbare Erzieher ganz hinter seinem calvinistischen Lehrer Georg Ernst Hinzpeter zurück. Als Siebenjähriger erlebte er den Sieg über Österreich-Ungarn 1866 mit der daraus resultierenden Vorherrschaft Preußens in Deutschland. Mit zehn Jahren, im damals üblichen Kadettenalter, trat er beim 1. Garde-Regiment zu Fuß formell als Leutnant in die preußische Armee ein. Als Zwölfjähriger wurde er mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über Frankreich 1871 auch übernächster Anwärter auf den deutschen Kaiserthron. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Kassel trat er am 9. Februar 1877 seinen realen Militärdienst bei seinem Regiment (6. 6.Kompagnie, Hauptmann v. Petersdorff) an. 1880 wurde er am 22. März, dem Geburtstag seines Großvaters Kaiser Wilhelm I., zum Hauptmann befördert. Bereits in diesen Jahren bildete sich bei ihm ein Verständnis seiner monarchischen Rolle, das den liberal-konstitutionellen Vorstellungen seiner Eltern zuwiderlief. Seine folgenden Lebensstationen sind unter dem Aspekt einer Erziehung zum Monarchen zu sehen: Er sollte möglichst vielerlei Erfahrungen sammeln, hatte aber in keinem Feld, nicht einmal im militärischen, die Chance gehabt, sich beruflich solide einzuarbeiten. Zum Studium begab er sich an die von seinem Urgroßvater gegründete Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er nichtschlagendes Mitglied des Corps Borussia wurde. 1881 heiratete er Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (22. Oktober 1858–11. April 1921). Bis 1888 war er dann wechselnden Regimentern zugeordnet, dem 1. Garde-Regiment zu Fuß, dann dem Garde-Husaren-Regiment und dem 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, wurde schnell bis zum untersten Generalsrang (Generalmajor) befördert und zuletzt Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade. Der Militärdienst wurde immer wieder durch Beurlaubungen unterbrochen, damit er sich auch soweit möglich mit der zivilen Verwaltung vertraut machen konnte. Sehr gründlich konnte dies nicht geschehen, denn immer mehr Eile war geboten: Sein Großvater stand im höchsten Alter, und sein Vater war mittlerweile todkrank. Für die Regierungsgeschäfte war dies weniger problematisch, als man vermuten konnte, da bereits seit 1862 Otto von Bismarck, zunächst als preußischer Ministerpräsident, ab 1871 als Reichskanzler die politische Macht fest in seiner Hand konzentriert hatte. Bismarck sah sich nach drei siegreichen Kriegen (1864, 1866, 1870/71) und als Einiger Deutschlands zur stärksten kontinentaleuropäischen Macht, als weltweit respektierter Staatsmann. Wilhelm I. und Friedrich III. hatten ihm gelegentlich opponiert und am Ende stets vertraut. Von diesem Vertrauen hing allerdings nach der Reichsverfassung der Reichskanzler ab, nicht vom Vertrauen des Reichstags. Bismarck baute selbstbewusst darauf, auch den dritten Kaiser lenken zu können. Nach dem Tode Wilhelms I. am 9. März 1888 regierte Friedrich III. aufgrund seiner bereits fortgeschrittenen Krankheit (Kehlkopfkrebs) nur für 99 Tage (der „99-Tage-Kaiser“). Friedrich III. starb am 15. Juni in Potsdam. An diese Konstellation hatte der 29-jährige Wilhelm II. bei seinem Amtsantritt anzuknüpfen. Er wünschte, ein Kaiser aller Deutschen zu sein. Regentschaft und Politik Soziale Reformen „[...], weil die Arbeiter meine Untertanen sind, für die ich zu sorgen habe! Und wenn die Millionäre nicht nachgeben, werde ich meine Truppen zurückziehen und wenn ihre Villen erst in Flammen stehen, werden sie schon klein beigeben!“ (Wilhelm II. zu Otto von Bismarck, als er sich weigerte, Soldaten zur Niederschlagung eines Streiks im Ruhrgebiet zu schicken.) Dieses Zitat und andere Äußerungen Wilhelms in den ersten Jahren seiner Regentschaft weckten in der Arbeiterschaft zunächst Hoffnungen auf einen sozialen Wandel im Reich. Die Sozialpolitik lag Wilhelm II. durchaus am Herzen. Allerdings folgten seinen sozialen Reformen keine strukturellen Veränderungen im Reich. Im Gegenteil baute er seinen politischen Einfluss noch aus und lehnte eine Demokratisierung der Verfassung ab. Preußen behielt das seit Anfang der 1850-er Jahre bestehende undemokratische Dreiklassenwahlrecht, das eine repräsentative Landtagsvertretung verhinderte. Nach wie vor wurde die Regierung nicht vom Reichstag gewählt, sondern vom Kaiser ohne Berücksichtigung der parlamentarischen Verhältnisse bestimmt oder entlassen. Es war dem Kanzler aber auch nicht möglich ohne Mehrheit im Parlament Gesetze zu erlassen oder den Haushalt zu beschließen. Das Parlament war in seiner Macht, als echte Legislative, nicht zu unterschätzen. Bei alledem forderte Kaiser Wilhelm II. noch während Bismarcks Kanzlerschaft am 178. Geburtstag Friedrichs des Großen in einer Proklamation an sein Volk, mit der Devise: „Je veux être un roi des gueux“ (frz.; zu dt.: „Ich will ein König der armen Leute sein“) das Verbot der Sonntagsarbeit, der Nachtarbeit für Frauen und Kinder, der Frauenarbeit während der letzten Schwangerschaftsmonate sowie die Einschränkung der Arbeit von Kindern unter vierzehn Jahren. Außerdem forderte er bei dem zur Erneuerung anstehenden „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ („Sozialistengesetz“) die Streichung des Ausweisungsparagraphen, der die Polizei zur Ausweisung „gefährlicher Sozialisten“ aus ihrem Heimatort berechtigte. Reichskanzler Bismarck kommentierte dies als „Humanitätsduselei“ und verweigerte sich dem in seinen Forderungen durch den Reichstag unterstützten Kaiser. Seine Forderungen konnte der junge Kaiser erst mit dem Nachfolger Bismarcks durchführen, Leo von Caprivi. Allerdings war Wilhelm II. bei allen sozialen Ambitionen so wenig ein Freund der Sozialdemokratie, wie Bismarck es gewesen war. Im Gegenteil hoffte er, durch seine Reformen die Sympathien für die trotz der Sozialistengesetze erstarkte Sozialdemokratie abzuschwächen und durch die Aufhebung des repressiven Sozialistengesetzes der 1890 von SAP in SPD umbenannten Partei ihren Märtyrerbonus zu nehmen. Die Sozialdemokraten ihrerseits ließen sich nicht von dem Reformen Wilhelms II. beeindrucken und setzten unter August Bebel aus ihrem antimonarchistischen Selbstverständnis heraus weiter auf Fundamentalopposition. Obwohl sie den Fortschritt der im Arbeitsschutzgesetz zusammengefassten Reformen sahen, stimmten sie im Reichstag dagegen. Sie forderten grundlegende strukturelle Veränderungen wie zum Beispiel eine Verfassungsänderung, Demokratisierung, ein ausgeweitetes Wahlrecht, Vorrang des Parlaments bei politischen Entscheidungen, eine Umstrukturierung des Haushalts, deutliche Senkung der Rüstungsausgaben, Freiheit für die Kolonien und anderes mehr, für den Kaiser unerfüllbare Anliegen, die seinen Hass auf die Sozialdemokratie noch steigerten. Der Wohlstand der deutschen Arbeiterschaft stieg von Jahr zu Jahr, doch gelang es Wilhelm II. nicht, den Arbeitern in den Städten das Gefühl zu geben, anerkannte Mitglieder der Gesellschaft zu sein, was zu starken Stimmenzuwächsen der Sozialdemokraten im Reichstag und den Landtagen der Länder führte. Diese Vorgänge ließen in Wilhelm II., der immer noch „ein König der Armen“ sein wollte, das Urteil reifen, dass eine Versöhnung mit den Sozialdemokraten nicht möglich sei. Er rief schließlich in Königsberg „zum Kampf für Religion, Sitte und Ordnung, gegen die Parteien des Umsturzes!“ auf. Überblick der unter der Herrschaft Wilhelms II. erlassenen sozialen Reformen 1889: Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni (für Arbeiter) 1890: Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890: Gründung von 31 Versicherungsanstalten – Vorläufer der Landesversicherungsanstalten (LVA) 1891: Auszahlung der ersten Renten an dauernd Erwerbsunfähige und an Arbeiter über 70 Jahre 1891: Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni (23. Novelle zur Reichsgewerbeordnung) mit Frauenschutz, eingeschränkter Nachtarbeit, Sonntagsruhe und Kinderschutz 1891: Einführung der staatlichen Gewerbeaufsicht 1891: Zulassung freiwilliger Arbeiterausschüsse in Betrieben 1891: Verbot der Sonntagsarbeit in Industrie und Handwerk 1892: Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes mit Erweiterungen der Versicherungspflicht (Ausweitung auf Familienangehörige) 1895: Verbot der Sonntagsarbeit für das Handelsgewerbe. 1899: Invalidenversicherungsgesetz 1901: Förderung des Arbeiterwohnungsbaus 1905: Arbeiterausschüsse werden in Bergbaubetrieben zur Pflicht 1908: Höchstarbeitszeit, keine Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche 1911: Reichsversicherungsordnung (RVO) 1911: Einführung der Hinterbliebenenrente 1911: Versicherungsgesetz für Angestellte 1911: Hausarbeitsgesetz (Regelung der Heimarbeit) 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Arbeiter von 70 auf 65 Jahre 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Frauen auf 60 Jahre Entlassung Bismarcks In der letzten Periode der Regierungszeit Bismarcks hatte das Deutsche Reich einer „Kanzlerdiktatur“ geglichen, dessen politische Ziele nicht die des jungen Kaisers waren. Er wollte Russland als einen starken Verbündeten, Wilhelm II. vertraute auf Österreich-Ungarn. Er wollte den „Kulturkampf“ gegen den politischen Katholizismus fortsetzen, der Kaiser war strikt dagegen. Bismarck wollte das Sozialistengesetz verschärfen, Wilhelm II. wollte es abschaffen: „Ich will meine ersten Regierungsjahre nicht mit dem Blut meiner Untertanen färben!“ Als Bismarck hartnäckig blieb, schickte der Kaiser am Morgen des 17. März 1890 den Chef seines Militärkabinetts, General v. Hahnke, in die Reichskanzlei: Der Kanzler solle am Nachmittag ins Schloss kommen und sein Abschiedsgesuch mitbringen. Dieses wurde ihm am nächsten Morgen aber nur durch einen Boten gebracht. Am 20. März 1890 entließ Wilhelm II. den Reichskanzler Otto von Bismarck. Bismarck verwand dies nie und sorgte indirekt durch vielfach lancierte Kritik an den „Hintermännern“ der wilhelminischen Politik und durch sein Memoirenwerk Gedanken und Erinnerungen für nachhaltige Kritik an Wilhelm II. Als Bismarcks Nachfolger ernannte Wilhelm II. den General Leo von Caprivi (1831–1899). Caprivi wurde vom Kaiser als „Mann der rettenden Tat“ gefeiert und ob seiner Leistungen in den Grafenstand erhoben. Mit Caprivi hatte Wilhelm II. jemanden gefunden, mit dem er seine geplante Politik der inneren Versöhnung sowie das Arbeitsschutzgesetz durchzusetzen hoffte. Caprivis Kanzlerzeit war durch entschiedene Englandfreundlichkeit geprägt. Er war in der Innenpolitik einer der Hauptverantwortlichen für den Wandel des Deutschen Reiches von der Agrarwirtschaft zur industriellen Exportwirtschaft. Die in diesem Zeitraum gemachten Reformen erleichterten es, dass Deutschland wenig später Großbritannien überholte und zur Weltwirtschaftsmacht Nr. 1 aufstieg. Das „Made in Germany“ errang zu dieser Zeit den Status einer Garantie für höchste Qualität. Ein wichtiges außenpolitisches Ereignis fiel ebenfalls ins Jahr des Kanzlerwechsels: Der Rückversicherungsvertrag mit Russland widersprach den Bedingungen des Dreibundpaktes mit Italien und Österreich-Ungarn. Der Kaiser war gegen ein Verletzen dieses Paktes gewesen, während Bismarck den Rückversicherungsvertrag für notwendig gehalten hatte. 1890 wurde in der Öffentlichkeit unbemerkt und von Caprivi hingenommen der auslaufende Rückversicherungsvertrag vom Deutschen Reich nicht erneuert. In Russland nahm man einen deutschen Kurswechsel an und begann, sich Frankreich anzunähern. Integrationspolitik Die turbulente Vereinigung des alten „Deutschen Bundes“ zu einem „Deutschen Reich“ ohne Österreich brachte einige Probleme mit sich. Die rheinländische, süddeutsche und polnische Opposition gegen die preußische Vorherrschaft stützte sich auf ein sich politisierendes katholisches Bürger-, Arbeiter- und Bauerntum. Als Partei des politischen Katholizismus formierte sich das „Zentrum“. Die Versuche Bismarcks, die katholischen Parteien in ihrer Arbeit zu behindern, führte zu Eingriffen in das Leben der Katholiken. Auch die Judenintegration, die es vorher außer in Preußen nur in wenigen anderen Staaten gab, war jung, und der steigende Wohlstand der jüdischen Bevölkerung nährte Neid und Antisemitismus in der Bevölkerung. In den östlichen Gebieten Preußens, vor allem in der Provinz Posen, gab es eine starke Unterdrückung der polnischen Minderheit, die zu Unruhen und Gefühlen der Ungerechtigkeit führte. Der Kaiser erkannte die Ernsthaftigkeit dieser Probleme und bezeichnete sie als eine seiner Hauptaufgaben. Am besten gelang die Integrationspolitik mit den Katholiken. Sie waren durch den bismarckschen Kulturkampf benachteiligt und an der Teilnahme am politischen Leben, sowie bei der freien Ausübung ihrer Religion gehindert worden. Schon zu seiner Prinzenzeit war Wilhelm gegen diese Praktiken und befürwortete die Beendigung des Kulturkampfes. Um die Einigkeit zwischen Protestanten und Katholiken im Reich zu verbessern, zahlte das Reich die den Opfern vorenthaltenen Gelder zurück, hob allerdings nicht alle gefassten Beschlüsse und Gesetze dieser Zeit wieder auf. Die östlichen Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien waren bis zur Vertreibung nach 1945 mehrheitlich von Deutschen bewohnt, in der Provinz Posen (Poznan) aber stellten die Polen die Mehrheit. Seit der Bismarckzeit wurde versucht, die hier lebenden Polen zu germanisieren, was allerdings scheiterte und in offenen Protest mündete. Kaiser Wilhelm II. hob viele dieser Repressionen, die vor allem die Sprache des Unterrichts und später auch des Gottesdienstes regelten, auf und erkannte die Polen als eigenes Volk und Minderheit im Deutschen Reich an. Eine der umstrittensten Bereiche in der Einordnung der politischen Meinung des Kaisers ist seine Beziehung zum Judentum bzw. zum Antisemitismus. Die Historiker gehen hier in den Meinungen weit auseinander, je nachdem welche Quellen sie benutzen. Bei den Reichstagswahlen 1880 zogen zum ersten Mal mehrere antisemitische Parteien in den Reichstag ein. Mit fünf Abgeordneten bildeten sie die „Fraktion der Antisemiten“. Grund für den gestärkten Antisemitismus waren wohl die „Gründerkrise“ und die als relativ stark empfundenen wirtschaftlichen Erfolge jüdischer Unternehmer. Die Juden waren im 1871 gegründeten Deutschen Reich zum ersten Mal in ganz Deutschland freie und gleiche Bürger: Die Einschränkungen, die sie, von Land zu Land unterschiedlich, teilweise zu Schutzbefohlenen eines Herrschers machten und ihnen wirtschaftliche Beschränkungen auferlegten oder ihnen bestimmte Berufsverbote erteilten, waren aufgehoben. Auch der Dienst beim Militär, in Schulen oder der Justiz stand ihnen jetzt offen. Als Reaktion auf den Antisemitismus entstanden gesellschaftliche Gruppen, die dem entgegenzuwirken versuchten. So bildeten besorgte Christen den Verein zur Abwehr des Antisemitismus, dem neben Heinrich Mann auch der Historiker Theodor Mommsen beitrat. Im Judentum entwickelten sich neben dem orthodoxen Glauben mehrere Strömungen mit teilweise auch politischem Hintergrund. So gab es zum einen die assimilierten Juden, die sich taufen ließen und das Christentum als Erfüllung des jüdischen Messias-Glaubens akzeptierten. Der jüdische so genannte Reform-Glaube (Reformjudentum) lehnte diese Art ab, passte sich aber in seiner Wesensart fast völlig den deutsch-christlichen Traditionen an. Er hielt Gottesdienst am Sonntag, nicht am Sabbat (Samstag); mit deutscher, nicht hebräischer Liturgie, hielt kürzere Gebete mit Orgeluntermalung und verzichtete auf traditionelle Gebetsbekleidung. Kaiser Wilhelm unterstützte diese Art der Religionsausübung sehr und finanzierte den Bau der Reform-Synagoge in der Berliner Fasanenstraße mit, an deren Einweihung er demonstrativ teilnahm. Eine dritte aufstrebende Richtung war der Zionismus, der die Gründung eines eigenen Judenstaates vorsah. Aus Angst, den Antisemitismus zu bestärken, lehnten die Reformgläubigen auch diese, sehr radikale, ursprüngliche Form des Glaubens ab und strich jegliche Passagen über das gelobte Land aus dem Gottesdienst. Der Kaiser unternahm eine Palästinareise, wobei er den Wiener Journalisten Theodor Herzl traf. Auf dieser Reise stiftete er in Jerusalem die Erlöserkirche auf dem Muristangelände. Als Erinnerung an diese Expedition wurde dem Kaiser in Haifa 1982 ein Denkmal gesetzt. Bei seiner Integrationspolitik kam Kaiser Wilhelm II. der Parlamentarismus im Reich entgegen. Anders als heute gab es keine Fünf-Prozent-Hürde, welche das Entsenden von Abgeordneten aus kleineren Parteien verhinderte. So hatten Dänen (1-2 Abgeordnete), Elsass-Lothringer (8-15 Abgeordnete) und Polen (13-20 Abgeordnete) von 1871 bis zur letzten Wahl 1912 stets ihre Fraktion im Reichstag. Juden organisierten sich nicht in einer eigenen Partei. Dies widersprach ihrem Selbstverständnis Deutscher Staatsbürger zu sein, welches durch lange Tradition besonders in Preußen sehr stark ausgeprägt war. Das Wahlsystem grenzte aber auch politische Minderheiten nicht aus. Dies sorgte dafür, dass sich auch die reichsfeindlichen Welfen aber vor allem die Antisemiten aus der Christlichsozialen Partei und der Deutschen Reformpartei organisieren konnten. Die Zahl ihrer Abgeordneten überschritt aber nie die Zahl der Abgeordneten aus den Parteien der ethnischen Minderheiten. Trotz dieser Unterstützung gibt es von Wilhelm II. mehrere Zitate, die einen antisemitischen Klang haben, so: „Ich denke gar nicht daran wegen der paar hundert Juden und der tausend Arbeiter den Thron zu verlassen!“ Ob er allerdings auf die Juden als Kollektiv schimpfte oder einzelne meinte, z.B. die ihn oft kritisch betrachtenden jüdisch geleiteten Zeitungskonzerne, ist unklar. Die Verurteilung der Juden als Volk ist aber unwahrscheinlich, da er in seinem Freundeskreis nie Unterschiede zwischen Deutschen jüdischer oder christlicher Abstammung machte. Der von Antisemiten geprägte und heute noch verwendete Begriff „Kaiserjuden“ verriet allerdings große Missbilligung von Teilen der Bevölkerung an diesen Kontakten. Wirtschaftspolitik und rüstungspolitische Prioritäten Caprivi setzte einen weiteren von Bismarck verwehrten Wunsch Wilhelms II. durch, die progressive Einkommenssteuer, die höhere Einkommen stärker belastete: die Miquelsche Einkommensteuerreform von 1891. Durch die industriefreundliche und exportorientierte Eindämmung des Protektionismus zog sich Caprivi die Feindschaft der im Bund der Landwirte organisierten Grundbesitzer („Ostelbier“, „Junker“) zu, der sehr eng mit der Konservativen Partei verwoben war. Die nach Abschaffung der Schutzzölle wachsenden Agrarexporte der USA bewirkten für sie einen Preisverfall. Durch die Förderung des Einsatzes von Agrarmaschinen konnte man die Verluste zwar teilweise auffangen, erhöhte aber die agrarprotektionistischen Ansprüche der ohnehin unterkapitalisierten und zu Investitionen genötigten Großgrundbesitzer. 1893 löste Wilhelm II. den 1890er Reichstag auf, jetzt, weil der die auch von ihm gewollte Aufrüstung des Heeres abgelehnt hatte. Im darauffolgenden Wahlkampf siegten die Befürworter der wilhelminischen Politik aus der Konservativen und Nationalliberalen Partei. Auch die von Alfred von Tirpitz propagierte Aufrüstung der Kaiserlichen Marine, im Volk populär (vgl. Matrosenanzug) wurde in der Folgezeit von Wilhelm gefördert (1895 Vollendung des heutigen Nord-Ostseekanals, Ausbau der Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven). In diesem Zusammenhang besetzte und pachtete das Deutsche Reich die chinesische Hafenstadt Tsingtao auf 99 Jahre. Wilhelm erkannte trotz seiner Englandfreundlichkeit nicht, dass damit die weltweite Hegemonialmacht Großbritannien aufs Äußerste beunruhigt wurde. Der anhaltende deutsche Kolonialismus – gegen den Bismarck sich noch gewehrt hatte – wurde von ihm nicht als riskant gegenüber den Großmächten England, Frankreich und Japan erkannt und eher gebilligt: 1899 erwarb das Reich die Karolinen, Marianen, Palau und Westsamoa. Wende in den Reichskanzlerberufungen und außenpolitische Dauerprobleme 1894 wurde Caprivi entlassen. Wilhelm berief erstmals einen Nichtpreußen, den Bayern Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der weder Führungsehrgeiz entwickeln sollte noch entwickelte: 1896 versäumte er, Wilhelm von der Krüger-Depesche abzuhalten, einem Glückwunschtelegramm an die Buren zur Abwehr des britisch inspirierten Jameson Raid, die in Großbritannien mit Empörung aufgenommen und nachhaltig als Abkehr von der englandfreundlichen Politik Caprivis gedeutet wurde. 1900 ersetzte er ihn durch Graf Bernhard von Bülow, der als Reichskanzler weder die anstehenden innenpolitischen Reformen betrieb, noch die sich umgruppierenden außenpolitischen Konstellationen (in Deutschland als Einkreisungspolitik verstanden) zu meistern vermochte. Das Verhältnis zu Frankreich wurde nicht verbessert, England nun auch durch die Flottenpolitik herausgefordert und Russland auf dem Balkan nicht gegen Österreich-Ungarn unterstützt. Wilhelm hatte allerdings bis zur Daily-Telegraph-Affäre und den Eulenburg-Prozessen Vertrauen in Bülow, der sich ihm zudem durch Schmeichelei unentbehrlich machte. Friedenspolitisch ergriff Wilhelm II. erst 1905 eine Initiative: Zwecks einer Wiederannäherung an Russland, das gerade seinen Krieg gegen Japan zu verlieren drohte, schloss er mit Nikolaus II. den Freundschaftsvertrag von Björkö. Frankreich sollte einbezogen werden. Als unvereinbar mit der französisch-russischen Annäherung wurde der Vertrag im Jahr 1907 von Russland als gegenstandslos erklärt, nachdem Wilhelm II. 1906 in der Ersten Marokkokrise durch seinen Besuch in Tanger Frankreich provoziert hatte. Resultat war überdies eine Verschlechterung der Beziehungen zu Japan gewesen, das bisher Preußen/Deutschland als wissenschaftlichen und militärischen Lehrmeister angesehen hatte. 1908 wurde Wilhelms Hilflosigkeit durch die Daily-Telegraph-Affäre deutlich: Er beschwerte sich in einem Interview mit deren Reporter über seine eigene Regierung als nicht englandfreundlich genug. Bismarck war ein Meister darin gewesen, seine Politik medial zu flankieren (vgl. die Emser Depesche 1870). Bei Wilhelm sollte das Interview und markige Reden die Politik ersetzen. Als ein Beispiel dafür gilt die bereits am 27. Juli 1900 in Bremerhaven gehaltene Hunnenrede. Mit dem Daily Telegraph-Interview fiel er der Reichspolitik in den Rücken, knickte angesichts des deutschen Pressesturms ein und versprach, sich künftig zurückzuhalten. Überhaupt begann die Öffentliche Meinung, den Kaiser kritisch zu sehen, und eine Kampagne schadete ihm konkret: Schon 1906 hatte der Journalist Maximilian Harden in seiner Zeitschrift Die Zukunft die Kamarilla um den Kaiser und damit das persönliche Regiment des Kaisers angegriffen. Zu besonders harten Auseinandersetzungen führte seine Enthüllung, dass Philipp von Eulenburg und Hertefeld, ein enger Freund und Berater des Kaisers, homosexuell sei und einen Meineid geleistet habe. Es folgten drei Sensationsprozesse gegen Eulenburg, die trotz dessen Freispruchs das Ansehen des Kaisers beschädigten. 1909 zerbrach der so genannte Bülowblock, in dem sich die regierungsunterstützenden linksliberalen Parteien, sowie die Nationalliberale und die Konservative Partei zusammengeschlossen hatten. Auslöser war der Versuch Bülows, das preußische Wahlrecht zu reformieren, worauf ihm die im Preußischen Landtag dominierenden Konservativen die Gefolgschaft verweigerten. Sozialdemokraten und Zentrum, die diesen Versuch in seinen Grundsätzen unterstützen, verweigerten trotzdem die Zusammenarbeit mit Bülow. Sie warfen ihm Prinzipienlosigkeit vor, da er erst kurz zuvor in Zusammenarbeit mit den Konservativen neue Repressalien gegen die Polen durchsetzte. Die Germanisierungspolitik wurde auf Betreiben Kaiser Wilhelms II. beendet Dass Bülow nun aber um sich die Loyalität der Konservativen Partei zusichern, die Enteignung von polnischen Gütern erleichterte, ignorierte der Kaiser um die stabile Parlamentsmehrheit nicht zu gefährden. Daraufhin entließ der Kaiser Bülow und ernannte Theobald von Bethmann Hollweg zum Reichskanzler. Er überließ ihm die Außenpolitik, die aber ihre Ziele Wiederannäherung an England und Distanzierung von der antirussischen Balkanpolitik Österreich-Ungarns nicht erreichte. Die antifranzösische Politik wurde 1911 in der zweiten Marokkokrise durch deutschen Interventionismus verschärft (der „Panthersprung nach Agadir“), Heer und Flotte wurden weiter verstärkt. Markante Eingriffe Wilhelms unterblieben. Insgesamt ist Wilhelms II. Anteil an der deutschen Außenpolitik umstritten. Während John C. G. Röhl in ihm die entscheidende Persönlichkeit sieht, die die Politik des Reiches eigenständig führte, sieht die Mehrzahl der Historiker wie Wolfgang Mommsen die zivile Reichsleitung im Zentrum der Verantwortung. Auch war er zwar Militarist, aber kein Bellizist, er wollte trotz seiner kriegerischen Reden im Grunde keinen Krieg. Er tat aber auch zu wenig, um dies deutlich zu machen. Unbestreitbar ist, dass der Kaiser nicht als Koordinator zwischen Außen-, Heeres- und Flottenpolitik wirkte. So kam es, dass Reichskanzler, Heeres- und Marineleitung je unterschiedliche Ziele verfolgten, die miteinander nicht verträglich waren: Vor allem der Aufbau der Flotte schuf ein außenpolitisches Problem! Erster Weltkrieg 1914 in der Julikrise spielte Wilhelm II. eine ambivalente Rolle. Er wollte den Frieden retten und auf der Monarchenebene versuchte er sein Bestes, einen fieberhaften Briefwechsel mit dem russischen Kaiser (Lieber Nicky! – Lieber Willy!), der bei der nunmehr objektiven Kriegsentschlossenheit sämtlicher Kontinental-Großmächte gar nichts bewirkte. Objektiv jedoch steigerte der Kaiser die Kriegsgefahr: Denn er ermächtigte Bethmann Hollweg nach dem Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914, Österreich-Ungarn eine Blankovollmacht für dessen aggressive Politik gegen Serbien zu erteilen. Faktisch wurde nach der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien die Außenpolitik von Kaiser und Kanzler dem deutschen Generalstab überlassen: Die Mobilmachung im Russischen Reich erlaubte es nach dessen Urteil dem Deutschen Reich nicht, mit der Kriegserklärung an Russland und Frankreich länger zu warten, da sonst der deutsche Schlieffenplan, bei einem Zweifrontenkrieg erst schnell Frankreich, dann Russland zu schlagen, undurchführbar zu werden drohte. Wilhelm mischte sich in der Folge nicht in militärische Zielsetzungen ein, überließ diese aber nicht verfassungsgemäß dem Reichskabinett, sondern der Obersten Heeresleitung. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges 1914–1918 wurde die Bedeutung des Kaisers immer geringer. Besonders unter der 3. Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und dem dominierenden Ludendorff wurde er 1916–1918 zunehmend von den politisch-militärischen Entscheidungen ausgeschlossen. Jedoch schob sie ihm 1917 die auch im Reich umstrittene Entscheidung über den uneingeschränkten U-Bootkrieg zu. Er schloss sich – gegen den Rat seines Reichskanzlers – der Meinung der Militärs an und willigte ein, was dann zur Kriegserklärung der USA führte. Diese machten später die Abdankung des Kaisers zur Bedingung für die Eröffnung von Friedensverhandlungen. Ab 1917 hatte Ludendorff eine faktisch diktatorische Position. Auf weitere Reichskanzlerwechsel nahm Wilhelm II. keinen Einfluss, die 1918er Reform der Reichverfassung in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie wurde ohne ihn versucht. Durch den Hungerwinter 1917/18 und das völlige Desaster der Kriegsführung, spätestens nach der gescheiterten Frühjahrsoffensive im Westen 1918, war er im Reich unhaltbar geworden. Dazu kam die Tatsache, dass der Bevölkerung längst bewusst war, dass ein Friedensschluss unter leidlichen Bedingungen (Selbstbestimmungsrecht der Völker) nur noch von der Abdankung ihres Kaisers abhing, da die USA sich weigerten, Friedensverhandlungen ohne vorherige Abdankung Wilhelms II. zu beginnen. Am 9. November 1918 gab Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867–1929) eigenmächtig und ohne Wilhelms II. Einwilligung seine Abdankung bekannt. Am 10. November 1918 fuhr der Kaiser aus seinem Hauptquartier in Spa in die Niederlande und erbat und erhielt dort Asyl. Besonders enttäuscht war er von Hindenburg, der ihn fallen ließ, des Weiteren wetterte er gegen „das Judengesindel“ (O-Ton Wilhelm). Er dankte offiziell am 28. November 1918 ab, 19 Tage nach Ausrufung der Republik, gab aber nie den Wunsch auf, wieder auf den Thron zurückzukehren. Text der Abdankungsurkunde: Ich verzichte hierdurch für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preussen und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone. Zugleich entbinde ich alle Beamten des Deutschen Reiches und Preussens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mann- schaften der Marine, des Preussischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueides, den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter- schrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Amerongen, den 28. November 1918 Wilhelm Zeit nach der Abdankung Exil Bis 1920 lebte Wilhelm II. in Amerongen, danach bis zu seinem Tod in dem von ihm erworbenen Haus Doorn in den Niederlanden im Exil. 1921 starb seine Frau. 1922 heiratete er die verwitwete Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, geborene Prinzessin Reuß ä.L. (1887-1947) („Kaiserin“ in seiner Titulatur, amtlich „Prinzessin von Preußen“). Er versammelte Gelehrte zu kulturhistorischen Studien um sich (Doorner Arbeitskreis), verfasste seine Memoiren und weitere Bücher und hielt sich für die Wiederherstellung der Monarchie bereit. Unter anderem durch den Hitlerputsch 1923 sah er sich darin bestätigt, dass nur ein Monarch Ruhe und Ordnung garantieren könne. Immer wieder äußerte er sich antisemitisch, „Presse, Juden und Mücken“ solle man den Garaus machen, „am besten mit Gas“. 1933 näherte er sich – auch bestärkt durch seine Frau, die im Reich umherreiste – den Nationalsozialisten an, von denen er sich die Restauration des Kaiserreichs versprach, was sich trotz zweimaligen Besuchs Görings in Doorn bald als unrealistisch erwies. Hitler hielt ihn hin. Als er im November 1938 von dem antijüdischen Pogrom, der „Kristallnacht“, erfuhr, äußerte er sich entsetzt und hielt es für eine Schande. Bei Besetzung der Niederlande 1940 ließ Hitler das Anwesen durch die SS abriegeln. Zum deutschen Sieg über Frankreich im Mai erhielt Adolf Hitler ein angeblich von Wilhelm II. abgesandtes Glückwunschtelegramm. Darin wurde nicht dem „Führer“ Hitler, sondern dem Reichskanzler und vor allem dem „Sieg der deutschen Waffen“ gratuliert. Ob es von Wilhelm II. stammte, wird stark bestritten, sein damaliger Hausminister Wilhelm von Dommes dürfte der Urheber dieses Telegramms gewesen sein. Tod Wilhelm II. starb am Morgen des 4. Juni 1941 im Haus Doorn. Seine letzten Worte sind zweifelhaft überliefert: „Ich versinke, ich versinke...“. Trauerfeiern im Reich wurden verboten. Die NS-Machthaber erlaubten nur einer kleinen Zahl von Personen (dem engeren Familienkreis, einigen ehemaligen Offizieren) die Fahrt in die besetzten Niederlande zur Teilnahme an der Beisetzung. Der Kaiser wurde zunächst in einer Kapelle nahe dem Doorner Torhaus beigesetzt. Sodann wurde sein Sarg in das nach seinen Zeichnungen posthum erbaute Mausoleum im Park von Haus Doorn überführt. Sein selbst gewählter Grabspruch lautet: „Lobet mich nicht, denn ich bedarf keines Lobes; rühmet mich nicht, denn ich bedarf keines Ruhmes; richtet mich nicht, denn ich werde gerichtet.“ Beide Gattinnen ruhen im Antikentempel am Neuen Palais in Potsdam. Wilhelm II. als Persönlichkeit Auf Grund von Komplikationen bei seiner Geburt war Wilhelms II. linker Arm um 15 cm kürzer als der rechte und teilweise gelähmt, mit daraus resultierenden Gleichgewichtsstörungen und Haltungsschäden sowie häufigen Schmerzen im linken Ohr. Eine besondere elterliche Zuwendung erfuhr er nicht und dankte es mit einem bleibenden Ressentiment besonders gegen seine Mutter, die ihn selbst wiederum, wie in ihren Briefen deutlich zu lesen, hasste. Schmerzvoll waren die Versuche der Familie, seiner Behinderung entgegen zu wirken. Denn der zukünftige König von Preußen sollte ein „ganzer Mann“ und kein Krüppel sein. So musste er sich als Kleinkind z.B. schmerzhaften Elektroschocktherapien unterziehen. Auch wurde erfolglos versucht, seinen verkümmerten Arm zu strecken. Das beruflich oft erforderliche Reiten fiel ihm daher schwer. Diese unbehebbare Behinderung prägte ihn sehr. Er war gehalten, sie stets als einen Makel zu verbergen. Das Tragen von Uniformen und das Abstützen der linken Hand auf der Waffe war ein Ausweg. Die Behinderung machte ihn vermutlich zu einem Menschen mit Selbstzweifeln und geringem Selbstbewusstsein und einer darauf beruhenden Ichverfangenheit, leichten Kränkbarkeit und ihr zufolge Sprunghaftigkeit. Später dürfte diese auch seine sprichwörtliche Reiselust begünstigt haben. Ob mögliche Neurosen eine ernsthafte seelische Erkrankung unterstellen lassen müssten, ist durchaus strittig. Ob auch eine Anlage zu einer Geisteskrankheit vorlag, noch mehr. Ein schwermütiger Zug wird ihm mitunter attestiert. Der noch heute berühmte Psychiater Emil Kraepelin bezeichnete sogar – auf Grund ferndiagnostisch zugänglicher öffentlicher Quellen – Wilhelms Gemüt als einen „typischen Fall periodischen Gestörtseins“, ein freilich bestrittenes Urteil in Richtung auf eine manisch-depressive Disposition. Anhaltende Schwierigkeiten waren Wilhelm II. später verhasst, deswegen ließ er auch bewährte Freunde und Parteigänger schnell im Stich, so dass eher diplomatisierende Charaktere, wie Bülow und viele Höflinge, seinen Umgang ausmachten und seine Personalauswahl bestimmten. Offiziere, unter denen er sich wohlfühlte, erweiterten sein Urteil wenig, denn sie hatten im Zweifel die politischen Vorurteile ihrer kastenartig abgeschlossenen Berufsgruppe, und auch ihr Stil des Schwadronierens färbte auf ihn ab. Von seiner Persönlichkeit her gesehen behinderten seine narzisstischen Züge seine Einfühlungsgabe und sein Urteil über Andere. Seine Taktlosigkeiten waren bekannt. Sie fielen seiner Mitwelt besonders bei seinem Regierungsantritt und bei Bismarcks Entlassung ins Auge, die dieser in seinen Gedanken und Erinnerungen rachsüchtig ausbreitete. Eine diese Handikaps ausbalancierende Welt- und Menschenkenntnis zu erwerben, hatte sein Werdegang ihm nicht erlaubt. Trotz der Wesensunterschiede zu seinem altpreußisch-schlichten und im Persönlichen bemerkenswert loyalen Großvater Wilhelm I. versuchte er, dessen Regierungsmuster zu folgen. Man kann sein anfängliches Verhältnis zu Caprivi dergestalt deuten, dass er hier ‚seinen eigenen Bismarck‘ gefunden zu haben hoffte. Militärisch ernannte er den Neffen des berühmten Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke zum Oberbefehlshaber (Ich will auch einen Moltke.), der dann aus dem Schatten Schlieffens nicht heraus zu treten vermochte. Allerdings wurde Wilhelms I. Zurückhaltung bei direkten politischen Eingriffen keineswegs Wilhelms II. bleibendes Merkmal, wiederholt griff er durch Personalentscheidungen und Befehle für Gesetzesvorlagen direkt in die Politik ein. Gar nicht folgte er der öffentlichen Zurückhaltung des alten Kaisers. Wilhelms Selbstdarstellungseifer drängte ihn oft repräsentativ in die Öffentlichkeit, bei der eine nicht unbeachtliche Rednergabe ihm Echo einbrachte, aber auch zu politisch bedenklichen Formulierungen verlockte. Auch begünstigte dieser Eifer sein Verhältnis zu den Massenmedien. Man kann ihn als den ersten Medienmonarchen des 20. Jahrhunderts ansehen. Seine Schaustellungen von Uniformen und Orden stimmten im Übrigen zum Protzstil des dann nach ihm benannten Wilhelminismus. Die Künste standen ihm fern, die Literatur lag ihm nicht am Herzen. Eigene Interessen entwickelte er für die Archäologie, seine Korfu-Aufenthalte sind auch davon bestimmt. Außerdem oblag er, wie in Adelskreisen nicht unüblich, begeistert der Jagd, seine Trophäenzahl erfreute ihn (er erlegte rd. 46.000 Tiere); im Exil fällte er gerne Bäume. Bei der Jagd lernte Wilhelm auch seinen später engen Freund Philipp Graf zu Eulenburg kennen, der besonders in den Jahren 1890 bis 1898 zu seinen wichtigsten Beratern zählte. Sein Desengagement, wenn die Dinge anders liefen, als er wollte, blieb sein Wesenszug. Noch 1918, angesichts der revolutionären Verhältnisse im Reich, emigrierte er sang- und klanglos ins neutrale Ausland. Seine in Holland verfasste Autobiografie mit ihren Rechtfertigungen oder Themenvermeidungen ist ein gutes Zeugnis seiner Urteilsschwächen. Das Bild Wilhelms II. in der Öffentlichkeit Wilhelm II. war zunächst sehr populär. Die weniger geschätzten Züge einer Reichseinigung „von oben“ mit Bewahrung alter Machtstrukturen fand in der Kaiserverehrung einen willkommenen Ausgleich. Die weithin monarchistisch gesonnene Presse nahm dies auf, man fand für ihn die Bezeichnungen „Arbeiterkaiser“ und „Friedenskaiser“ (dies geht u. a. auf den Vorschlag von Emanuel Nobel von 1912 zurück, Kaiser Wilhelm II. den von Alfred Nobel gestifteten Friedensnobelpreis zuzusprechen, damals hatte das Deutsche Reich unter seinem Kaisertum 24 Jahre Frieden gehalten). Doch wurde er auch als bedrohlich empfunden (vgl. Ludwig Quiddes als Kritik an Wilhelm II. aufgefasste und vielrezipierte 1894er Studie Caligula zum "Cäsarenwahnsinn“). Zunehmend mischte sich dann Spott hinein: „Der erste war der greise Kaiser, der zweite war der weise Kaiser, der dritte ist der Reisekaiser.“ Auch in der Bezeichnung „Redekaiser“ steckte Kritik. Seine vielerlei Uniformen wurden bewitzelt: „Majestät, im Badezimmer ist ein Rohr geplatzt.“ – „Bringen Sie die Admiralsunifom.“ („Simplicissimus“) Von den ihn kritisierenden Demokraten, Sozialisten, Katholiken, auch den kritischen Minderheiten (von 1864 her die Dänen, seit 1866 die Hannoveraner, seit 1871 die Elsass-Lothringer, dauerhaft die Polen) wurde ihm zunächst das die öffentliche Meinung beherrschende Bürgertum am gefährlichsten. Bei den Schriftstellern war er nicht angesehen, der ironische Thomas Mann war in seinem Roman Königliche Hoheit noch am mildesten mit einem behinderten und etwas einfältigen Dynasten umgegangen. Direkte Kritik verbot der Paragraph zur „Majestätsbeleidigung“ im Strafgesetzbuch, aber die Witze über ihn wurden immer beißender. Man vergleiche nur das viel positivere Kaiserbild von Franz Joseph in Österreich-Ungarn, der doch viel stärkere innen- und außenpolitische Probleme hatte. Nach 1918 und seiner Flucht ins Exil überwog die Verachtung, man warf ihm Feigheit vor: Warum ist er nicht an der Spitze seines Heeres kämpfend gefallen? Monarchisten erhofften 1933 mit Adolf Hitlers Machtantritt seine Rückkehr. Da Hitler nichts dergleichen im Sinne hatte, wurde Wilhelm II. in seinen letzten zehn Lebensjahren immer stärker vergessen, sein Tod blieb überwiegend unbetrauert. Sein öffentliches Ansehen hat sich seither kaum erholt. Im Ausland war es eher schlechter gewesen. Denn während des Ersten Weltkrieges war Wilhelm II. oft die symbolische Zielfigur der feindlichen Propaganda, was sein Image dort dauerhaft beschädigt hat. Familie Söhne und Töchter Friedrich Wilhelm Victor August Ernst (1882-1951) ∞ 1905 Herzogin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin (1886-1954) Wilhelm Eitel Friedrich Christian Karl (1883–1942) ∞ 1906-1926 Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg (1879-1964) Adalbert Ferdinand Berengar (1884–1948) ∞ 1914 Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen (1891-1971) August Wilhelm (1887–1949) ∞ 1908-1920 Prinzessin Alexandra von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1887-1957) Oskar Karl Gustav Adolf (1888–1958) ∞ 1914 Gräfin Ina Maria von Bassewitz (1888-1973) Joachim Franz Humbert (1890–1920, Selbstmord) ∞ 1916 Prinzessin Marie Auguste von Anhalt (1898-1983) Victoria Luise Adelheid Mathilde Charlotte (1892–1980) ∞ 1913 Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1887-1953) Titel und Ränge Akademische Titel (alphabetisch nach Hochschulen) Dr. iur. utr. h.c. der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Dr.-Ing. E.h. der Polytechnischen Hochschule in Berlin Ehrendoktor der Wissenschaften der Universität Klausenburg Dr. of Civil Law der Universität Oxford Ehren-Dr. der Rechte der Universität Pennsylvania Ehrendoktor der Medizin der Universität Prag Militärische Laufbahn 27. Januar 1869: Leutnant im 1. Garderegiment zu Fuß und à la suite des 1. Batl. (Berlin) des 2. Garde-Landwehr-Regiments. 22. März 1876: Oberleutnant 22. März 1880: Hauptmann 16. Oktober 1881: Major 16. September 1885: Oberst und Kommandeur des Garde-Husaren-Regiments 27. Januar 1888: Generalmajor und Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade 15. Juni 1888: Oberster Kriegsherr des deutschen Heeres und Chef der Marine, Chef des 1. Garde-Regiments zu Fuß, des Regiments der Garde du Corps, des Leib-Garde-Husaren-Regiments Chefstellen und andere Ehrenränge Hier geht es um den Rang des Chefs (in Bayern: Inhaber) von Truppenteilen, dessen Namen diese dann auch oftmals trugen (das militärische Kommando liegt nicht beim „Chef“, sondern bei dem jeweiligen Kommandeur.). Die Generals- und Admirals-Titel sind ebenfalls als Ehrenränge zu verstehen. Deutschland Chef des 1. Garde-Regiments zu Fuß Regiments der Garde du Corps Leib-Garde-Husaren-Regiments König Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoversches) Nr. 13 Königs-Infanterie-Regiments (6. Lothringisches) Nr. 145 Grenadier-Regiments König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreußisches) Nr. 3 Regiments Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1 Leib-Kürassier-Regiments „Großer Kurfürst“ (Schlesisches) Nr. 1 1. Leib-Husaren-Regiments Nr. 1 2. Leib-Husaren-Regiments Königin Viktoria von Preußen Nr. 2 Leib-Grenadier-Regiments Friedrich Wilhelm III. (1. Brandenburgisches) Nr. 8 Badischen Grenadier-Regiments 'Kaiser Wilhelm I.' Nr. 110 Infanterie-Rgts 'Kaiser Wilhelm' (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116 Königlich Sächsischen Grenadier-Regiments Nr. 101 Königlich Württembergischen Infanterie-Regimentss Nr. 12 Königlich Württembergischen Dragoner-Regiments Königin Olga (1. Württembergisches) Nr. 25 Inhaber des Königlich Bayerischen 1. Ulanen-Regts 'Kaiser Wilhelm II., König von Preußen' Königlich Bayerischen 6. Infanterie-Regiments 'Kaiser Wilhelm, König von Preußen' Ausland Inhaber des K.u.k. Infanterie-Regiments Nr. 34 (Österreich-Ungarn) K.u.k. Husaren-Regiments Nr. 7 (Österreich-Ungarn) Chef des Kaiserlich Russischen St. Petersburger Leib-Garde-Grenadier-Regiments 'König Friedrich Wilhelm III.' 85. Infanterie-Regiments „Wyborg“, (Russland) 13. Husaren-Regiments „Narva“ (Russland) Königlich Großbritannischen 1. Dragoner-Regiments Ehrenoberst des Königlich Portugiesischen 4. Reiter-Regiments Königlich Spanischen Dragoner-Regiments „Numancia“ Kaiserlich Osmanischer Feldmarschall Feldmarschall der Kaiserlich-Königlichen Armee Österreich-Ungarns Königlich Großbritannischer Feldmarschall Königlich Großbritannischer Ehrenadmiral der Flotte Königlich schwedischer Flaggenadmiral Königlich norwegischer Ehrenadmiral Königlich dänischer Ehrenadmiral Admiral der Kaiserlich russischen Flotte Ehrenadmiral der Kgl. griechischen Flotte Sonstige (nichtmilitärische) Ränge und Orden Auswahl Neuntes Oberhaupt und neunter Souverän und Meister des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler Protektor des Johanniterordens Ritter des Hosenbandordens (Vereinigtes Königreich) Ritter des St.Andreasordens (Russland) Ritter des Annunciaten-Ordens (Italien) Ritter des Elefanten-Ordens (Dänemark) Ritter des St.-Hubertus-Ordens Ritter des Seraphinenordens (Schweden) Ritter des Löwen-Ordens (Norwegen) Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies (Spanien) Ehrenbailli und Großkreuz des Souveränen Malteserordens Literatur Schriften Wilhelms II. Autobiographie (Memoiren): Aus meinem Leben – 1859–1888, Leipzig 1926 (K. F. Koehler) Ereignisse und Gestalten – 1878–1918, Leipzig, Berlin 1922 (K. F. Koehler) Erinnerungen an Korfu. Berlin 1924 Vergleichende Geschichtstabellen von 1878 bis zum Kriegsausbruch 1914. Verlag von F. Koehler, 1921 Meine Vorfahren. Leipzig 1929 Kulturhistorische Werke: Das Wesen der Kultur. Privatdruck, 1921 Die chinesische Monade, ihre Geschichte und ihre Deutung. Leipzig 1934 Studien zur Gorgo. Berlin 1936 Das Königtum im alten Mesopotamien. Leipzig 1938 Ursprung und Anwendung des Baldachins. Amsterdam 1939. Sammlungen: Ernst Johann, Reden des Kaisers. Ansprachen, Predigten und Trinksprüche Wilhelms II., München 1966 (dtv) Briefe an den Zaren 1894–1904, hgg. und eingel. von Walter Goetz, übersetzt von M. T. Behrmann, Berlin 1920 Briefe und Telegramme an Nikolaus II. (1894–1914)'‘, hgg. von H. v. Gerlach, Wien 1920. Die Kaiserliche Marine entstand nach der Reichsgründung 1871 aus der Marine des Norddeutschen Bundes. Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 bezeichnet die Marine des Reichs meist als Kriegsmarine, an einer Stelle aber auch als Kaiserliche Marine. Für den Marinegebrauch wurde letztere Bezeichnung am 1. Februar 1872 eingeführt. Sie bestand bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918. Den Schiffsnamen der Kaiserlichen Marine wurde – vergleichbar der Tradition in der britischen Marine (HMS = His/Her Majesty's Ship) – das Kürzel S.M.S. (für "Seiner Majestät Schiff") vorangestellt. 1871 bis 1890 1. Februar 1872 wurden deren bisherige Marinebehörden zur Kaiserlichen Admiralität zusammengefasst, deren erster Chef General der Infanterie Albrecht von Stosch wurde. Den Oberbefehl hatte der Kaiser inne. Anfangs bestand die Hauptaufgabe im Küstenschutz und im Schutz der deutschen Seehandelswege, obwohl schon bald erste Auslandsstationen gegründet wurden. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts beteiligte sich die Kaiserliche Marine an der Gewinnung von Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien. Kiel an der Ostsee und Wilhelmshaven an der Nordsee waren gemäß der Reichsverfassung Reichskriegshäfen. Zu den Aufgaben der Marine gehörte auch die allgemeine Repräsentanz des Reichs im Ausland und vor allem in Übersee. Bereits die Preußische Marine hatte, wie in der damaligen Zeit üblich, Auslandskreuzer eingesetzt, die die diplomatische Interessenvertretung Preußens und später des Reichs insbesondere gegenüber kleineren Staaten zu unterstützen hatten. Ein besonderes Beispiel für diese Form der Zusammenarbeit von Diplomatie und Marine, der klassischen Kanonenbootdiplomatie, war die sogenannte Eisenstuck-Affäre in Nicaragua 1876-1878. 1890 bis 1914 Unter dem flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888 - 1918) gewann die Marine an Bedeutung, und eine große maritime Rüstungsindustrie entstand. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal wurde 1895 fertiggestellt und erlaubte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nord- und Ostsee. Ab 1889 änderte sich die Führungsstruktur. Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt (von 1897-1916 war Großadmiral (seit 1911) Alfred von Tirpitz dessen Staatssekretär) entstanden. 1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Das Oberkommando wurde 1899 durch den Generalstab abgelöst, und der Kaiser übernahm erneut den Oberbefehl. Tirpitz gelang es mit Hilfe seines "Nachrichtenbüros" und des Deutschen Flottenvereins, durch geschickte Propaganda im Deutschen Reich eine große Begeisterung für die Flotte zu erzeugen. Die Flottenrüstung war, wie auch in den anderen Marinen der damaligen Zeit, von einer schnellen technischen Entwicklung gekennzeichnet. Nacheinander wurden neue Waffensysteme eingeführt, wie die Seemine, der Torpedo, das U-Boot und die Marineflieger mit Flugzeugen und Luftschiffen. Obwohl alle diese Entwicklungen bereits mit einfachen Modellen im amerikanischen Bürgerkrieg zum Einsatz gekommen waren, war ihre Bedeutung für künftige Seekriege zunächst kaum erkannt worden. Eine Veränderung der Doktrin zu Verteidigungskrieg und Seeschlacht mündete mit dem Aufbau der Hochseeflotte in einem Wettrüsten mit England. Die aus dem deutsch-englischen Gegensatz entstandene Isolierung des Deutschen Reichs hatte entscheidenden Einfluss auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Eines der wesentlichen Probleme der Kaiserlichen Marine war bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs die mangelhafte interne Koordination. Da der Kaiser selber den Oberbefehl ausübte, fehlte es an der Koordination zwischen den diversen direkt unterstellten Marinedienststellen mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser, den sogenannten Immediatstellen, von denen es zeitweise bis zu acht gab. Dazu gehörten der Staatssekretär des Reichsmarineamts, der Chef der Hochseeflotte, die Chefs der Marinestationen. Organisatorisch bildete die Hochseeflotte ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts den Kern der Kaiserlichen Marine. Daneben gab es das Ostasiengeschwader, die Mittelmeer-Division und diverse Landdienststellen, wie etwa die Marinestationen der Nordsee und der Ostsee. Hochseeflotte Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es allgemein üblich, Flotten nur in den Sommermonaten aktiv zu halten, während im Winter die meisten Schiffe aufgelegt wurden. Nach der Aktivierung im Frühjahr bedurfte es großer Übungen, um die Schiffe einsatzfähig zu machen. Zu diesem Zweck wurde in der Kaiserlichen Marine alljährlich die so genannte Übungsflotte zusammengezogen, an deren Spitze ein Admiral als Flottenchef stand. Um 1900 wurde die Übungsflotte zunächst in Schlachtflotte und 1906 in Hochseeflotte umbenannt. Ihr erster Chef war der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich. Die Hochseeflotte bildete den Kern der Kaiserlichen Marine. Bei Kriegsausbruch im August 1914 betrug ihre Stärke: 14 Schlachtschiffe 22 Linienschiffe 8 Küstenpanzerschiffe 5 Große Kreuzer (Schlachtkreuzer) 7 Große Kreuzer (Panzerkreuzer) 12 Kleine Kreuzer 89 Torpedoboote (im Flottendienst) 19 U-Boote Die Schlachtschiffe, Linienschiffe und Küstenpanzerschiffe bildeten zu dieser Zeit sechs Geschwader, die Kreuzer bildeten fünf Aufklärungsgruppen, die Flottentorpedoboote waren in acht, die U-Boote in zwei Flottillen eingeteilt. Zusätzlich zu den oben aufgeführten Einheiten gehörten zur Hochseeflotte vier Hafenflottillen mit Kleinen Kreuzern und Torpedobooten. Die Chefs der Hochseeflotte im Ersten Weltkrieg waren: 1914 - 1915 Admiral Friedrich von Ingenohl 1915 - 1916 Admiral Hugo von Pohl 1916 - 1917 Admiral Reinhard Scheer 1917 - 1918 Admiral Franz Ritter von Hipper Ostasiengeschwader Das Ostasiengeschwader ging 1897 aus dem vormaligen Kreuzergeschwader hervor. Es war ein selbständiger Verband, der die Aufgabe hatte, deutsche Interessen im asiatisch-pazifischen Raum zu unterstützen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs versuchte das Geschwader, unter Vizeadmiral Graf Spee, rund um Südamerika nach Deutschland durchzubrechen, wurde aber bei den Falklandinseln durch überlegene britische Kräfte gestellt und vernichtet. Der Erste Weltkrieg Der Erste Weltkrieg offenbarte schnell die konzeptionellen Fehler der deutschen Flottenrüstung. Großbritannien verhängte eine Fernblockade gegen das Deutsche Reich und hielt seine Schlachtflotte außerhalb der Reichweite der Hochseeflotte. Die Seeschlachten des Ersten Weltkriegs (u.a. Gefecht auf der Doggerbank, Skagerrakschlacht) hatten deshalb für den Gesamtverlauf keine entscheidende Bedeutung. Zum Kriegsende sollte die Kaiserliche Marine gemäß einem Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918 zu einer letzten großen Schlacht ("ehrenvoller Untergang") gegen die Royal Navy antreten. Das wurde durch den Matrosenaufstand verhindert. Dieser mündete in die Novemberrevolution, die das Ende des Kaiserreichs bedeutete. Die Verluste an Menschenleben im Seekrieg werden für das Deutsche Reich mit 1.569 Offizieren, 8.067 Deck- und Unteroffizieren und 25.197 Mannschaften angegeben. An sie erinnert das 1936 am 20. Jahrestag der Skagerrakschlacht eingeweihte Marineehrenmal in Laboe bei Kiel. Selbstversenkung der Hochseeflotte Nach Ende der Kampfhandlungen wurde die Hochseeflotte gemäß den Waffenstillstandsbestimmungen im schottischen Scapa Flow interniert. Die Schiffe waren entwaffnet worden und nur mit Notbesatzungen besetzt. Als im Sommer 1919 die Bedingungen des Versailler Vertrages und die damit verbundene Ablieferung großer Teile der Flotte an die Siegermächte bekannt wurde, ließ Konteradmiral Ludwig von Reuter die unter seinem Kommando befindliche Hochseeflotte am 21. Juni 1919 versenken. Damit war der Kern der Kaiserlichen Marine zerstört. Mit der Selbstversenkung hatte die Marine zwar einen Teil des im Krieg und insbesondere während der Revolution verlorenen Ansehens zurückgewonnen, jedoch waren harte Konsequenzen zu tragen. Die Alliierten verlangten nicht nur die Übergabe anderer, zum Teil recht moderner Schiffe, die für die neue Reichsmarine hätten den Grundstock bilden sollen, sondern auch den größten Teil der noch bestehenden deutschen Handelsflotte. Die durch die Versenkung unbrauchbar gewordenen Schiffe hatten noch einen großen Schrottwert. Außerdem blockierten sie die besten Ankerplätze in der Bucht von Scapa Flow. Deshalb wurden sie bis zum Zweiten Weltkrieg zum größten Teil gehoben und verschrottet. Bis heute wird jedoch gelegentlich hochwertiger Stahl aus den Wracks für medizinische Geräte geborgen. Dieser Stahl ist deswegen wertvoll, weil er nicht atmosphärischer Strahlung während der Zeit der oberirdischen Nukleartests ausgesetzt war und sich deshalb gut zum Bau von derartigen Messgeräten eignet. Bilanz Hatte die Marine in den Einigungskriegen von 1866 und 1871 noch keine praktische Rolle gespielt, so wurde sie in den Folgejahren mit Augenmaß und den Bedürfnissen des Reichs entsprechend aufgebaut. Nach Bismarcks Entlassung 1890 begann unter Kaiser Wilhelm II. und Tirpitz das große Flottenwettrüsten, das eine der wesentlichen, jedoch nicht die einzige Ursache des Ersten Weltkriegs war. Es war ein Element einer verfehlten Bündnis- und Rüstungspolitik. Im Ersten Weltkrieg zeigte sich, dass die Hochseeflotte falsch konzipiert und schlecht geführt war. Sie konnte nicht entscheidend zum Kriegsausgang beitragen, und der Unmut ihrer Soldaten entlud sich in Meutereien, die wesentlich zum Ende der Monarchie beigetragen haben.