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Christliche Arbeiterbewegung
Die christliche Arbeiterbewegung bildete sich als Reaktion auf die sozialistischen Bestrebungen der Arbeiterschaft. Sie lehnte deren revolutionäre Zielrichtungen und auch ihr atheistisches Weltbild ab und entwickelte verschiedene Theorien der Klassenharmonie, etwa in Form der Katholischen Soziallehre. Die Verantwortung der Kirche für die Arbeiter wurde zuerst durch Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler als Innere Mission begriffen. Während die evangelische Arbeiterbewegung sich zunächst aufgrund der Sozialistengesetze verschloss, waren die Katholiken offener und dominierten so auch christlich-überkonfessionelle Bestrebungen, wie die Christlichen Gewerkschaften von 1894 bis 1933.[7] In der katholischen Arbeiterbewegung entstanden so vor allem die Katholische Arbeitervereine oder das Kolpingwerk. Die Evangelische Arbeiterbewegung entstand gerade als Minderheitenbewegung in katholisch geprägten Gebieten, so etwa der erste evangelische Arbeiterverein (EAV) 1848 in Bayern.[7] Generell betonen konfessionelle Gesellschaftskonzeptionen allerdings den sozialen Ausgleich gegenüber sozialen Konfliktstrategien.
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Die Katholischen Arbeitervereine waren im 19. Jahrhundert entstandene, vom Klerus geleitete Laienorganisationen. Sie werden auch als Katholische Arbeiterbewegung (KAB) bezeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte die Katholische Arbeitnehmerbewegung an diese Tradition an. Außer in Deutschland gab es in verschiedenen europäischen Ländern katholische Arbeitervereine, darunter in der Schweiz und in Österreich.
Die Arbeitervereine in Deutschland waren zunächst geistlich dominiert und dienten primär zur Absicherung des katholischen Milieus im Prozess der Industrialisierung. Neben geistlicher Betreuung und Einbindung der Arbeiter in die Pfarrgemeinden gab es Selbsthilfeeinrichtungen verschiedener Art. Die materielle und politische Interessenvertretung gehörte zunächst nicht zu den Aufgaben der Vereine. Dennoch wurden sie um die Jahrhundertwende in den Gewerkschaftsstreit im katholischen Deutschland miteinbezogen und gespalten. Während der Weimarer Republik nahmen die Vereine auch Stellung zu sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen. Sie standen weitgehend auf Seiten der Republik. Die Zeit des Nationalsozialismus konnten sie teilweise als entpolitisierte Vereine überstehen.[1] Der westdeutsche Teilverband wurde weder zerschlagen noch gleichgeschaltet. Insbesondere aus diesem Verband beteiligten sich führende Vertreter der Vereine am Widerstand.
Vorgeschichte
Wilhelm Emmanuel von Ketteler setzte sich früh für die Gründung von katholischen Arbeitervereinen ein (Fotografie um 1870)
Erste Anregungen, katholische Arbeitervereine zu gründen, gehen unter anderem auf die Fabrikrede des Abgeordneten Franz Joseph von Buß aus dem Großherzogtum Baden im Jahr 1837 zurück. Im Jahr 1847 forderte Peter Reichensperger die Eigeninitiative der Arbeiter auf sozialpolitischem Gebiet und empfahl die Gründung von Arbeitervereinen. Wichtig wurde die Schrift von Wilhelm Emmanuel von Ketteler aus dem Jahr 1864 Die Arbeiterfrage und das Christentum. Auch Ketteler schlug darin Zusammenschlüsse von Arbeitern vor. Auf verschiedenen Katholikentagen warb Ketteler für Arbeitervereine. Der Katholikentag von 1869 von Düsseldorf stimmte ihm darin bei.[2]
Erste katholische Arbeitervereine entstanden in der Zeit der Revolution von 1848. Ein erster wurde 1847 in Regensburg gegründet. Nach anderen Angaben entstand dieser als Unterstützungsverein Hl. Josef, der Arbeiter erst 1849/1850 als Teilorganisation des örtlichen Piusvereins. Es folgten Nürnberg und andere süddeutsche Städte. Diese ersten Ansätze konnten sich nicht lange halten.[3] Gesellenvereine entstanden seit den 1840er Jahren. Unter dem Einfluss Adolph Kolpings erlebten diese seit den 1850er Jahren einen Aufschwung. Seit den 1850er Jahren entstanden insbesondere im Ruhrgebiet, aber auch am Niederrhein und im Saarland katholische Knappenvereine und Arbeitervereine. Allerdings konnten auch diese sich meist nicht halten.[4]
Auf Anregung nicht zuletzt von Ketteler entstanden christlich-soziale Vereine, die ihren Höhepunkt in den 1870er und 1880er Jahren erlebten. Allein im Ruhrgebiet hatten sie Mitte der 1870er Jahre 30.000 Mitglieder. Die christlich-sozialen Arbeitervereine waren grundsätzlich überkonfessionell, organisierten aber in der Regel Katholiken. Die Vereine hatten durchaus gewerkschaftsähnliche Züge, lehnten etwa Streiks nicht ab. Damit unterschieden sie sich deutlich von den späteren katholischen Arbeitervereinen. Sie litten zum einen unter den Auswirkungen des Kulturkampfes. Zum anderen verengte das Sozialistengesetz auch ihren Spielraum, so dass sie bald an Bedeutung verloren.[5]
Zeit des Kaiserreichs
Anfänge
Franz Hitze beteiligte sich maßgeblich an der Gründung der Arbeitervereine und konzipierte ihre Programmatik
In den 1870er Jahren erfuhr die Vereinsbewegung, gefördert von christlich-sozialen Geistlichen, einen Aufschwung. Unterstützung fanden die Arbeitervereine durch den von katholischen Unternehmern mit Franz Brandts an der Spitze 1880 gegründeten Verband Arbeiterwohl und dessen Generalsekretär Franz Hitze.[6]
Die Arbeitervereine standen in einer doppelten Frontstellung gegen den kulturkämpferischen Protestantismus und gegen die zunehmend kirchenkritische Sozialdemokratie. Auch vor diesem Hintergrund waren die Arbeitervereine strikt katholisch ausgerichtet.[7] Von Anfang an bestanden unterschiedliche Auffassungen über Ziel und Aufgaben. Es existierten geistliche, sozialreformerische oder gewerkschaftliche Tendenzen. Anfangs gab es in der Kirche noch Widerstände. Noch in den 1880er Jahren hieß es, dass die Arbeiter „immer eingedenk sein“ sollten, „dass sie den vollen, wahren Lohn für ihre Arbeit und Mühe nicht auf dieser Welt […] zu erwarten haben.“ Der Arbeiter solle „im Geist der Buße, des Gehorsams und der Demut sein Joch tragen“ und „bei der Besserung seines Standes an sich selbst anfangen. Sparsamkeit, Fleiß, Mäßigung und ein religiöses, stilles Leben geben eine innere Zufriedenheit“.[8]
Papst Leo XIII. hatte 1884 in seiner Enzyklika Humanum genus, die sich gegen die Freimaurerei richtete, zur Bildung von Arbeitervereinen angeregt. In Deutschland rief Franz Hitze auf dem Katholikentag im selben Jahr zur Gründung von Arbeitervereinen auf. Er legte dort Grundzüge für die Organisation katholischer Arbeitervereine vor. Dabei hat er nicht zuletzt eine antisozialdemokratische Zielsetzung betont: „Nur die Religion mit ihrer Macht über die Gemüter und Leidenschaften […] schütze gegen sozialdemokratische Verführung. Die Sozialdemokratie müsse isoliert und Organisation gegen Organisation gestellt werden.“ Allerdings hat er die sozialdemokratische Bewegung nicht nur als Verirrung betrachtet, denn „sie erwache aus den Notständen unseres Volkes.“ Hitze setzte sich auch auf den Katholikentagen von 1886 und 1889 für die Errichtung von Arbeitervereinen ein.[9]
In der Folge entstanden viele derartige Vereine. Im Jahr 1889 bestanden 168 Arbeitervereine, 51 Knappenvereine, 26 Arbeiterinnenvereine sowie 37 Vereine für jugendliche Arbeiter mit zusammen etwa 60.000–65.000 Mitgliedern.[10]
Weiteren Auftrieb erhielten die Vereine 1890 durch die Enzyklika Rerum Novarum, in der sie von der Kirchenspitze offiziell anerkannt und befürwortet wurden. Hinzu kam ein entsprechender Hirtenbrief der deutschen Bischöfe. Förderlich war auch die Gründung des Volksvereins für das Katholische Deutschland 1890.[11]
Aufgaben und Selbstverständnis
Alfredushaus in Essen, Sitz der örtlichen christlichen Gewerkschaften und des Arbeitervereins
Das zentrale Ziel war die Erziehung der Arbeiter „von der Klasse zum Stand“. Diese berufsethische Programmatik war als Gegenentwurf zum sozialistischen Klassenkampf gedacht. Die Abwehr des Sozialismus war ein wichtiges Motiv für die Gründung der Vereine. Insgesamt ist eine Ähnlichkeit zu den Gesellenvereinen Kolpings zu erkennen.[12]
Neben dem Standesgedanken spielte die Seelsorge an den Arbeitern eine wichtige Rolle. Für die Vereine war die Pflege des religiösen Lebens und der gemeinsame Empfang der Sakramente wichtig. Die Geselligkeit war stark katholisch geprägt. Dabei ist die Bedeutung dieses religiösen Aspektes und der Einfluss der Priester in der Forschung nicht ganz eindeutig. Gerhard A. Ritter/Klaus Tenfelde sprechen von Konflikten zwischen geistlichem Anspruch und emanzipatorischen Interessen. Benjamin Ziemann spricht von einem schleichenden Prozess der Säkularisierung der Vereine. Bereits in den 1890er Jahren beklagten Pfarrer aus Dortmund die Vergnügungssucht und die unwürdigen Reden in den Arbeitervereinen. Es war von „Vereinsmeierei“ und der „Vernachlässigung der Christenlehre“ die Rede. Ähnliches ist auch aus anderen Regionen wie dem eher ländlichen Sauerland bekannt. Während der Weimarer Republik nahmen die Klagen der Geistlichen über die wachsende Bedeutung von weltlichen Festen noch zu. Die These einer schleichenden Säkularisierung wird von anderen wie Josef Mooser etwa mit Blick auf die starke Stellung der Geistlichen relativiert. Eine neuere Regionalstudie zu den Arbeitervereinen im Ruhrgebiet kommt hingegen zu dem Schluss, dass „die Grenzen der priesterlichen Macht und die Einflussmöglichkeiten der Vereinsmitglieder“ nicht übersehen werden dürfen.[13]
Es gab im Vereinsleben Veranstaltungen zur religiösen Erbauung, kirchliche und allgemeine Bildungsangebote. Wichtig war auch die genossenschaftliche Selbsthilfe und die Einrichtung von Unterstützungskassen. Es wurden Arbeitsnachweise eingerichtet und Fachunterrichtskurse angeboten. Viele Arbeitervereine hatten bis zum Ende der Weimarer Republik auch Spar-, Kranken- und Sterbekassen sowie Bibliotheken. Einige hatten sogar Konsumvereine und Volksbüros. An Stelle von lokalen Kassen traten zunehmend Verbandskassen. Es wurde auch Rechtsberatung etwa in Berufsfragen angeboten. Von großer Bedeutung gerade in dieser Hinsicht waren hauptamtliche Arbeitersekretäre. Im süddeutschen Verband entstanden etwa bis zum Ersten Weltkrieg 27 Arbeitersekretariate.[14]
Von den Vereinen wurden Anregungen an die Gemeindeverwaltungen oder an Arbeitgeber weitergeleitet. Dies hatte aber Grenzen. Das Vereinsrecht schloss eine politische Betätigung aus. Auch verstanden sich die Arbeitervereine nicht als Vertretung materieller Arbeiterinteressen. Dieses Feld überließen sie den seit den 1890er Jahren entstehenden christlichen Gewerkschaften. Hitze hatte die Arbeitervereine als eine Art Vorstufe zu den Gewerkschaften verstanden.[15]
Organisation
Nikolaus und Elisabeth Groß um 1912
Im Gegensatz etwa zu den evangelischen Arbeitervereinen und älteren Organisationsversuchen waren in den Arbeitervereinen fast nur Arbeiter selbst organisiert. Sozial orientierte Bürgerliche wurden nicht aufgenommen und für Handwerker gab es die Gesellenvereine.[16]
Die Vereine entstanden auf Basis der Pfarreien. An der Spitze stand ein örtlicher Geistlicher als Präses. Berufen wurde dieser vom zuständigen Bischof. Bei den ersten Vereinen gab es noch keinen gewählten Vorstand. Es bestand ein Schutzvorstand oder Ehrenbeirat aus örtlichen Honoratioren.[17] Dies änderte sich unter dem Einfluss des Volksvereins. Nun gab es neben dem Präses einen regelrechten Vorstand. Aus den Mitgliedern des Vereins wurden die Vorstandsmitglieder gewählt. Ihre jeweilige Funktion wurde ihnen vom Geistlichen zugewiesen. Vorsitzender und Vizepräses war ein gewählter Arbeiter. Hinzu kamen Kassierer, Schriftführer und Beisitzer. Die Präsidesverfassung stand im gewollten Widerspruch zum liberalen Prinzip der Gleichheit aller Vereinsmitglieder. Das demokratische Mehrheitsprinzip sollte gemildert werden. Nur eine geistliche Leitung schien Schutz vor Abirrungen der Vereine zu bieten.[18]
Diese „roten Kapläne“ spielten für den Erfolg der Vereine eine wesentliche Rolle. Von ihrem Engagement und ihrem Mut hing es ab, ob die Arbeiter in den Vereinen – über die religiöse Bildung und Identität hinaus – auch eine soziale Identität als Arbeiter entwickeln konnten. Allerdings sahen viele Geistliche die Vereine vor allem als wichtige Faktoren der Laienseelsorge an. Die Vereine dienten nicht zuletzt zur Einbindung der Arbeiter in die Pfarreien.[19]
Seit 1891 begannen sich die Vereine auf regionaler Ebene zusammenzuschließen. Unterhalb der Regionalverbände gab es Diözesan- und Bezirksverbände auf der Ebene der Dekanate. An der Spitze der Diözesanverbände, die als Hauptverbände bezeichnet wurden, stand ein Diözesanpräsides. Auch dieser wurde vom Ortsbischof ernannt.
Der organisatorische Schwerpunkt der Arbeitervereine lag in Westdeutschland. Mehr als die Hälfte aller Mitglieder gehörte dem westdeutschen Verband an. Daneben bildete sich ein süddeutscher Verband, der Verband der katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Berlin, ein ostdeutscher Verband sowie die Diözesenverbände der Erzdiözese Freiburg und der Diözese Rottenburg („Landesverband der katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine Württembergs.“)[20] Die katholischen polnischen Vereine blieben den Verbänden fern.
Die Regionalverbände und die Arbeitervereine Badens und Württembergs schlossen sich ohne die Richtung Berlin 1911 zu einem „Kartellverband katholischer Arbeitervereine West-, Süd- und Ostdeutschlands“ zusammen. Die Zahl der Mitglieder betrug 1914 etwa 500.000. Unabhängig blieben der 1903 gegründete „Bezirksverband der katholischen Arbeiterverbände“ in Saarbrücken sowie zwei Verbände für Seeleute und Schiffer.[21]
Zwar gab es schon seit längerem auch Arbeiterinnenvereine. Diese schlossen sich aber meist später mit denen der Arbeiter zusammen. Im Jahr 1905 gründete sich der „Verband katholischer Vereine der erwerbstätigen Frauen und Mädchen Deutschlands“, dieser vertrat die wirtschaftsfriedlichen Positionen der Berliner Richtung. Im Jahr 1906 entstand der „Verband süddeutscher katholischer Arbeiterinnenvereine“. Erst 1917 wurde der „Verband katholischer Arbeiterinnenvereine Westdeutschlands“ gegründet.[22]
Süddeutscher Verband
Lorenz Huber
Der erste Regionalverband entstand in Süddeutschland mit Sitz in München. Der Organisation gehörten zunächst nur Vereine aus Bayern und dem Erzbistum Salzburg an. Hinzu kamen einige Vereine aus den Diözesen Freiburg und Rottenburg. Um 1900 waren die Vereine unterhalb der Verbandsebene in Diözesan- und Bezirksverbände gegliedert. Verbandspräses war der Geistliche Lorenz Huber aus München. Dieser gab auch das Verbandsblatt Der Arbeiter heraus. Ihm folgte 1904 Carl Walterbach.
Im Gründungsjahr hatte der Verband 27 Vereine und 6.000 Mitglieder. 1894 waren es 56 Vereine mit 11.625 Mitgliedern. Zur Jahrhundertwende waren es 372 Vereine mit fast 60.000 Mitgliedern. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Verband 114.000 Mitglieder in 1041 Vereinen.[23]
Die Arbeitervereine in Bayern sind relativ gut erforscht. Dort konnten mit Landarbeitern und Frauen Gruppen organisiert werden, die etwa von der sozialistischen Arbeiterbewegung nicht erreicht wurden. Diese oft ländlichen Arbeitervereine unterschieden sich durch antikapitalistische Zielvorstellungen von den eher sozialreformerischen Vereinen in den industriellen Ballungsräumen in Westdeutschland.[24]
Berliner Richtung und Ostdeutscher Verband
Die mittel- und ostdeutschen Verbände aus Berlin, Brandenburg, Pommern und Schlesien schlossen sich 1897 zum „Verband katholischer Arbeitervereine Nord- und Ostdeutschlands“ zusammen. Einige Jahre später nannte sich diese Organisation Verband der katholischen Arbeitervereine – Sitz Berlin. Damit lehnte der Verband eine regionale Abgrenzung ab und machte deutlich, dass er auch in den Bereichen anderer Verbände tätig werden wollte. Dies war eine Folge des Gewerkschaftsstreits im katholischen Milieu. In diesem Zusammenhang schlossen sich dem Verband die meisten Vereine der Diözese Trier an. Teilweise verstreut hatte der Verband Vereine in vierzehn Diözesen vornehmlich in Nordostdeutschland. Die Berliner Richtung hatte in der Spitze 130.000 Mitglieder.[25][26]
Als Folge des Gewerkschaftsstreits spaltete sich 1910 ein ostdeutscher Verband der katholischen Arbeitervereine mit Sitz in Breslau und später in Neiße von der Berliner Richtung ab. Er hatte aber vor dem Ersten Weltkrieg nur etwa 14.000 Mitglieder und gewann erst während der Weimarer Republik an Bedeutung.[27]
Westdeutscher Verband
August Pieper war zeitweise Vorsitzender des Westdeutschen Verbandes und eine Schnittstelle zum Volksverein für das katholische Deutschland
Angesichts des hohen Industrialisierungsgrades kam es in Westdeutschland erst spät zu einem Zusammenschluss. Ein Grund war, dass man längere Zeit befürchtete, dass ein solcher Verband vom Staat aufgelöst werden könnte. Andererseits gab es innere Gegensätze. Es gab eine Kölner Richtung, die antikapitalistisch und traditionalistisch ausgerichtet war. Daneben gab es die fortschrittlichere Strömung um die Zentrale des Volksvereins in Mönchengladbach um Hitze und August Pieper (Mönchengladbacher Richtung). Auch gab es noch Reste der alten christlich-sozialen Vereine. Es gab zwar Kontakte der Präsides der Arbeitervereine untereinander. Aber erst 1899 wurde im Erzbistum Köln ein erster Diözesanverband gegründet.[28]
Der 1903/1904 gegründete Verband der katholischen Arbeiter- und Knappenvereine Westdeutschlands, hatte 1913 220.000 Mitglieder. 1912 gab es allein in diesem Bereich 1.041 Vereinen. Er umfasste die Diözesanverbände Köln, Paderborn, Münster, Osnabrück, Hildesheim, Limburg, Mainz und Fulda. Mit dem Niedergang der Berliner Richtung schlossen sich die Vereine aus der Diözese Trier Ende der 1920er Jahre dem Westdeutschen Verband an. Vorsitzender wurde August Pieper. Einige Zeit später folgte Pfr. Otto Müller.
Der Verband gab seit 1898 mit der westdeutschen Arbeiterzeitung ein verbreitetes Wochenblatt heraus. Der Untertitel lautete Für die Interessen der arbeitenden Stände. Redakteur war Johannes Giesberts. Kurze Zeit später kam Joseph Joos hinzu, der Giesberts auch ablöste, als dieser in den Reichstag gewählt wurde. Die Zeitung hatte anfangs eine Auflage von 1200 Exemplaren. Innerhalb von fünfzehn Jahren konnte sie die Auflage auf 120.000 Exemplaren steigern.[29]
Die stärksten Berufsgruppen im Westdeutschen Verband stellten Eisen- und Metallarbeiter sowie die Bergarbeiter. Otto Müller gab an, dass die Arbeitervereine etwa ein Drittel der katholischen Arbeiter erreicht hätten.[30] Aber dies dürfte zu hoch gegriffen sein, zumal es große Unterschiede gab. In einer katholischen Region wie dem ehemals kölnischen Sauerland war nur eine Minderheit der Arbeiter in den Arbeitervereinen organisiert. Immer wieder gab es Klagen über die organisatorische Schwäche. In kleineren Industrieorten waren dabei die Vereine gemessen an der Bevölkerungszahl stärker vertreten als in den gewerblichen Zentren.[31] Organisiert wurden eher ältere und qualifizierte Arbeiter, während es ihnen schwer fiel, die gering qualifizierten Beschäftigten und die von starker Fluktuation geprägten Berufsgruppen zu erfassen. Die Vereine integrierten nicht so sehr Zuwanderer, sondern trugen zur Stabilisierung des katholischen Milieus bei.[32]
Gewerkschaftsstreit
→ Hauptartikel: Gewerkschaftsstreit
Bischof Michael Felix Korum war einer der Hauptvertreter der Integralisten während des Gewerkschaftstreits
Als 1899 der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften gegründet wurde, waren daran neben den wenigen bereits bestehenden christlichen Gewerkschaften, wie dem seit 1894 existierenden christlichen Bergarbeiterverband, auch Delegierte der katholischen und evangelischen Arbeitervereine beteiligt. Hinzu kamen aus Berlin und Süddeutschland Vertreter des Vereins Arbeiterschutz. Dieser war ein in enger Verbindung mit den katholischen Arbeitervereinen gegründeter, konfessionell und politisch neutraler Standesverein. Der Gewerkschaftsgründung vorausgegangen waren Veränderungen innerhalb der Arbeitervereine. Es wurde die Gründung von Fachabteilungen ermöglicht. Erste Fachabteilungen waren 1892 in Süddeutschland gegründet worden. Franz Hitze hatte Leitsätze zu Fachabteilungen mit einer gewerkschaftlichen Programmatik entworfen, ohne dass dies nachhaltige organisatorische Konsequenzen gehabt hätte. Dies macht aber deutlich, dass das Interesse an einer ökonomischen Interessenvertretung gewachsen war.[33][34]
Strittig war zunächst, ob man katholische oder interkonfessionelle Organisationen gründen wollte. Matthias Erzberger, der in Süddeutschland in der katholischen Arbeitervereinsbewegung aktiv war, August Brust und Hitze plädierten für interkonfessionelle Organisationen. Diese Haltung setzte sich durch.[35]
Innerhalb des katholischen Lagers gab es dagegen erhebliche Widerstände, die als Gewerkschaftsstreit bekannt geworden sind. Besonders bekämpft wurde die Interkonfessionalität von den katholischen Arbeitervereinen, Sitz Berlin. Diese organisierten vor allem die katholischen Arbeiter in den Diasporagebieten im östlichen Deutschland, wo der Gegensatz zur evangelischen Kirche besonders stark ausgeprägt war. Sie waren integralistisch ausgerichtet und lehnten eine Hinwendung zum säkularen Staat, zum marktwirtschaftlichen System und zu einer pluralistischen Gesellschaft ab. Sie meinten, dass auch weltliche Dinge auf kirchlicher Grundlage geregelt werden müssten.[36]
Während sich die west- und süddeutschen Teilverbände für die christlichen interkonfessionellen Gewerkschaften aussprachen, lehnte die Berliner Richtung unter Einschluss der Arbeitervereine des Bistums Trier dies ab und bestand auf einer wirtschaftlichen Interessenvertretung durch die Fachabteilungen innerhalb der Arbeitervereine. Sie entschieden sich 1902 zur Einführung dieser Fachabteilungen. Dabei lehnte die Berliner Richtung den gewerkschaftlichen Kampf ab und versuchte die Interessen der Arbeiter auf dem Verhandlungswege umzusetzen. Eine nennenswerte Bedeutung erreichten die Fachabteilungen nie. Unterstützung fand diese Position bei dem Trierer Bischof Michael Felix Korum und dem Erzbischof von Breslau, Georg von Kopp, sowie bei integralistischen römischen Kreisen. Die übrigen deutschen Bischöfe waren für christliche Gewerkschaften oder verhielten sich neutral.
Der interne Streit belastete und schwächte die katholische Arbeitervereinsbewegung. Er dauerte lange an und konnte nur durch Entscheidungen an höchster kirchlicher Stelle beigelegt werden. Die Enzyklika Singulari quadam von 1912 ließ zwar eine Vorliebe für die Fachabteilungen erkennen, hat aber die christlichen Gewerkschaften faktisch akzeptiert. Benedikt XV. wies die Beteiligten kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges an, den Streit beizulegen. Eine wirkliche Einigung zwischen der Berliner Richtung und den übrigen Verbänden kam jedoch nie zustande. Die Berliner Richtung verlor immer mehr an Bedeutung und musste sich 1931 auflösen. Im selben Jahr wurde das Problem durch die Enzyklika Quadragesimo anno beigelegt.[37]
Anfänge der Politisierung
Der „Emanzipationskampf für die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Arbeiter“, wie Hitze inzwischen den Aufgabenbereich der Vereine definierte, benötigte politische Einflussmöglichkeiten. Die Vereine des Westdeutschen Verbandes richteten „staatsbürgerliche Schulungen“ ein. Damit sollten die Mitglieder für die politische Arbeit außerhalb der Vereine geschult werden. Otto Müller gehörte 1908 zu den Gründern der politischen Komitees. In diesen waren die Arbeitersekretäre, Funktionäre der christlichen Gewerkschaften, Mandatsträger aus dem Umfeld von Vereinen und Gewerkschaften zusammengeschlossen. Die Komitees unterstützten die Zentrumspartei und vertrat ihn dieser die Interessen der Arbeiter. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges gehörten 2602 Mitglieder der Arbeitervereine lokalen Vorständen der Zentrumspartei an und 973 waren Mitglied in einer Stadt- oder Gemeindevertretung.[38]
Die Arbeitervereine unterstützten die Burgfriedenspolitik während des Ersten Weltkrieges. Die politischen Komitees der Arbeitervereine gewannen in dieser Zeit an Bedeutung. Die Komitees, die sich schon vor dem Krieg in Westdeutschland und in Bayern regional zusammenschlossen, wurden zu Zentren der innerparteilichen Opposition in der Zentrumspartei und wandten sich etwa gegen die Abkehr der Partei von der Forderung nach einem demokratischen Wahlrecht in Preußen. Sie forderten seit 1917 das gleiche Wahlrecht in Preußen und organisierten im Juni 1918 eine große Protestversammlung. Pfr. Otto Müller wurde daraufhin vom Kölner Erzbischof Felix von Hartmann aus seinem Amt als Kölner Diözesanpräses entlassen. Schon 1914 war ihm die Leitung des Kölner Arbeiterinnenvereins entzogen worden, weil er sich gegen die Entpolitisierung des Vereins durch ein neues Statut gewandt hatte. August Pieper legte nach der Entlassung Müllers als Diözesanpräses sein Amt als Verbandsvorsitzender aus Protest nieder. Der Verband wählte Müller demonstrativ zu dessen Nachfolger. Weil Hartmann den Konflikt nicht eskalieren lassen wollte, bestätigte er diese Wahl. Wie andere Vereine auch litten die katholischen Arbeitervereine unter den Einberufungen und der hohen Zahl der Gefallenen. Die Vereine verloren so bis zu einem Drittel der Mitglieder.[39]
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Die vorliegende
Literatur Gerhard Aigte: Die Entwicklung der
revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung Deutschlands in der Kriegs-
und Nachkriegszeit (1918–1929), Bremen 2005.
F. Barwich, E. Gerlach, Arthur
Lehning, R. Rocker, Helmut Rüdiger: Arbeiter-selbstverwaltung-Räte-Syndikalismus.
Karin Kramer Verlag, Berlin 1971. ISBN 3-87956-090-0. Franz
Barwich/Studienkommission der Berliner Arbeiterörse: „Das ist Syndikalismus“.
Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Mit Texten von Franz Gampe, Fritz Kater,
Augustin Souchy u. a. und einer Einleitung von Helge Döhring, Frankfurt 2005,
ISBN 978-3-936049-38-1 Rudolf Berner: Die unsichtbare Front. Bericht
über die illegale Arbeit in Deutschland (1937), Libertad Verlag, Berlin 1997. Hans
Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923 – ein
Beitrag zur Sozial- und Ideengeschichte der frühen Weimarer Republik;
Erstauflage 1969, aktualisierte Neuauflage 1993, Darmstadt, Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, ISBN 3-534-12005-1 Vera Bianchi: Feminismus in proletarischer
Praxis: Der "Syndikalistische Frauenbund" (1920 bis 1933) und die
"Mujeres Libres" (1936 bis 1939), in Arbeit – Bewegung – Geschichte,
Heft I/2018, S. 27–44. Helge Döhring: Anarcho-Syndikalismus in
Deutschland 1933–1945, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 3-89657-062-5 Helge
Döhring: Anarcho-Syndikalismus in Ostpreußen! 750 Jahre Königsberg nicht ohne
Anarcho-Syndikalisten!, Bremen 2006. (als PDF; 4,2 MB) Helge
Döhring: Damit in Bayern Frühling werde! Die syndikalistische Arbeiterbewegung
in Südbayern von 1914 bis 1933, Verlag Edition AV, Lich/Hessen. ISBN
978-3-936049-84-8 Helge Döhring: Die Presse der
syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland 1918 bis 1933, Edition Syfo
1, Moers 2010, ISBN 978-3-9810846-8-9. Helge Döhring: Syndikalismus im 'Ländle'. Die
FAUD in Württemberg 1918 bis 1933. Verlag Edition AV, Lich/Hessen 2006. ISBN
3-936049-59-9. Helge Döhring: Zur Geschichte der
syndikalistischen Arbeiterbewegung in Baden. Eine Textsammlung (Südbaden,
Freiburg und Heidelberg), Bremen 2007 [1]
FAU-Bremen (Hg.): Syndikalismus –
Geschichte und Perspektiven, Bremen 2005.
FAU-Bremen (Hg.): Syndikalismus –
Geschichte und Perspektiven. Ergänzungsband, Bremen 2006. Freie
Arbeiter-Union – IAA/ (Autorenkollektiv): Anarcho-Syndikalismus in Deutschland:
Zur Geschichte der „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (1897-1919) und
der „Freien Arbeiter Union Deutschlands“ (1919–1939). München: Selbstverlag,
1986 IWK Heft 4, Dez.1986, 22. Jg.: (Internationale
wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung):
darin: Cornelia Regin: „Vom Anarchismus des Gefühls zum Anarchismus der
Überzeugung. Ein Beitrag zur Geschichte und Ideologie der anarchistischen und
anarcho-syndikalistischen Jugendbewegung in der Weimarer Republik“.(Seite 471
ff.) Historische Kommission zu Berlin, Berlin 1986.ISSN 0046-8428. IWK
Heft 3, Sept.1989, 25. Jg.: (Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung) darin: Hans Manfred Bock:
'Anarchosyndikalismus in Deutschland. Eine Zwischenbilanz'.(S. 293ff.);
Wolfgang Haug: 'Eine Flamme erlischt. Die FAUD (Anarchosyndikalisten) von 1932
bis 1937'. (S. 359ff.); Cornelia Regin: 'Hausfrau und Revolution. Die Frauenpolitik
der Anarchosyndikalisten in der Weimarer Republik'. (S. 379ff.) Berlin 1989. Ulrich
Klan, Dieter Nelles: „Es lebt noch eine Flamme“: Rheinische
Anarcho-Syndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus.
Grafenau-Döffingen Trotzdem Verlag, 1990. 380 Seiten. ISBN 3-922209-72-6 Rudolf
Rocker: Prinzipienerklärung des Syndikalismus, o. J. Berlin (1920). (Neudruck
bei Syndikat-A-Medienvertrieb) Hartmut Rübner: Freiheit und Brot: Die Freie
Arbeiter-Union Deutschlands: Eine Studie zur Geschichte des
Anarchosyndikalismus. Berlin, Köln: Libertad, 1994. 320 Seiten. ISBN
3-922226-21-3. Hartmut Rübner: FAUD, in: Hans-Jürgen Degen
(Hg.), Lexikon der Anarchie/Encyclopaedia of Anarchy/Lexique de l’ anarchie,
Bösdorf 1993 ff., Verlag Schwarzer Nachtschatten, Losebl.-Ausg., Erg.-Lfg. 1
(1994), 8 S. Hartmut Rübner: Linksradikale
Gewerkschaftsalternativen. Der Anarchosyndikalismus in Norddeutschland von den
Anfängen bis zur Illegalisierung nach 1933, in: Archiv für die Geschichte des
Widerstandes und der Arbeit, 14 (1996), S. 66–108, Germinal-Verlag Bochum R.
Theissen/P. Walter/J. Wilhelms: Anarchosyndikalistischer Widerstand an Rhein
und Ruhr. (Antiautoritäre Arbeiterbewegung im Widerstand Bd. Januar) Meppen
1980. Marcel van der Linden/Wayne Thorpe: Aufstieg
und Niedergang des revolutionären Syndikalismus, in: „1999“ Zeitschrift für
Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. 3/1990 Hamburg. S. 9–38 und als
Separatdruck/Broschüre 1992 Angela Vogel: Der deutsche Anarcho-Syndikalismus.
Genese und Theorie einer vergessenen Bewegung, Berlin 1977 Axel
Ulrich: Zum Widerstand der Freien Arbeiter-Union Deutschlands gegen den
Nationalsozialismus. Ihr konspiratives Verbindungsnetz in Hessen und im Raum
Mannheim/Ludwigshafen, in: Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für
Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung. Bd. 99. Wiesbaden 1988, S.
153–171. Weblinks Helge Döhring:
Übersicht und Einführung speziell zur FAUD
Freie Arbeiter Union Deutschlands
(Anarcho-Syndikalisten) im Lexikon der Anarchie
Hartmut Rübner: Eine Analyse des
revolutionären Syndikalismus in Deutschland
Siegbert Wolf: Der erste Prozeß
des Volksgerichtshofs gegen die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) im
Sommer 1936 FAUD (A.-S.): Freie Arbeiter Union Deutschland
– Unser Weg (1932) FAUD (A.-S.): Organisationsstatut der FAUD
(A.-S.) Kollektivarbeit
Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung erschien zuerst vor
40 Jahren. Ihre Verfasser, die Gruppe Internationaler Kommunisten in Holland,
gehörten der Rätebewegung an. Arbeiterräte entstanden zuerst in der russischen
Revolution von 1905. Nach Lenin hatten sie damals schon die Potenz der
politischen Machtergreifung, obwohl sie sich tatsächlich noch auf dem Boden der
bürgerlichen Revolution bewegten. Trotzki zufolge stellten die Arbeiterräte, im
Gegensatz zu den politischen Parteien innerhalb der Arbeiterklasse, die
Organisation des Proletariats selbst dar. Der Holländer Anton Pannekoek sah in
der Rätebewegung die Selbstorganisation des Proletariats, die zu ihrer
Klassenherrschaft und zur Übernahme der Produktion führen würde. Mit dem
Erlöschen der russischen Revolution und dem Ende der Räte verlor sich jedoch
das Interesse an dieser neuen Organisationsform, und die traditionellen
politischen Parteien und Gewerkschaften hatten das Feld der Arbeiterbewegung
wieder für sich allein. Erst die russische Revolution von 1917 brachte die Räte
erneut in das Gesichtsfeld der internationalen Arbeiterbewegung; nun aber nicht
nur als Ausdruck der spontanen Organisation revolutionärer Arbeiter, sondern
auch als notwendige Maßnahme gegen die konterrevolutionäre Haltung der alten
Arbeiterbewegung. Der erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Zweiten
Internationale schloß die erste Periode der Arbeiterbewegung ab. Was schon
lange zuvor ersichtlich war, nämlich die Eingliederung der Arbeiterbewegung in
die bürgerliche Gesellschaft, wurde nun zur unumstößlichen Tatsache. Die
Arbeiterbewegung war keine revolutionäre Bewegung, sondern eine Bewegung von
Arbeitern, die sich innerhalb des Kapitalismus einzurichten suchte. Nicht nur
die Führer, auch die Arbeiter, hatten kein Interesse an der Abschaffung des
Kapitalismus und waren demzufolge mit der gewerkschaftlichen und politischen
Tätigkeit innerhalb des Kapitalismus zufrieden. Die beschränkten Möglichkeiten
der Parteien und Gewerkschaften innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft
drückten zugleich die wirklichen Interessen der Arbeiter- I klasse aus. Nichts
anders konnte auch erwartet werden, da ein sich progressiv entfaltender
Kapitalismus jede wirkliche revolutionäre Bewegung ausschließt. Das Idyll einer
möglichen Klassenharmonie im Wandel der kapitalistischen Entwicklung, wie es
der reformistischen Arbeiterbewegung zugrunde lag, zerbrach jedoch an den dem
Kapitalismus eigenen Widersprüchen, die sich in Krisen und Kriegen ausdrücken. Die
revolutionäre Idee, vorerst das ideologische Gut einer radikalen Minderheit
innerhalb der Arbeiterbewegung, erfaßte die breiten Massen, als das Elend des
Krieges die wahre Natur des Kapitalismus bloßlegte; nicht nur die des
Kapitalismus, sondern auch den wahren Charakter der im Kapitalismus groß
gewordenen Arbeiterorganisationen. Die Organisationen waren den Händen der
Arbeiter entglitten; sie existierten für die letzteren nur insoweit, als es
notwendig war, die Existenz ihrer Bürokratien sicherzustellen. Da die
Funktionen dieser Organisationen an die Erhaltung des Kapitalismus gebunden
sind, können sie nicht umhin, sich jedem ernstlichen Kampf gegen das
kapitalistische System entgegenzustellen. Eine revolutionäre Bewegung benötigt
deshalb Organisationsformen, die über den Kapitalismus hinausweisen, die die
verlorene Herrschaft der Arbeiter über ihre Organisationen wieder herstellen
und die nicht nur Teile der Arbeiter, sondern die Arbeiter als Klasse umfassen.
Die Rätebewegung war ein erster Versuch, eine der proletarischen Revolution
entsprechende Organisationsform aufzubauen. Die russische wie die deutsche
Revolution fanden ihren organisatorischen Ausdruck in der Rätebewegung. In
beiden Fällen verstanden sie es jedoch nicht, die politische Macht zu behaupten
und zum Aufbau einer sozialistischen Wirtschaft zu benutzen. Während das
Versagen der russischen Rätebewegung unzweifelhaft auf die Rückständigkeit der
sozialen und ökonomischen Umstände Rußlands zurückzuführen ist, beruhte das der
deutschen Rätebewegung auf der Unwilligkeit der Masse der Arbeiter, den
Sozialismus auf revolutionärem Wege zu verwirklichen. Die Sozialisierung wurde
als Aufgabe der Regierung, nicht als die der Arbeiter selbst, angesehen, und
die Rätebewegung dekretierte ihr eigenes Ende durch die Wiederherstellung der b
II gerlichen Demokratie. Obwohl die bolschewistische Partei mit der Losung Alle
Macht den Räten die politische Macht eroberte, hielt sie an der
sozialdemokratischen Vorstellung fest, daß die Einführung des Sozialismus Sache
des Staates, nicht der Räte sei. Während keine Art von Sozialisierung in
Deutschland unternommen wurde, zerstörte der bolschewistische Staat das
kapitalistische Privateigentum, ohne jedoch den Arbeitern Verfügungsrechte über
ihre Produktion zuzusprechen. Soweit die Arbeiter in Frage kamen, war das
Resultat eine Form von Staatskapitalismus, der die gesellschaftliche Lage der
Arbeiter unverändert ließ und deren Ausbeutung durch eine sich neubildende
privilegierte Klasse fortsetzte. Der Sozialismus war weder durch den sich
reformierenden Staat der bürgerlichen Demokratie noch durch den neuen
revolutionären bolschewistischen Staat zu verwirklichen. Abgesehen von der
entweder objektiven oder subjektiven Unreife der Situationen, waren auch die
zur Sozialisierung beschreitbaren Wege in Dunkelheit gehüllt. Im großen und ganzen
war die sozialistische Theorie auf die Kritik des Kapitalismus und die
Strategie und Taktik des Klassenkampfes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft
gerichtet. Insoweit man sich Gedanken über den Sozialismus machte, erschien der
Weg zum und die Struktur des Sozialismus bereits im Kapitalismus vorgezeichnet.
Selbst Marx hatte nur wenige prinzipielle Anmerkungen über den Charakter der
sozialistischen Gesellschaft hinterlassen, da es in der Tat nicht sehr
einträglich ist, sich mit der Zukunft über den Punkt hinaus zu beschäftigen,
der schon in der Vergangenheit und Gegenwart eingeschlossen ist. Im Gegensatz
zu späteren Auffassungen hatte Marx jedoch klar gemacht, daß der Sozialismus
nicht Sache des Staates, sondern der Gesellschaft ist. Der Sozialismus, als
Assoziation freier und gleicher Produzenten, benötigte den Staat, d.h. die
Diktatur des Proletariats, nur zu seiner Etablierung. Mit der Konsolidierung
des Sozialismus würde die als Staat aufgefaßte proletarische Diktatur
verschwinden. In der reformistischen wie in der revolutionären
sozialdemokratischen Vorstellung vollzog sich jedoch eine Identifizierung von
staatlicher und gesellschaftlicher Kontrolle, und der Begriff der Assoziation
freier und gleicher Produzenten verlor seine ursprüngliche Bedeutung. Die im
Ka- III pitalismus bereits vorhandenen Kennzeichen der sozialistischen Zukunft
wurden nicht in der möglichen Selbstorganisation der Produktion und Verteilung
durch die Produzenten gesehen, sondern in den dem Kapitalismus eigentümlichen
Konzentrations und Zentralisations-Tendenzen, die in der staatlichen
Beherrschung der Gesamtwirtschaft ihren Abschluß finden würden. Diese
Vorstellung des Sozialismus war von der Bourgeoisie aufgegriffen und dann als
Illusion angegriffen worden. Das Ende einer großen geschichtlichen Bewegung wie
die der Räte schließt nicht die Erwartung ihrer Wiederkehr in einer neuen
revolutionären Situation aus. Aus Niederlagen kann zudem gelernt werden. Die
Aufgaben der Rätekommunisten nach den verlorenen Revolutionen bestand nicht nur
In der weiteren Propagierung des Rätesystems, sondern auch in der
Herausarbeitung der Mängel, an denen die Bewegung gelitten hatte. Eine und
vielleicht die größte Schwäche war, daß die Räte kein klares Bild über ihre
Aufgaben in Bezug auf die sozialistische Organisation der Produktion und
Verteilung hatten. Da die Rätebewegung in den Betrieben ihre erste Basis
findet, muß diese auch zum Ausgangspunkt der gesellschaftlichen Koordinierung
und Zusammenfassung des wirtschaftlichen Lebens werden, in dem die Produzenten
selbst über ihr Produkt verfügen. Die Grundprinzipien kommunistischer
Produktion und Verteilung war der erste Versuch der westeuropäischen
Rätebewegung, sich mit dem Problem dem sozialistischen Aufbaus auf der Basis
der Räte vertraut zu machen. In Anbetracht der ungeheuren Schwierigkeiten, die
der proletarischen Revolution im Wege stehen, mag diese sich größtenteils auf
die Recheneinheit und Buchführung der kommunistischen Wirtschaft beziehende
Schrift auf den ersten Blick als eigenartig erscheinen. Da man jedoch die
Besonderheiten der zu erwartenden politischen Schwierigkeiten nicht voraussehen
kann, bleibt die Beschäftigung damit immer spekulativ. Ein Gesellschaftssystem
mag schwer oder leicht zu überwinden sein; es hängt von Umständen ab, die sich
nicht voraussehen lassen. Aber diese Schrift beschäftigt sich nicht mit der
Organisation der Revolu- IV tion, sondern mit den ihr nachfolgenden Problemen.
Da sich auch der wirkliche Zustand der Wirtschaft im Gefolge der Revolution
nicht erraten läßt, läßt sich auch kein Programm für die tatsächlich zu
leistenden nächsten Arbeiten im voraus aufstellen. Die auftauchenden
Notwendigkeiten selbst werden hier der bestimmende Faktor sein. Was sich im
voraus diskutieren läßt, sind die Maßnahmen und Instrumente, die zur
Herstellung bestimmter erwünschter gesellschaftlicher Verhältnisse notwendig
sind, in diesem Fall Verhältnisse, die als kommunistisch gelten können. Das
theoretische Problem der kommunistischen Produktion und Verteilung wurde durch
die russische Revolution zu einer praktischen Frage. Aber die Praxis war
bereits vorbestimmt durch den Begriff der zentralistischen staatlichen
Kontrolle, die beide Flügel der Sozialdemokratie beherrschte. Die Diskussionen
um die Realisierung des Sozialismus oder Kommunismus ließen das wirkliche
Problem, das der Kontrolle der Arbeiter über ihre Produktion, außer Acht. Die
Frage war, wie und mit welchen Mitteln eine zentral geleitete Planwirtschaft zu
verwirklichen wäre. Da der Marxschen Theorie nach der Sozialismus keinen Markt,
keine Konkurrenz, keine Preise und kein Geld kennt, ließ sich der Sozialismus
nur als Naturalwirtschaft auffassen, in der mittels der Statistik die
Produktion sowohl wie die Verteilung von einer Zentralstelle aus bestimmt wird.
An diesem Punkt setzte die bürgerliche Kritik mit der Behauptung ein, daß ein
rationales Wirtschaften unter solchen Umständen unmöglich wäre, da die
gesellschaftliche Produktion und Verteilung eines Wertmaßstabes bedarf, so wie
er in den Marktpreisen gegeben ist. Um nicht die diesbezügliche Diskussion in
Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung vorwegzunehmen, sei
hier nur gesagt, daß ihre Verfasser die Lösung des Problems der notwendigen
Recheneinheit in der gesellschaftlichen durchschnittlichen Arbeitszeit als
Grundlage für die Produktion V als auch für die Verteilung sehen. Die
praktische Anwendbarkeit dieser Rechenmethode und der damit verbundenen
öffentlichen Buchführung wird im Detail nachgewiesen. Da es sich nur um Mittel
zur Erzielung bestimmter Resultate handelt, läßt sich logisch nichts dagegen
einwenden. Die Anwendung dieser Mittel setzt natürlich den Willen zur
kommunistischen Produktion und Verteilung voraus. Ist diese Voraussetzung
gegeben, so stünde der Anwendung dieser Mittel nichts im Wege, obwohl sie nicht
die einzigen dem Kommunismus angemessenen sein mögen. Marx zufolge ist jedes
Wirtschaften Ökonomie der Zeit. Die Verteilung und Anordnung der
gesellschaftlichen Arbeit zur Befriedigung der Produktion und
Konsumtionsbedürfnisse macht auch im Kapitalismus die Arbeitszeit zum Maßstab
der Produktion, wenn auch nicht zu dem der Verteilung. Den im Kapitalismus
auftretenden Preisen liegen an Arbeitszeit gebundene Werte zugrunde, die sich
allerdings nicht auf die einzelnen Waren beziehen, sondern auf die
gesamtgesellschaftliche Produktion, in der alle Preise zusammen genommen nichts
anderes sein können als der Gesamtwert der an Arbeitszeit gebundenen
Produktion. Die Produktions- oder Ausbeutungsverhältnisse des Kapitalismus, die
zugleich Marktverhältnisse sind, und die Akkumulation von Kapital als Motiv und
Motor der kapitalistischen Produktion, schließen einen an Arbeitszeit
gebundenen Austausch von Wertäquivalenten aus. Nichtsdestoweniger beherrscht
das Wertgesetz die kapitalistische Ökonomie und ihre Entwicklung. Von dieser
Tatsache ausgehend, kann leicht angenommen werden, daß auch im Sozialismus das
Wertgesetz Geltung habe, da auch hier die Arbeitszeit in Betracht gezogen
werden muß, um nationales Wirtschaften zu ermöglichen. Aber Arbeitszeit wird
zum Arbeitszeitwert nur unter kapitalistischen Bedingungen, unter denen die
notwendige gesellschaftliche Koordination der Produktion dem Markt und den
privaten Besitzverhältnissen überlassen ist. Ohne kapitalistische
Marktverhältnisse gibt es kein Wertgesetz, obwohl nach wie vor Arbeitszeit in
Betracht gezogen werden muß, um die gesellschaftliche Produktion den
gesellschaftlichen Bedürfnissen anzupassen. In diesem letzteren VI Sinne
sprechen die Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung von der
gesellschaftlichen durchschnittlichen Arbeitszeit. Die Verfasser weisen darauf
hin, daß schon vor ihnen die Arbeitszeit als wirtschaftliche Recheneinheit
vorgeschlagen wurde. Sie finden diese Vorschläge unzulänglich, da sie sich wohl
auf die Produktion, jedoch nicht auf die Verteilung beziehen und damit dem
Kapitalismus verwandt bleiben. Ihrer Ansicht nach müsse die gesellschaftliche
durchschnittliche Arbeitszeit gleichzeitig für die Produktion und die
Verteilung gelten. Hier liegt allerdings eine Schwierigkeit und Schwäche der
Arbeitszeitrechnung vor, auf die schon Marx hingewiesen hat und auf die er
keine andere Antwort fand als die der Abschaffung der Arbeitszeitrechnung in
der Verteilung durch die Realisierung des kommunistischen Prinzips Jeder nach
seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen - In seiner Kritik des
Gothaer Programms der Deutschen Sozialdemokratischen Partei führte Marx aus,
daß eine an Arbeitszeit gebundene gleiche Verteilung neue Ungleichheiten mit
sich brächte, da die Produzenten mit Bezug auf ihre Arbeitsfähigkeiten und ihre
privaten Verhältnisse unterschiedlich sind. Manche leisten in der selben Zeit
mehr Arbeit als andere, manche hätten Familien zu erhalten und andere nicht, so
daß sich die Gleichheit der an Arbeitszeit gebundenen Verteilung als
Ungleichheit der Konsumtionsbedingungen auswirkt. Bei gleicher Arbeitsleistung
und daher gleichen Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds, schrieb
Marx, erhält also der eine faktisch mehr als der andere, ist der eine reicher
als der andere usw. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, mußte das Recht,
statt gleich. vielmehr ungleich sein. Obwohl er aber diese Mißstände für
unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft hielt, sah er
sie nicht als ein kommunistisches Prinzip an. Wenn die Autoren der
Grundprinzipien behaupten. daß ihre Darlegungen nur die folgerichtige Anwendung
der Marxschen Gedankengänge sind, so stimmt das nur insofern, als diese Ge- VII
danken sich auf eine Phase der sozialistischen Entwicklung beziehen, in der
noch das Prinzip des Austauschs von Äquivalenten vorherrscht, das aber im
Sozialismus sein Ende finden soll. Für Marx war es selbstverständlich, daß die
jedesmalige Verteilung der Konsumtionsmittel nur Folge der Verteilung der
Produktionsbedingungen ist. Sind die sachlichen Produktionsbedingungen
genossenschaftliches Eigentum der Arbeiter selbst, führte er aus, so ergibt
sich ebenso eine von der heutigen verschiedene Verteilung der
Konsumtionsmittel. Die möglichen Mißstände einer an Arbeitszeit gebundenen
Verteilung konnten so nicht durch eine Trennung von Produktion und Verteilung
bewältigt werden, da die Beherrschung der Produktion durch die Produzenten auch
deren Beherrschung der Verteilung enthält, so wie die staatliche Bestimmung der
Verteilung die Zuteilung von Oben auch die staatliche Kontrolle der Produktion
in sich einschließt. Die Verfasser der Grundprinzipien betonen mit Recht, daß
den Produzenten das volle Verfügungsrecht über ihre Produktion zugestanden
werden muß, aber ob dieses Verfügungsrecht auch eine an gleiche Arbeitszeit
gebundene Verteilung benötigt, ist eine andere Frage. In den hochentwickelten
kapitalistischen Ländern, d.h. den Ländern, in denen sozialistische
Revolutionen möglich sind, sind die gesellschaftlichen Produktivkräfte weit
genug entwickelt, um einen Überfluß an Konsumtionsmitteln zu produzieren. Wenn
man bedenkt, daß sicherlich mehr als die Hälfte aller kapitalistischen
Produktion und der mit ihr verbundenen unproduktiven Tätigkeiten ( ganz
abgesehen von den vorhandenen unangewandten Produktionsmöglichkeiten) nichts
mit dem menschlichen Konsum zu tun haben, sondern einen Sinn nur innerhalb der
irrationalen kapitalistischen Gesellschaft finden können, dann wird
ersichtlich, daß unter den Bedingungen kommunistischer Wirtschaft ein Überfluß
an Konsumtionsmitteln erzeugt werden kann, der eine Berechnung individueller
Anteile überflüssig macht. VIII Die Aktualisierung des schon heute potentiell
gegebenen Überflusses setzt allerdings eine völlige Umstellung der
gesellschaftlichen Produktion auf die realen Bedürfnisse der Produzenten
voraus. Die Umwandlung der Kapitalproduktion in eine den menschlichen
Bedürfnissen zugewandte wird ohne Zweifel, nicht nur als Resultat der
Abschaffung kapitalistischer Verhältnisse, eine Wandlung der
industriell-technischen Entwicklung mit sich bringen und auch die bedrohte
Zukunft menschlicher Existenz überhaupt sichern. Obwohl die Grundprinzipien mit
Recht betonen, daß die Produktion von der Reproduktion kontrolliert wird, und
obwohl der Ausgangspunkt der kommunistischen Produktion nur der Endpunkt der
kapitalistischen Produktion sein kann, so benötigt die neue Gesellschaft
dennoch eine ihr angepaßte Änderung der Produktionsziele und
Produktionsmethoden. Die diesen Änderungen entsprechenden Maßnahmen und deren
Resultate werden bestimmen, ob die Verteilung gemäß den Produktionsanteilen
oder gemäß den sich verändernden wirklichen Bedürfnissen unternommen wird.
Weiterhin ist es durchaus möglich, daß eine teilweise Zerstörung der
Produktionsbasis, durch die mit dem gesellschaftlichen Wandel verbundenen
Klassenkämpfe, die Organisation der Verteilung auf Grund der Arbeitszeit
ausschlösse, ohne deshalb eine gleiche Verteilung -- z.B. durch Rationierung
-zu unterbinden. Und diese gleiche Verteilung könnte ohne den Umweg über die
Arbeitszeitrechnung durch die Arbeiter selbst direkt sichergestellt werden. Die
Grundprinzipien gehen jedoch sozusagen von einem normalen kommunistischen
Wirtschaftssystem aus, d.h. einem System, das sich bereits völlig durchgesetzt
hat und sich in seiner neuen Gestalt reproduziert. Unter solchen Umständen
erscheint eine an Arbeitszeit gebundene Verteilung als überflüssig. Allerdings
umfaßt das von den Grundprinzipien geforderte exakte Verhältnis von Produzent
und Produkt nur den individuellen Anteil der Produktion nach Abzug der
Produktionsteile, die der öffentlichen Konsumtion und der Reproduktion der
gesellschaftlichen Produktion zufallen. Der Prozeß der Soziali- IX sierung
drückt sich in der Abnahme der individuellen und der Zunahme der öffentlichen
Konsumtion aus, so daß die kommunistische Entwicklung doch zur Abschaffung der
Arbeitszeitrechnung in der Verteilung tendiert. Die marktlose Wirtschaft
erfordert den Zusammenschluß der Konsumenten in Genossenschaften mit direktem
Anschluß an die Betriebsorganisationen, in denen die individuellen Wünsche mit
Bezug auf die Konsumtion, und damit die Produktion, ihren kollektiven Ausdruck
finden können. Leider ist dieser Teil der Grundprinzipien der am wenigsten
ausgearbeitete, obwohl es gerade die angebliche Konsumtionsfreiheit der
Marktwirtschaft ist, die als Apologie für den Kapitalismus ausgenutzt wird.
Aber es ist durchaus möglich, die Konsumtionsbedürfnisse auch ohne den Markt
festzustellen, und zwar weit besser als es der Markt kann, da in der
kommunistischen Gesellschaft die durch die klassengebundene Verteilung
gegebenen Verzerrungen der Marktnachfrage wegfallen. Auch in der Produktion.
kann die Forderung nach exakter Berechnung nur zu einer Annäherung an eine
solche führen, da der Arbeits- und Reproduktionsprozeß selbst dauernder
Veränderung unterliegt. Die Feststellung der gesellschaftlichen
durchschnittlichen Arbeitszeit für die Gesamtproduktion erfordert eine gewisse
Zeit, und die einmal erreichte Ermittlung ist der tatsächlichen Reproduktion
gegenüber stets veraltet. Die Exaktheit bezieht sich auf einen verflossenen
Zeitpunkt, was sich jedoch nicht ändern läßt, wie sehr sich auch die
Ermittlungszeit durch moderne Methoden und Instrumente verkürzen ließe. Die
gesellschaftliche durchschnittliche Arbeitszeit ist steter Veränderung
unterworfen. Dieser Mangel an Exaktheit ist jedoch kein ernsthaftes Hindernis
zur Kalkulation der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion, sei es auf
der gleichen, oder einer höheren Produktionsstufe. Nur wird die tatsächliche
Situation von der berechneten abweichen, und erst in den Abweichungen ergibt
sich der wirkliche Stand der Produktion. Bei der Arbeitszeitrechnung handelt es
sich nicht um völlige Übereinstimmung der durch die Recheneinheit gewonnenen
Produktionszeiten mit der tatsächlich angewandten durchschnittlichen
Arbeitszeit und der daraus resultierenden Produktion, sondern um die Notwendigkeit
der Anordnung und Verteilung der gesell- X schaftlichen Arbeit, die der Natur
der Sache nach stets nur annäherungsweise erreicht werden kann. Mehr ist jedoch
nicht für eine geplante kommunistische Wirtschaft erforderlich. Die Verfasser
der Grundprinzipien wollen die Produktion so aufbauen, daß das exakte
Verhältnis von Produzent und Produkt zur Grundlage des gesellschaftlichen
Produktionsprozesses wird. Sie sehen dies als Kernfrage der proletarischen
Revolution, da sich nur so der Aufbau eines sich über die Produzenten
erhebenden Apparates vermeiden läßt. Nur durch die Festlegung des Verhältnisses
von Produkt und Produzent ist die Aufgabe der Leiter und Verwalter hinsichtlich
der Zuweisung des Produktes aufgehoben. Es geht hier also um die
Selbstbestimmung der Verteilung durch die Produzenten als der unerläßlichen
Voraussetzung der klassenlosen Gesellschaft. Die Festlegung des exakten
Verhältnisses von Produzent und Produkt kann allerdings nur das Resultat einer
gelungenen proletarischen Revolution sein, die das Rätesystem als
Gesellschaftsorganisation realisiert. Ist das der Fall, dann mag jedoch die
Notwendigkeit, den Produktionsprozeß von der Verteilung her zu meistern
wegfallen. Man kann sich eine ungeregelte Verteilung der Konsumtionsgüter genau
so gut vorstellen wie eine geregelte, ohne damit den Aufbau neuer
privilegierter Schichten zu fördern. Andererseits ist die bloße Annahme einer
Verteilungsnorm keine ausreichende Gewähr für den Aufbau einer kommunistischen
Wirtschaft, die sich nicht nur an den Anteilen der Produzenten am
gesellschaftlichen Produkt zu orientieren hat, sondern, darüber hinaus, an den
materiellen Bedingungen der gesellschaftlichen Produktion. Im Kapitalismus wird
die Verteilung nur scheinbar durch den Markt geregelt. Obwohl die Produktion
über den Markt realisiert werden muß, wird der Markt selbst von der
Kapitalproduktion bestimmt. Es ist die Produktion des Tauschwerts und die
Akkumulation des Kapitals, die dem Produktionsprozeß zugrunde liegt. Die Gebrauchswertseite
der Produktion ist nur Mittel zum Zweck der Tauschwertvermehrung. Die
wirklichen Bedürfnisse der Produzenten können nur insoweit Berücksichtigung
finden, als sie mit dem Akkumulationszwang zusammenfallen. Die Pro- XI duktion
als Mehrwertproduktion in der Marktwirtschaft regelt sich automatisch durch die
Tauschwertbeziehungen, die sich, wenn überhaupt, nur rein zufällig mit den
Gebrauchswertbeziehungen decken. Die kommunistische Gesellschaft produziert für
den Gebrauch und muß deshalb Produktion und Verteilung den realen
gesellschaftlichen Bedürfnissen anpassen. Um irgendeiner Art von
Verteilungsnorm nachzugehen, muß vorerst die Produktion unter bewußte Kontrolle
gebracht werden. Der Verteilung geht die Produktion voraus, selbst wenn sie von
den Bedürfnissen der Konsumenten bestimmt wird. Aber die Organisation der
Produktion erfordert weit mehr als die exakte Bestimmung des Verhältnisses von
Produzent und Produkt; sie benötigt die Kontrolle der gesamtgesellschaftlichen
Bedürfnisse und Produktionskapazitäten in deren physischen Formen und eine
ihnen entsprechende Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit. Man wird so auch
im Rätesystem nicht umhin können, Institutionen aufzubauen, die einen Überblick
über die gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten erlauben.
Die so gewonnenen Eindrücke müssen in Entschlüsse ausmünden, wie sie von den
einzelnen Betriebsorganisationen nicht gefaßt werden können. Der Aufbau des
Rätesystems muß so gestaltet werden, daß die Produktion zentral reguliert
werden kann, ohne damit die Selbstbestimmung der Produzenten zu
beeinträchtigen. Aber selbst im einzelnen Betrieb werden die Beschlüsse der
Arbeiter den Räten zur Ausführung überlassen, ohne daß dadurch notwendigerweise
eine Herrschaft der Räte über die Arbeiter entstehen muß. Auch im größeren
Rahmen, bis zu dem der nationalen Produktion, lassen sich organisatorische
Maßnahmen treffen, die die Selbständigkeit der überbetrieblichen Institutionen
mit deren Kontrolle durch die Produzenten verbinden. Aber diese Auflösung des
Gegensatzes von Zentralismus und Förderalismus, der auch von den
Grundprinzipien angestrebt wird, läßt sich wohl nicht allein durch die bloße
Registrierung des Wirtschaftsprozesses in der allgemeinen gesellschaftlichen
Buchhaltung herstellen, sondern bedarf höchstwahrscheinlich besonderer, dem
Rätesystem eingegliederter Betriebe, die sich mit dem Problem der
Wirtschaftsgestaltung speziell befassen. XII Die Zurückweisung einer zentralen
Produktionsverwaltung und der damit verbundenen staatlich-regulierten
Verteilung durch die Grundprinzipien beruht auf den in Rußland gemachten
Erfahrungen, die sich allerdings nicht auf das Rätesystem, sondern auf den
Staatskapitalismus beziehen. Aber selbst hier ist die Produktion und Verteilung
nicht das Werk der Planungsorgane, sondern das des Staates, der sich der
Planungsorgane als Mittel bedient. Es ist die politische Diktatur des
Staatsapparates über die Arbeiter, nicht die Planung der Wirtschaft, die zu
neuer Ausbeutung geführt hat, an der dann auch die Planungsbehörden teilnehmen
können. Ohne die politische Diktatur des Staatsapparates brauchten sich die
Arbeiter nicht der zentralen Produktionsverwaltung und Verteilung zu
unterwerfen. Die erste Voraussetzung kommunistischer Produktion und Verteilung
ist dann, daß sich kein Staatsapparat neben oder über den Räten erhebt, daß die
staatliche Funktion, d.h. die Unterdrückung konterrevolutionärer Bestrebungen,
von den im Rätesystem organisierten Arbeitern selbst ausgeübt wird. Eine
Partei, als Teil der Arbeiterklasse, die nach der Staatsmacht strebt und sich
als Staatsapparat nach der Ergreifung der Macht etabliert. wird ohne Zweifel
versuchen, die Produktion und Verteilung unter ihre Kontrolle zu bringen und
diese Kontrolle zur Erhaltung der gewonnenen Position zu reproduzieren. Ist die
Kontrolle der Mehrheit durch die Minderheit gegeben, dann läßt sich auch die
Ausbeutung fortsetzen. Das Rätesystem kann so keinen Staat neben sich zulassen,
ohne sich selbst zu entmachten. Aber ohne diese abgesonderte staatliche Gewalt
kann sich jede Planung der Produktion und Verteilung nur durch das Rätesystem
durchsetzen. Die Planungsorgane werden selbst zu Betrieben, neben anderen
Betrieben, die sich im Rätesystem zu einer Einheit verschmelzen. In diesem
Zusammenhang muß noch erwähnt werden, daß auch die Arbeiterklasse in ihrer
Zusammensetzung dauernder Veränderung unterliegt. Die Grundprinzipien gehen von
dem in den Betrieben zusammengefaßten industriellen Proletariat als der
gesellschaftlich ausschlaggebenden Klasse aus. Das auf den Betrie- XIII ben
basierende Rätesystem bestimmt die Gesellschaftsformation und zwingt andere
Klassen, z.B. die selbständigen Bauern, sich in das Wirtschaftssystem
einzugliedern. In den letzten 40 Jahren hat sich die Arbeiterklasse, d.h. die
Schicht der Lohn- und Gehaltsempfänger, nun zwar sehr vermehrt, aber relativ
zur Masse der Bevölkerung hat sich die Zahl der Fabrikarbeiter vermindert. Ein
Teil der Angestellten wirkt zusammen mit den Handarbeitern in den Betrieben,
ein anderer Teil arbeitet in den Bereichen der Verteilung und Verwaltung. Durch
die Verwissenschaftlichung der Produktion können auch die Universitäten zum
Teil als Betriebe angesehen werden, da die Produktivkräfte der Wissenschaft die
der direkten Arbeit tendenziell überholen. Und obwohl im Kapitalismus Mehrwert
immer nur Mehrarbeit sein kann, was auch immer der Stand der Wissenschaft sein
mag, stellt sich der gesellschaftliche Reichtum im Kommunismus nicht in
wachsender Arbeit, sondern in der dauernden Reduzierung der notwendigen Arbeit
durch die den kapitalistischen Schranken entronnenen wissenschaftlichen
Entwicklung dar. Die Produktion vergesellschaftet sich zunehmend, durch die
Einbeziehung stets breiterer Massen in die Produktionsprozesse, die nun nur
noch in engster Verbindung und durch die gegenseitige Durchdringung aller Arten
von Arbeiten zu existieren vermögen. Kurz gesagt, der Begriff Arbeiterklasse
weitet sich aus; er umschließt schon heute mehr als vor 40 Jahren. Die sich
verändernde Arbeitsteilung enthält schon in sich selbst die Tendenz der
Auflösung der Berufsscheidungen, der Trennung geistiger von körperlicher
Arbeit, von Fabrik und Büro, von Arbeitern und Vorgesetzten; ein Prozeß, der
durch die Einbeziehung aller Produzenten in die nunmehr gesellschaftlich orientierte
Produktion zu einem Rätesystem führen kann, das tatsächlich die ganze
Gesellschaft umfaßt und damit der Klassenherrschaft ein Ende setzt. Man kann
das Mißtrauen der Grundprinzipien gegenüber den Führern, Fachleuten und
Wissenschaftlern, die sich anmassen, Produktion und Verteilung beherrschen zu
müssen, durchaus teilen, ohne deshalb zu verkennen, daß, abgesehen von den
Führern, die Fachleute und Wissenschaftler selbst Produzenten sind. Gerade das
Rätesystem stellt sie allen anderen Produzenten XIV gleich und beraubt sie der
im Kapitalismus ausgeübten Sonderstellung. Da gesellschaftliche Rückfälle immer
möglich sind, ist es jedoch klar, daß auch ein Rätesystem sich zersetzen kann,
z. B. durch ein mangelnden Interesse der Produzenten an ihrer Selbstbestimmung
und der daraus folgenden Übertragung der Rätefunktionen an Instanzen innerhalb
des Rätesystems, die sich den Produzenten gegenüber verselbständigen. Diese
Gefahr glauben die Verfasser durch die neue Produktionsberechnung als
allgemeiner Grundlage der Produktion abwenden zu können. Aber so wie diese
Produktionsberechnung erst eingeführt werden muß, kann die von ihr erwartete
Wirkung durch eine Reihe von Modifikationen wieder verloren gehen. In der
Darstellung der Verfasser erscheint die einmal erreichte Einführung jedoch als
ausreichend. Sie wehren sich gegen die im Staatskapitalismus übliche Anordnung
durch Personen, die durch den sachlichen Gang der Produktion und deren
Kontrolle durch die Reproduktion ausgeschaltet werden soll. Das neue System der
Produktion und Verteilung selbst garantiert hier die kommunistische
Gesellschaft, obwohl in Wirklichkeit der sachliche Gang der Produktion immer
nur durch Personen gewährleistet wird. Auch im Kapitalismus gibt es einen
sachlichen Gang der Produktion, nämlich den durch das Marktgesetz gegebenen,
dem alle Personen unterworfen sind. Es ist hier das System, das die Menschen
beherrscht. Dieses fetischistisch gesehene System verdeckt allerdings nur die
realen sozialen Verhältnisse der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.
Hinter den ökonomischen Kategorien stehen Klassen und Personen, und wo immer
der Fetischismus des Systems durchbrochen wird, tritt der offene Kampf der
Klassen und Personen ans Tageslicht. Obwohl der Kommunismus auch ein Gesellschaftssystem
ist, so ist es doch nicht über die Menschen, sondern durch die Menschen
gesetzt. Es hat kein Eigenleben, dem sich die Personen zwangsweise anzupassen
haben; der sachliche Gang der Produktion wird durch Personen angeordnet
allerdings von den im Rätesystem vereinten Personen. XV Diese wenigen
vorgebrachten Einwendungen müssen hier genügen, um anzudeuten, daß es sich bei
den Grundprinzipien nicht um ein abgeschlossenes Programm handelt, sondern um
einen ersten Versuch, dem Problem der kommunistischen Produktion und Verteilung
näher zu kommen. Und obwohl die Grundprinzipien sich mit einem noch in der
Zukunft liegenden gesellschaftlichen Zustand befassen, sind sie zugleich ein
geschichtliches Dokument, das einen Stand der Diskussion in der Vergangenheit
beleuchtet. Ihre Verfasser waren an die vor einem halben Jahrhundert
aufgeworfenen Fragen der Sozialisierung gebunden, und manche ihrer Argumente
haben in der Zwischenzeit einen Teil ihrer damaligen Aktualität verloren. Der
damalige Streit der Naturalwirtschaftler mit den Repräsentanten der
Marktwirtschaft, in den die Grundprinzipien durch die Ablehnung beider Gruppen
eingriffen, hat inzwischen sein Ende gefunden. Im allgemeinen wird der
Sozialismus überhaupt nicht mehr als eine neue Gesellschaft, sondern als eine
Modifikation des Kapitalismus begriffen. Die Marktwirtschaftler sprechen von
der geplanten Marktwirtschaft, und die Planwirtschaftler bedienen sich der
Marktwirtschaft. Die Anordnung der Produktion vom Gebrauchswert her schließt
nicht die ungleiche Verteilung der Konsumgüter durch Preismanipulationen aus.
Die ökonomischen Gesetze werden als unabhängig von den Gesellschaftsformationen
aufgefaßt, und man streitet sich höchstens noch darüber, welche Mischung von
Kapitalismus und Sozialismus ökonomischer wäre. Das ökonomische Prinzip, d.h.
das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität, das angeblich allen
Gesellschaftsordnungen zugrunde liegt und das sich als maximale Verwirklichung
wirtschaftlicher Ziele mit den geringsten Kosten darstellt, ist in Wirklichkeit
nichts anderes als das ordinäre kapitalistische Prinzip der Profitproduktion,
die stets nach dem Höchstmaß der Ausbeutung strebt. Das ökonomische Prinzip der
Arbeiterklasse ist demzufolge nichts anderes als die Abschaffung der
Ausbeutung. Dieses ökonomische Prinzip, von dem die XVI Grundprinzipien
ausgehen, ist ihnen bis heute vorbehalten geblieben. Abgesehen von der
offensichtlichen Ausbeutung der Arbeiter in den sogenannten sozialistischen
Ländern, dreht sich das akademische Geschwätz um den Sozialismus in den
kapitalistischen Ländern nur um staatskapitalistische Systeme. Das
sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln wird immer als Staatseigentum
verstanden, die administrative Zuteilung von Gütern, mit oder ohne Markt,
bleibt immer die Sache zentraler Entscheidungen. Wie im Kapitalismus ist die
Ausbeutung zweifach gesichert, durch die fortgesetzte Trennung der Produzenten
von den Produktionsmitteln und durch die Monopolisierung der politischen
Gewalt. Und wo man den Arbeitern eine Art Mitbestimmungsrecht zugestanden oder
aufgedrängt hat, fügt der Marktmechanismus der staatlichen Ausbeutung die
Selbstausbeutung hinzu. Was auch immer die Schwächen der Grundprinzipien sein
mögen, in Anbetracht dieser Situation bleiben sie heute wie morgen der
Ausgangspunkt aller ernsthaften Diskussionen und Bemühungen um die
Verwirklichung der kommunistischen Gesellschaft. Februar 1970, Paul Mattick XII
Statt des Vorwortes Nachstehendes Werk, eine gemeinsame Arbeit der "G r u
p p e Internationaler Kommunisten" , zeigt in Zusammenstellung eine so
starke Einheitlichkeit, daß man hier direkt von einem, wirklich positiven
Kollektivwerk sprechen kann. Diese Arbeitsgrundlage der Schrift, die praktisch
beweist, welches Ergebnis die gemeinsame Arbeit zielbewußter Kräfte haben kann,
macht sie gerade deshalb so wertvoll. Die "Gruppe Internationaler
Kommunisten" stellt, in der Nachkriegsgeschichte der Arbeiterbewegung, mit
ihrem Werk erstmalig praktische Aufbaumöglichkeiten der Produktion und
Verteilung im Sinne der Bedarfswirtschaftsordnung zur Debatte. Sie zieht alle
gesammelten Erfahrungen der bisherigen Versuche der Arbeiterklasse und ihrer
Wortführer zusammen, um so praktisch die Zusammenbruchserscheinungen derselben
untersuchen zu können, und gleichzeitig an Hand der bisherigen Ergebnisse
notwendige neue Wege aufzuzeigen. Sie behandelt nicht nur die Umstellungs- und
Aufbaunotwendigkeiten der industriellen Faktoren, sondern zeigt ebenfalls die
notwendige Verbindung zur Landwirtschaft auf. Die Verfasser eben damit einen
klaren Einblick in die inneren Zusammenhänge und den gesetzmäßigen Verlauf des "gesamten"
Wirtschaftskörpers. Die einfache Sprache, die jedem verständlichen
Gedankengänge, ermöglichen es, daß jeder Arbeiter, der nachfolgende Seiten
liest, auch den Inhalt verstehen wird. Die starke Sachlichkeit der Schrift
bietet sämtlichen Richtungen der Arbeiterklasse eine breite
Diskussionsmöglichkeit. Da auch wir innerhalb unserer Reihen die aufgezeigten
Möglichkeiten erst gründlichst diskutieren müssen, behalten wir uns unsere
Stellungnahme zu nachstehendem Inhalt für später vor. Eins wollen wir aber
dieser Schrift mit auf den Weg geben: Seinen Erfolg wird das Werk:
Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung dann verbürgen, wenn
es die Arbeiterklasse bewußt durcharbeitet und die gesammelten Erkenntnisse in
ihrem Kampf um ihre Existenz praktisch in Anwendung bringt. Der Kampf ist
schwer, doch das Ziel ist es wert! Berlin 1930. Allgemeine Arbeiter-Union (Revolutionäre
Betriebsorganisation .Deutschland).
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Unter
Rätekommunismus versteht man eine marxistische Bewegung, deren Idee des
Kommunismus vor allem vom Gedanken der kollektiven Selbstverwaltung und
Basisdemokratie in Arbeiterräten geprägt ist. Inhaltsverzeichnis 1 Konzeption 2
Geschichte und Einfluss 3 Literatur 4 Weblinks Konzeption Nach Meinung der
Rätekommunisten sollen in der kommunistischen Revolution die Arbeiterräte an
die Stelle der Regierung treten, jedoch die Ausbildung eines autoritären
Staates verhindern. Die entsprechende Gesellschaftsform wird Rätedemokratie
oder Räterepublik genannt. Der Rätekommunismus steht in unversöhnlichem
Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, zum Parlamentarismus und auch zum
autoritären Marxismus-Leninismus. Die Sowjetunion war in ihrer Anfangszeit
stark von Idee und Praxis der Rätedemokratie getragen („Alle Macht den Räten“,
lautete eine Parole der Bolschewiki), bis sich spätestens unter der Herrschaft
des Stalinismus die Macht der Räte schrittweise auflöste. Die
Herrschaftsausübung im Rätekommunismus erfolgt maßgeblich in den Räten, welche
als Exekutive, Legislative aber auch als Judikative in einem agieren. Die
Vertreter dieser Organe unterliegen einem imperativen Mandat, d. h., sie können
jederzeit von der Wählerschaft wieder abgewählt werden. Es besteht Rechenschaftspflicht,
wodurch eine radikale Demokratie gewährleistet ist. Angehörige des Bürgertums
haben in der Regel keinen Zugang zu den Räten, wie sie bereits aus den Sowjets
in der russischen Revolution ausgeschlossen waren. Als Vorbild einer rätedemokratischen
Organisationsstruktur gilt insbesondere die bereits von Karl Marx euphorisch
begrüßte Pariser Kommune, in die Herausbildung der Idee des Rätekommunismus
sind aber auch syndikalistische Konzeptionen eingeflossen. Geschichte und
Einfluss Ihre Blütezeit erlebte die Idee der Rätedemokratie vor allem in
Deutschland mit der Novemberrevolution im Jahr 1918 und in deren unmittelbarer
Folgezeit. Im engeren Sinne rätekommunistische Organisationen entwickelten sich
im Zuge der nach der Novemberrevolution zunehmenden Fraktionskämpfe innerhalb
der deutschen Linken. Nach dem Ausschluss vieler Linksabweichler aus der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter Führung von Paul Levi Ende 1919
gründete sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) sowie die
linke Richtungsgewerkschaft Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD).
Diese Organisationen verfügten zum Zeitpunkt ihrer Gründung über etwa
hunderttausend Mitglieder – und hatten damit mehr Mitglieder als die KPD. Die
wichtigste inhaltliche Differenz zwischen KPD und Rätekommunisten bestand in
der Einschätzung der Führungsrolle der Partei, die von den Rätekommunisten
zugunsten des Gedankens der Selbstverwaltung vehement abgelehnt wurde. Auch die
Einschätzung der Entwicklung in der jungen Sowjetunion war wesentlich
verschieden: Die Rätekommunisten bezeichneten die Parteiherrschaft in der
Sowjetunion nach der Entmachtung der Räte als Staatskapitalismus, womit sie die
Tatsache in den Blick rückten, dass die bloße Verstaatlichung der Produktionsmittel
noch nicht zu ihrer Vergesellschaftung geführt habe. Stattdessen habe der Staat
die Funktion der Kapitalistenklasse innerhalb der Gesellschaft übernommen. Eine
Befreiung von der Lohnarbeit habe nicht stattgefunden. Bestanden ursprünglich
noch gute Kontakte zur III. Kommunistischen Internationale, kam es bald darauf
zum Bruch. Lenin griff die Rätekommunisten in seinem Buch Der linke
Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus scharf an. Ende 1921 trennten
sich Teile der AAUD von der KAPD und existierten als Allgemeine Arbeiter-Union
– Einheitsorganisation (AAUE) weiter. Die rätekommunistische Bewegung verlor
nach den erneut aufflammenden revolutionären Unruhen 1923 in Deutschland
zunehmend an Einfluss. Rätekommunistische Organisationen in der Endphase der
Weimarer Republik und im Widerstand gegen den Faschismus waren die Roten
Kämpfer, die Kommunistische Räte-Union und die Kommunistische Arbeiter Union
Deutschlands (KAUD). Rätekommunistische Ideen hatten auch in den Niederlanden,
Großbritannien sowie Bulgarien und Dänemark Einfluss in der
sozialrevolutionären Bewegung. Zu den wichtigsten Theoretikern des
Rätekommunismus zählen Anton Pannekoek (Pseudonym Karl Horner), Paul Mattick,
Karl Korsch, Otto Rühle, Herman Gorter, Willy Huhn, Cajo Brendel, Sylvia
Pankhurst sowie die späteren Nationalbolschewisten Heinrich Laufenberg und
Fritz Wolffheim. Auch die spätere Neue Linke um 1968 sowie insbesondere die
Situationisten in Frankreich waren von rätekommunistischen Ideen beeinflusst.
Literatur Anton Pannekoek: Arbeiterräte. Texte zur sozialen Revolution.
Germinal Verlag, Fernwald (Annerod) 2008. ISBN 978-3-88663-490-3. Anton
Pannekoek: Workers’ Councils. (Introduction by Noam Chomsky) AK Press Oakland
and Edinburgh 2003. Cajo Brendel: Anton Pannekoek. Denker der Revolution
Freiburg 2001. (Memento vom 1. Oktober 2010 im Internet Archive) Herman Gorter:
Offener Brief an den Genossen Lenin Eine Antwort auf Lenins Broschüre:
"Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus" (1920)
Andreas G. Graf (Hrsg.), Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten,
Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Berlin:
Lukas-Verlag 2001, ISBN 3-931836-23-1 Frits Kool (Hrsg.): Die Linke gegen die
Parteiherrschaft. (Band 3 der 'Dokumente der Weltrevolution') Olten und
Freiburg 1970. Gottfried Mergner (Hrsg.): Gruppe Internationale Kommunisten
Hollands. Reinbek 1971. H. (FAU-Bremen): Syndikalismus, kommunistischer
Anarchismus und Rätekommunismus. Eine Erwiderung auf die rätekommunistische
Kritik am „Gewerkschaftsfetischismus“ und am kommunistischen Anarchismus Erich
Mühsams, Bremen 2005. Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von
1918 bis 1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union
Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und
der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (Marburger Abhandlungen zur
Politischen Wissenschaft, Bd. 13). Meisenheim/Glan 1969. Hans Manfred Bock:
Geschichte des ‘linken Radikalismus’ in Deutschland. Ein Versuch. Frankfurt/M.
1976. Philippe Bourrinet: The Dutch and German Communist Left: A Contribution
to the History of the Revolutionary Movement., 1988–1998 ders.: Lexikon des
deutschen Rätekommunismus 1920-1960, Paris, 1. Juli 2017, Verlag moto proprio, 我的摩托车出版社 W.I. Lenin: Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im
Kommunismus (1920); in: W.I. Lenin Werke Band 31, Berlin (DDR): Dietz Verlag,
1964 Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) war eine
kommunistische Partei während der Weimarer Republik, die linke,
antiparlamentaristische und rätekommunistische Positionen vertrat.
Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks Geschichte
Die KAPD wurde am 4./5. April 1920 von Mitgliedern des linken Flügels der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet, die auf dem Heidelberger
Parteitag der KPD (20.–23. Oktober 1919) durch die Zentrale Leitung unter Paul
Levi ausgeschlossen worden waren. Viele von ihnen waren vor der KPD-Gründung in
der Gruppe Internationale Kommunisten Deutschlands aktiv. Ihr Hauptziel war die
sofortige Beseitigung der bürgerlichen Demokratie und die Konstituierung einer
Diktatur des Proletariats, wobei eine Diktatur einer Partei nach russischem
Vorbild verworfen wurde. Die KAPD lehnte, anders als die KPD, insbesondere die
leninistische Organisationsform des sogenannten demokratischen Zentralismus,
die Teilnahme an Wahlen und die Mitarbeit in reformistischen Gewerkschaften ab.
Eine wichtige Rolle für die KAPD spielten die niederländischen kommunistischen
Theoretiker Anton Pannekoek und Herman Gorter, die nach dem Vorbild der KAPD in
den Niederlanden die KAPN ins Leben riefen, die freilich niemals die Bedeutung
der Schwesterpartei in Deutschland erreichte. Hintergrund für die Gründung der
KAPD war der Kapp-Putsch. Er hatte nach Ansicht des linken Flügels in der KPD
gezeigt, dass das Verhalten der KPD-Parteileitung gleichbedeutend mit einem
Aufgeben des revolutionären Kampfes war, da die KPD eine mehrmals wechselnde
Haltung zum Generalstreik eingenommen und im Bielefelder Abkommen vom 24. März
1920 einer Entwaffnung der Roten Ruhrarmee zugestimmt hatte. Die Berliner
Bezirksgruppe rief zum 3. April 1920 einen Kongress der linken Opposition ein.
Dort wurde beschlossen, sich als die „Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands“
zu konstituieren. Die Delegierten vertraten nach Schätzungen 80.000
KPD-Mitglieder. Die neu gegründete Partei trat für die Ablehnung der
parlamentarischen Tätigkeit und den aktiven Kampf gegen den bürgerlichen Staat
ein. Sie arbeitete in der Folgezeit eng mit der AAUD zusammen. Hochburgen der
Partei lagen in Berlin, Hamburg, Bremen und Ostsachsen, wo sich jeweils ein
Großteil der KPD-Mitglieder der neuen Partei anschloss. Im August 1920 erfolgte
der Ausschluss der Hamburger Gründungsmitglieder Heinrich Laufenberg und Fritz
Wolffheim, die nationalbolschewistische Ideen vertreten hatten. Zwei Monate
später wurde auch Gründungsmitglied Otto Rühle ausgeschlossen. Die KAPD war
1920 bis 1921 kooptiertes Mitglied der III. Internationale. 1921 kooperierte
die KAPD bei der Märzaktion wieder mit der KPD. Ausgelöst wurde dies durch den
Einmarsch von Truppen der Weimarer Republik in das mitteldeutsche
Industriegebiet, wobei KAPD und KPD befürchteten, dass das Militär die Betriebe
besetzen wollte. Ende 1921 kam es zu einer weiteren Absplitterung, als sich
Teile der AAUD um Rühle, Franz Pfemfert und Oskar Kanehl von der KAPD trennten
und die AAUE gründeten. Nach 1921, als die KAPD noch über 43.000 Mitglieder
verfügte, verlor die die Partei mehr und mehr an Bedeutung und spaltete sich
1922 in die „Berliner Richtung“ und die „Essener Richtung“ um Alexander Schwab,
Arthur Goldstein, Bernhard Reichenbach und Karl Schröder. Hauptgrund war die
Ablehnung der Beteiligung an betrieblichen Tageskämpfen in einer als
revolutionär eingeschätzten Situation durch die Essener. Die Gründung einer
Kommunistischen Arbeiter-Internationale (KAI) 1922 durch die KAPD der „Essener
Richtung“ (die „Berliner Richtung“ lehnte diesen Schritt als verfrüht ab),
gemeinsam mit den Gruppen um Herman Gorter in den Niederlanden, um Sylvia
Pankhurst in Britannien und weiteren Gruppen in Belgien, Bulgarien und unter
Exilanten aus der Sowjetunion war wenig erfolgreich. Die KAI, deren Sekretariat
von der deutschen Sektion dominiert wurde, zerfiel bis 1925. 1926/1927 kam es
zum kurzfristigen Zusammenschluss der KAPD (Berliner Richtung) mit der
Entschiedenen Linken um den aus der KPD ausgeschlossenen Abgeordneten Ernst
Schwarz. Diese Fusion führte innerhalb der KAPD zu einer weiteren Spaltung, da
Schwarz sein Abgeordnetenmandat nicht niederlegte, wie es eine Minderheit der
Mitglieder forderte, die sich nach dem darauf erfolgten Austritt um die
Zeitschrift Vulkan gruppierte. Widerstandsgruppen gegen den
Nationalsozialismus, die in der Tradition der KAPD standen, waren die Roten
Kämpfer und die Kommunistische Räte-Union im Raum Braunschweig. Genuine
KAPD-Widerstandsgruppen gab es im Ruhrgebiet, in Leipzig (wo die örtliche
KAPD-Gruppe in ihrer Druckerei auch Materialien für andere Widerstandsgruppen
erstellte), in Königsberg und im litauischen Memel. Weitere bekannte Mitglieder
der KAPD waren die Schriftsteller Franz Jung, Adam Scharrer und Friedrich
Wendel, der Künstler Heinrich Vogeler, der Pressefotograf John Graudenz, der
Anthropologe Paul Kirchhoff, die Anführer bewaffneter kommunistischer
Partisanengruppen 1920/1921 Max Hölz und Karl Plättner, die rätekommunistischen
Theoretiker und Aktivisten Fritz Rasch, Paul Mattick und Jan Appel sowie August
Merges, der 1918/1919 kurzzeitig Präsident der Sozialistischen Republik Braunschweig
war. Siehe auch Liste linkskommunistischer Organisationen in der Weimarer
Republik Literatur Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von
1918–1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands
(Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der
Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (= Marburger Abhandlungen zur
Politischen Wissenschaft. Bd. 13, ISSN 0542-6480). Hain, Meisenheim am Glan
1969 (Zugleich: Marburg, Universität, Dissertation, 1968). Hans Manfred Bock:
Geschichte des „linken Radikalismus“ in Deutschland. Ein Versuch (= Edition
Suhrkamp 645). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-00645-2. Die
Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAUE, auch AAU-E) war eine antiparlamentarische
und antiautoritäre rätekommunistische Organisation in der Weimarer Zeit.
Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Fraktionskämpfe und Zerfall 3
Reorganisationsversuch 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks Entstehung Die AAUE
konstituierte sich im Oktober 1921, nachdem es in der KAPD und der ihr
angeschlossenen betrieblichen Organisation Allgemeine Arbeiter-Union
Deutschlands (AAUD) zu verstärkter Kritik an der Unterordnung der AAUD unter
die KAPD gekommen war. Ansatz der Kritik war es, eine politisch-betriebliche
Einheitsorganisation aufzubauen. Der neuen Organisation schlossen sich
wesentliche Teile der AAUD-Strukturen in Ostsachsen und Nordwestdeutschland
sowie Minderheiten in anderen Regionen an; bekannte Gründungsmitglieder waren
u. a. der ehemalige Reichstagsabgeordnete Otto Rühle, der Herausgeber der
Aktion, Franz Pfemfert, der Dichter Oskar Kanehl und der bekannte
Strafverteidiger in politischen Prozessen, James Broh. Die AAUE gab die
Wochenzeitungen Einheitsfront und Betriebsorganisation heraus und verfügte mit
der Aktion über eine ihr nahestehende Zeitschrift. Durch die Verbindung mit der
Aktion bewegten sich zeitweise auch Schriftsteller wie Max Herrmann-Neiße und
Carl Sternheim im Umfeld der Organisation. Über die Mitgliederzahlen gibt es
keine genaueren Angaben, die von Pfemfert genannten anfänglichen 60.000
Mitglieder dürften jedoch übertrieben gewesen sein. Fraktionskämpfe und Zerfall
Schnell kam es in der neuen Organisation zu Fraktionskämpfen und zentrifugalen
Tendenzen, welche bis Mitte der 1920er Jahre zur Aufspaltung in mehrere, alle
den Namen AAUE tragenden Gruppen führte. Die drei letztgenannten Organisationen
dürften in der Endphase der Weimarer Republik alle jeweils einige hundert
Mitglieder gehabt haben: „Heidenauer Richtung“ um die Zeitschrift Revolution.
Sie pflegte eine individualistische und organisationsfeindliche Ausrichtung und
löste sich konsequenterweise 1923 selbst auf. „Zwickauer Richtung“ um die
Zeitschrift Weltkampf. Sie trat für die Beteiligung an Betriebsratswahlen und
Annäherung an anarchosyndikalistische Positionen ein, 1923 erfolgt der
Anschluss an die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). „2. Zwickauer
Richtung“ um die Wochenzeitungen Proletarischer Zeitgeist (Zwickau, Auflage im
Jahr 1932 von 2.400 Exemplaren) und Von Unten Auf (Hamburg). Sie zeigte Nähe zu
anarchistischen Positionen und starke Intellektuellenfeindlichkeit. 1924
schloss sich dieser Organisation eine Gruppe ehemaliger KPD-Mitglieder um Ketty
Guttmann an und konnte sich bis zur teilweisen Zerschlagung während der Zeit
des Nationalsozialismus halten. Die Hamburger Gruppe um Otto Reimers gab in der
Illegalität bis Mitte 1934 den Mahnruf heraus, anderen lokalen Gruppen gelang
es teilweise die NS-Zeit zu überdauern. „Frankfurt-Breslauer Richtung“ um die
Zeitschrift Die Proletarische Revolution. Sie stand in Verbindung zu den
rätekommunistischen Ideen der Individualpsychologie Alfred Adlers. Sie
arbeitete eng mit Otto Rühle zusammen und war aktiv in der proletarischen
Freidenkerbewegung. 1931 Zusammenschluss mit Teilen der AAUD und der KAPD zur
Kommunistischen Arbeiter Union Deutschlands (KAUD). Im Kopf der
KAUD-Zeitschrift Der Kampfruf, die bis 1933 in Berlin erschien, bezeichnet sich
die Gruppe auch als KAU-RBO (Revolutionäre Betriebsorganisation). Ehemalige
Mehrheitsfraktion der alten AAUE um Franz Pfemfert und Oskar Kanehl. 1926/1927
zeitweiliger Zusammenschluss mit einer ultralinken KPD-Abspaltung um Iwan Katz
und dem Industrieverband für das Verkehrsgewerbe zum Spartakusbund
linkskommunistischer Organisationen (Spartakusbund Nr. 2). Sie gab
Einheitsfront und später Spartakus und Die Weltrevolution heraus, zerfiel aber
1932/33. Reorganisationsversuch Versuche der Strömung um den Proletarischen
Zeitgeist, nach 1945 in der Zwickauer Region die Organisation
wiederherzustellen, wurden 1948 repressiv unterbunden, der leitende Aktivist
der Gruppe, Wilhelm Jelinek, starb 1952 unter ungeklärten Umständen im
Zuchthaus Bautzen. Anarchismus (abgeleitet von altgriechisch ἀναρχία anarchia
‚Herrschaftslosigkeit‘; Derivation aus α privativum und ἀρχή arche
‚Herrschaft‘) ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft
von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der
Unterdrückung von Freiheit ablehnt. Dieser wird eine Gesellschaft
entgegengestellt, in der sich Individuen auf freiwilliger Basis selbstbestimmt
und föderal in Kollektiven verschiedener Art wie Kommunen als kleinster Einheit
des Zusammenlebens, Genossenschaften und Syndikaten als Basis der Produktion
zusammenschließen.[1] Es gibt innerhalb des Anarchismus viele teils sehr
unterschiedliche Strömungen. Grundsätzlich bedeutet Anarchie die Aufhebung
hierarchischer Strukturen – bis hin zur Auflösung staatlicher Organisiertheit
der menschlichen Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen Freiheit,
Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung der Individuen und
kollektive Selbstverwaltung. Der Anarchismus wird in einem sozialrevolutionären
Sinn von seinen Vertretern als Synthese zwischen individueller Freiheit wie im Liberalismus
und sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft wie im Sozialismus verstanden.
Menschen, die nach diesen Prinzipien leben oder eine herrschaftsfreie
Gesellschaft anstreben, werden als Anarchisten bezeichnet. Bisweilen wird im
deutschsprachigen Raum das Adjektiv libertär (deutsch: freiheitlich) als
Synonym für „anarchistisch“ benutzt. Inhaltsverzeichnis 1 Strömungen 1.1
Klassifikationen 1.2 Grundformen 1.3 Weitere Strömungen 1.4 Neuere Ansätze 2
Geschichte 2.1 Vorläufer 2.2 Anarchismus versus Marxismus 2.3 Die Propaganda
der Tat 2.4 Frühes 20. Jahrhundert 2.5 Spanische Republik 2.6 Deutschland
während der NS-Diktatur 2.7 Nachkriegszeit 2.7.1 Deutsche Demokratische
Republik 2.7.2 Bundesrepublik Deutschland 2.7.3 International 2.8 Anarchismus
in der Gegenwart 2.8.1 Organisationen 2.8.2 Periodika 3 Aktionsformen 4 Symbole
5 Siehe auch 6 Literatur 6.1 Einführungen 6.2 Klassiker 6.3 Moderne Ansätze 6.4
Kritik am Anarchismus 7 Medien 8 Weblinks 9 Einzelnachweise Strömungen
Klassifikationen Peter Kropotkin Ein wichtiges Element des Anarchismus ist der
innere Pluralismus, der sich in verschieden ausgeformten Strömungen zeigt, die
sich meist in ihren Schwerpunkten ergänzen.[2] Alle Strömungen stimmen in der
Ablehnung des Staates – besonders in seiner Ausprägung als Monarchie und
Diktatur –, des Militarismus und Klerikalismus überein. In der
wissenschaftlichen Sekundärliteratur werden unterschiedliche Bestimmungen und
Abgrenzungen von Richtungen des Anarchismus diskutiert.[3] Schon 1894
unterschied Rudolf Stammler zwischen „individualistischen“ und
„kollektivistischen“ Varianten anarchistischer Ideen.[4] In einer Darstellung
von 1937 unterschied Albert Weisbord weiterführend folgende Richtungen:[5]
liberal-anarchistisch libertär (Godwin) mutualistisch (Proudhon)
amerikanisch-liberal (Thoreau, Warren, Tucker) kommunistisch-anarchistisch
kollektivistisch (Bakunin) kommunistisch (Kropotkin, Most, „Chicagoer
Märtyrer“). Franz Neumann[6] schlug 1977 eine dann vielfach rezipierte
Unterscheidung folgender Strömungen vor: Individual-Anarchismus (Godwin,
Stirner, Bellegarrigue) Sozialer Anarchismus (Proudhon, Landauer) Kollektiver
Anarchismus (Bakunin) Kommunistischer Anarchismus (Kropotkin, Cafiero, Most)
Anarcho-Syndikalismus (Pelloutier, Monatte, CNT) „Neuer Anarchismus und
Studentenbewegung“ In ähnlicher Weise unterschied 1972 Erwin Oberländer[7]
Individualistischer Anarchismus (Bellegarigue, Tucker, Landauer)
Kollektivistischer Anarchismus (Bakunin, früher Kropotkin, Adhémar
Schwitzguébel) Kommunistischer Anarchismus (Cafiero, Kropotkin, Reclus,
Merlino, Goldman, Most) „Anarchismus und Gewerkschaftsbewegung“ (Pelloutier,
Monatte, Machnowschtschina, CNT u. a.) „Anarchismus heute“ (Colin Ward, William
O. Reichert) David L. Miller hat in seiner Monographie von 1984[8] außerdem
einen „philosophischen Anarchismus“ von „individualistischem“ und
„kollektivistischem“ Anarchismus unterschieden, was eine Kategorie für Autoren
wie Stirner oder Godwin bereitstellt, deren Wirken den üblichen Ansetzungen
einer „anarchistischen Bewegung“ vorausliegt (eine solche wird in der
Sekundärliteratur zumeist nicht vor den 1860er-Jahren für greifbar gehalten).
Peter Marshall hat 1992 eine einflussreiche, geographisch gegliederte
Darstellung vorgelegt, die auch nichtwestliche Traditionen insbesondere des
Daoismus, aber auch z. B. Gandhi einbezieht, ebenso „amerikanische
Individualisten und Kommunisten“ und auch auf Verbindungen von Anarchismus und
der „Neuen Rechten“ eingeht.[9] Auch der Einbezug bestimmter Klassiker ist
sowohl unter den Vertretern anarchistischer Ideen wie in der Sekundärliteratur
vielfach strittig, so etwa bezüglich Stirners.[10] Grundformen Michail Bakunin.
(Photographie von Félix Nadar, ca. 1860) Aus der Geschichte gewerkschaftlicher
Organisation und gegenseitiger Unterstützung (frz. assistance mutuelle) hat
sich der Mutualismus herausgebildet, der eine soziale Symbiose in einem
herrschaftsfreien System zum Ziel hat. Der Mutualismus wurde vor allem von
Pierre-Joseph Proudhon geprägt und enthält revolutionäre Elemente. Im Zentrum
steht jedoch eine Reform von Kredit- und Währungsordnung mit dem Ziel der
Beseitigung des Profits.[11] Das von Proudhon entworfene 'Konzept des
anarchistischen Föderalismus' baut auf die Vernetzung kommunaler Strukturen und
gilt auch in nachfolgenden Konzepten des Anarchismus als Grundprinzip. Der
kollektivistische Anarchismus basiert vor allem auf den Ideen Michail Bakunins
und Mitgliedern der Juraföderation. Statt des Privateigentums an
Produktionsmitteln sollen die Arbeitsmittel im Besitz überschaubarer Kollektive
sein und von den Produzenten selbst kontrolliert und verwaltet werden.[12]
Arbeiter sollen von demokratischen Institutionen nach der Zeit ihrer Arbeit
vergütet werden. Diese Einkünfte sollten verwendet werden, um Artikel in einem
kommunalen Markt zu erwerben. Föderalistische Strukturen sollen den Staat und
andere zentralistische Institutionen vollständig ersetzen.[13] Anhänger des
kommunistischen Anarchismus fordern einen vollständigen Bruch mit dem
Kapitalismus und die Abschaffung des Geldes.[14] Die direkte Entlöhnung soll
ersetzt werden durch den freien Zugang zum gemeinsamen Arbeitsprodukt.[15]
Peter Kropotkin, als bedeutendster Theoretiker des kommunistischen Anarchismus,
wendet sich gegen den ökonomischen Wert im Allgemeinen; sei es Geld, Arbeit
oder Ware. Er sieht das Privateigentum als Grund für Unterdrückung und
Ausbeutung und schlägt stattdessen eine umfassende Kollektivierung vor.[16] Der
individualistische Anarchismus ist eine im 19. Jahrhundert in Nordamerika
entstandene Lehre, die das Individuum und seine Interessen als Mittelpunkt der
Gesellschaft ansieht, der keinen Gegensatz zu den vorgenannten sozial
orientierten Formen darstellt und in Opposition zum Kollektivismus steht. Die
individualistische Strömung wurde in den USA vor allem von Benjamin Tucker
entwickelt. In Deutschland vertrat ihn der Anarchist und Schriftsteller John
Henry Mackay, der sich hauptsächlich auf Benjamin Tucker und Max Stirner
berief.[17] Der Individualanarchismus wird häufig als Extremform des
Liberalismus beschrieben. Der Gegensatz zwischen Individualismus-Egoismus und
Kollektivismus-Altruismus stellt eine wichtige anarchistische
Auseinandersetzung dar. Weitere Strömungen Voltairine de Cleyre, eine
Vertreterin des Anarchismus ohne Adjektive Wegen der Vielzahl sich inhaltlich
überschneidender, im Detail jedoch durchaus verschiedener anarchistischer
Ausprägungen wird für den Anarchismus im Allgemeinen, wie ihn etwa Fernando
Tarrida del Mármol vertreten hat, der Begriff „Anarchismus ohne Adjektive“
verwendet. Der Ausdruck wird entweder übergreifend auf Anarchismus angewandt,
wenn eine spezifische Klassifizierung abgelehnt wird, oder wenn sich dessen
Anhänger den verschiedenen Strömungen gegenüber tolerant zeigen. Die
bekannteste und international am stärksten organisierte Richtung ist der
Anarchosyndikalismus. Seine Idee ist die Zusammenführung der Lohnabhängigen in
Gewerkschaften, die sich von Tarifparteien durch die Unterstützung des
revolutionären Syndikalismus unterscheiden. Die mit fast zwei Millionen Mitgliedern
bislang größte anarchosyndikalistische Gewerkschaft war im Spanien der 1930er
Jahre die Confederación Nacional del Trabajo (CNT), die nach der Zeit des
Franquismus reorganisiert wurde. Für die rein gewaltfreie Umsetzung steht der
Anarchopazifismus (auch gewaltfreier Anarchismus). Hier geht es primär um das
Zusammenführen des Anarchismus mit der gewaltfreien Aktionstheorie bzw. mit
Theorien der gewaltfreien Revolution. Gewaltkritik wird in diesem Zusammenhang
auch als wichtiger Teil anarchistischer Herrschaftskritik verstanden. Auch
christliche Anarchisten treten zumeist strikt pazifistisch auf. Sie verneinen
die Herrschaft der Kirchen und Priester wie des Staates und glauben, dass
Freiheit direkt durch die Lehre Jesu spreche. Eine Strömung des jüdischen Anarchismus,
zum Beispiel vertreten von Bernard Lazare, entstand aus den Erfahrungen
verschiedener antisemitischer Pogrome des späten 19. Jahrhunderts. Die auch als
‘anarchistischer Zionismus’ bezeichnete Idee war ein jüdisches
Gesellschaftssystem ohne Staat. Durch die Zusammenarbeit mit zionistischen
Sozialisten wurden viele jüdische Siedlungen in Palästina (Kibbuzim) unter
britischem Mandat nach anarchistischen Vorstellungen organisiert.[18] Weitere
Denkrichtungen entstanden durch die Verbindung von anarchistischen Ideen mit
anderen religiösen Denktraditionen, wie beispielsweise dem Islam, dem
Buddhismus und dem Hinduismus. Aus Reflexion über die Niederlage des
Anarchismus in der Ukraine wurde der Plattformismus entwickelt, der eine
stärkere Gemeinschaft, deutliche Verständigung über die ideologische
Ausrichtung und Verbindlichkeit in der Praxis fordert. Ein ähnliches Modell
vertritt der Especifismo in Südamerika. Der Insurrektionalismus oder
aufständische Anarchismus ist eine revolutionäre Theorie und Praxis innerhalb
der freiheitlichen Bewegung, die sich formalen Organisationen wie
Basisgewerkschaften und Föderationen entgegenstellt, die auf einem politischen
Programm und regelmäßigen Treffen basieren. Stattdessen befürworten
Insurrektionisten Direkte Aktion und Zusammenarbeit in informellen kleinen
autonomen Basisgruppen, den Affinity Groups (Bezugsgruppen). Der
Anarchokapitalismus tritt für eine vom freien Markt, von freiwilligen
Übereinkunften und von freiwilligen vertraglichen Bindungen geprägte Gesellschaft
ein, die vollständig auf staatliche Institutionen und Eingriffe verzichtet. Die
Verhältnisbestimmung dieser Ideen und ihrer Vertreter und Vorläufer zu anderen
Formen des Anarchismus ist umstritten. Die Anarchist FAQ schreibt dazu, dass
der Anarchokapitalismus seinen Ursprung im Liberalismus, nicht im Anarchismus
habe und die Geschichte der ökonomischen Ideen des Anarchismus ignoriere, die
immer antikapitalistisch gewesen seien. Zwischen anarchokapitalistischen
Theoretikern und der anarchistischen politischen Bewegung bestehe keine
Verbindung.[19] Dagegen sieht Stefan Blankertz den Anarchismus allgemein als
radikale Form des Liberalismus.[20] Neuere Ansätze Emma Goldman Die
französische Variante des Anarchismus von 1968, der Situationismus, zeigte sich
in der Studentenbewegung und den Mai-Unruhen. Forderungen waren unter anderem
Abschaffung der Ware, der Arbeit, der Hierarchien, Aufhebung der Trennung
zwischen Kunst und Leben. Der Anarchafeminismus ist eine Wortschöpfung der
1970er Jahre und vereint den Radikalfeminismus mit der anarchistischen Idee. Es
gibt in der anarchistischen Bewegung schon Vorläufer, so hat Emma Goldman den
Kampf um weibliche Gleichberechtigung mit dem um Herrschaftsfreiheit verbunden.
Die Begriffssetzung Neo-Anarchismus beschreibt die historische Erscheinungsform
im Zuge der 68er-Bewegung in Deutschland, in der der theoretische Anarchismus
wiederentdeckt wurde und die Hierarchiefreiheit in progressiven und „linken“
Gruppen Einzug hielt. Öko-Anarchismus ist die Bezeichnung für die Verknüpfung
von Ablehnung der Herrschaft von Menschen über Menschen mit der Ablehnung der
Herrschaft des Menschen über die Natur. Eine bedeutende Strömung in Nordamerika
ist der Primitivismus, der die Rückkehr zu vorindustriellen Formen des
Wirtschaftens propagiert. „Folk-Anarchy“, auch der „kleines-a-Anarchismus“,
sind in den USA entwickelte „postlinke“ anarchistische Strömungen. Diese
Ansätze finden sich in Netzwerken wie CrimethInc. und der Curious George
Brigade, die sich gegen nostalgische Theorie- und Personenbezüge richten und
eine „Do it yourself“-Praxis (DIY) fordern: „eine Anarchie geschaffen von
gewöhnlichen Menschen, die außergewöhnliche Leben leben, genannt
Folk-Anarchy.“[21] Postanarchismus stellt keine einheitliche Theorie dar,
sondern ist ein Sammelbegriff für postmoderne, postfeministische und
poststrukturalistische Debatten aus anarchistischer Perspektive. Das Präfix
„Post“ steht für eine Infragestellung und Verwerfung von einigen Grundannahmen
des klassischen Anarchismus, nicht für ein Aufgeben anarchistischer Ziele. Das
äußerst positive Menschen- und Weltbild des Anarchismus des 19. Jahrhunderts
gilt dem Postanarchismus als überholt. Ihm zeigt sich Herrschaft als verändert
und erweitert dar, der Ausbeutung wird die unterwerfende Subjektivierung zur
Seite gestellt, der positive Machtbegriff Foucaults adaptiert. Der
Postanarchismus beschäftigt sich zudem mit Postkolonialismus und
Antirassismus.[22] Libertärer Kommunalismus[23] ist ein reformistisch
orientierter praxisnaher Entwurf für demokratische Selbstverwaltung von
Gemeinden auf der Basis von Ökologie, Freiwilligkeit und Föderalismus und wurde
in den kurdischen Gebieten zur Zeit des syrischen Bürgerkriegs umgesetzt. Das
englischsprachige begriffliche Pendant zu libertär, libertarian, bezeichnet
seit den 1950er Jahren eine Verbindung von Anarchismus und Kapitalismus.[24]
Geschichte Vorläufer → Hauptartikel: Vorläufer des Anarchismus Diogenes von
Sinope auf einem Gemälde von John William Waterhouse. Diogenes gehörte zu den
frühen Gesellschaftskritikern und predigte die Bedürfnislosigkeit als Grundlage
der Freiheit. Der Historiker Peter Marshall bezeichnet den Daoismus als „ersten
klaren Ausdruck anarchistischer Sensibilität“ und dessen Hauptwerk Daodejing
von Laozi als „einen der größten anarchistischen Klassiker.“[25] Die Taoisten
lehnten Regierungen ab und strebten ein Leben in natürlicher und spontaner
Harmonie an, wobei der Einklang des Menschen mit der Natur eine bedeutende
Rolle spielte. Der Daoismus entwickelte im Laufe der Zeit ein regelrechtes
System politischer Ethik und verzichtete auf Kulte und die Ausbildung einer
Priesterkaste. Der Daoismus war damit auch die wichtigste Gegenströmung zum
autoritären und bürokratischen Konfuzianismus, der später zur chinesischen
Staatsreligion wurde.[26] Erste Vorläufer des Anarchismus in Europa finden sich
in der griechischen Philosophie der Antike. Der Historiker Max Nettlau sieht
die bloße Existenz des Wortes „An-Archia“ als Beleg, „dass Personen vorhanden
waren, die bewußt die Herrschaft, den Staat verwarfen.“[27] Ab dem 5.
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung predigte Diogenes von Sinope (ca. 400 –
324 v. Chr.) die Rückkehr zum naturgemäßen Leben. Er und die Schüler der von
ihm begründeten Schule der Kyniker sahen die ursprüngliche Bedürfnislosigkeit
als erstrebenswerten Zustand. Soziale Harmonie würde laut den Kynikern anstelle
von gegenseitigem Kampf und gesellschaftlichem Konflikt bestehen, da sich diese
aus der Gier des Menschen nach materiellem Besitz und dem Streben nach Ehre
ergeben.[28] In den Lehren von Zenon von Kition (ca. 333–262 v. Chr.) sieht der
Historiker Georg Adler zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Ideen des
Anarchismus entwickelt.[29] Zenon, der Begründer der Stoa, war ein großer
Kritiker von Platons Ideal einer Gesellschaft, die mit absoluter Staatsmacht zu
einem moralischen Zusammenleben finden sollte. Zenon entwarf im Gegensatz zu
Platon sein eigenes Ideal einer freien staatenlosen Gemeinschaft, die der Natur
des Menschen besser entsprechen würde. Anstatt dem schriftlichen Gesetz zu
folgen sollten die Menschen durch innere Einsicht ihren wahren natürlichen
Trieben folgen. Dies würde die Menschen zur Liebe zum Mitmenschen und zur
Gerechtigkeit führen. Wie in der äußeren Natur Eintracht, Harmonie und
Gleichgewicht herrschen, so würde dies dann auch in der menschlichen
Gesellschaft gelten. Daraus folgt die Negation des Gesetzes, der Gerichte, der
Polizei, der Schule, der Ehe, des Geldes, der staatlichen Religion und des
Staates. Über alle Völkergrenzen hinaus würde der Mensch in vollkommenster
Gleichheit leben. Jeder sollte freiwillig gemäß seinen Fähigkeiten arbeiten und
je nach Bedürfnis konsumieren dürfen.[29] Im späten Altertum und im Mittelalter
gab es verschiedene verfolgte Sekten und Ketzer mit freiheitlichen Merkmalen. Anarchistische
Elemente sind im Mittelalter jedoch erstmals beim Häretiker Amalrich von Bena
und seinen Anhängern, den Amalrikanern, dokumentiert. Ähnliches gilt für die
christlich-mystischen Brüder und Schwestern des freien Geistes im 12. und 13.
Jahrhundert, die sich außerhalb der Gesellschaft und ihrer Gesetze
stellten.[30] Zu den Vorläufern des Anarchismus wird Étienne de La Boétie
(1530–1563) gezählt, der im Alter von 18 Jahren das grundlegende Werk Discours
de la servitude volontaire ou le Contr'un (deutsch: Von der freiwilligen
Knechtschaft oder das Gegen Einen [den Monarchen]) schrieb. Die Grundfrage des
Discours de la servitude lautet: Woher kommt es, dass sich ein ganzes Volk von
einem einzigen Menschen quälen, misshandeln und gegen seinen Willen leiten
lässt. Monarchen stützen sich nicht nur auf Repression, um ihre Herrschaft zu
erhalten. Viel wichtiger ist für Étienne de la Boétie der Fakt, dass sich die
Untertanen freiwillig in ihre Knechtschaft ergeben und so erst dem einen
Menschen die Macht übertragen. Würden also die Untertanen dem Monarchen ihren
Dienst verweigern, hätte dieser wiederum keine Macht mehr. Eine Grundkritik des
Anarchismus, das Herr-/Knechtschaftsverhältnis in der Gesellschaft, hat La
Boétie erstmals für die Neuzeit formuliert.[31] Im Jahr 1649, einem Jahr großer
sozialer Unruhen, entstand in England unter dem Einfluss von Gerrard Winstanley
die religiös-anarchistische Bewegung der Diggers. Die bestehende
gesellschaftliche Ordnung und die Herrschaft der Großgrundbesitzer versuchten
die Diggers durch die Gründung kleiner, landwirtschaftlicher Kommunen auf
egalitärer Basis aufzubrechen. Durch freiwilligen Zusammenschluss aller
einfachen Leute sollten die Herrschenden ausgehungert werden, wenn sie sich
nicht den Kommunen anschließen. Schon 1651 waren die Kolonien der
gemeinschaftlich wirtschaftenden Dissidentengruppe durch Obrigkeit und lokale
Grundbesitzer wieder zerstört. William Godwin war ein englischer Gelehrter und
Kritiker der autoritären Entwicklung der Französischen Revolution. 1793
formulierte er in seinem Hauptwerk Enquiry concerning political justice, dass
jedwede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft
anzusehen sei. Mit seinen Ideen hatte Godwin bereits nahezu alle wesentlichen
Punkte der anarchistischen Theorie vorweggenommen.[32] Anarchismus versus
Marxismus Illustration aus der französischen Ausgabe von Der Anarchismus von
Kropotkin, 1913 Aus den Ideen der Aufklärung, verbunden mit den sich
verstärkenden radikalen Strömungen des revolutionären Liberalismus seit der
französischen Revolution von 1789 und verschiedenen frühsozialistischen
Ansätzen, entwickelten sich die Vorstellungen des modernen Anarchismus etwa
zeitgleich mit den kommunistischen Ideen von Weitling und Marx und zunehmend in
gegenseitiger Abgrenzung voneinander. Die politischen Differenzen zwischen
Kommunisten und Anarchisten führten zu historisch konfliktträchtigen
Situationen in der Arbeiterbewegung und der politischen Linken insgesamt;
Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart andauern. Erst Pierre-Joseph
Proudhon bezeichnet sich selbst als Anarchist und stellt die wesentlichen
Elemente des Anarchismus in seinem Werk Qu’est-ce que la propriété? ou
recherches sur le principe du droit et du gouvernement (1840) (dt.: Was ist das
Eigentum? Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und
der Herrschaft) zusammen. Er formuliert: „Eigentum ist Diebstahl“,[33] wobei er
unter Eigentum solches verstand, das die Voraussetzung für Einkommen ohne
Arbeit ist. Damit stellte er Privateigentum an Produktionsmitteln,
Mietshäusern, Wertpapieren und Ähnlichem ins Zentrum seiner Kritik an den
herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen im Kapitalismus. Dieses sei
ebenso wie der bürgerliche Staat, der es schützen soll, direkt und unmittelbar
zu bekämpfen und durch selbstorganisierte Formen des Gemeineigentums zu
ersetzen. In einem Briefwechsel setzte sich Proudhon mit Karl Marx auseinander.
Dabei stellte sich heraus, dass sie beide Themen wie Macht und Freiheit des
Individuums oder die Rolle des Kollektivs als revolutionäres Subjekt sehr
verschieden bewerteten. Proudhon argumentierte stärker mit
philosophisch-ethischen Prinzipien, während Marx diese als bloß moralische
Ideale kritisierte und eine wissenschaftliche Analyse der Widersprüche zwischen
Kapital und Arbeit vermisste. Proudhons Anhänger Michail Bakunin
(kollektivistischer Anarchismus) und später Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
(kommunistischer Anarchismus) verbanden seine Theorien mit der Agitation für
eine soziale Revolution, die zur radikalen Umwälzung der Besitzverhältnisse
notwendig sei. Bakunin lehnte die führende Rolle einer revolutionären
Kaderpartei jedoch ebenso ab wie staatliche Hierarchien und verwarf damit Marx’
Forderung nach der Gründung kommunistischer Parteien ebenso wie die These von
der „Diktatur des Proletariats“, die zur klassenlosen Gesellschaft führen
solle. Er glaubte nicht, dass die Arbeiter zuerst die politische Staatsmacht
erringen müssten, damit der Sozialismus aufgebaut und der Staat absterben könne,
sondern wollte diesen direkt abschaffen. Diese Konzeption nannte er
„antiautoritären Sozialismus“; ein Konzept, das von den Marxisten als
„kleinbürgerlich-pseudorevolutionäre Ideologie“ abgelehnt wurde. Zwischen 1864
und 1872 waren Anarchisten und Marxisten in der noch aus einer Vielzahl
politisch divergierender Gruppen der Arbeiterbewegung bestehenden
Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) organisiert. Als der ideologische
Konflikt zwischen den Anhängern von Bakunin einerseits und denen von Marx andererseits
eskaliert war, wurde Bakunin 1872 auf Betreiben von Marx aus der IAA
ausgeschlossen. Der ideologische Konflikt, der 1876 zur Auflösung der IAA
(heute auch unter der Bezeichnung „Erste Internationale“ bekannt) geführt
hatte, markiert die erste grundlegende Zäsur in der Geschichte des Sozialismus
und der internationalen Arbeiterbewegung – noch vor deren weiteren Aufspaltung
am Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert in einen reformorientierten
(sozialdemokratischen) und einen revolutionären (kommunistischen) Flügel. Seit
dem Auseinanderbrechen der IAA grenzen sich – Rudolf Rocker zufolge –
Anarchisten in folgenden Punkten grundsätzlich vom Marxismus ab: Ablehnung der
von Hegel geprägten marxistischen „Schicksalstheorien“. In der Geschichte gebe
es überhaupt keine Zwangsläufigkeiten („historischen Notwendigkeiten“,
„Zwangsläufigkeit des historischen Geschehens“), „sondern nur Zustände, die man
duldet und die in Nichts versinken, sobald die Menschen ihre Ursachen
durchschauen und sich dagegen auflehnen“ (Rocker). Ablehnung des „Historischen
Materialismus“. Aus den wirtschaftlichen Verhältnissen könnte nicht alles
„politische und soziale Geschehen“ erklärt werden. Der Anarchismus begreift die
Menschen als handelnde Individuen, lehnt die Betrachtung von Menschen als Masse
ab. Grundsätzliche Ablehnung eines Staates. Die Produktionsmittel von der
Privatwirtschaft einem Staat zu übergeben, „führt lediglich zu einer Diktatur
durch den Staat“ (Rocker). Ablehnung von Gesetzen und Gesetzgebern.
Entscheidungen werden dezentral, kollektiv und im Konsens entschieden. „Nur das
freie Übereinkommen, ‚könnte‘ das einzige moralische Band aller
gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander sein“ (Rocker).
Ablehnung einer Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus. Der „Wille zur
Macht“ müsse in einer freien Gesellschaft grundsätzlich bekämpft werden.
radikale Ablehnung aller kapitalistisch geprägten Begriffe: Sämtliche
Wertbegriffe, wie wir sie heute kennen, sind samt und sonders kapitalistische
Begriffe. Luft, Sonnenlicht, Regen, Erdfeuchtigkeit, Humus, kurz, viele der
wichtigsten Produktionsfaktoren sind, weil sie nicht monopolisiert werden
konnten, heute kapitalistisch wertlos. (…) Mit dem Aufhören des
Eigentumsbegriffes an Produktionsmitteln hört auch jeder Wertbegriff für den
einzelnen auf. (Pierre Ramus, Franz Barwich) Einzelne Vertreter bezweifeln
ebenfalls das Konzept der sozialen Klasse wie Errico Malatesta auf dem Kongress
in Amsterdam. Die Propaganda der Tat Der französische Anarchist Ravachol war ein
Verfechter der Propaganda der Tat durch Gewalt: Als Rache für getötete
Demonstranten verübte er Bombenanschläge und wurde dafür guillotiniert. →
Hauptartikel: Propaganda der Tat Ab den späten 1870er Jahren wurden
anarchistische Aktionen und Taten mit Vorbildcharakter als Propaganda der Tat
bezeichnet. Sie sollten die Gesellschaft „aufwecken“ und in der Bevölkerung
Sympathien schaffen, um somit als Mittel für politische und soziale Veränderung
zu dienen. Durch die relative Häufung von Attentaten zum Ende des 19.
Jahrhunderts in verschiedenen Ländern kam es in der öffentlichen Meinung zu
einer Reduktion des Anarchismus auf Terroranschläge, eine bis heute verbreitete
Ansicht. Zu den publizistischen Unterstützern der Anschläge durch die Narodniki
auf Zar Alexander II. zählten beispielsweise auch einzelne sozialdemokratische
Politiker im Deutschen Reich wie Wilhelm Hasselmann und Johann Most. Durch den
1880 erfolgten Ausschluss dieser beiden Protagonisten der
sozialrevolutionär-anarchistischen Fraktion der SPD-Vorläuferpartei SAP
versuchte die deutsche Sozialdemokratie, sich während der Geltungsdauer des
repressiven Sozialistengesetzes ihres tendenziell anarchistischen Flügels zu
entledigen. Hasselmann und Most, die beispielsweise in der in London
herausgegebenen und illegal im Deutschen Kaiserreich verbreiteten zunächst
sozialdemokratischen, dann anarchistischen Zeitschrift Freiheit auch zu offener
Gewalt gegen die antisozialistische Unterdrückungspraxis der deutschen
Regierung unter Reichskanzler Otto von Bismarck aufgerufen und der SAP-Führung
eine zu gemäßigte Haltung in ihrer bloß verbalen Systemopposition vorgeworfen
hatten, setzten nach ihrem Parteiausschluss ihre sozialrevolutionäre Agitation
im US-amerikanischen Exil fort. Schon einige Jahre zuvor hatten symbolträchtige
Anschläge auf Kaiser Wilhelm I. und die Könige von Spanien und Italien
stattgefunden. Am 24. Juni 1894 aber tötete der junge italienische Einwanderer
Sante Geronimo Caserio, der dem anarchistischen Umfeld zuzurechnen war, den
französischen Präsidenten Carnot. Dies war der Höhepunkt einer ganzen Serie von
anarchistisch motivierten Anschlägen in Frankreich. Am 10. September 1898
erstach Luigi Lucheni in Genf Kaiserin Elisabeth (Sisi). Am 6. September 1901
schoss Leon Czolgosz in Buffalo (New York) auf den US-Präsidenten William
McKinley; dieser starb acht Tage später. Die 1890er Jahre wurden als ein
„Jahrzehnt der Bomben“ bezeichnet. Mit Dynamit – einer damals neuen Erfindung –
wurden Anschläge verübt gegen Monarchen, Präsidenten, Minister, Polizeichefs,
Polizisten und gegen Richter, die Anarchisten verurteilt hatten. Andere trafen
offizielle Gebäude. Die gewaltsamen Anschläge und Attentate gegen Ende des 19.
Jahrhunderts, von Peter Kropotkin anlässlich eines internationalen
revolutionären Kongresses 1881 in London als kontraproduktiv oder ineffektiv
bezeichnet, wurden zunehmend auch von anderen Anarchisten abgelehnt. Frühes 20.
Jahrhundert Anarchisten spielten in vielen Arbeiterbewegungen, Aufständen und
Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Rolle. Dazu gehören etwa die
Mexikanische Revolution von 1910 bis 1919 mit der Bauernarmee unter Führung von
Emiliano Zapata, die Oktoberrevolution 1917 in Russland und die nach ihrem
Anführer Nestor Machno benannte Bauern- und Partisanenbewegung, der Machnowzi
zwischen 1917 und 1921 in der Ukraine; auch in der kurzlebigen Münchner
Räterepublik von 1919 waren zeitweise Anarchisten wie Gustav Landauer und der
Dichter Erich Mühsam an der Räteregierung beteiligt. Die 1922 gegründete
anarchosyndikalistische Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA) ist
heute noch in vielen Ländern Amerikas und Europas in Arbeitskämpfen aktiv. Im
frühen 20. Jahrhundert wurden Anarchistengruppen in Russland von den
kommunistischen Bolschewiki verdrängt und fielen gegen Ende der russischen
Revolution Säuberungsaktionen zum Opfer (Niederschlagung des Aufstandes in
Kronstadt und der anarchistischen Bauernbewegung Machnowschtschina). Spanische
Republik → Hauptartikel: Anarchismus in Spanien Fahne der CNT-FAI Im Spanischen
Bürgerkrieg, der in den Jahren von Juni 1936 bis April 1939 zwischen
verschiedenen Gruppen der Republikaner und der faschistischen Bewegung unter
General Franco stattfand, wirkte der Anarchismus bisher am stärksten.
Insbesondere die mitgliederstarke und einflussreiche anarchosyndikalistische
Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) kontrollierte mit ihrem
militanten Arm, der anarchistischen Federación Anarquista Ibérica (FAI), große
Teile des östlichen Spaniens. Deutschland während der NS-Diktatur Während des
nationalsozialistischen Regimes war eine legale politische Tätigkeit von
Anarchisten in Deutschland nicht möglich. Bereits kurz nach der Machtergreifung
Hitlers wurden ab 1933 prominente Wortführer der Anarchisten in
Konzentrationslager verbracht. Viele von ihnen wurden ermordet, wie
beispielsweise der Dichter und Publizist Erich Mühsam. Junge und weniger
bekannte Aktivisten versuchten noch mit den Schwarzen Scharen antifaschistische
Widerstandsgruppen zu organisieren, wurden aber von der Gestapo ausgehoben. Ein
Großteil emigrierte. Viele der emigrierten deutschen Anarchisten, darunter etwa
Augustin Souchy, schlossen sich ab 1936 in Spanien während des dortigen
Bürgerkriegs dem Kampf der Internationalen Brigaden auf der Seite der CNT/FAI
gegen Franco an. Hunderte von in Deutschland verbliebenen Anarchisten wurden in
„Schutzhaft“ genommen, in Schauprozessen verurteilt und in Konzentrationslager
verbracht, von wo einige zum Ende des Zweiten Weltkriegs etwa in die
SS-Sondereinheit Dirlewanger gepresst wurden.[34] Nachkriegszeit →
Hauptartikel: Anarchismus in Deutschland Deutsche Demokratische Republik
Kurzzeitig kam es unter sowjetischer Besatzungsmacht zum Wiederaufleben des
Anarchismus, vor allem durch syndikalistische Arbeiter. Nach dem Krieg hatte
sich um Wilhelm Jelinek in Zwickau ein neuer Kreis von freiheitlich gesinnten
Personen gebildet. Jelinek war Betriebsratsvorsitzender eines großen
Industriebetriebes. Dieser Kreis verschickte Rundbriefe an mindestens 18
verschiedene Orte in der sowjetischen Zone und unterhielt auch Korrespondenzen
mit Anarchisten in anderen Zonen Deutschlands. Es gelang ihm durch mündliche
und briefliche Agitation, ein weitmaschiges Netz über die gesamte Ostzone und
spätere DDR zu spannen.[35] „In Zwickau wurde, so unglaublich es klingt, eine
Informationsstelle des gesamtdeutschen Anarchismus gebildet. Sie berief Mitte
1948 nach Leipzig eine geheime Konferenz aller unter sowjetischer
Besatzungsmacht lebenden Antiautoritären verschiedener Richtungen ein.“
Zirkulare des Zwickauer Kreises fielen den Staatsorganen in die Hände. Der
Staatssicherheitsdienst wurde aufmerksam und verhaftete alle Teilnehmer. Nach
Kriegsende bis zur gesprengten Tagung 1948 waren die anarchistischen
Gruppierungen in der Sowjetischen Besatzungszone so stark, dass sie sogar die
westdeutschen Anarchisten mit einer Vervielfältigungsmaschine und Geld
unterstützen konnten.[36] Von einigen Orten aus dem Gebiet der DDR ist bekannt,
dass einige ehemalige Mitglieder der FAUD sich der SED anschlossen, die zumeist
in den 1950er Jahren wieder „hinausgesäubert“ wurden.[37] Bis zur Wende
beschränkten sich anarchistische Aktivitäten auf die Herausgabe von
Flugblättern und einigen Zeitschriften.[38] Bundesrepublik Deutschland Mit der
Studentenbewegung Ende der 60er Jahre stieg das öffentliche Interesse am
Anarchismus. Innerhalb der Studentenbewegung gab es eine anarchistische
Strömung. Auch im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), der sich zum
Sammelbecken der gesamten Bewegung entwickelte, waren Anarchisten vertreten.
Des Weiteren hatte der Anarchismus für die Neuen sozialen Bewegungen (NSB) eine
theoretische und praktische Bedeutung. Innerhalb der Autonomen, als
linksradikalem Flügel der NSB, gab und gibt es eine große libertäre Strömung.
Ein bundesweit organisiertes Bündnis anarchopazifistisch dominierter
Bezugsgruppen war die von 1980 bis in die 1990er bestehende Föderation
Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA), die über Jahre hinweg die bis in die
Gegenwart erscheinende Zeitschrift Graswurzelrevolution herausgab. 1989
gründete sich die „Initiative für eine anarchistische Föderation in
Deutschland“ (I-AFD).[39] Sie überstand die Jahrtausendwende und ist später im
„Forum deutschsprachiger Anarchistinnen und Anarchisten“ (seit 2013 Föderation
deutschsprachiger Anarchist*innen) aufgegangen. Im frühen 21. Jahrhundert haben
sich mehrere Ortsgruppen der Anarchistisch-Syndikalistischen Jugend gebildet.
Zeitweilig, insbesondere in den 1970er Jahren, wurde vor allem in den
Massenmedien die Rote Armee Fraktion (RAF) neben anderen ähnlich agierenden,
dem Linksterrorismus zugeordneten Gruppierungen ebenfalls als „anarchistisch“
bezeichnet. Diese Zuordnung beruhte jedoch auf einem inhaltlich falschen bzw.
in der Praxis verengten Verständnis des Anarchismus. Sie besetzte das in der
Gesellschaft verbreitete, polarisierende und nicht näher spezifizierte
Schlagwort Anarchie im Sinne von Anomie. Die RAF, die ihre Aktionen und
Anschläge aus einem marxistisch-leninistischen Verständnis des
Antiimperialismus heraus begründete, hatte selbst inhaltlich keinen
anarchistischen Bezugsrahmen. Die fälschliche Fremdzuschreibung als
„anarchistisch“ beruhte vor allem auf ihrer extremen Militanz, mit der ihre
wesentlichen Akteure bis zur tödlichen Konsequenz für andere und sich selbst
gegen Symbolfiguren der herrschenden staatlichen und ökonomischen Strukturen
aus Politik, Wirtschaft und Justiz vorgingen. Deutsche
Verfassungsschutzbehörden ordnen den Anarchismus mit der Begründung, er strebe
eine „staats- und herrschaftsfreie Gesellschaftsordnung“ an, unter dem Begriff
des Linksextremismus ein, etwa im Verfassungsschutzbericht des Bundes von
2012.[40] International In Europa und den Amerikas rekonstituierten sich die
überregionalen Anarchistischen Föderationen und schlossen sich 1968 zur
Internationale der Anarchistischen Föderationen zusammen. In den USA und
Großbritannien entstand Ende der 1970er-Jahre der Punk als anarchistisch
geprägte Subkultur. Vor allem die Mitglieder der Band Crass sind hier als
engagierte Anarchisten und Pazifisten zu nennen. Nach dem Zerfall der
zentralistischen Staaten des Warschauer Pakts haben sich dort weitere
anarchistische Föderationen gebildet, die teilweise der Internationale
beigetreten sind. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre gibt es internationale
Libertäre Buchmessen in mehr als zehn Ländern. Anarchismus in der Gegenwart
Scheiss auf die Wahlen, gegen jede Repräsentation, gegen jede Autorität, für
Eigenverantwortung und Autonomie, für die Anarchie. Plakat in Wien, 2016 Ein
zeitgenössisches Plakat in griechischer Sprache. "Ihr erhebt euch also
erneut! Sie schafften es nicht, euch auf die Knie zu zwingen. Der Geist, der
euch dazu antreibt, den Staat und jede Herrschaft zu zerstören, ist nicht das
Resultat irgendeines pubertären Triebs, sondern Äußerung einer natürlichen LEIDENSCHAFT
für FREIHEIT, die aus den Tiefen eurer Seele entspringt." M. Bakunin Es
gibt auf der ganzen Welt lokale anarchistische Gruppen, die verschiedene
Strömungen propagieren und unterschiedlich organisiert sind. Die Bandbreite der
Aktivitäten reicht von Herausgabe von Zeitungen über die Umsetzung direkter
Aktionen bis zu anarchistischen Wohn- und Arbeitskollektiven. Der politische
Einfluss ist in der Regel begrenzt. Der Anarchismus in den Niederlanden wurde
Mitte der 1960er Jahre mit der Provo-Bewegung wieder aktuell. Nach der
Wirtschaftskrise in Argentinien im Jahre 2000 wurden einige hundert, zumeist
peronistisch ausgerichtete Betriebe in Selbstverwaltung gestellt, die
allerdings am normalen weltwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und nur einen
eingeschränkt mutualistischen Ansatz verfolgen.[41] Ebenso gelten die
Autonomen- und Punk-, insbesondere Anarcho-Punk-Szenen als stark vom
Anarchismus beeinflusst. Die Hausbesetzer- und Umsonstladenbewegungen gelten
ebenfalls als anarchistisch inspiriert. Zu Beginn des 3. Jahrtausends
adaptierte die kurdische Bewegung in Form des demokratischen Konföderalismus
eine zeitgenössische, pragmatische Form der ökologischen und demokratischen
Selbstverwaltung aus anarchistischen Diskursen. Organisationen An bedeutenden
internationalen Gruppierungen sind die Internationale der Anarchistischen
Föderationen (IFA) und die internationale anarchistische
Gefangenenhilfsorganisation Anarchist Black Cross (ABC) zu erwähnen. Weltweit
gibt es mehrere hundert anarchistische Basisorganisationen und libertäre
Gruppen, die sich in lokalen Organisationen organisieren. In Deutschland war
die Föderation freiheitlicher Sozialisten (1947 bis um 1970;
Nachfolgeorganisation der FAUD) die größte Organisation nach dem Zweiten
Weltkrieg, heute ist die anarchosyndikalistische Gewerkschaft Freie
Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) Mitglied der Internationalen
Konföderation der Arbeiter*innen (IKA). Die Föderation deutschsprachiger
Anarchist*innen (FdA), 2003 gegründete Nachfolgeorganisation der 1989 ins Leben
gerufenen Initiative zum Aufbau einer Anarchistischen Föderation in
Deutschland, ist in der IFA assoziiert. Seit 2009 existieren mehrere
Ortsgruppen der Anarcho-Syndikalistischen Jugend. 2019 gründete sich die
plattform – anarchakommunistische Organisation, welche sich auf das
Organisationsprinzip des Plattformismus beruft. Periodika Die wichtigsten
deutschsprachigen Periodika sind die „Direkte Aktion“ der
Anarchosyndikalistischen Organisation FAU-IAA, die sich vom Print-zum digitalen
Medium gewandelt hat[42], die anarcho-pazifistische „Graswurzelrevolution“ und
ihre auch gesondert erscheinende Beilage „Utopia“, welche 2011 eingestellt
wurde. Seit 2015 erscheint halbjährlich Ne znam, eine Zeitschrift für
Anarchismusforschung.[43] Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen
veröffentlicht seit 2011 monatlich das Magazin „Gǎidào“.[44] Der
vierteljährlich erschienene „Schwarze Faden“[45] ist seit 2004 eingestellt. In
Berlin erschien die englischsprachige Zeitschrift „Abolishing the Borders from
Below“ von 2001 bis 2010. Zum anarchistischen Umfeld werden die
Selbstorganisationszeitschrift „Contraste“ und das ökologisch orientierte
„Grüne Blatt“ gerechnet. Mittlerweile eingestellt wurde „Die Aktion“. Die
Organisation Socialiste Libertaire gibt die „Rébéllion“[46] in deutscher und
französischer Sprache heraus. Anarchistische beziehungsweise
anarchosyndikalistische Wochenzeitungen erscheinen mit „Umanità Nova“ in
Italien, „le monde libertaire“ in Frankreich und „Arbetaren“ in Schweden. Siehe
auch: Liste anarchistischer Zeitschriften Aktionsformen Der Anarchismus ist
bestrebt, direkt sozial oder politisch zu handeln. Gewaltlosigkeit sei
idealerweise das Ziel einer Anarchie.[47] Aus diesem Ansatz leiten sich
verschiedene Aktionsformen ab, wie zum Beispiel der in der Regel gewaltlose
zivile Ungehorsam oder die Direkte Aktion, also Streik, Generalstreik,
Sabotage, Betriebs- und Hausbesetzung und militante Aktionen. Die Grenze
zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit in der Anarchie wird an „Notwendigkeiten“
festgemacht: „Die wahre anarchistische Gewalt hört auf, wo die Notwendigkeit
der Verteidigung und der Befreiung aufhört“ schrieb Errico Malatesta, ein
bedeutender Aktivist und Wortführer der italienischen Anarchisten, 1924 zur
Zeit der faschistischen Diktatur in Italien.[47] Für die Errichtung und
Aufrechterhaltung einer Anarchie wurde Gegengewalt im frühen 20. Jahrhundert
weithin als legitimes Mittel gegen Herrschaft erachtet.[47] Im 19. und frühen
20. Jahrhundert war die Propaganda der Tat eine weitverbreitete Aktionsform,
mit der anarchistische Ideen durch Aktionen mit Vorbildcharakter verbreitet
werden sollten. Die Aktionsform wurde vor allem durch Anschläge auf exponierte
Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik bekannt. In den Revolutionen
des 19. und 20. Jahrhunderts spielten Anarchisten eine Rolle und waren zum
Beispiel als Partisanenbewegungen, wie die Machnowzi während des russischen
Bürgerkrieges, auch von militärischer Bedeutung. Im späten 20. Jahrhundert sind
neue Formen wie Kommunikationsguerilla, schwarzer Block, Clownarmee und
Guerilla Gardening hinzugekommen. Symbole → Hauptartikel: Anarchistische
Symbolik Die Symbole des Anarchismus umfassen eine Vielzahl von Zeichen. Am
häufigsten werden das A im Kreis, eine schwarze oder diagonal schwarz geteilte
Fahne und der schwarze Stern verwendet. Siehe auch Portal Portal: Anarchismus –
Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Anarchismus Liste bekannter
Anarchisten Anarchismus in Kuba Anarchismus in der Türkei Anarchismus in den
Vereinigten Staaten Anarchismus in Japan Anarchismus in Korea Literatur
Einführungen Autorenkollektiv: Was ist eigentlich Anarchie. Einführung in die
Theorie und Geschichte des Anarchismus. 2. überarbeitete Auflage. Kramer,
Berlin 1997, ISBN 3-87956-700-X. Achim von Borries, Ingeborg Brandies (Hrsg.):
Anarchismus. Theorie, Kritik, Utopie. Texte und Kommentare. Verlag
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Der Anarchismus. Gestalten, Geschichte, Probleme. 3. überarbeitete und erweiterte
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Ja! Anarchismus! Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert. Interviews und Gespräche.
Karin Kramer Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-87956-307-1 Bernd Drücke (Hrsg.):
Anarchismus Hoch 2. Soziale Bewegung, Utopie, Realität, Zukunft. Karin Kramer
Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-87956-375-3 Gruppe Gegenbilder (Hrsg.):
Autonomie & Kooperation. Projektwerkstatt, Reiskirchen-Saasen 2005, ISBN
978-3-86747-001-8 Gruppe Gegenbilder (Hrsg., überarbeitet von Jörg Bergstedt):
Freie Menschen in freien Vereinbarungen, Reiskirchen-Saasen 2012, ISBN
978-3-86747-005-6 Graswurzelrevolution (Hrsg.): Gewaltfreier Anarchismus.
Herausforderungen und Perspektiven zur Jahrhundertwende. Verlag
Graswurzelrevolution, Heidelberg 1999, ISBN 3-9806353-1-7 Wolfgang Haug &
Michael Wilk: Der Malstrom. Aspekte anarchistischer Staatskritik. Trotzdem
Verlag, Grafenau 1995, ISBN 3-922209-82-3 Gabriel Kuhn: Vielfalt – Bewegung –
Widerstand. Texte zum Anarchismus Unrast Verlag, Münster 2009 ISBN
978-3-89771-497-7 Gabriel Kuhn: Anarchismus und Revolution. Gespräche und
Aufsätze. Unrast Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3-89771-226-3 Christine
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ISBN 3-936049-12-2 Michael Wilk: Macht, Herrschaft, Emanzipation. Aspekte
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3-931786-16-1 (michael-wilk.info [PDF; abgerufen am 28. Juli 2017]). Kritik am
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Abrechnung mit dem alten und dem neuen Anarchismus. Verlag 8. Mai, Berlin 1998.
ISBN 3-931745-06-6 Ute Nicolaus: Souverän und Märtyrer. Verlag Königshausen
& Neumann. Reihe Literaturwissenschaft. Band 506. S. 39, 40. Florens
Christian Rang: Kritik am Anarchismus: Das Problem der Gewalt. ISBN
3-8260-2789-2 C. Roland Hoffmann-Negulescu: Anarchie, Minimalstaat, Weltstaat.
Kritik der libertären Rechts- und Staatstheorie. Kapitel IV., Anarchie, Staat
und Utopie. S. 83. Tectum Verlag, Marburg 2011. ISBN 3-8288-8303-6
Syndikalismus ist eine Weiterentwicklung des Gewerkschafts-Sozialismus, die von
dem französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon begründet wurde. Der
Syndikalismus propagiert die Aneignung von Produktionsmitteln durch die
Gewerkschaften, die dann auch an Stelle politischer Stellvertreter die
Verwaltung organisieren. Dabei bilden Streik, Boykott und Sabotage die Mittel
der Syndikalisten; parlamentarische Bestrebungen werden abgelehnt. Inhaltsverzeichnis
1 Idee 2 Syndikalismus in Deutschland 3 Die Organisation der Lokalisten 4 Vom
Lokalismus zum Syndikalismus 5 Die weitere programmatische Ausrichtung des
Syndikalismus 6 Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Deutschland
7 Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten
Weltkrieg 8 Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) 9 Syndikalismus: Zum
Gebrauch des Begriffs 10 Siehe auch 11 Literatur 12 Weblinks 13 Einzelnachweise
Idee Die nach föderalistischen Prinzipien aufgebaute Gewerkschaft solle mittels
eines Generalstreiks die Produktionsmittel in die Obhut der Arbeiterschaft
führen. Der Zusammenschluss (Syndikat) der Produktionseinheiten würde die
ökonomische Basis einer neuen Gesellschaft in Selbstverwaltung bilden. Der
bedeutendste Ideengeber und Vertreter der syndikalistischen Arbeiterbewegung
fand sich in der Person von Fernand Pelloutier. Ein wichtiges strukturbildendes
Element stellte die Arbeiterbörse dar. Der Syndikalismus war Anfang des 20.
Jahrhunderts besonders in Frankreich in Gewerkschaftskreisen verbreitet, etwa
in Form der Charta von Amiens von 1906, wurde jedoch nach Ende des Ersten
Weltkrieges von marxistischen Strömungen (vor allem dem Kommunismus) verdrängt
und zudem vom Faschismus bekämpft. Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs
1939 war der Syndikalismus praktisch verschwunden. Erweitert und im Wesenskern
ergänzt um weltanschauliche und philosophische Elemente des Anarchismus formte
sich der Anarchosyndikalismus. In Spanien erreichte die anarchosyndikalistische
Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) im ersten Drittel des 20.
Jahrhunderts eine breite Anhängerschaft von etwa zwei Millionen Mitgliedern und
gehörte zu den bedeutenden Faktoren der spanischen Politik. Die CNT sympathisierte
zeitweise mit der Russischen Revolution und trat 1919 der III. Internationale
(Komintern) bei. Nach 1921 vertrat jedoch nur noch eine Minderheit der
kommunistischen Syndikalisten die Verbindung mit der Russischen Revolution,
auch international dominierte Kritik gegenüber dem sich autoritär entwickelnden
Sowjetstaat.[1] In Deutschland trennten sich um 1921 die sich anfangs noch
stark überlappenden Milieus syndikalistischer und kommunistischer
Gewerkschaften. Konsequenterweise gründete sich 1922 ein eigener
internationaler Zusammenschluss anarcho-syndikalistischer Gewerkschaften, die
Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA). Syndikalismus in Deutschland
Die Geschichte in Deutschland wurde zunächst durch den Begriff des „Lokalismus“
geprägt. Dieser bezeichnet dabei gleichzeitig die Herkunft und die Motivation
der (anarcho-)syndikalistischen Bewegung. Sie entstammte der Sozialdemokratie
und wandte sich im Zuge der Verhältnisse unter den sogenannten
„Sozialistengesetzen“ (1878–1890) einem föderalistischen Gewerkschaftsmodell
zu, in welchem die Ortsvereine Souverän ihrer Entscheidungen blieben und sich
keiner Zentralinstanz unterordnen mussten. Das lag darin begründet, dass die
regionalen Vereinsgesetze oftmals nur lokale Vereinigungen zuließen, und zum
anderen daran, dass die „Lokalisten“ die zentralistische Organisationsform als
anfälliger für Repressions- und Korruptionsmaßnahmen ansahen. Des Weiteren
kritisierten sie die Tendenz, die Aufgaben der Gewerkschaften lediglich auf die
Tagesfragen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen festzulegen.
Der Klassenkampf der Arbeiterklasse solle nicht die alleinige Aufgabe der
sozialdemokratischen Partei sein. Hier lag der Keim für die weitere Ausformung
des (Anarcho-)Syndikalismus begründet, die Gewerkschaften gleichermaßen als
ökonomische, politische und kulturelle Bewegung anzusehen und auszurichten. Die
Organisation der Lokalisten Nach dem Ende der „Sozialistengesetze“ im Jahre
1890 und weiteren Zentralisierungstendenzen auf dem Kongress von Halberstadt
1892 entstand innerhalb der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung eine
Opposition zur „Generalkommission für die Zentralverbände“, welche sich dieser
Entwicklung verweigerte und sich auf Reichsebene im Jahre 1897 als
„Vertrauensmänner-Zentralisation Deutschlands“ bzw. „Zusammenschluss der
lokalorganisierten oder auf Grund des Vertrauensmännersystems zentralisierten
Gewerkschaften Deutschlands“ organisierte. Bis zum Kriegsausbruch im Jahre 1914
hielt die 1901 in „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVDG)
umbenannte Organisation 11 Reichskongresse ab. Besonderen Anklang fand sie bei
den Berufsvereinigungen der Bauarbeiter mit Zentrum in Berlin. Insgesamt
vereinigte sie bis zum Ersten Weltkrieg bis zu 20.000 Mitglieder. Die
organisatorischen Köpfe fanden sich in Fritz Kater, Gustav Keßler, Andreas
Kleinlein und Carl Thieme, welche sowohl die Geschäftskommission stellten, als
auch seit 1897 für das zentrale Organ Die Einigkeit verantwortlich waren,
welches in einer Auflage von 10.000 zweiwöchentlich erschien. Außerdem war
Fritz Kater Verleger und Herausgeber der Zeitschrift Der Syndikalist. Vom
Lokalismus zum Syndikalismus Um die Jahrhundertwende bestand die Bewegung aus
revolutionären Sozialdemokraten und Parteimitgliedern, doch ging die Partei in
den Jahren ab 1902 verstärkt dazu über, die lokalistische Bewegung und ihr
Programm der „Propaganda für die Idee des Massen- resp. Generalstreiks“
offensiv zu bekämpfen, bis die Parteitage der Jahre 1906 bis 1908 den
Ausschluss der dort als „Anarcho-Sozialisten“ betitelten lokalorganisierten
Mitglieder thematisierte. Diese bezeichneten sich gemäß ihrer programmatischen
Ausformung selber immer häufiger als „Syndikalisten“. Ihre Entwicklung wurde
weiterhin maßgeblich durch die Schriften von Fernand Pelloutier (Anarchismus
und Gewerkschaften), Arnold Roller (d. i. Siegfried Nacht: Der soziale
Generalstreik) und vom Konzept der französischen „bourses du travail“, den
sogenannten „Arbeiterbörsen“, geprägt. Im Jahre 1908 fasste die SPD auf ihrem
Parteitag in Nürnberg einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den
lokalorganisierten Gewerkschaften, woraufhin nur etwa 8.000 der insgesamt ca.
16.000 Mitglieder in der FVDG verblieben. Die weitere programmatische
Ausrichtung des Syndikalismus Diese prägten fortan den Begriff „Syndikalismus“
in Deutschland und darüber hinaus und gaben sich im Jahre 1911 das Programm
„Was wollen die Syndikalisten?“. Das ideelle Fundament speiste sich zusätzlich
vornehmlich aus den Schriften Peter Kropotkins und trug die Bezeichnung „Kommunistischer
Anarchismus“. Die Syndikalisten der FVDG setzten sich nicht nur für bessere
Lohn- und Arbeitsverhältnisse ein, sondern auch für die Abschaffung des
kapitalistischen Wirtschaftssystems zugunsten einer „freien und von der
Arbeiterschaft selbst verwalteten Gesellschaftsform“. Dieser
„Umformungsprozess“ sollte durch einen Generalstreik eingeleitet werden, in
dessen Folge die bislang profitorientierte Produktion zugunsten einer
bedürfnisorientierten und solidarischen Wirtschaftsweise umgestellt werden sollte.
Die Aufgaben der Bedarfsermittlung, der Verteilung der Produkte, aber generell
auch der kulturellen Belange und die der Bildung und Erziehung sollten den
Arbeiterbörsen vorbehalten bleiben, in welchen die einzelnen Berufsverbände
sowie die außerberuflichen syndikalistischen Vereinigungen zusammengefasst
wurden. Dieses Konzept wurde im Wesentlichen formuliert in der
Prinzipienerklärung des Syndikalismus von Rudolf Rocker im Jahre 1919 und 1922
von der „Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen“, ausführlicher
präzisiert in der Schrift Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Abgesehen von
diesem Kernbereich wendeten sich die Syndikalisten auch gegen alle materiellen
und ideologischen Bestrebungen, welche ihrer Auffassung nach einer Forcierung
des Klassenkampfes zuwiderliefen, beispielsweise den Nationalismus, den
Militarismus und das Kirchenwesen. Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten
Weltkriegs in Deutschland Infolge ihres Charakters wurde die FVDG mitsamt ihrer
Presse (Die Einigkeit und Der Pionier) zu Kriegsbeginn im Jahre 1914 verboten,
während die SPD und die Zentralgewerkschaften mit der deutschen Regierung den
„Burgfrieden“ schlossen und begünstigt wurden. So mussten beispielsweise die
Redakteure vieler SPD-Organe nicht zum Militärdienst antreten. Im Gegensatz zu
diesen wurden viele Syndikalisten verhaftet, die öffentlich gegen den Krieg
eintraten. Zudem wurden viele Aktivisten der FVDG zum Militärdienst eingezogen,
so dass die bloße Aufrechterhaltung der Organisation oberste Priorität erlangte.
Dazu gab die Geschäftskommission während der Kriegsjahre zwei Organe heraus,
welche nach kurzer Zeit verboten wurden: Das Mitteilungsblatt der
Geschäftskommission der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (1914–1915)
und das Rundschreiben an die Vorstände und Mitglieder aller der Freien
Vereinigung deutscher Gewerkschaften angeschlossenen Vereine (1915–1917).
Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten
Weltkrieg Mit dem Ende des Krieges konnte sich die FVDG neu formieren und viele
von der Sozialdemokratie enttäuschte Arbeiter ansprechen. Bis 1919 schlossen
sich schon etwa 60.000 Mitglieder an. Auf ihrem ersten Nachkriegskongress Ende
1919 vereinigten sich unter dem Programm der genannten Prinzipienerklärung des
Syndikalismus in der in „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD) umbenannten
Organisation bereits über 111.000 Syndikalisten aus dem gesamten Reichsgebiet
mit regionalen Schwerpunkten in fast allen größeren Städten, besonders aber im
Rheinland, im Ruhrgebiet, in Schlesien und in Berlin. Ortsvereine entstanden
vor allem dort, wo die Industrialisierung einsetzte, und zudem
zentralgewerkschaftliche Organisationen noch nicht Fuß gefasst hatten, so auch
in vielen Kleinstädten und Dörfern. Lag der Branchenschwerpunkt während der
Kaiserzeit bei den Bauarbeitern, so kamen jetzt vor allem Metallarbeiter und
Bergarbeiter zu zehntausenden hinzu. Auch in der Holz-, der chemischen- und
Verkehrsindustrie wuchsen mancherorts starke syndikalistische Organisationen
heran. Die FVDG war eine originäre proletarische Organisation. Intellektuelle
bildeten auch auf Funktionärsebene eine seltene Randerscheinung. Begrifflich
änderte sich 1919 der Organisationsname zugunsten des Elements „Union“, womit
den seit Anfang des 20. Jahrhunderts veränderten Produktionsprozessen Rechnung
getragen wurde. Die Mitglieder sollten nicht mehr nur nach speziellen
Berufsgruppen organisiert, sondern möglichst nach Industriebereichen
zusammengefasst werden, um ihre Schlagkraft am Ort zu erhöhen. Zudem änderte
sich im Jahre 1921 per Kongressbeschluss die offizielle Bezeichnung „FAUD
(Syndikalisten)“ in das bis 1933 gültige „FAUD (Anarcho-Syndikalisten)“, womit
das kommunistisch-anarchistische Fundament verdeutlicht wurde. Dennoch wurden
die Begriffe „Syndikalismus“ und „Anarcho-Syndikalismus“ in Deutschland sowohl
von Zeitgenossen als auch in der Forschung auch synonym verwendet, da sich
außerhalb des Anarcho-Syndikalismus keine rein syndikalistische Organisation
definieren konnte. Nahestehende Zusammenschlüsse, wie beispielsweise die
„Arbeiter-Unionen“ oder die „Föderation Kommunistischer Anarchisten
Deutschlands“ und der Syndikalistische Frauenbund, orientierten sich rein
unionistisch oder anarchistisch. Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA)
Der Syndikalismus in Deutschland, wenngleich zahlenmäßig nicht größer als etwa
150.000 im Jahre 1922, hatte bedeutenden theoretischen und organisatorischen
Einfluss auf die internationale syndikalistische Arbeiterbewegung. Im gleichen
Jahr wurde in Berlin in Bezugnahme zur „Ersten Internationale“ von 1864 die
„Internationale Arbeiter-Assoziation“ (heute Internationale
ArbeiterInnen-Assoziation) nach anarchosyndikalistischen Vorstellungen neu
gegründet. Rudolf Rocker verfasste die Prinzipienerklärung und stellte zusammen
mit Augustin Souchy und Alexander Schapiro bis 1933 das Sekretariat in Berlin.
Die IAA vereinigte zeitweilig bis zu zwei Millionen Mitglieder. Ihre stärksten
Sektionen hat sie in Europa und Südamerika. Die IAA vertritt den Standpunkt,
dass der Begriff „Syndikalismus“ alleine nicht genüge. Syndikalismus: Zum
Gebrauch des Begriffs Tatsächlich versuchten autoritär-kommunistische und
faschistische Kräfte vor allem in Frankreich, Italien und später auch in
Spanien den Begriff für ihre Ziele in Anspruch zu nehmen. Gegenüber manch
solcher zentralistischer und nationalistischer Abart mit Bezug auf Georges
Sorel muss betont werden, dass sich die internationale syndikalistische
Arbeiterbewegung bewusst an den Ideen und Methoden des Anarcho-Syndikalismus
orientierte, wie er sich auch in Deutschland formierte. Entgegen mancher
Auffassung spielte Georges Sorel für die syndikalistische Arbeiterbewegung in
Deutschland keine und in vielen anderen Ländern, wenn überhaupt, nur eine
untergeordnete Rolle. In Italien hingegen übte Sorel einen großen Einfluss aus.
Benito Mussolini bekannte sich offen zu Sorel und erklärte, dass er von Sorel
stark geprägt worden sei.[2] Was die Konkretisierung des Begriffs
„Syndikalismus“ dennoch gerade im internationalen Zusammenhang notwendig macht,
ist die einfache Tatsache, dass der Begriff von Land zu Land eine andere
Bedeutung hat. Er stammt aus dem Französischen von „syndicat“ und bezeichnet in
den romanischsprachigen Ländern zunächst einmal lediglich einen weitgehend
unbestimmten Gewerkschaftsbegriff. Zur Unterscheidung von
sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften wird auch der wenig geeignete, weil
inhaltlich nur mäßig bestimmte und ungenaue Begriff „revolutionärer
Syndikalismus“ verwendet. Siehe auch Christiaan Cornelissen, Clara Wichmann, Helmut
Rüdiger Teresa Claramunt, Salvador Seguí, Ángel Pestaña, Juan Peiró, Diego Abad
de Santillán, Luís Andrés Edo Gildensozialismus Literatur Gerhard Aigte: Die
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Lich/Hessen 2017, ISBN 978-3-86841-143-0. Helge Döhring: Syndikalismus in
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Lich/Hessen 2013, ISBN 978-3-868410-83-9. Helge Döhring: Anarcho-Syndikalismus
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