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Als Pariser Kommune (französisch La Commune de Paris) wird der während des Deutsch-Französischen Krieges spontan gebildete revolutionäre Pariser Stadtrat vom 18. März 1871 bis 28. Mai 1871 bezeichnet, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten. Ihre Mitglieder werden Kommunarden (frz. communards, Sg. communard) genannt. Die Pariser Kommune gilt als Vorbild der Rätedemokratie.
Hintergründe des Aufstands
Der Deutsch-Französische Krieg
Die Ereignisse um die Pariser Kommune spielten sich während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/1871 ab. Am 1. September 1870 verlor die französische Armée de Châlons, die die Belagerung der seit dem 20. August bei Metz eingeschlossenen Armée du Rhin aufbrechen sollte, die Schlacht bei Sedan und wurde selbst eingeschlossen. Sie musste tags darauf kapitulieren, wobei auch Kaiser Napoleon III. gefangen genommen wurde. Nur das neugebildete 13. Korps hatte sich der Einkesselung bei Sedan entziehen können und war damit der letzte einsatzfähige Rest des französischen Feldheeres.
Die Nachricht von diesen Ereignissen erreichte Paris am Nachmittag des 3. September und sorgte für Empörung. Am 4. September wurde die Deputiertenkammer von Volksmassen gestürmt, kurz danach wurde die im Parlament bereits in der vorhergehenden Nacht beantragte Absetzung des Kaisers verkündet und die Republik ausgerufen. Noch am Nachmittag des 4. verließ die Kaiserin Paris und floh nach England. In Paris wurde aus den in dieser Stadt gewählten Abgeordneten der letzten napoleonischen Deputiertenkammer eine Regierung der nationalen Verteidigung gebildet. Ihre führenden Köpfe waren Jules Favre (Äußeres) und Léon Gambetta (Inneres), ihr Chef der von Napoleon zum Gouverneur von Paris ernannte General Trochu, der auch zeitweise als Kriegsminister fungierte. Weitere Mitglieder waren Emmanuel Arago (Justiz), Jules Ferry, Louis-Antoine Garnier-Pagès, Alexandre Glais-Bizoin, Adolphe Crémieux, Eugène Pelletan, Ernest Picard (Finanzen), Henri Rochefort und Jules Simon (Unterricht).[1] Die neue Regierung setzte den Krieg trotz der ungünstigen strategischen Lage entschlossen fort.
Vom 19. September 1870 bis zum Abschluss des Waffenstillstandes am 28. Januar 1871 wurde die französische Hauptstadt von den Deutschen belagert. Bereits in dieser Zeit radikalisierten sich Teile der Nationalgarde, was sich in Demonstrationen, Unruhen und Putschversuchen am 22. und 27. September, am 7./8. Oktober sowie am 31. Oktober 1870 (nach dem Eintreffen der Nachricht von der Kapitulation der Armee Bazaine) und am 22. Januar 1871 niederschlug.[2][3] Mit dem Zentralkomitee der 20 Stadtbezirke hatte sich unter maßgeblichem Einfluss Louis-Auguste Blanquis, Jules Vallès’, Gustave Flourens’, E. Razouas, Eugène Varlins, Jean-Baptiste Millières, Dominique Régères u. a. bereits am 11. September eine inoffizielle Gegenregierung gebildet, welche erstmals am 17. September die Bildung einer Kommune forderte.
Durch den gewährten Tagessold von 1,50 Franc nebst Zulagen für Familienangehörige (0,75 Franc für Frauen, 0,25 Franc pro Kind) entstand eine Situation, in der der Dienst in der Nationalgarde für viele Arbeiter wesentlich attraktiver war als die Arbeit im Beruf. So entstanden bereits am 30. September zu den seit langem bestehenden 60 Bataillonen, die nur aus wahlberechtigten, d. h. wohlhabenden Bürgern rekrutiert waren, nicht nur, wie von der Regierung beschlossen, 60 neue, vorwiegend aus Arbeitern bestehende Bataillone, sondern es kamen 194 hinzu, allerdings nur selten in der vorgeschriebenen Stärke. Jules Ferry berichtete am 16. September in einer Sitzung der Regierung: „Die Bataillone, die sich eben bilden, sind ohne Soldaten; die Bataillonschefs ernennen sich selbst oder lassen sich von einer Handvoll Freunde ernennen.“[4] Für die militärische Auseinandersetzung mit dem äußeren Feind waren diese Truppenteile mangels jeglicher Ausbildung weitgehend unbrauchbar, dagegen stellten sie eine für die Regierung gefährliche Bürgerkriegsarmee dar, die verbal für die guerre à outrance (Krieg bis zum Äußersten) und gegen jeden Waffenstillstand, aber auch gegen die Wahl einer Nationalversammlung eintrat, mit einem Zitat Blanquis aus dessen Zeitung La Patrie en danger vom 28. September 1871 ausgedrückt: „die Abgeordnetenversammlungen sind eine verbrauchte, verdammte, schlechte Mode, nicht bloß in Zeiten der Krisis, in Zeiten des Krieges, sondern zu allen Zeiten“.
Am 28. Januar 1871 wurde schließlich ein Waffenstillstand vereinbart, der auch die Wahl einer Nationalversammlung für den 8. Februar vorsah, welche am 12. in Bordeaux zusammentrat und am 17. Adolphe Thiers zum Ministerpräsidenten („Haupt der vollziehenden Gewalt der französischen Republik“) wählte. Gemäß dem Vorfrieden von Versailles vom 26. Februar, der von Adolphe Thiers und Jules Favre ausgehandelt worden war, rückten kleine Kontingente der deutschen Armee (Teile des VI. und XI. sowie des II. bayerischen Armeekorps, zusammen etwa 30.000 Mann) am 1. März, 10:00 Uhr, in Teile der Stadt rechts der Seine ein und besetzten die dortigen Forts, zogen sich aber bis zum 3. März, 11:00 Uhr, nach der Übergabe der Ratifikationsurkunde für den Vorfrieden am 2. März, wieder zurück.[5]
Entwicklung in Paris
Während die regulären Truppen in Paris entsprechend dem Waffenstillstandsabkommen (bis auf 12.000 Mann für den inneren Dienst) entwaffnet und aus der Armee entlassen wurden, bestand Jules Favre entgegen dem Rat Bismarcks darauf, die Nationalgarde nicht zu entwaffnen, denn er befürchtete ein Blutbad bei der Ausführung dieser Bestimmung.[6] Weil nach der Unterzeichnung des Vorfriedens viele Angehörige der 60 bürgerlichen Bataillone die Stadt verlassen hatten, erlangte der revolutionsbereite Teil der Nationalgarde das militärische Übergewicht in der Stadt, was unmittelbar nach dem Abzug der Deutschen noch am 3. März zu Plünderungen und in der Nacht vom 3./4. März zu einem Angriff auf Polizeiposten und der Verteilung der dabei erbeuteten weiteren Waffen führte. Außerdem benannte sich das Zentralkomitee der 20 Arrondissements am 3. März in Hauptausschuss des Republikanischen Bundes der Nationalgarde der inzwischen 215 „verbündeten Bataillone“ um,[7] was eine deutliche Kampfansage an die frisch gewählte Nationalversammlung war, deren Mehrheit (450 von 750) aus royalistischen Abgeordneten bestand, allerdings in drei Gruppierungen – zwei große und eine kleine – mit jeweils unterschiedlichem Thronprätendenten (Legitimisten (182 Mandate): Graf von Chambord – Orléanisten (214 Mandate): Graf von Paris – Bonapartisten: Napoleon III., später Napoleon IV.) gespalten und deshalb zwar einig in der Ablehnung der Republik, aber sich gegenseitig neutralisierend bei dem Bestreben, etwas anderes an deren Stelle zu setzen.[7] Deswegen bestimmte die Nationalversammlung auf Vorschlag Thiers am 10. März nicht Paris, sondern Versailles (welches inzwischen von den deutschen Truppen geräumt worden war) zum vorläufigen Sitz von Regierung und Parlament.
Auch die Führer- und die Anhängerschaft der Kommune bildete keine homogene Masse, sondern es lassen sich mehrere Gruppen unterscheiden: Teile des linksliberalen Bürgertums erstrebten einen Umbau der inneren Ordnung Frankreichs, weg von dem seit Kardinal Richelieu herrschenden Zentralismus und hin zu einer Föderation autonomer französischer Städte, die mit dem Rest des Landes nur noch wenige Angelegenheiten gemeinsam haben sollte.[8] Sie wirkten zusammen mit Anhängern des utopischen Sozialismus Proudhonscher Prägung und revolutionären Verschwörern wie Blanqui.
Geschichte der Kommune
Die Kanonen von Montmartre
Abtransport der Kanonen nach Montmartre (zeitgenössische Darstellung)
Zum Zündfunken des Aufstands wurde der Versuch der Thiers-Regierung, der Nationalgarde zumindest die in der Nacht vom 26./27. Februar aus den Beständen der Armee gestohlene Artillerie (insgesamt 400 Rohre) wieder zu entreißen. Als Vorwand für den Diebstahl hatte gedient, die „Artillerie des Volkes“ vor den Deutschen in Sicherheit zu bringen. Da die neuen Standorte in den damaligen Arbeitervierteln Montmartre, Belleville, Buttes-Chaumont und La Villette teilweise näher an der Einschließungslinie lagen als die bisherigen an der Avenue de Wagram und im Parc Monceau,[7] war der Vorwand ein durchaus durchsichtiger. Am 10. März vereitelte der Hauptausschuss der Nationalgarde den friedlichen Versuch des Arrondissementbürgermeisters von Montmartre, Georges Clemenceau, die dort stationierten 227 Kanonen dem von der Regierung beauftragten General Louis d’Aurelle de Paladines auszuhändigen. Am Morgen des 18. März versuchten die Regierungstruppen einen gewaltsamen Zugriff auf alle Standorte, der jedoch durch organisatorische Mängel (die Pferde zum Abtransport waren nicht rechtzeitig zur Stelle) verzögert wurde und schließlich durch Meuterei des 88. Linienregiments scheiterte, als dieses sich mit der heranziehenden Nationalgarde verbrüderte. Der die Aktion kommandierende General Claude Lecomte wurde von seinen Truppen gefangen genommen, ebenso der frühere Befehlshaber der Nationalgarde, Jacques Léon Clément-Thomas, der während eines Spazierganges in Zivil aufgegriffen wurde. Am Nachmittag des Tages wurden beide erschossen, woraufhin Thiers durch General Joseph Vinoy die wenigen treu gebliebenen Truppen und die Beamtenschaft erst auf das linke Seineufer und dann nach Versailles führen ließ.[9] Als sich am Abend die Nachricht verbreitete, dass das Stadthaus und die Polizeipräfektur geräumt waren, zog der Hauptausschuss in das Stadthaus um. Teilweise wurden schon zu diesem Zeitpunkt Polizeiposten und Ministerien besetzt. Der Führung der Nationalgarde war damit nicht nur die militärische, sondern auch die politische Schlüsselrolle in der Stadt zugefallen.
Die radikalsten Kräfte forderten den sofortigen Marsch auf Versailles, der aber nicht unternommen wurde. Das Streben nach vollständiger Autonomie der Stadt überwog den Willen zu einer politischen Revolution in ganz Frankreich.
Die Tage der Kommune
Uniformen der Kommunarden
Zunächst übernahm das Zentralkomitee der Nationalgarde die Macht in Paris, schrieb aber, da „es sich nicht anmaße, an die Stelle jener Männer zu treten, die der Atem des Volkes hinweggefegt hat“,[10] sich also explizit nicht als Regierung begriff, schnell Wahlen zum Gemeinderat aus. Diese erbrachten am 26. März ein sehr gemischtes Ergebnis: Von 1,8 Millionen Einwohnern waren knapp 492.000 wahlberechtigt, davon machten nur knapp 221.000 (44,9 %) von ihrem Wahlrecht Gebrauch, wobei die Wahlbeteiligung zwischen je 21,0 % im 7. und 8. Arrondissement und 59,8 % im 11. sowie 58,2 % im 10. Arrondissement schwankte. Lediglich drei Gewählte (Mortier im 11. sowie Bergeret und Ranvier im 20. Arrondissement) erhielten die Stimmen von mehr als 50 % der Wahlberechtigten ihres Bezirkes.[11] Insgesamt wurden 91 Mandate vergeben, da manche Kandidaten jedoch in mehreren Arrondissements gewählt wurden (z. B. E. Varlin im 6., 12. und 17.), gab es nur 86 Gewählte. Von diesen waren 15 Anhänger der „Ordnungspartei“, d. h. Gegner der Kommune, diese nahmen die Wahl jedoch nicht an, ebenso sechs weitere Gewählte aus unterschiedlichen Gründen. Von denen, die die Wahl annahmen, gehörten 13 Personen auch dem Zentralkomitee der Nationalgarde an, 17 waren sozialistisch-kommunistische Anhänger der I. Internationale und 31 Anhänger Blanquis.[12] Das Zentralkomitee gab mit der Wahl die Regierungsverantwortung ab, behielt sich aber ausdrücklich die Entscheidungsgewalt über militärische Fragen vor. Der Gemeinderat (franz. Commune) verkündete die allgemeine Volksbewaffnung und ordnete die Verteidigung von Paris an, sowohl gegen die noch in den früheren Belagerungsstellungen rechts der Seine stehenden deutschen Truppen als auch gegen die französischen Regierungstruppen, die die deutschen Stellungen links der Seine übernommen hatten.
Die Reste der Vendôme-Säule, die als Symbol der Herrschaft Napoléons von den Kommunarden umgestürzt worden war; im Vordergrund Barrikaden
Kommunarden auf den Barrikaden auf dem Place Vendôme an der Einmündung der Rue de Castiglione
Unter den Kommunarden herrschte Einigkeit bei dem Ziel, die gerade erlangte Autonomie von Paris um jeden Preis und notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Außerdem war man sich in dem Bestreben einig, als gewählte Körperschaft des Volkes die Schaffung von menschenwürdigen sozialen Verhältnissen zur Aufgabe zu haben. Insbesondere die blanquistischen Vertreter sahen ihre Verantwortung jedoch nicht nur auf Paris beschränkt, sondern versuchten, die Kommune als Mittel zur Machteroberung in ganz Frankreich zu nutzen.
Bei der Frage, in welcher Reihenfolge und mit welchen Mitteln diese Ziele erreicht werden sollten, herrschte jedoch keine Einigkeit: Es gab sowohl die Auffassung, dass durch sofortige Sozialreformen und eine Neuordnung der Gesellschaft gemäß föderalistischen, freiheitlichen und humanistischen Prinzipien die Pariser Kommune eine Vorbildwirkung für das restliche Frankreich ausüben und sich damit zugleich die moralische und soziale Legitimation bei der Bevölkerung zu verschaffen solle, ohne die der Waffengang mit Versailles nicht gewonnen werden könne. Auf der anderen Seite wurde vor allem von den Blanquisten die schnelle Unterwerfung der Versaillais zum vornehmlichen Ziel auserkoren, Sozialreformen wären bis nach dem Sieg zu verschieben. Die Kommune wäre also demnach eher eine Kriegskommission gewesen, die die staatliche Macht auf sich vereinigte und gewillt war, zur Durchsetzung ihrer Ziele auch Gewaltmaßnahmen zu ergreifen. Ein erster Versuch dazu war der „Spaziergang nach Versailles“ zur Sprengung der Nationalversammlung und Verhaftung der Regierung am 3. April, der jedoch im Feuer des Forts Mont Valérien zusammenbrach, das von Regierungstruppen besetzt war.[12] Die daraufhin von der Kommune ausgesprochenen Anklagen gegen die Minister der Regierung Thiers samt sofortiger Konfiszierung ihres Vermögens änderten an den tatsächlichen Machtverhältnissen nichts.
Es kam nur zu wenigen Versuchen der Etablierung einer Kommune-Herrschaft in anderen französischen Städten, und diese wurden bis auf Lyon auch schnell von der Regierung niedergeschlagen. Die Regierungstruppen erzielten Schritt-für-Schritt-Erfolge an den einzelnen Forts, und es gelang trotz aller Aufrufe, Proklamationen und Beschlüsse keine Steigerung der Gefechtskraft der Nationalgarde. Aufgrund dieser Misserfolge erlangte die autoritäre Fraktion bald ein höheres Gewicht im Gemeinderat. Dies wurde zusätzlich durch den Austritt gemäßigter Vertreter begünstigt, nachdem am 4. Mai nach einer Kampfabstimmung ein aus der Revolution von 1789 bekannter Wohlfahrtsausschuss gebildet worden war. Dieser wurde mit quasi diktatorischen Vollmachten ausgestattet, und seine Mitglieder waren nur der Kommune verantwortlich. Der Wohlfahrtsausschuss hob die Pressefreiheit praktisch auf: Eine Reihe von Zeitungen wurde gänzlich verboten, die übrigen durften über seine Sitzungen nicht mehr berichten, denn, so ein Mitglied: „mit Pressefreiheit ist überhaupt keine Regierung möglich“.[13]
Unter den Führungspersonen gab es einen häufigen Wechsel, denn es kam zu gegenseitigen Verhaftungen unter dem Verdacht des Verrats zugunsten der Regierung Thiers. Jules-Henri-Marie Bergeret, Mitglied des Zentralkomitees und der Kriegs- sowie der Exekutivkommission der Kommune, wurde nach der Niederlage vom 3. April am 8. verhaftet und schrieb an die Wand seiner Zelle: „Bürger Cluseret, Sie haben mich hier eingesperrt. In einer Woche, erwarte ich, Sie hier zu sehen.“ Er irrte nur in der Zeit, denn sein Nachfolger wurde erst am 1. Mai verhaftet. Dessen Nachfolger Louis Rossel amtierte nur wenige Tage, bis er, zusammen mit einem vernichtenden Urteil über die Kommune, am 9. Mai mit den Worten: „Ich habe die Ehre, um eine Zelle in Mazas zu bitten“ zurücktrat. Der letzte „Kriegsminister“ der Kommune war dann Louis Charles Delescluze.[14]
Die Kommune begann mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen, die die Lebensbedingungen der Bürger verbessern sollten. An sozialen Maßnahmen vor allem ein Dekret über den rückwirkenden Erlass von fälligen Mieten, der Erlass über die Rückgabe von verpfändeten Gegenständen, insbesondere von „Kleidungsstücken, Möbeln, Wäsche, Büchern, Bettzeug und Arbeitswerkzeugen“[10] und die Abschaffung der Nachtarbeit für Bäckergesellen. Andere Dekrete waren grundsätzlicher Natur und spiegeln den säkularen und sozialreformerischen Anspruch der Kommune wider; dazu gehört beispielsweise die Trennung von Kirche und Staat und ein Dekret, nach dem die von ihren Besitzern bei der Flucht der Regierung verlassene Fabriken in Kollektiveigentum überführt und durch eine „kooperative Assoziation der Arbeiter“[10] betrieben werden sollten. Weiterhin stand die Kommune den Waisen von bei der Verteidigung von Paris gefallenen Nationalgardisten eine Pension zu, egal ob es sich dabei um legitime oder illegitime Kinder handelte.
Zu den Verordnungen zählten darüber hinaus symbolische Akte, wie die Zerstörung der Guillotine mit einem Schwert auf der Place Voltaire oder der Sturz der Vendôme-Säule, des Symbols der napoleonischen Feldzüge. Der Revolutionskalender aus der Zeit der Französischen Revolution wurde wieder eingeführt. Auch galten scharfe Tugendregeln, wie Maximilien de Robespierre sie vertreten hatte: Cafés, in denen Cocottes ihrem Gewerbe nachgingen, wurden überfallen, deren Freier verhaftet. Sozialistische Maßnahmen etwa die Verstaatlichung der Banque de France, unterblieben, wie Friedrich Engels später mit Bedauern vermerkte. Der Historiker Gordon A. Craig bezweifelt daher, dass der Aufstand der Kommune eine proletarische Revolution war, als die er in der marxistischen Geschichtsschreibung dargestellt wird.[15]
Zerstörungen in Paris, hier der Cour de Louis XIV im Hôtel de Ville
Die blutige Maiwoche
Da die Stärke der regulären französischen Armee gemäß dem Vorfrieden auf 40.000 Mann begrenzt war, musste sich die Regierung zunächst mit der Einschließung und Beobachtung von Paris begnügen. Auf Bitten der Thiers-Regierung wurden zahlreiche Kriegsgefangene, darunter auch Marschall Mac-Mahon, beschleunigt entlassen, so dass die Regierung Anfang April über 65.000 Mann, Ende April dann über 170.000 Mann verfügen konnte, deren Oberbefehl der Marschall übernahm.[16] Nachdem die Regierung die auch in der Provinz vereinzelt aufflammenden Aufstände niedergeschlagen hatte, begannen die regulären französischen Truppen mit der Beschießung der Befestigungen von Paris. Am 8. Mai fiel das Fort d’Issy, am 13. das Fort de Vanves, am 16. wurde das Fort de Montrouge von den Kommunarden verlassen.[17][18]
Am 21. Mai 1871 drangen Regierungstruppen durch die von der Wache verlassene Porte de Saint-Cloud in die Stadt ein. Die Organisationsstrukturen der Kommune brachen damit zusammen, und es kam wie zu ihrem Beginn zu dezentralem Kampf in den Pariser Stadtbezirken. Der verbissene Kampf während der sogenannten „Blutigen Maiwoche“, der vor allem um Barrikaden in den Pariser Straßen geführt wurde, dauerte bis zum 28. Mai. Am 22. Mai befahl die Führung der Kommune das Niederbrennen „verdächtiger Häuser“ und öffentlicher Gebäude der ganzen Stadt,[19] nachdem dieses Vorgehen bereits am 16. Mai in der Zeitung Cri du peuple leicht verschlüsselt angekündigt worden war: „Man hat alle Maßregeln ergriffen, dass kein fremder Soldat nach Paris hineinkommt. Die Forts können genommen werden, eines nach dem anderen; die Wälle können fallen. Aber kein Soldat kommt nach Paris herein. Wenn Herr Thiers Chemiker ist, so wird er uns verstehen.“[20] Der Palais du Louvre, das Palais Royal, das Pariser Rathaus, die Polizeipräfektur, der Rechnungshof, das Zolllager und das Finanzministerium, die Paläste des Staatsrates und der Ehrenlegion, mehrere Theater und der Justizpalast sowie das Palais des Tuileries fielen den Flammen in unterschiedlichem Grade zum Opfer.[20] In den Kämpfen und den folgenden Massenexekutionen wurden gemäß einer älteren Schätzung 30.000 Menschen getötet und etwa 40.000 inhaftiert; der britische Historiker Robert Tombs hat die Totenzahl jedoch mittlerweile deutlich nach unten korrigiert: rund 7.000. Die meisten gefangenen Kommunarden wurden entweder sofort standrechtlich erschossen, von Schnellgerichten abgeurteilt oder nach Versailles oder in die Kolonien, z. B. Île des Pins deportiert.
Das Rathaus nach dem Brand 1871
Die Regierungstruppen verzeichneten 900 Gefallene, die Kommunarden töteten im Verlauf der Kämpfe rund 70 Geiseln. Zur Umsetzung des sogenannten „Geiseldekrets“ vom 17. Mai, wonach die Exekution jedes Kommunarden durch die Regierungstruppen „mit der Exekution der dreifachen Anzahl Geiseln“[10] durch die Kommune beantwortet werden sollte, kam es nicht. Ein angestrebter Gefangenenaustausch zwischen Paris und Versailles, des Erzbischofs von Paris Georges Darboy gegen den Revolutionär Louis-Auguste Blanqui, scheiterte am Widerstand der Thiers-Regierung und endete mit der Exekution des Erzbischofs sowie weiterer fünf Geiseln am 24. Mai. Am 26. Mai wurden weitere 70 Geiseln exekutiert, zumeist Geistliche und Polizisten.[21]
Gedenktafel an der Mur des Fédérés auf dem Friedhof Père Lachaise
Erschossene Kommunarden vom 28. Mai 1871 in Särgen
Die Pariser Kommune endete am 28. Mai 1871 mit der Erschießung der vermutlich letzten aktiven 147 Kommunarden an der südlichen Mauer – Mur des Fédérés – des Friedhofs Père Lachaise.
Soziologische Betrachtung
Die Kommune des belagerten Paris markierte sozialgeschichtlich den Beginn einer neuen Epoche. Nach Sebastian Haffner ging es dabei
„zum ersten Mal um Dinge, um die heute in aller Welt gerungen wird: Demokratie oder Diktatur, Rätesystem oder Parlamentarismus, Sozialismus oder Wohlfahrtskapitalismus, Säkularisierung, Volksbewaffnung, sogar Frauenemanzipation – alles das stand in diesen Tagen plötzlich auf der Tagesordnung.“
– Sebastian Haffner (1987)[22]
Aus diesen Gründen wird die Zeit der Pariser Kommune verschiedentlich auch als ein Manifestationspunkt der Moderne bezeichnet.[23]
Emanzipation der Frauen
Frauen verteidigen Barrikade, auf einer Briefmarke der DDR von 1971
Während der Pariser Kommune entstand die erste feministische Massenorganisation mit der Union des femmes pour la défense de Paris et les soins aux blessés unter dem Einfluss der russischen Aristokratin Elisabeth Dmitrieff und der Buchbinderin Nathalie Lemel. Die Frauen verlangten und bekamen in dieser kurzen Zeit erstmals das Recht auf Arbeit und gleichen Lohn wie Männer und erstritten weitere Rechte wie die Gleichstellung ehelicher und nicht ehelicher Kinder sowie die Säkularisierung von Bildungs- und Krankenpflegeeinrichtungen. Dazu bildeten Frauen Organisationen, die für die Rechte der Frauen in der Gesellschaft kämpfen. Die beiden größten von ihnen heißen „Le Comité de Vigilance“ und „L´Union des femmes“. Diese beiden Organisationen nahmen oft an politischen Debatten in Debattierclubs teil. Durch die Organisationen konnten die Frauen auch in mehreren Bereichen der Organisation der Kommune teilnehmen. Frauen wie Louise Michel kämpften auf den Barrikaden mit.[24]
In den USA erschienen nur in der Zeitschrift Woodhull and Claflin’s Weekly von Victoria Woodhull und ihrer Schwester Tennessee Claflin positive Berichte über die Kommune, insbesondere über die Frauen der Kommune.[25]
Künstlerische Rezeption
Die Tage der Pariser Kommune haben, neben der Namensgebung des Parischskaja-Kommuna-Gletscher in der Antarktis, vielfältigen Eingang gefunden in die künstlerische Verarbeitung, insbesondere in die Literatur. Im Folgenden seien einige Beispiele genannt:
Literatur
Prosper-Olivier Lissagaray war Kommunarde und veröffentlichte zwischen dem 17. und 24. Mai 1871 in Paris den „Volkstribun“. Die von ihm verfasste Geschichte der Pariser Kommune (Histoire de la Commune de 1871) wurde später von Eleanor Marx, der Tochter von Karl Marx, ins Englische übersetzt. Victor Hugo war von den Ereignissen der Kommune sehr betroffen. Im September 1870 verfasste er eine Schrift für den Frieden: Appel aux Allemands. Im Dezember 1871 widmete er Louise Michel das Gedicht Viro Major und 1872, im Exil in Luxemburg, schrieb er den Gedichtband L'Année terrible.
Ebenso hielt sich Arthur Rimbaud als junger Mann zur Zeit des Kommune-Aufstands in Paris auf und begeisterte sich für die Sache der Kommunarden. Diese Sympathie wird in seinen im Mai 1871 verfassten Gedichten Die Pariser Orgie oder Paris füllt sich wieder, Die Hände Jeanne-Maries und Pariser Kriegslied ersichtlich. Auch Émile Zola greift auf die Ereignisse zurück. Am Ende (Kapitel 23 und 24) seines 1892 erschienenen Romans Der Zusammenbruch schildert er unter anderem die Vorgänge um die Pariser Kommune.
Auch nicht-französische Autoren setzten sich literarisch mit der Pariser Kommune auseinander. Emil Rudolf Greulichs Roman Die Verbannten von Neukaledonien handelt im Kontext der Pariser Kommune. Ewald August König (Pseudonym Ernst Kaiser), einer der ersten modernen deutschen Krimi-Autoren, veröffentlichte kurz nach deren Niederschlagung den 1260-seitigen Kolportageroman über die Kommune (Die Verschwörung der Republikaner oder Die Geheimnisse der Belagerung von Paris, Verlag Schoenfeld, Düsseldorf, 1872).
In den 1930er Jahren spielt Ernest Hemingway in seiner Kurzgeschichte Schnee auf dem Kilimandscharo (engl.: The Snows of Kilimanjaro) in Rückblicken auf den Aufstand der Kommunarden an. Bertolt Brecht wiederum begann nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil 1948 mit Plänen für eine Inszenierung des Stücks Die Niederlage von Nordahl Grieg, das sich mit Aufstieg und Fall der Kommune befasst, entschied sich aber letztlich für eine umfassende Neubearbeitung. Brecht verstand Die Tage der Commune als politisches Lehrstück für ein geschlagenes Land am Scheideweg zwischen Revolution und Restauration, in dem er die Situation von Frankreich 1871 mit der von Deutschland 1945 verglich. Das Stück wurde einen Monat nach Brechts Tod am 17. September 1956 in Karl-Marx-Stadt uraufgeführt.
Noch heute inspiriert die Geschichte der Pariser Kommune. So beschäftigt sich der 2010/2011 erschienene Roman Der Friedhof in Prag von Umberto Eco unter anderem mit den Ereignissen um den Aufstand der Pariser Kommune. Siehe auch weitere Literaturangaben unten. Erwähnenswert ist auch der vielbeachtete, vierbändige Comic von Jacques Tardi Die Macht des Volkes nach einem Roman von Jean Vautrin.
Film
Eine der ersten filmischen Rezeptionen ist der Stummfilm aus der Sowjetunion des Jahres 1929 (Das neue Babylon (Новый Вавилон), 129 min., Regie: Grigori Kosintsew, Leonid Trauberg). Die DDR produzierte 1966 die Theateraufzeichnung Die Tage der Commune von Brecht. Jüngere Beispiele sind der Dokumentarfilm aus Frankreich des Jahres 2000 (La commune (Paris, 1871), 345 min. Regie: Peter Watkins) und die Dokumentation (88 min.) "Die Verdammten der Pariser Kommune", Regie: Raphaël Meyssan, Frankreich 2019 auf ARTE.
Musik
Schon 1871 verwendete die Pariser Kommune die von Jules Faures verfasste Marseillaise de la Commune als Hymne.
Bereits Hanns Eisler vertonte das Gedicht Resolution der Kommunarden von Bertolt Brecht (1934).
Großen Einfluss hatten die Ideen der Kommunarden auf Luigi Nonos Azione scenica („Szenische Aktion“) mit dem Titel Al gran sole carico d’amore (Unter der großen Sonne mit Liebe beladen) von 1972/74, der sie damit in die Tradition der sozialistischen Revolten und Revolutionen stellt.
Die österreichische Folkrock-Band Schmetterlinge bearbeitete in den 1970er Jahren die Geschichte der Pariser Kommune im vierten Abschnitt ihres politischen Oratoriums Proletenpassion (getextet von Heinz Rudolf Unger), einer Art Revue zur Geschichte der revolutionären Bewegungen der Neuzeit. Das Werk wurde 1976 als szenische Theaterfassung uraufgeführt, 1977 als konzertante Fassung auf drei Langspielplatten eingespielt und 2015 in Wien einer neuen Fassung aufgeführt.[26] Von den Schmetterlingen inspiriert, folgte 1977 das Doppelalbum Die Pariser Commune von der Politrockband Oktober, die sich in ihrem Werk ausschließlich mit der Pariser Kommune befasste.[27]
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Die vorliegen
Leo Trotzki (russisch Лев Троцкий Lew Trozki, wiss.
Transliteration Lev Trockij; * 26. Oktoberjul./ 7. November 1879greg. als Lew
Dawidowitsch Bronstein, russisch Лев Давидович Бронштейн, Transliteration Lev Davidovič Bronštejn in Janowka,
Gouvernement Cherson, Russisches Kaiserreich; † 21. August 1940 in Coyoacán, Mexiko) war ein russischer Revolutionär, kommunistischer Politiker und
marxistischer Theoretiker. Trotzki, wie er sich ab 1902 nannte, war der
maßgebliche Organisator der Revolution vom 25. Oktoberjul./ 7. November
1917greg., der die Bolschewiki unter der Führung von Wladimir Lenin an die
Macht brachte. In der anschließend gebildeten Regierung war er Volkskommissar
des Auswärtigen, für Kriegswesen, Ernährung, Transport und Verlagswesen. Als
Kriegskommissar gründete er die Rote Armee, an deren Organisation und an deren
Sieg im Russischen Bürgerkrieg er wesentlichen Anteil hatte. Nach Lenins Tod
1924 wurde Trotzki von Josef Stalin zunehmend entmachtet, 1929 ins Exil
gezwungen und 1940 von einem sowjetischen Agenten in Mexiko ermordet. Nach ihm
wurde die von der sowjetischen Parteilinie des Marxismus-Leninismus abweichende
Richtung des Trotzkismus benannt. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Kindheit und
Jugend 1.2 Erste Haft und Flucht 1.3 Vor dem Umsturz 1.4 Oktoberrevolution 1.5
Gründung der Roten Armee und Bürgerkrieg 1.6 Machtkampf mit Stalin 1.7 Exil 1.8
Ermordung 2 Rezeption 3 Nachwirken 4 Schriften 5 Literatur 6 Filme 7 Weblinks 8
Einzelnachweise Leben Kindheit und Jugend Lew Bronstein als 9-Jähriger, 1888 Lew
Bronstein wurde als fünftes Kind jüdischer Kolonisten im damals zum russischen
Staatsgebiet gehörenden Janowka im Kreis Jelisawetgrad, dem heutigen Bereslawka
in der ukrainischen Oblast Kirowohrad geboren und besuchte die Realschule der
Stadt Nikolajew (heutige ukrainische Namensform Mykolajiw). Sein Vater Dawid
Leontjewitsch Bronstein war Landwirt, der es zu einigem Wohlstand gebracht
hatte. Der Religion gleichgültig gegenüberstehend, bewirtschaftete er mit Hilfe
von Lohnarbeitern den größeren Hof namens Janowka in der Nähe der Kleinstadt
Bobrynez. Seine Mutter Anna kam aus einer kleinbürgerlichen Familie und war
eine gebildete, in der Stadt aufgewachsene Frau, die der jüdisch-orthodoxen
Religion anhing. Seine Schwester Olga schloss sich später auch den
Revolutionären an. Sie heiratete Lew Kamenew, einen einflussreichen
Parteitheoretiker der Bolschewiki und eine der Hauptfiguren des
thermidorianischen Triumvirates gegen die erste so genannte Linke Opposition
der Zwanziger Jahre, schloss sich aber wenig später doch mit Sinowjew der
Vereinigten Opposition gegen Stalin an und wurde später hingerichtet. Die Jahre
im provinziellen Janowka erlebte der spätere Volkskommissar weder als
unbeschwert noch als bedrückend. Er berichtete in seiner Autobiografie Mein
Leben später von einer „biederen Kleinbürgerkindheit, farblos in der
Schattierung, beschränkt in der Moral, nicht von Kälte und Not, aber auch nicht
von Liebe, Überfluss und Freiheit geprägt“. 1886 besuchte Bronstein den Cheder,
eine religiös geprägte Grundschule, in der benachbarten Kolonie Gromokley, wo
er Russisch, Arithmetik und Bibel-Hebräisch erlernte. Ab 1888 absolvierte
Bronstein die deutsch-lutherische Realschule zum Heiligen Paulus in der
Hafenstadt Odessa. Dort lernte er das ländliche, orthodoxe Judentum, wie es
seine Familie praktizierte, aus der aufgeklärten Sicht des Bürgertums zu sehen
und begann, sich für ein weltoffenes, assimiliertes Judentum einzusetzen. Neun
Jahre später bestand er das Abitur in Nikolajew als Bester seines Jahrgangs. Lew
Bronstein, 1897 Schon ein Jahr zuvor hatte der 17-Jährige begonnen, sich
politisch von einem radikaldemokratischen Oppositionellen zum Volkstümler zu
entwickeln. Das Volkstümlertum gehörte mit dem Marxismus zu den beiden
populärsten oppositionellen Richtungen jener Tage. Er trat einem Diskussionszirkel
junger Oppositioneller bei, in dem er die Positionen der Volkstümler vertrat.
Seine Kontrahentin und spätere erste Frau war die sieben Jahre ältere Alexandra
Sokolowskaja, die sich als Marxistin verstand und ihn letztlich von der
marxistischen Theorie überzeugte. Als Bronstein begann, sich politisch zu
betätigten, stellten seine Eltern ihre Unterhaltszahlungen ein. Im Jahre 1897
war Bronstein nunmehr als Sozialist maßgeblich an der Gründung des
sozialdemokratischen Südrussischen Arbeiterbundes beteiligt. Er fungierte in
dieser Organisation als Propagandist und Verbindungsmann zwischen den Gruppen
in Nikolajew und Odessa. Erste Haft und Flucht Polizeifoto von Bronstein nach
seiner Festnahme 1898 Anfang 1898 nahm die zaristische Polizei Bronstein im
Rahmen von Massenverhaftungen, deren Anlass der Verrat des Tischlers Nesterenko
war, fest und ließ ihn in den Gefängnissen von Nikolajew, Cherson und Odessa
einsitzen. 1899 wurde er zur Verbannung nach Sibirien verurteilt, wo er seiner
Fundamentalkritik am Sankt Petersburger Regime mit intensiven Studien des
dialektischen und historischen Materialismus sowie der marxistischen
Weltanschauung ein theoretisches Fundament gab. Im Moskauer
Überführungsgefängnis Butyrka heiratete der Revolutionär 1900 Alexandra Sokolowskaja,
die ihn wenig später in die Verbannung nach Irkutsk begleitete. Im folgenden
Jahr wurde ihre erste Tochter, Sinaida, geboren und 1902 die zweite Tochter
Nina (gest. 1928).[1] Im Jahre 1902 verließ er wegen seiner revolutionären
Arbeit seine Frau und die beiden kleinen Töchter und floh aus der Verbannung.
Um die Flucht zu bewerkstelligen, legte er sich einen gefälschten Pass auf den
Namen Trotzki zu, womit er sich, seinem Hang zur Ironie folgend, nach dem
Oberaufseher des Gefängnisses in Odessa benannte. Diesen Namen verwendete er
danach bis zum Ende seines Lebens. Vor dem Umsturz Wenig später, im Herbst
1902, kam Leo Trotzki, der Einladung von Wladimir Lenin folgend, nach London
und wohnte mit ihm zusammen. In der Emigration übernahm er die Rolle des
leitenden Redakteurs der sozialdemokratischen Zeitung Iskra (Der Funke), eine
Tätigkeit, die ihm den Spitznamen „Leninscher Knüppel“ einbrachte; nach der
Spaltung der russischen Sozialdemokratie führte er diese Arbeit jedoch nicht
mehr fort. Bald schon trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands
(SDAPR) Georgi Plechanows bei und vertrat auf dem II. Parteitag der SDAPR in
der britischen Hauptstadt den sogenannten Sibirischen Bund. In dieser Zeit
lernte Trotzki auch Alexander Parvus, eigentlich Israil Lasarewitsch Helphand,
kennen, der ebenfalls aus einem jüdischen Stetl in der Nähe von Odessa stammte
und der in der deutschen SPD sein politisches Betätigungsfeld gefunden hatte.
Der ältere Parvus prägte den jungen Trotzki sehr stark. Dessen „Theorie der
permanenten Revolution“ basiert zum Teil auf einer ähnlichen Konzeption von
Parvus. 1902 hielt sich Trotzki zeitweise in Paris auf, wo er die
Kunstgeschichtsstudentin Natalja Sedowa kennenlernte. Sie blieb bis zu seinem
Lebensende an seiner Seite. Auf dem zweiten Parteitag der SDAPR (1903) kam es
zur Spaltung der Partei über die Frage, wer als Parteimitglied betrachtet
werden könne. Opponenten bei dieser Auseinandersetzung waren einerseits Lenin,
nach dessen Meinung nur Personen Parteimitglied sein konnten, die sich
persönlich engagierten, und andererseits Martow, der lediglich die
Unterstützung der Partei als Grundlage einer Parteimitgliedschaft ansah. Bei
der folgenden Abstimmung siegten die Anhänger Lenins, die in der Folge
Bolschewiki (deutsch: Mehrheitler) genannt wurden; ihnen standen die
Menschewiki (deutsch: Minderheitler) entgegen. Trotzki versuchte einerseits,
zwischen den Parteifraktionen zu vermitteln, andererseits schwenkte er stark in
die Nähe der Menschewiki ein. Er verfasste Schriften, in denen er Lenin
Machtgier als Grundlage seiner Politik unterstellte und ihn einen
„Diktatorenkandidaten“ oder auch „Maximilien de Lénine“ nannte (als kritische
Anspielung auf den französischen Revolutionär Maximilien de Robespierre). Das
Verhältnis der beiden künftigen Revolutionsführer war durch diese Polemiken
lange Zeit belastet. In späteren Schriften nahm Trotzki seine menschewistischen
Positionen zurück. Von August 1904 an wohnte Trotzki ein halbes Jahr lang in
München. Im selben Jahr brach er mit den Menschewiki und postulierte in der
„Theorie der permanenten Revolution“, dass das seiner Ansicht nach gänzlich
zaristisch diskreditierte russische Bürgertum einen Umsturz nach dem Muster der
Französischen Revolution nicht wagen werde. Vielmehr werde die Arbeiterklasse,
die allerdings noch sehr klein sei, eine bedeutende Rolle im Bündnis mit den
ärmsten Schichten der Bauernschaft und den Landproletariern bei der Errichtung
der „Diktatur des Proletariats, gestützt auf den Bauernkrieg“ spielen. Dies stellt
eine entscheidende Weiterentwicklung des Marxismus dar, da sich Marx in einem
industriell rückständigen Land (90 % der Bevölkerung waren Bauern) keine
proletarische Revolution vorstellte. Er war der Ansicht, dass erst nach einem
weiteren Fortschreiten des Kapitalismus die Gesellschaft für einen
kommunistischen Umsturz bereit wäre. Während der Revolution von 1905 kehrte er
nach dem St. Petersburger Aufstand im Oktober 1905 nach Russland zurück, wo er
zusammen mit Parvus Mitglied des St. Petersburger „Sowjets (Rat) der
Arbeiterdeputierten“ wurde. Trotzki übernahm den Vorsitz des Rates. Nach seiner
Verhaftung wurde Parvus sein Nachfolger. In der Verbannung verfasste Trotzki
die Schrift Bilanz und Ausblick – Russland in der Revolution. 1906 wurde sein
drittes Kind geboren, der Sohn Lew. Zwei Jahre später in Wien folgte der Sohn
Sergej. Die Mutter beider Kinder war Natalja Sedowa. Die von Trotzki
beeinflusste Massenbewegung wurde zerschlagen. Trotzki, der inzwischen zum
Vorsitzenden des Sowjets aufgestiegen war und sich in den Dezemberaufständen
engagiert hatte, wurde nach einem Schauprozess ein zweites Mal zu lebenslanger
Verbannung verurteilt. Seine Strafe sollte er im Gouvernement Tobolsk antreten.
Er floh bereits beim Transport und entkam, ebenso wie Parvus, in das
habsburgische Wien. Auf dem Parteitag von 1907, abermals in London, schloss
sich Trotzki weder den Bolschewiki noch den Menschewiki an, sondern stand einer
von den Bolschewiki so genannten zentristischen Fraktion vor. Ab 1908 gab er
zusammen mit Adolf Joffe eine Zeitung mit Namen Prawda (deutsch: „Wahrheit“
oder „Gerechtigkeit“) heraus, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen von
Lenin herausgegebenen Zeitung, die ab 1912 erschien. In jener Zeit versuchte
vor allem Kamenew, Trotzki von der bolschewistischen Fraktion und den
Positionen Lenins zu überzeugen; Trotzki blieb allerdings Kritiker Lenins,
ebenso wie Lenin die Positionen Trotzkis verurteilte. Trotzki führte nun das
Leben eines rastlosen Emigranten; sammelte erste militärische Erfahrungen auf
dem Balkan und lieferte zeitweise als Kriegsberichterstatter Beiträge für die
Zeitung Kijewskaja mysl unter dem Titel Die Balkankriege. Es kam zum Bruch
zwischen Trotzki und Parvus. Letzterer vertrat ein anderes Konzept der „Theorie
der permanenten Revolution“. Von 1910 bis 1914 schloss sich Parvus den
Jungtürken an und beteiligte sich an der Revolution gegen das Osmanische Reich
in Konstantinopel. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete er mit amtlichen
deutschen Stellen zusammen. Leo Trotzki mit seiner Tochter Nina (1915) Nach
Ausbruch des Ersten Weltkrieges floh Trotzki vor der in Österreich drohenden
Verhaftung in die neutrale Schweiz und zog im November 1914 nach Paris, um für
Kijewskaja mysl über den Krieg zu berichten. Ab Januar 1915 gab er dort die
Zeitung Nasche Slowo heraus, die als Organ der internationalistischen
Menschewiki fungierte. Auf der Zimmerwalder Konferenz 1915 gehörte er mit
Lenin, dem er sich stetig annäherte, zu den Unterzeichnern des von ihm
verfassten Internationalen Sozialistischen Antikriegsmanifestes. Wegen seiner
gegen den Krieg gerichteten Agitation wurde er, nachdem es unter russischen
Truppen in Frankreich zu einer Meuterei gekommen war, im September 1916 von den
französischen Behörden nach Spanien abgeschoben. Dort wurde er verhaftet und im
Dezember 1916 nach New York deportiert. Oktoberrevolution → Hauptartikel:
Oktoberrevolution In New York, wo er mit seiner zweiten Ehefrau
Natalja Sedowa und seinen zwei Söhnen ein Apartment bewohnte, arbeitete Trotzki
für die russisch- bzw. jiddischsprachigen Zeitungen Novy Mir und Der Forwerts.
Im März 1917 erhielt er die Nachricht von der russischen Februarrevolution,
durch welche die bürgerliche Provisorische Regierung unter dem Fürsten Lwow und
seinem sozialdemokratischen Kriegsminister Kerenski an die Macht kam. Auf dem
Weg nach Russland wurde Trotzki am 3. April 1917 in Halifax, Nova Scotia,
Kanada, festgenommen und in ein Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene
gebracht. Allerdings setzte der Petrograder Sowjet – 1914 war St. Petersburg in
Petrograd umbenannt worden – die Provisorische Regierung unter Druck, sich für
Trotzki einzusetzen. Nach seiner Freilassung kam er im Mai 1917 in Petrograd
an. Dort schloss er sich erneut einer sogenannten zentristischen Arbeiterpartei
an, diesmal der Überregionalen Organisation vereinigter Sozialdemokraten
(Meschrajonzy), die das Ziel hatte, die Bolschewiki und Menschewiki
auszusöhnen. Nach einigen Auseinandersetzungen schloss sich die Überregionale
Organisation unter der Führung Trotzkis, den in der theoretischen
Auseinandersetzung allein noch die Frage einer sozialdemokratischen
Massenpartei von Lenin trennte, den Bolschewiki an. Trotzki selbst wurde auf
dem VI. Parteitag der Bolschewiki in absentia (er war nach dem Juliaufstand verhaftet
worden) in die Partei aufgenommen und erhielt einen Platz im Zentralkomitee. Nachdem
die Bolschewiki eine Mehrheit im Petrograder Sowjet erreicht hatten, wurde
Trotzki im September 1917 zu dessen Vorsitzenden gewählt und organisierte in
dieser Funktion die „Kampfverbände der Roten Garde“. Damit wurde er rasch zu
einem der wichtigsten Männer in der Partei. Als am 10. Oktober 1917 das
Zentralkomitee der Partei den Entschluss zu einem bewaffneten Aufstand gegen
die schwache Regierung von Alexander Kerenski fasste, stimmte Trotzki mit der
Mehrheit seiner Genossen dafür. Die später von der stalinistischen Propaganda
verbreitete Behauptung, Trotzki habe sich gegen die Revolution ausgesprochen,
ist nachweislich falsch. Der Winterpalast Unter seiner Federführung wurde am
16. Oktober 1917 das Militärrevolutionäre Komitee des Petrograder Sowjets
gegründet. Dieses Komitee setzte den Befehl der provisorischen Regierung, zwei
Drittel der Petrograder Stadtgarnison an die Front des Ersten Weltkriegs zu
beordern, außer Kraft. Dies war der Beginn der Revolte des
Militärrevolutionären Komitees im Smolny-Institut, wo Boten mit Nachrichten aus
den verschiedenen Teilen der Stadt eintrafen, um über die Ereignisse und
Erfolge der Aufständischen zu informieren. Nach der Übernahme von Bahnhöfen,
Postämtern, Telegrafenamt, Ministerien und der Staatsbank sowie dem Sturm auf
den Winterpalast etablierte sich am 26. Oktober um 5 Uhr morgens der am Vortag
einberufene II. Gesamtrussische Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputierten
eine Koalitionsregierung aus Bolschewiki und linken Sozialrevolutionären unter
dem Namen Sowjet der Volkskommissare. Gleich danach wurden die Dekrete Über den
Frieden und Über den Grund und Boden verabschiedet. Die Parteien der relativ
einflusslosen Duma verweigerten, mit Ausnahme der bolschewistischen Fraktion,
sowohl den Entscheidungen des Kongresses als auch der Regierung die
Anerkennung. Leo Trotzki 1918 Nachdem die Bolschewiki die Macht erlangt hatten,
wurde Trotzki zum Volkskommissar (russisch: народный комиссар Narodnyj Kommissar, kurz Narkom) für äußere
Angelegenheiten ernannt. Seine Hauptaufgabe sah er darin, Frieden mit dem
Deutschen Reich und dessen Verbündeten (wie Österreich-Ungarn) zu schließen. Er
sorgte für die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen Sowjetrussland
und den Mittelmächten und leitete die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk.
Er versuchte aufgrund der schwachen Position des revolutionären Russlands und
der offen imperialistischen Position der (deutschen) Obersten Heeresleitung in
der Frage der Gebietszugehörigkeit der Ukraine solange wie möglich eine
Übereinkunft hinauszuzögern. Trotzkis Verhandlungspartner auf deutscher Seite
war General Ludendorff, der dessen Hinhaltungstaktik durchschaute. Am 18. Februar
1918 überschritten deutsche Truppen die russisch-deutsche Frontlinie, die seit
dem Waffenstillstand vom 15. Dezember 1917 Bestand hatte, und besetzten die
Ukraine, die sich bereits im Januar 1918 für unabhängig erklärt hatte und die
den unter Nahrungsmittelknappheit leidenden Mittelmächten als „Kornkammer“
dienen sollte (→ Ukrajinska Narodna
Respublika). Aufgrund der militärischen Überlegenheit der Mittelmächte musste
Sowjetrussland am 3. März 1918 den sehr nachteiligen Friedensvertrag von
Brest-Litowsk schließen, der den Verlust der Ukraine und
weiterer Gebiete für Sowjetrussland zur Folge hatte. Das Verhalten Trotzkis
während der Verhandlungen war innerhalb der Regierung und des Zentralkomitees
der Kommunistischen Partei stark umstritten. Während es auf der einen Seite
eine Gruppierung um Karl Radek und Nikolai Bucharin gab, die die unbedingte
Fortführung des „revolutionären Krieges“ und die Expansion des Sowjetgebietes
forderte, ohne die verzweifelte Lage der eigenen Truppen zu berücksichtigen,
wurde von einer Minderheit um Lenin eine riskante Verschleppungstaktik in der
Hoffnung auf eine baldige proletarische Revolution in Deutschland und
Österreich-Ungarn favorisiert. Trotzki selbst wollte laut seiner Autobiografie
eine Kapitulation erst auf eine erneute Offensive von Seiten der deutschen
Truppen hin unterzeichnen, enthielt sich aber auf der entscheidenden Abstimmung
im ZK, um Lenin die Mehrheit zu sichern, und trat freiwillig aus
diplomatisch-taktischen Gründen vom Amt des Volkskommissars für äußere
Angelegenheiten zurück. Gründung der Roten Armee und Bürgerkrieg Nach dem
Friedensvertrag von Brest-Litowsk, den Trotzki als persönliche Niederlage
betrachtete, setzte er sich für den Sieg der Bolschewiki im Russischen
Bürgerkrieg ein, bei dem sich die sowjetischen „Roten“ und die
zaristisch-bürgerlichen „Weißen“ gegenüberstanden. Trotzki wurde am 14. März
1918 zum Volkskommissar für das Kriegswesen ernannt und begann mit dem Aufbau
der Roten Arbeiter- und Bauernarmee, kurz Roten Armee.[2] Trotzki trug mit
seinem energischen und gnadenlosen Vorgehen entscheidend zum militärischen Sieg
der Bolschewiki bei. Er organisierte die Umwandlung der bisher zerstreuten,
desorganisierten Roten Garden in ein straff geführtes Territorialheer; unter
anderem ließ er wieder militärische Ränge, Abzeichen und die Todesstrafe in der
Armee einführen. Vom August 1918 bis ins Jahr 1920 mischte sich Trotzki an Bord
seines Panzerzuges direkt in die Geschicke der Roten Armee ein. Im August 1918
befahl er darüber hinaus, dass bei einem aus Sicht des Oberkommandos unnötigen
Rückzug einer Einheit zuerst der Kommissar und dann der militärische
Befehlshaber sofort hinzurichten seien. Das Kommandopersonal wurde bis dahin
von den Soldaten gewählt. Dieser demokratische Ansatz behinderte aber die
Umwandlung in eine neue, zentral geführte Armee. Trotzki schaffte die
demokratischen Strukturen daher großteils ab, entließ die konservativen Kosaken
aus der Kavallerie und verband die Verteidigung der neuen Regierung mit dem
Freiheitskampf verschiedener unterdrückter Nationalitäten des ehemaligen
Zarenreiches. Bereits im September 1918 zeigte die Rückeroberung der Stadt
Kasan, dass Trotzkis Maßnahmen erfolgreich waren. Unter Exilrussen hieß es
dazu, die Bolschewiki kämpften „mit lettischen Stiefeln und chinesischem
Opium“, denn aus Mangel an erfahrenen Offizieren förderte Trotzki den Eintritt
von Offizieren der alten zaristischen Armee in die Rote Armee. Bis Kriegsende
dienten rund 75.000 im roten Offizierskorps. Manche meldeten sich freiwillig,
andere wurden eingezogen. Trotzki befahl, zu ihrer Kontrolle ihre Familien in
Sippenhaft zu nehmen, sofern die Offiziere zu den Weißen überlaufen sollten.[3]
Die offiziell als „Militärspezialisten“ bezeichneten Offiziere wurden
zusätzlich der Kontrolle durch loyale Aufsichtspersonen, so genannte
Politkommissare, unterworfen. Gerade dieser Aspekt führte zu harscher Kritik
innerhalb der Partei; besonders Josef Stalin, der in Zarizyn, dem späteren
Stalin- und heutigen Wolgograd, Kommissar der Roten Armee war, beklagte sich
über die Einsetzung des Generals Sytin bei der Verteidigung der Stadt. Er und
die übrigen Opponenten der neuen Militärorganisation fanden aber aufgrund der
militärischen Erfolge Trotzkis kein Gehör bei Lenin. Am 6. April übernahm
Trotzki noch zusätzlich das Ressort für Marineangelegenheiten. Die Regierung
war von Petrograd nach Moskau umgezogen. 1919 benannten sich die Bolschewiken
in Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki) (KPR (B)) um, die ab 1925
Kommunistische Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) (KPdSU (B)) hieß.
Unangefochtener Führer war Wladimir Lenin, der sich mit Trotzki inzwischen
ausgesöhnt hatte. Zunächst standen die Bolschewiki unter großem Druck. Das
Territorium der Sowjets wurde 1918 zeitweise durch die sogenannten Weißen Armeen
fast auf das Gebiet der alten Moskauer Fürstentümer reduziert. Die
Versorgungslage der Städte war schlecht. Zusätzlich griffen die Siegermächte
des Ersten Weltkriegs durch die Entsendung eigener Truppenkontingente in die
Kämpfe zugunsten der oppositionellen Weißen Armeen ein. So befanden sich
zwischen 1918 und 1922 japanische, US-amerikanische, britische, italienische
und französische Truppenkontingente auf russischem Gebiet. Der Roten Armee, die
aus den Roten Garden hervorgegangen war, stand jedoch ein Gegner gegenüber, der
über keine einheitliche Führung verfügte und widersprüchliche Zielsetzungen
verfolgte. 1919 führte Trotzki den Kampf gegen den Anarchisten Nestor Machno
und dessen Bewegung, die Machnowschtschina, an.[4] Bis 1920 gelang es der Roten
Armee in einem sehr verlustreichen Kampf, die Weißen Truppen bis in den Osten
des russischen Reiches zurückzudrängen. Im Februar desselben Jahres erlitt die
Weiße Armee eine schwere Niederlage in Sibirien. Trotzki proklamierte nun den
Krieg gegen Polen und dessen ukrainische Verbündeten und machte ihn zur
Chefsache im Kriegskommissariat. Durch das sogenannte „Wunder an der Weichsel“
Mitte August wurde die Rote Armee allerdings empfindlich getroffen und
vernichtend geschlagen. Die Offensive gegen Polen musste abgebrochen werden. Im
Vertrag von Riga erwarben die Sowjets aber Weißrussland und die Ukraine. Im Mai
1921 fiel die Krim, die letzte Festung der Weißen Armee. Bis zum Ende des
Russischen Bürgerkriegs 1922 eroberten die Roten Truppen unter Trotzkis Führung
Aserbaidschan, Armenien und Georgien, deren Regierungen, teils menschewistisch,
teils nationalistisch geprägt, die staatliche Unabhängigkeit angestrebt hatten.
In Georgien fand im August ein vergeblicher Aufstand gegen die Rote Armee
statt, die in den neu eroberten Ländern zum Teil als Befreier, zum Teil aber
als Besatzungsmacht wahrgenommen wurde. Der Aufstand der Kronstädter Matrosen
1921 – sie forderten sofortige gleiche und geheime Neuwahlen der Sowjets, Rede-
und Pressefreiheit für alle anarchistischen und linkssozialistischen Parteien,
Versammlungsfreiheit, freie Gewerkschaften und eine gerechtere Verteilung von
Brot[5] – wurde von der Roten Armee unter Trotzkis Führung „mit erbarmungsloser
Härte und Massenerschießungen“ unterdrückt.[6] Trotzki verteidigte auch
energisch die Pressezensur.[7] Auch für die blutige Niederschlagung von
Bauernaufständen mit Tausenden Toten, z. B. im Gebiet der heutigen Ukraine, die
sich vor allem gegen die Kornkonfiszierungen richteten, wurde Trotzki als
oberster Heeresführer verantwortlich gemacht. In den 1930er Jahren kritisierten
die Kommunisten Max Eastman, Boris Souvarine, Ante Ciliga und Victor Serge
Trotzkis Rolle bei der brutalen Niederschlagung, die sie als Beginn des
Stalinismus und als Vorläufer des Großen Terrors ihrer Gegenwart ansahen.[8]
Trotzki rechtfertigte sein Vorgehen: „Ich weiß nicht […], ob es unschuldige
Opfer (in Kronstadt) gab […]. Ich bin bereit, zuzugeben, dass ein Bürgerkrieg
keine Schule für menschliches Verhalten ist. Idealisten und Pazifisten haben
der Revolution immer Exzesse vorgeworfen. Die Schwierigkeit der Sache liegt
darin, dass die Ausschreitungen der eigentlichen Natur der Revolution
entspringen, die selbst ein Exzess der Geschichte ist. Mögen jene, die dazu
Lust haben (in ihren armseligen journalistischen Artikeln), die Revolution aus
diesem Grund verwerfen. Ich verwerfe sie nicht.“[9] Nach 1921 wurde der
Kriegskommunismus allerdings von der Neuen Ökonomischen Politik abgelöst. Machtkampf
mit Stalin Trotzki (rechts) mit seinem innerparteilichen Unterstützer Christian
Rakowski, ca. 1924 Trotzki (4. v. l.) zusammen mit Stalin (3. v. r.) als einer
der Sargträger bei der Beerdigung von Felix Dserschinski Nach der Gründung der
Sowjetunion Ende Dezember 1922 begann Trotzki, die entstehende Bürokratie, den
Totalitarismus der Bolschewiki und den aufkommenden russischen Nationalismus zu
kritisieren. Damit stieß er sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung
innerhalb der Partei. Ab 1924 richtete er seine Kritik hauptsächlich gegen
Josef Stalin. Lenin äußerte Vorbehalte wegen Trotzkis „übermäßigen
Selbstvertrauens“ und seiner „übermäßigen Leidenschaft für rein administrative
Maßnahmen“, sagte aber auch, dass Trotzki sich „durch hervorragende
Fähigkeiten“ auszeichne und „persönlich wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen
ZK“ sei.[10] Nach dem Verlesen des politischen Testaments, in dem Lenin Stalin
als zu „grob“ bezeichnete, bot Stalin seinen Rücktritt an, doch der Rücktritt
wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. In der Folge begann Stalin gemeinsam mit
Sinowjew und Kamenew, Trotzki endgültig von der Macht zu verdrängen. Dazu
gehörte, dass Lenins Testament und die Briefe in der Parteipresse und später in
den Werkausgaben nicht gedruckt wurden. Lediglich Trotzki und diejenigen, die
besser beurteilt worden waren als Stalin, zitierten Lenins letzten Willen in
ihren Schriften. Erst ab 1956, dem Beginn der Entstalinisierung, waren diese
Schriftstücke parteiintern und öffentlich zugänglich. Im Oktober 1923 griff
Trotzki das bereits von Stalin dominierte Zentralkomitee an, worauf eine
heftige Gegenreaktion erfolgte. Von diesem Zeitpunkt an verlor er auf Betreiben
Stalins immer mehr an Einfluss innerhalb der Partei. In dieser Zeit arbeitete
Trotzki auch wieder theoretisch und veröffentlichte 1923 sein Werk Literatur
und Revolution. Darin prophezeite er, dass der gesellschaftliche Aufbau der
Sowjetunion die physisch-psychische Selbsterziehung des Einzelnen und vor allem
die Künste einen „neuen Menschen“ schaffen würden: „Der Mensch wird
unvergleichlich viel stärker, klüger und feiner; sein Körper wird harmonischer,
seine Bewegungen werden rhythmischer und seine Stimme wird musikalischer
werden. […] Der durchschnittliche Menschentyp wird sich bis zum Niveau von
Aristoteles, Goethe und Marx erheben. Und über dieser Gebirgskette werden neue
Gipfel aufragen.“[11] Nach dem Tode Lenins 1924 brach schließlich ein offener
Machtkampf zwischen Trotzki und Stalin über die Zukunft der Sowjetunion und die
theoretischen Grundlagen für den angestrebten Kommunismus aus. Stalin begann,
den sogenannten „Sozialismus in einem Land“ mit Gewalt durchzusetzen, während
Trotzki weder den Apparat der Partei noch die Bevölkerung mehrheitlich an sich
binden konnte. Stalin festigte mit seinen von Amts wegen gegebenen
Möglichkeiten bürokratischer und militärischer Art die Diktatur in der
Sowjetunion. Trotzki vertrat das Erbe des Marxismus in anderer Interpretation
und berief sich auf den Imperativ der „Weltrevolution“ und die
„Arbeiterdemokratie“, gemäß der Parole aus dem Kommunistischen Manifest
„Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“. Er versuchte, sich gegen alle von
ihm so genannten „reaktionären Angriffe“ durch Stalin zu verteidigen. Sein Ziel
war es, der internationalen Arbeiterschaft zum Sieg zu verhelfen. Er ging wie
Lenin davon aus, dass nur eine weltweite Revolution den Sieg des Sozialismus
ermöglichen könne. Dies entsprach nicht allein der bisherigen marxistischen
Tradition, sondern auch der eigenen Theorie der permanenten Revolution, die er
nach der Revolution von 1905 in der Schrift Ergebnisse und Perspektiven
formuliert hatte und 1929 noch einmal in polemischer Form darstellte, da ihm
die Stalinisten zunehmend fremde Ansichten unter diesem Namen unterschoben und
versuchten, diese Theorie als „menschewistische Abweichung“ zu brandmarken. Sie
besagte im Wesentlichen, dass die Revolution in rückständigen Ländern eine
bürgerlich-demokratische und eine proletarische Phase ohne Unterbrechung
durchlaufen müsse, zum erfolgreichen sozialistischen Aufbau der Sieg der
Revolution wenigstens in den fortgeschrittensten Ländern notwendig wäre und
sich schließlich auch in Arbeiterstaaten politische, kulturelle und
wirtschaftliche Revolutionen vollziehen könnten und müssten, um zum Sozialismus
überzugehen. Nachdem Stalin immer mächtiger geworden war, verlor Trotzki 1925
sein Amt als Kriegskommissar und musste in den nächsten Jahren verschiedene
untergeordnete Tätigkeiten im Staatsdienst ausüben. Es folgte die Kennzeichnung
von „Trotzkismus“ als „Abweichlertum“ und „Verrat“. Alle Schriften und Werke
des „jüdischen Verschwörers“ und „Lakaien des Faschismus“ galten als Ketzerei.
Stalin ließ Trotzkis Namen und Fotos aus allen offiziellen Dokumenten und
Texten tilgen. Außerdem leugnete er dessen Rolle beim Oktoberaufstand und im
Bürgerkrieg. 1926 wurde Trotzki aus dem Politbüro und im November 1927 auch aus
der KPdSU ausgeschlossen. Auf dem XV. Parteitag der KPdSU (B) im Dezember 1927
hatte die Opposition keinen stimmberechtigten Delegierten mehr. Trotzki wurde mit
anderen Oppositionellen am 17. Januar 1928 nach Alma-Ata (im heutigen
Kasachstan) verbannt. Von dort wurde er in die Türkei ausgewiesen. Exil Das
Haus auf der Insel Büyükada bei Istanbul, in dem Trotzki wohnte Der türkische
Staat unter Atatürk gewährte Trotzki 1929 politisches Asyl. Er verbrachte die
Jahre zwischen 1929 und 1933 auf der Insel Büyükada in der Türkei.[12] Trotzki
war gezwungen zu schreiben, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die
Ausgaben dafür waren hoch, weil er immer Leibwächter zu seinem Schutz brauchte
und weil seine weitere politische Arbeit finanziert werden sollte. Daher war
ihm ein Angebot des New Yorker Verlages „Charles Scribner’s Sons“ recht, das
Schreiben von Trotzkis Autobiographie zu finanzieren und sie zu veröffentlichen.
Sie erschien 1929 und trug in der deutschen Version den Titel Mein Leben.
Versuch einer Autobiographie. Der Erfolg ermunterte Trotzki, ein Angebot des
New Yorker Verlags Simon & Schuster anzunehmen und eine Geschichte der
Russischen Revolution zu verfassen, die 1932 erschien.[13] In der Zeit ab 1930
setzte sich Trotzki intensiv mit dem deutschen Nationalsozialismus auseinander,
den er als vom Kleinbürgertum getragene, autonom von der Bourgeoisie
entstandene Massenbewegung analysierte, deren objektive Funktion die
Zerschlagung der gesamten Arbeiterbewegung sei. Als Gegenstrategie setzte sich
Trotzki in Schriften wie Gegen den Nationalkommunismus, Soll der Faschismus
wirklich siegen, Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen? und Was Nun?
Schicksalsfragen des deutschen Proletariats für eine Einheitsfront von SPD, KPD
und Freien Gewerkschaften gegen die NSDAP ein. 1929 hatte Stalin begonnen, die
„Neue Ökonomische Politik“ zu revidieren, mit großer Grausamkeit die
Kollektivierung der Landwirtschaft durchzusetzen und mit Arbeitsarmeen die
Schwerindustrie der Sowjetunion zu errichten. Auch dies wurde von Trotzki und
seinen Anhängern, der Untergrundpartei der Linken Opposition, einer scharfen
Kritik unterzogen. Trotzki hatte sich für eine umfassende Industrialisierung in
einem langsameren Tempo und eine freiwillige Kollektivierung der Bauernschaft
auf der Basis einer neu zu errichtenden Sowjetdemokratie ausgesprochen. Trotzki
schrieb im Exil Pamphlete gegen Stalin, die unter anderem exklusiv in der New
York Times veröffentlicht wurden.[14] Am 20. Februar 1932 wurde Trotzki die
sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt, womit gleichzeitig die Verfolgung
durch den sowjetischen Geheimdienst GPU begann. Mit der kampflosen Niederlage
der deutschen Arbeiterbewegung, die Trotzki im Wesentlichen als Resultat des
Versagens von KPD und Komintern ansah, nahm Trotzki von seiner 1929 bis 1933
vertretenen Strategie einer Reform der stalinistischen Parteien und der
Komintern Abstand und nahm Kurs auf die Gründung einer neuen, „vierten“
kommunistischen Internationalen und führte in diesem Rahmen zunächst auch
(zumeist letztendlich erfolglose) Verhandlungen mit den im Londoner Büro
zusammengeschlossenen Gruppen wie der SAPD oder der niederländischen
Organisation um Henk Sneevliet. Die französische Regierung Daladiers gewährte
ihm Asyl in Frankreich. Er hielt sich zunächst in St.Palais sur Mer,[15] später
in Barbizon auf. Für Paris erhielt er keine Zugangserlaubnis. Bereits 1935
wurde ihm signalisiert, dass sein Aufenthalt in Frankreich nicht länger
erwünscht sei. Er nahm ein Angebot Norwegens auf Asyl an. Er lebte dort als
Gast Konrad Knudsens in Hønefoss nahe Oslo. Mit seiner regen publizistischen
Tätigkeit griff er den Stalinismus mit den Moskauer Prozessen an, in denen er
als Haupt einer großen Verschwörung gegen Stalin und sein System in Abwesenheit
angeklagt worden war. Infolge des von der Sowjetunion ausgeübten diplomatischen
Drucks wurde Trotzki von den norwegischen Behörden unter Hausarrest gesetzt.
Nach Verhandlungen mit der norwegischen Regierung konnte er unter der Auflage
strenger Geheimhaltung auf einem Frachtschiff nach Mexiko ausreisen. Leo
Trotzki in Mexiko 1938 Trotzki (Mitte) kurz vor seinem Tod Gemeinsam mit Frida
Kahlo hatte sich Diego Rivera beim mexikanischen Präsidenten Lázaro Cárdenas
del Río dafür eingesetzt, Trotzki politisches Asyl in Mexiko zu gewähren. Unter
der Bedingung, dass jener sich nicht politisch betätigen würde, stimmte der Präsident
dem Gesuch zu.[16] Im Januar 1937 wurden Trotzki und dessen Frau Natalja Sedowa
in Kahlos blauem Haus in Coyoacán empfangen. Im Jahr 1938 beherbergte Rivera
auch den surrealistischen Vordenker André Breton und dessen Frau Jacqueline.
Die beiden Künstler unterzeichneten ein von Trotzki verfasstes Manifest für
eine revolutionäre Kunst. In seinem Exil agitierte er weiterhin gegen Stalin,
deckte nach seinen Möglichkeiten die Verbrechen der GPU und der Gulags auf und
veröffentlichte verschiedene kommunistische Schriften, zum Beispiel 1936 Die
verratene Revolution, in der er die Sowjetunion als „bürokratisch degenerierten
Arbeiterstaat“ bezeichnete und die sowjetische Arbeiterklasse zu einer
politischen Revolution gegen die stalinistische Bürokratie und zur
Wiederherstellung der Rätedemokratie aufrief. Die von der Zensur kontrollierte
sowjetische Presse griff ihn dafür als „Wolf des Faschismus“ an.[17] 1938
gründete Trotzki die Vierte Internationale, um der inzwischen unter Stalins
Dominanz stehenden Dritten Internationalen entgegenzuwirken. Für die
neugegründete Organisation verfasste Trotzki im selben Jahr mit Der Todeskampf
des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale (besser bekannt als
„Das Übergangsprogramm“) und 1940 mit dem Manifest der IV. Internationale zum
imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution grundlegende
programmatische Dokumente. Daneben widmete er sich in seinem letzten Lebensjahr
der Auseinandersetzung mit der von James Burnham und Max Shachtman vertretenen These,
dass sich die Sowjetunion zu einer stabilen neuen Form von Klassengesellschaft
entwickelt habe. Ermordung Das festungsartig angelegte Haus, in dem Trotzki
ermordet wurde Am 24. Mai 1940 überlebte Trotzki einen Angriff auf sein Haus in
Coyoacán in der Avenida Río Churubusco 410. Trotzki wurde von mehreren, von
Stalin gesandten und als mexikanische Polizisten getarnten Agenten attackiert,
allerdings so dilettantisch, dass man vielfach an eine Inszenierung glaubte,
die Trotzki international wieder in den Mittelpunkt rücken sollte. Aus Angst
vor weiteren Anschlägen ließ er danach das Haus ausbauen und bewachen: Die
Mauern wurden erhöht, Holztüren durch Eisentüren ersetzt, Fenster teilweise
zugemauert. Sieben bis acht Wachleute schützten freiwillig und unbezahlt das
kleine Anwesen in der verkehrsreichen inneren Ringstraße im Süden von
Mexiko-Stadt rund um die Uhr. Das Arbeitszimmer, in dem Leo Trotzki ermordet
wurde Trotzkis Grab im Garten des Museo Casa de León Trotsky Drei Monate später
hatte ein von Stalin beauftragter Mordanschlag Erfolg: Der Sowjetagent Ramón
Mercader hatte sich als Frank Jacson mit einer Sekretärin Trotzkis verlobt und
so Zugang zu dessen Anwesen erhalten. Am 20. August besuchte er Trotzki und bat
um Durchsicht eines von ihm verfassten politischen Artikels. Kurz nach 17 Uhr
griff Mercader Trotzki in dessen Arbeitszimmer mit einem Eispickel an, wobei
Trotzki schwer am Kopf verletzt wurde. Seine Leibwächter fanden ihn
blutüberströmt, aber noch bei Bewusstsein. Einen Tag später starb Leo Trotzki
an den Folgen dieses Anschlags. In Mexiko trauerten viele um Trotzki. 300.000
Menschen begleiteten Trotzkis Leichenzug in Mexiko. Seine Leiche wurde
eingeäschert und im Garten seines Hauses begraben. 22 Jahre später kam die
Asche seiner in Paris gestorbenen Frau Natalja dazu. Diese Stelle markiert
heute ein weißer, mit Hammer und Sichel gekennzeichneter Stein mit einer roten
Fahne. Das Haus des Anschlags kann heute als Museo Casa de León Trotsky
besichtigt werden. Am Aufbau des Museums war Trotzkis Enkel Esteban Volkov
beteiligt.[18] Arnold Zweig bemerkte in seinem Tagebuch, Trotzki sei der Mann,
„der das kostbarste und bestorganisierte Gehirn unter seiner Schädeldecke trug,
das jemals mit einem Hammer eingeschlagen wurde“. Im Jahr 2005 wurde der
verschollen geglaubte Eispickel gefunden.[19] Das Mordinstrument wurde nach
Trotzkis Tod im Kriminologischen Museum in Mexiko-Stadt ausgestellt, dann aber
wegen Diebstahlsgefahr durch eine Kopie ersetzt. Ein mexikanischer
Geheimdienstler, auch ein Mitbegründer des Museums, habe den Originalpickel an
sich genommen und aufbewahrt, schrieb die mexikanische Tageszeitung La Jornada.
Seine Tochter berichtete, dass ihr Vater viermal vergeblich versucht habe, den
Eispickel zurückzugeben. Doch niemand wollte das Original zurückhaben. Dann
nahm diese Tochter den Eispickel an sich und präsentierte ihn in einer
Radiosendung. Rezeption Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre Der
Mensch am Scheideweg/Der Mensch kontrolliert das Universum, Detail mit
Trotzki-Porträt, Diego Rivera Nach seiner Ausbürgerung verfiel Trotzki in der
Sowjetunion zunehmend der Damnatio memoriae: Seine Leistungen für die Partei
und die prominente Rolle, die er beim Oktoberaufstand, beim Aufbau der Roten
Armee oder bei der blutigen Niederschlagung des Kronstädter Aufstands gespielt
hatte, wurden verschwiegen, geleugnet oder denunziert. Im Kurzen Lehrgang der
Geschichte der KPdSU (B), einer unter der Ägide Stalins 1938 erschienenen
offiziellen Darstellung, wurde seine Rolle im Oktober 1917 auf die eines
Widersachers Lenins und eines Großmauls reduziert, das den Termin des Aufstands
verraten und dessen Erfolg dadurch gefährdet habe.[20] Noch radikaler wurde die
Erinnerung an Trotzki aus dem sowjetischen Bildgedächtnis getilgt. Fotos, auf
denen er zusammen mit Lenin oder Stalin zu sehen war, wurden kupiert oder
retuschiert. Berühmteste Beispiele sind die Bilder, die Grigori Goldstein am 5.
Mai 1920 von einer Rede Lenins vor dem Bolschoi-Theater in Moskau machte: In
den dreißiger Jahren durften nur Bildausschnitte veröffentlicht werden, die
Trotzki nicht enthielten, in den sechziger Jahren retuschierte man ihn gänzlich
aus dem Bild.[21] Noch 1940 wurde Trotzkis Mörder Ramón Mercader von Stalin der
Leninorden verliehen, der Orden wurde seiner Mutter übergeben. Nach Verbüßung
der 20-jährigen Freiheitsstrafe wurde Mercader am 31. Mai 1960 der Titel eines
Helden der Sowjetunion verliehen und er wurde nach Moskau eingeladen. Dort
überreichte man ihm im Jahre 1961 den Stern eines Helden der Sowjetunion samt
dazugehörigen Leninorden. Die KPdSU hat den Revolutionsführer und Organisator
der Roten Armee nie rehabilitiert, sowohl Nikita Chruschtschow als auch der
Reformer Michail Gorbatschow versagten ihm jegliche posthume Würdigung. Das
Nachrichtenmagazin Der Spiegel veröffentlichte 1987 ein Interview mit dem
früheren Dissidenten Roi Medwedew zur Rehabilitierung Bucharins[22] und einen
Bericht, laut dem der Gorbatschow-Vertraute Jegor Jakowlew den Erzfeind Stalins
einen „Helden und Märtyrer“ nannte.[23] 1989 äußerte Jakowlew jedoch gegenüber
dem deutschen Politiker Gregor Gysi: „Trotzki war ein erbarmungsloser Mensch,
dessen Hände über und über mit Blut befleckt sind.“ Trotzkis deportierter und
1937 ermordeter Sohn Sergei Sedow wurde 1988 rehabilitiert. Trotzkis bis dahin
verbotene Schriften wurden 1987 teilweise, dann ab 1989 vollständig
veröffentlicht. Nachwirken Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts existieren in
vielen Staaten kleine und größere trotzkistische Vereinigungen. In
Großbritannien, Frankreich und einigen Ländern Lateinamerikas, wie
beispielsweise Mexiko, haben sich größere trotzkistische Organisationen
erhalten und gewinnen in den letzten Jahren dort auch wieder zunehmend an
Bedeutung. Die Vierte Internationale ist inzwischen in mehrere Zusammenschlüsse
gespalten, deren Einfluss stark begrenzt ist. Siehe auch: Trotzkismusenügen, um anzudeuten, daß es sich bei
den Grundprinzipien nicht um ein abgeschlossenes Programm handelt, sondern um
einen ersten Versuch, dem Problem der kommunistischen Produktion und Verteilung
näher zu kommen. Und obwohl die Grundprinzipien sich mit einem noch in der
Zukunft liegenden gesellschaftlichen Zustand befassen, sind sie zugleich ein
geschichtliches Dokument, das einen Stand der Diskussion in der Vergangenheit
beleuchtet. Ihre Verfasser waren an die vor einem halben Jahrhundert
aufgeworfenen Fragen der Sozialisierung gebunden, und manche ihrer Argumente
haben in der Zwischenzeit einen Teil ihrer damaligen Aktualität verloren. Der
damalige Streit der Naturalwirtschaftler mit den Repräsentanten der
Marktwirtschaft, in den die Grundprinzipien durch die Ablehnung beider Gruppen
eingriffen, hat inzwischen sein Ende gefunden. Im allgemeinen wird der
Sozialismus überhaupt nicht mehr als eine neue Gesellschaft, sondern als eine
Modifikation des Kapitalismus begriffen. Die Marktwirtschaftler sprechen von
der geplanten Marktwirtschaft, und die Planwirtschaftler bedienen sich der
Marktwirtschaft. Die Anordnung der Produktion vom Gebrauchswert her schließt
nicht die ungleiche Verteilung der Konsumgüter durch Preismanipulationen aus.
Die ökonomischen Gesetze werden als unabhängig von den Gesellschaftsformationen
aufgefaßt, und man streitet sich höchstens noch darüber, welche Mischung von
Kapitalismus und Sozialismus ökonomischer wäre. Das ökonomische Prinzip, d.h.
das Prinzip der wirtschaftlichen Rationalität, das angeblich allen
Gesellschaftsordnungen zugrunde liegt und das sich als maximale Verwirklichung
wirtschaftlicher Ziele mit den geringsten Kosten darstellt, ist in Wirklichkeit
nichts anderes als das ordinäre kapitalistische Prinzip der Profitproduktion,
die stets nach dem Höchstmaß der Ausbeutung strebt. Das ökonomische Prinzip der
Arbeiterklasse ist demzufolge nichts anderes als die Abschaffung der
Ausbeutung. Dieses ökonomische Prinzip, von dem die XVI Grundprinzipien
ausgehen, ist ihnen bis heute vorbehalten geblieben. Abgesehen von der
offensichtlichen Ausbeutung der Arbeiter in den sogenannten sozialistischen
Ländern, dreht sich das akademische Geschwätz um den Sozialismus in den
kapitalistischen Ländern nur um staatskapitalistische Systeme. Das
sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln wird immer als Staatseigentum
verstanden, die administrative Zuteilung von Gütern, mit oder ohne Markt,
bleibt immer die Sache zentraler Entscheidungen. Wie im Kapitalismus ist die
Ausbeutung zweifach gesichert, durch die fortgesetzte Trennung der Produzenten
von den Produktionsmitteln und durch die Monopolisierung der politischen
Gewalt. Und wo man den Arbeitern eine Art Mitbestimmungsrecht zugestanden oder
aufgedrängt hat, fügt der Marktmechanismus der staatlichen Ausbeutung die
Selbstausbeutung hinzu. Was auch immer die Schwächen der Grundprinzipien sein
mögen, in Anbetracht dieser Situation bleiben sie heute wie morgen der
Ausgangspunkt aller ernsthaften Diskussionen und Bemühungen um die
Verwirklichung der kommunistischen Gesellschaft. Februar 1970, Paul Mattick XII
Statt des Vorwortes Nachstehendes Werk, eine gemeinsame Arbeit der "G r u
p p e Internationaler Kommunisten" , zeigt in Zusammenstellung eine so
starke Einheitlichkeit, daß man hier direkt von einem, wirklich positiven
Kollektivwerk sprechen kann. Diese Arbeitsgrundlage der Schrift, die praktisch
beweist, welches Ergebnis die gemeinsame Arbeit zielbewußter Kräfte haben kann,
macht sie gerade deshalb so wertvoll. Die "Gruppe Internationaler
Kommunisten" stellt, in der Nachkriegsgeschichte der Arbeiterbewegung, mit
ihrem Werk erstmalig praktische Aufbaumöglichkeiten der Produktion und
Verteilung im Sinne der Bedarfswirtschaftsordnung zur Debatte. Sie zieht alle
gesammelten Erfahrungen der bisherigen Versuche der Arbeiterklasse und ihrer
Wortführer zusammen, um so praktisch die Zusammenbruchserscheinungen derselben
untersuchen zu können, und gleichzeitig an Hand der bisherigen Ergebnisse
notwendige neue Wege aufzuzeigen. Sie behandelt nicht nur die Umstellungs- und
Aufbaunotwendigkeiten der industriellen Faktoren, sondern zeigt ebenfalls die
notwendige Verbindung zur Landwirtschaft auf. Die Verfasser eben damit einen
klaren Einblick in die inneren Zusammenhänge und den gesetzmäßigen Verlauf des "gesamten"
Wirtschaftskörpers. Die einfache Sprache, die jedem verständlichen
Gedankengänge, ermöglichen es, daß jeder Arbeiter, der nachfolgende Seiten
liest, auch den Inhalt verstehen wird. Die starke Sachlichkeit der Schrift
bietet sämtlichen Richtungen der Arbeiterklasse eine breite
Diskussionsmöglichkeit. Da auch wir innerhalb unserer Reihen die aufgezeigten
Möglichkeiten erst gründlichst diskutieren müssen, behalten wir uns unsere
Stellungnahme zu nachstehendem Inhalt für später vor. Eins wollen wir aber
dieser Schrift mit auf den Weg geben: Seinen Erfolg wird das Werk:
Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung dann verbürgen, wenn
es die Arbeiterklasse bewußt durcharbeitet und die gesammelten Erkenntnisse in
ihrem Kampf um ihre Existenz praktisch in Anwendung bringt. Der Kampf ist
schwer, doch das Ziel ist es wert! Berlin 1930. Allgemeine Arbeiter-Union (Revolutionäre
Betriebsorganisation .Deutschland).
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Unter
Rätekommunismus versteht man eine marxistische Bewegung, deren Idee des
Kommunismus vor allem vom Gedanken der kollektiven Selbstverwaltung und
Basisdemokratie in Arbeiterräten geprägt ist. Inhaltsverzeichnis 1 Konzeption 2
Geschichte und Einfluss 3 Literatur 4 Weblinks Konzeption Nach Meinung der
Rätekommunisten sollen in der kommunistischen Revolution die Arbeiterräte an
die Stelle der Regierung treten, jedoch die Ausbildung eines autoritären
Staates verhindern. Die entsprechende Gesellschaftsform wird Rätedemokratie
oder Räterepublik genannt. Der Rätekommunismus steht in unversöhnlichem
Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, zum Parlamentarismus und auch zum
autoritären Marxismus-Leninismus. Die Sowjetunion war in ihrer Anfangszeit
stark von Idee und Praxis der Rätedemokratie getragen („Alle Macht den Räten“,
lautete eine Parole der Bolschewiki), bis sich spätestens unter der Herrschaft
des Stalinismus die Macht der Räte schrittweise auflöste. Die
Herrschaftsausübung im Rätekommunismus erfolgt maßgeblich in den Räten, welche
als Exekutive, Legislative aber auch als Judikative in einem agieren. Die
Vertreter dieser Organe unterliegen einem imperativen Mandat, d. h., sie können
jederzeit von der Wählerschaft wieder abgewählt werden. Es besteht Rechenschaftspflicht,
wodurch eine radikale Demokratie gewährleistet ist. Angehörige des Bürgertums
haben in der Regel keinen Zugang zu den Räten, wie sie bereits aus den Sowjets
in der russischen Revolution ausgeschlossen waren. Als Vorbild einer rätedemokratischen
Organisationsstruktur gilt insbesondere die bereits von Karl Marx euphorisch
begrüßte Pariser Kommune, in die Herausbildung der Idee des Rätekommunismus
sind aber auch syndikalistische Konzeptionen eingeflossen. Geschichte und
Einfluss Ihre Blütezeit erlebte die Idee der Rätedemokratie vor allem in
Deutschland mit der Novemberrevolution im Jahr 1918 und in deren unmittelbarer
Folgezeit. Im engeren Sinne rätekommunistische Organisationen entwickelten sich
im Zuge der nach der Novemberrevolution zunehmenden Fraktionskämpfe innerhalb
der deutschen Linken. Nach dem Ausschluss vieler Linksabweichler aus der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter Führung von Paul Levi Ende 1919
gründete sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) sowie die
linke Richtungsgewerkschaft Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD).
Diese Organisationen verfügten zum Zeitpunkt ihrer Gründung über etwa
hunderttausend Mitglieder – und hatten damit mehr Mitglieder als die KPD. Die
wichtigste inhaltliche Differenz zwischen KPD und Rätekommunisten bestand in
der Einschätzung der Führungsrolle der Partei, die von den Rätekommunisten
zugunsten des Gedankens der Selbstverwaltung vehement abgelehnt wurde. Auch die
Einschätzung der Entwicklung in der jungen Sowjetunion war wesentlich
verschieden: Die Rätekommunisten bezeichneten die Parteiherrschaft in der
Sowjetunion nach der Entmachtung der Räte als Staatskapitalismus, womit sie die
Tatsache in den Blick rückten, dass die bloße Verstaatlichung der Produktionsmittel
noch nicht zu ihrer Vergesellschaftung geführt habe. Stattdessen habe der Staat
die Funktion der Kapitalistenklasse innerhalb der Gesellschaft übernommen. Eine
Befreiung von der Lohnarbeit habe nicht stattgefunden. Bestanden ursprünglich
noch gute Kontakte zur III. Kommunistischen Internationale, kam es bald darauf
zum Bruch. Lenin griff die Rätekommunisten in seinem Buch Der linke
Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus scharf an. Ende 1921 trennten
sich Teile der AAUD von der KAPD und existierten als Allgemeine Arbeiter-Union
– Einheitsorganisation (AAUE) weiter. Die rätekommunistische Bewegung verlor
nach den erneut aufflammenden revolutionären Unruhen 1923 in Deutschland
zunehmend an Einfluss. Rätekommunistische Organisationen in der Endphase der
Weimarer Republik und im Widerstand gegen den Faschismus waren die Roten
Kämpfer, die Kommunistische Räte-Union und die Kommunistische Arbeiter Union
Deutschlands (KAUD). Rätekommunistische Ideen hatten auch in den Niederlanden,
Großbritannien sowie Bulgarien und Dänemark Einfluss in der
sozialrevolutionären Bewegung. Zu den wichtigsten Theoretikern des
Rätekommunismus zählen Anton Pannekoek (Pseudonym Karl Horner), Paul Mattick,
Karl Korsch, Otto Rühle, Herman Gorter, Willy Huhn, Cajo Brendel, Sylvia
Pankhurst sowie die späteren Nationalbolschewisten Heinrich Laufenberg und
Fritz Wolffheim. Auch die spätere Neue Linke um 1968 sowie insbesondere die
Situationisten in Frankreich waren von rätekommunistischen Ideen beeinflusst.
Literatur Anton Pannekoek: Arbeiterräte. Texte zur sozialen Revolution.
Germinal Verlag, Fernwald (Annerod) 2008. ISBN 978-3-88663-490-3. Anton
Pannekoek: Workers’ Councils. (Introduction by Noam Chomsky) AK Press Oakland
and Edinburgh 2003. Cajo Brendel: Anton Pannekoek. Denker der Revolution
Freiburg 2001. (Memento vom 1. Oktober 2010 im Internet Archive) Herman Gorter:
Offener Brief an den Genossen Lenin Eine Antwort auf Lenins Broschüre:
"Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus" (1920)
Andreas G. Graf (Hrsg.), Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten,
Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Berlin:
Lukas-Verlag 2001, ISBN 3-931836-23-1 Frits Kool (Hrsg.): Die Linke gegen die
Parteiherrschaft. (Band 3 der 'Dokumente der Weltrevolution') Olten und
Freiburg 1970. Gottfried Mergner (Hrsg.): Gruppe Internationale Kommunisten
Hollands. Reinbek 1971. H. (FAU-Bremen): Syndikalismus, kommunistischer
Anarchismus und Rätekommunismus. Eine Erwiderung auf die rätekommunistische
Kritik am „Gewerkschaftsfetischismus“ und am kommunistischen Anarchismus Erich
Mühsams, Bremen 2005. Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von
1918 bis 1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union
Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und
der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (Marburger Abhandlungen zur
Politischen Wissenschaft, Bd. 13). Meisenheim/Glan 1969. Hans Manfred Bock:
Geschichte des ‘linken Radikalismus’ in Deutschland. Ein Versuch. Frankfurt/M.
1976. Philippe Bourrinet: The Dutch and German Communist Left: A Contribution
to the History of the Revolutionary Movement., 1988–1998 ders.: Lexikon des
deutschen Rätekommunismus 1920-1960, Paris, 1. Juli 2017, Verlag moto proprio, 我的摩托车出版社 W.I. Lenin: Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im
Kommunismus (1920); in: W.I. Lenin Werke Band 31, Berlin (DDR): Dietz Verlag,
1964 Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) war eine
kommunistische Partei während der Weimarer Republik, die linke,
antiparlamentaristische und rätekommunistische Positionen vertrat.
Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks Geschichte
Die KAPD wurde am 4./5. April 1920 von Mitgliedern des linken Flügels der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet, die auf dem Heidelberger
Parteitag der KPD (20.–23. Oktober 1919) durch die Zentrale Leitung unter Paul
Levi ausgeschlossen worden waren. Viele von ihnen waren vor der KPD-Gründung in
der Gruppe Internationale Kommunisten Deutschlands aktiv. Ihr Hauptziel war die
sofortige Beseitigung der bürgerlichen Demokratie und die Konstituierung einer
Diktatur des Proletariats, wobei eine Diktatur einer Partei nach russischem
Vorbild verworfen wurde. Die KAPD lehnte, anders als die KPD, insbesondere die
leninistische Organisationsform des sogenannten demokratischen Zentralismus,
die Teilnahme an Wahlen und die Mitarbeit in reformistischen Gewerkschaften ab.
Eine wichtige Rolle für die KAPD spielten die niederländischen kommunistischen
Theoretiker Anton Pannekoek und Herman Gorter, die nach dem Vorbild der KAPD in
den Niederlanden die KAPN ins Leben riefen, die freilich niemals die Bedeutung
der Schwesterpartei in Deutschland erreichte. Hintergrund für die Gründung der
KAPD war der Kapp-Putsch. Er hatte nach Ansicht des linken Flügels in der KPD
gezeigt, dass das Verhalten der KPD-Parteileitung gleichbedeutend mit einem
Aufgeben des revolutionären Kampfes war, da die KPD eine mehrmals wechselnde
Haltung zum Generalstreik eingenommen und im Bielefelder Abkommen vom 24. März
1920 einer Entwaffnung der Roten Ruhrarmee zugestimmt hatte. Die Berliner
Bezirksgruppe rief zum 3. April 1920 einen Kongress der linken Opposition ein.
Dort wurde beschlossen, sich als die „Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands“
zu konstituieren. Die Delegierten vertraten nach Schätzungen 80.000
KPD-Mitglieder. Die neu gegründete Partei trat für die Ablehnung der
parlamentarischen Tätigkeit und den aktiven Kampf gegen den bürgerlichen Staat
ein. Sie arbeitete in der Folgezeit eng mit der AAUD zusammen. Hochburgen der
Partei lagen in Berlin, Hamburg, Bremen und Ostsachsen, wo sich jeweils ein
Großteil der KPD-Mitglieder der neuen Partei anschloss. Im August 1920 erfolgte
der Ausschluss der Hamburger Gründungsmitglieder Heinrich Laufenberg und Fritz
Wolffheim, die nationalbolschewistische Ideen vertreten hatten. Zwei Monate
später wurde auch Gründungsmitglied Otto Rühle ausgeschlossen. Die KAPD war
1920 bis 1921 kooptiertes Mitglied der III. Internationale. 1921 kooperierte
die KAPD bei der Märzaktion wieder mit der KPD. Ausgelöst wurde dies durch den
Einmarsch von Truppen der Weimarer Republik in das mitteldeutsche
Industriegebiet, wobei KAPD und KPD befürchteten, dass das Militär die Betriebe
besetzen wollte. Ende 1921 kam es zu einer weiteren Absplitterung, als sich
Teile der AAUD um Rühle, Franz Pfemfert und Oskar Kanehl von der KAPD trennten
und die AAUE gründeten. Nach 1921, als die KAPD noch über 43.000 Mitglieder
verfügte, verlor die die Partei mehr und mehr an Bedeutung und spaltete sich
1922 in die „Berliner Richtung“ und die „Essener Richtung“ um Alexander Schwab,
Arthur Goldstein, Bernhard Reichenbach und Karl Schröder. Hauptgrund war die
Ablehnung der Beteiligung an betrieblichen Tageskämpfen in einer als
revolutionär eingeschätzten Situation durch die Essener. Die Gründung einer
Kommunistischen Arbeiter-Internationale (KAI) 1922 durch die KAPD der „Essener
Richtung“ (die „Berliner Richtung“ lehnte diesen Schritt als verfrüht ab),
gemeinsam mit den Gruppen um Herman Gorter in den Niederlanden, um Sylvia
Pankhurst in Britannien und weiteren Gruppen in Belgien, Bulgarien und unter
Exilanten aus der Sowjetunion war wenig erfolgreich. Die KAI, deren Sekretariat
von der deutschen Sektion dominiert wurde, zerfiel bis 1925. 1926/1927 kam es
zum kurzfristigen Zusammenschluss der KAPD (Berliner Richtung) mit der
Entschiedenen Linken um den aus der KPD ausgeschlossenen Abgeordneten Ernst
Schwarz. Diese Fusion führte innerhalb der KAPD zu einer weiteren Spaltung, da
Schwarz sein Abgeordnetenmandat nicht niederlegte, wie es eine Minderheit der
Mitglieder forderte, die sich nach dem darauf erfolgten Austritt um die
Zeitschrift Vulkan gruppierte. Widerstandsgruppen gegen den
Nationalsozialismus, die in der Tradition der KAPD standen, waren die Roten
Kämpfer und die Kommunistische Räte-Union im Raum Braunschweig. Genuine
KAPD-Widerstandsgruppen gab es im Ruhrgebiet, in Leipzig (wo die örtliche
KAPD-Gruppe in ihrer Druckerei auch Materialien für andere Widerstandsgruppen
erstellte), in Königsberg und im litauischen Memel. Weitere bekannte Mitglieder
der KAPD waren die Schriftsteller Franz Jung, Adam Scharrer und Friedrich
Wendel, der Künstler Heinrich Vogeler, der Pressefotograf John Graudenz, der
Anthropologe Paul Kirchhoff, die Anführer bewaffneter kommunistischer
Partisanengruppen 1920/1921 Max Hölz und Karl Plättner, die rätekommunistischen
Theoretiker und Aktivisten Fritz Rasch, Paul Mattick und Jan Appel sowie August
Merges, der 1918/1919 kurzzeitig Präsident der Sozialistischen Republik Braunschweig
war. Siehe auch Liste linkskommunistischer Organisationen in der Weimarer
Republik Literatur Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von
1918–1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands
(Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der
Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (= Marburger Abhandlungen zur
Politischen Wissenschaft. Bd. 13, ISSN 0542-6480). Hain, Meisenheim am Glan
1969 (Zugleich: Marburg, Universität, Dissertation, 1968). Hans Manfred Bock:
Geschichte des „linken Radikalismus“ in Deutschland. Ein Versuch (= Edition
Suhrkamp 645). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-00645-2. Die
Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAUE, auch AAU-E) war eine antiparlamentarische
und antiautoritäre rätekommunistische Organisation in der Weimarer Zeit.
Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Fraktionskämpfe und Zerfall 3
Reorganisationsversuch 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks Entstehung Die AAUE
konstituierte sich im Oktober 1921, nachdem es in der KAPD und der ihr
angeschlossenen betrieblichen Organisation Allgemeine Arbeiter-Union
Deutschlands (AAUD) zu verstärkter Kritik an der Unterordnung der AAUD unter
die KAPD gekommen war. Ansatz der Kritik war es, eine politisch-betriebliche
Einheitsorganisation aufzubauen. Der neuen Organisation schlossen sich
wesentliche Teile der AAUD-Strukturen in Ostsachsen und Nordwestdeutschland
sowie Minderheiten in anderen Regionen an; bekannte Gründungsmitglieder waren
u. a. der ehemalige Reichstagsabgeordnete Otto Rühle, der Herausgeber der
Aktion, Franz Pfemfert, der Dichter Oskar Kanehl und der bekannte
Strafverteidiger in politischen Prozessen, James Broh. Die AAUE gab die
Wochenzeitungen Einheitsfront und Betriebsorganisation heraus und verfügte mit
der Aktion über eine ihr nahestehende Zeitschrift. Durch die Verbindung mit der
Aktion bewegten sich zeitweise auch Schriftsteller wie Max Herrmann-Neiße und
Carl Sternheim im Umfeld der Organisation. Über die Mitgliederzahlen gibt es
keine genaueren Angaben, die von Pfemfert genannten anfänglichen 60.000
Mitglieder dürften jedoch übertrieben gewesen sein. Fraktionskämpfe und Zerfall
Schnell kam es in der neuen Organisation zu Fraktionskämpfen und zentrifugalen
Tendenzen, welche bis Mitte der 1920er Jahre zur Aufspaltung in mehrere, alle
den Namen AAUE tragenden Gruppen führte. Die drei letztgenannten Organisationen
dürften in der Endphase der Weimarer Republik alle jeweils einige hundert
Mitglieder gehabt haben: „Heidenauer Richtung“ um die Zeitschrift Revolution.
Sie pflegte eine individualistische und organisationsfeindliche Ausrichtung und
löste sich konsequenterweise 1923 selbst auf. „Zwickauer Richtung“ um die
Zeitschrift Weltkampf. Sie trat für die Beteiligung an Betriebsratswahlen und
Annäherung an anarchosyndikalistische Positionen ein, 1923 erfolgt der
Anschluss an die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). „2. Zwickauer
Richtung“ um die Wochenzeitungen Proletarischer Zeitgeist (Zwickau, Auflage im
Jahr 1932 von 2.400 Exemplaren) und Von Unten Auf (Hamburg). Sie zeigte Nähe zu
anarchistischen Positionen und starke Intellektuellenfeindlichkeit. 1924
schloss sich dieser Organisation eine Gruppe ehemaliger KPD-Mitglieder um Ketty
Guttmann an und konnte sich bis zur teilweisen Zerschlagung während der Zeit
des Nationalsozialismus halten. Die Hamburger Gruppe um Otto Reimers gab in der
Illegalität bis Mitte 1934 den Mahnruf heraus, anderen lokalen Gruppen gelang
es teilweise die NS-Zeit zu überdauern. „Frankfurt-Breslauer Richtung“ um die
Zeitschrift Die Proletarische Revolution. Sie stand in Verbindung zu den
rätekommunistischen Ideen der Individualpsychologie Alfred Adlers. Sie
arbeitete eng mit Otto Rühle zusammen und war aktiv in der proletarischen
Freidenkerbewegung. 1931 Zusammenschluss mit Teilen der AAUD und der KAPD zur
Kommunistischen Arbeiter Union Deutschlands (KAUD). Im Kopf der
KAUD-Zeitschrift Der Kampfruf, die bis 1933 in Berlin erschien, bezeichnet sich
die Gruppe auch als KAU-RBO (Revolutionäre Betriebsorganisation). Ehemalige
Mehrheitsfraktion der alten AAUE um Franz Pfemfert und Oskar Kanehl. 1926/1927
zeitweiliger Zusammenschluss mit einer ultralinken KPD-Abspaltung um Iwan Katz
und dem Industrieverband für das Verkehrsgewerbe zum Spartakusbund
linkskommunistischer Organisationen (Spartakusbund Nr. 2). Sie gab
Einheitsfront und später Spartakus und Die Weltrevolution heraus, zerfiel aber
1932/33. Reorganisationsversuch Versuche der Strömung um den Proletarischen
Zeitgeist, nach 1945 in der Zwickauer Region die Organisation
wiederherzustellen, wurden 1948 repressiv unterbunden, der leitende Aktivist
der Gruppe, Wilhelm Jelinek, starb 1952 unter ungeklärten Umständen im
Zuchthaus Bautzen. Anarchismus (abgeleitet von altgriechisch ἀναρχία anarchia
‚Herrschaftslosigkeit‘; Derivation aus α privativum und ἀρχή arche
‚Herrschaft‘) ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft
von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der
Unterdrückung von Freiheit ablehnt. Dieser wird eine Gesellschaft
entgegengestellt, in der sich Individuen auf freiwilliger Basis selbstbestimmt
und föderal in Kollektiven verschiedener Art wie Kommunen als kleinster Einheit
des Zusammenlebens, Genossenschaften und Syndikaten als Basis der Produktion
zusammenschließen.[1] Es gibt innerhalb des Anarchismus viele teils sehr
unterschiedliche Strömungen. Grundsätzlich bedeutet Anarchie die Aufhebung
hierarchischer Strukturen – bis hin zur Auflösung staatlicher Organisiertheit
der menschlichen Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen Freiheit,
Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung der Individuen und
kollektive Selbstverwaltung. Der Anarchismus wird in einem sozialrevolutionären
Sinn von seinen Vertretern als Synthese zwischen individueller Freiheit wie im Liberalismus
und sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft wie im Sozialismus verstanden.
Menschen, die nach diesen Prinzipien leben oder eine herrschaftsfreie
Gesellschaft anstreben, werden als Anarchisten bezeichnet. Bisweilen wird im
deutschsprachigen Raum das Adjektiv libertär (deutsch: freiheitlich) als
Synonym für „anarchistisch“ benutzt. Inhaltsverzeichnis 1 Strömungen 1.1
Klassifikationen 1.2 Grundformen 1.3 Weitere Strömungen 1.4 Neuere Ansätze 2
Geschichte 2.1 Vorläufer 2.2 Anarchismus versus Marxismus 2.3 Die Propaganda
der Tat 2.4 Frühes 20. Jahrhundert 2.5 Spanische Republik 2.6 Deutschland
während der NS-Diktatur 2.7 Nachkriegszeit 2.7.1 Deutsche Demokratische
Republik 2.7.2 Bundesrepublik Deutschland 2.7.3 International 2.8 Anarchismus
in der Gegenwart 2.8.1 Organisationen 2.8.2 Periodika 3 Aktionsformen 4 Symbole
5 Siehe auch 6 Literatur 6.1 Einführungen 6.2 Klassiker 6.3 Moderne Ansätze 6.4
Kritik am Anarchismus 7 Medien 8 Weblinks 9 Einzelnachweise Strömungen
Klassifikationen Peter Kropotkin Ein wichtiges Element des Anarchismus ist der
innere Pluralismus, der sich in verschieden ausgeformten Strömungen zeigt, die
sich meist in ihren Schwerpunkten ergänzen.[2] Alle Strömungen stimmen in der
Ablehnung des Staates – besonders in seiner Ausprägung als Monarchie und
Diktatur –, des Militarismus und Klerikalismus überein. In der
wissenschaftlichen Sekundärliteratur werden unterschiedliche Bestimmungen und
Abgrenzungen von Richtungen des Anarchismus diskutiert.[3] Schon 1894
unterschied Rudolf Stammler zwischen „individualistischen“ und
„kollektivistischen“ Varianten anarchistischer Ideen.[4] In einer Darstellung
von 1937 unterschied Albert Weisbord weiterführend folgende Richtungen:[5]
liberal-anarchistisch libertär (Godwin) mutualistisch (Proudhon)
amerikanisch-liberal (Thoreau, Warren, Tucker) kommunistisch-anarchistisch
kollektivistisch (Bakunin) kommunistisch (Kropotkin, Most, „Chicagoer
Märtyrer“). Franz Neumann[6] schlug 1977 eine dann vielfach rezipierte
Unterscheidung folgender Strömungen vor: Individual-Anarchismus (Godwin,
Stirner, Bellegarrigue) Sozialer Anarchismus (Proudhon, Landauer) Kollektiver
Anarchismus (Bakunin) Kommunistischer Anarchismus (Kropotkin, Cafiero, Most)
Anarcho-Syndikalismus (Pelloutier, Monatte, CNT) „Neuer Anarchismus und
Studentenbewegung“ In ähnlicher Weise unterschied 1972 Erwin Oberländer[7]
Individualistischer Anarchismus (Bellegarigue, Tucker, Landauer)
Kollektivistischer Anarchismus (Bakunin, früher Kropotkin, Adhémar
Schwitzguébel) Kommunistischer Anarchismus (Cafiero, Kropotkin, Reclus,
Merlino, Goldman, Most) „Anarchismus und Gewerkschaftsbewegung“ (Pelloutier,
Monatte, Machnowschtschina, CNT u. a.) „Anarchismus heute“ (Colin Ward, William
O. Reichert) David L. Miller hat in seiner Monographie von 1984[8] außerdem
einen „philosophischen Anarchismus“ von „individualistischem“ und
„kollektivistischem“ Anarchismus unterschieden, was eine Kategorie für Autoren
wie Stirner oder Godwin bereitstellt, deren Wirken den üblichen Ansetzungen
einer „anarchistischen Bewegung“ vorausliegt (eine solche wird in der
Sekundärliteratur zumeist nicht vor den 1860er-Jahren für greifbar gehalten).
Peter Marshall hat 1992 eine einflussreiche, geographisch gegliederte
Darstellung vorgelegt, die auch nichtwestliche Traditionen insbesondere des
Daoismus, aber auch z. B. Gandhi einbezieht, ebenso „amerikanische
Individualisten und Kommunisten“ und auch auf Verbindungen von Anarchismus und
der „Neuen Rechten“ eingeht.[9] Auch der Einbezug bestimmter Klassiker ist
sowohl unter den Vertretern anarchistischer Ideen wie in der Sekundärliteratur
vielfach strittig, so etwa bezüglich Stirners.[10] Grundformen Michail Bakunin.
(Photographie von Félix Nadar, ca. 1860) Aus der Geschichte gewerkschaftlicher
Organisation und gegenseitiger Unterstützung (frz. assistance mutuelle) hat
sich der Mutualismus herausgebildet, der eine soziale Symbiose in einem
herrschaftsfreien System zum Ziel hat. Der Mutualismus wurde vor allem von
Pierre-Joseph Proudhon geprägt und enthält revolutionäre Elemente. Im Zentrum
steht jedoch eine Reform von Kredit- und Währungsordnung mit dem Ziel der
Beseitigung des Profits.[11] Das von Proudhon entworfene 'Konzept des
anarchistischen Föderalismus' baut auf die Vernetzung kommunaler Strukturen und
gilt auch in nachfolgenden Konzepten des Anarchismus als Grundprinzip. Der
kollektivistische Anarchismus basiert vor allem auf den Ideen Michail Bakunins
und Mitgliedern der Juraföderation. Statt des Privateigentums an
Produktionsmitteln sollen die Arbeitsmittel im Besitz überschaubarer Kollektive
sein und von den Produzenten selbst kontrolliert und verwaltet werden.[12]
Arbeiter sollen von demokratischen Institutionen nach der Zeit ihrer Arbeit
vergütet werden. Diese Einkünfte sollten verwendet werden, um Artikel in einem
kommunalen Markt zu erwerben. Föderalistische Strukturen sollen den Staat und
andere zentralistische Institutionen vollständig ersetzen.[13] Anhänger des
kommunistischen Anarchismus fordern einen vollständigen Bruch mit dem
Kapitalismus und die Abschaffung des Geldes.[14] Die direkte Entlöhnung soll
ersetzt werden durch den freien Zugang zum gemeinsamen Arbeitsprodukt.[15]
Peter Kropotkin, als bedeutendster Theoretiker des kommunistischen Anarchismus,
wendet sich gegen den ökonomischen Wert im Allgemeinen; sei es Geld, Arbeit
oder Ware. Er sieht das Privateigentum als Grund für Unterdrückung und
Ausbeutung und schlägt stattdessen eine umfassende Kollektivierung vor.[16] Der
individualistische Anarchismus ist eine im 19. Jahrhundert in Nordamerika
entstandene Lehre, die das Individuum und seine Interessen als Mittelpunkt der
Gesellschaft ansieht, der keinen Gegensatz zu den vorgenannten sozial
orientierten Formen darstellt und in Opposition zum Kollektivismus steht. Die
individualistische Strömung wurde in den USA vor allem von Benjamin Tucker
entwickelt. In Deutschland vertrat ihn der Anarchist und Schriftsteller John
Henry Mackay, der sich hauptsächlich auf Benjamin Tucker und Max Stirner
berief.[17] Der Individualanarchismus wird häufig als Extremform des
Liberalismus beschrieben. Der Gegensatz zwischen Individualismus-Egoismus und
Kollektivismus-Altruismus stellt eine wichtige anarchistische
Auseinandersetzung dar. Weitere Strömungen Voltairine de Cleyre, eine
Vertreterin des Anarchismus ohne Adjektive Wegen der Vielzahl sich inhaltlich
überschneidender, im Detail jedoch durchaus verschiedener anarchistischer
Ausprägungen wird für den Anarchismus im Allgemeinen, wie ihn etwa Fernando
Tarrida del Mármol vertreten hat, der Begriff „Anarchismus ohne Adjektive“
verwendet. Der Ausdruck wird entweder übergreifend auf Anarchismus angewandt,
wenn eine spezifische Klassifizierung abgelehnt wird, oder wenn sich dessen
Anhänger den verschiedenen Strömungen gegenüber tolerant zeigen. Die
bekannteste und international am stärksten organisierte Richtung ist der
Anarchosyndikalismus. Seine Idee ist die Zusammenführung der Lohnabhängigen in
Gewerkschaften, die sich von Tarifparteien durch die Unterstützung des
revolutionären Syndikalismus unterscheiden. Die mit fast zwei Millionen Mitgliedern
bislang größte anarchosyndikalistische Gewerkschaft war im Spanien der 1930er
Jahre die Confederación Nacional del Trabajo (CNT), die nach der Zeit des
Franquismus reorganisiert wurde. Für die rein gewaltfreie Umsetzung steht der
Anarchopazifismus (auch gewaltfreier Anarchismus). Hier geht es primär um das
Zusammenführen des Anarchismus mit der gewaltfreien Aktionstheorie bzw. mit
Theorien der gewaltfreien Revolution. Gewaltkritik wird in diesem Zusammenhang
auch als wichtiger Teil anarchistischer Herrschaftskritik verstanden. Auch
christliche Anarchisten treten zumeist strikt pazifistisch auf. Sie verneinen
die Herrschaft der Kirchen und Priester wie des Staates und glauben, dass
Freiheit direkt durch die Lehre Jesu spreche. Eine Strömung des jüdischen Anarchismus,
zum Beispiel vertreten von Bernard Lazare, entstand aus den Erfahrungen
verschiedener antisemitischer Pogrome des späten 19. Jahrhunderts. Die auch als
‘anarchistischer Zionismus’ bezeichnete Idee war ein jüdisches
Gesellschaftssystem ohne Staat. Durch die Zusammenarbeit mit zionistischen
Sozialisten wurden viele jüdische Siedlungen in Palästina (Kibbuzim) unter
britischem Mandat nach anarchistischen Vorstellungen organisiert.[18] Weitere
Denkrichtungen entstanden durch die Verbindung von anarchistischen Ideen mit
anderen religiösen Denktraditionen, wie beispielsweise dem Islam, dem
Buddhismus und dem Hinduismus. Aus Reflexion über die Niederlage des
Anarchismus in der Ukraine wurde der Plattformismus entwickelt, der eine
stärkere Gemeinschaft, deutliche Verständigung über die ideologische
Ausrichtung und Verbindlichkeit in der Praxis fordert. Ein ähnliches Modell
vertritt der Especifismo in Südamerika. Der Insurrektionalismus oder
aufständische Anarchismus ist eine revolutionäre Theorie und Praxis innerhalb
der freiheitlichen Bewegung, die sich formalen Organisationen wie
Basisgewerkschaften und Föderationen entgegenstellt, die auf einem politischen
Programm und regelmäßigen Treffen basieren. Stattdessen befürworten
Insurrektionisten Direkte Aktion und Zusammenarbeit in informellen kleinen
autonomen Basisgruppen, den Affinity Groups (Bezugsgruppen). Der
Anarchokapitalismus tritt für eine vom freien Markt, von freiwilligen
Übereinkunften und von freiwilligen vertraglichen Bindungen geprägte Gesellschaft
ein, die vollständig auf staatliche Institutionen und Eingriffe verzichtet. Die
Verhältnisbestimmung dieser Ideen und ihrer Vertreter und Vorläufer zu anderen
Formen des Anarchismus ist umstritten. Die Anarchist FAQ schreibt dazu, dass
der Anarchokapitalismus seinen Ursprung im Liberalismus, nicht im Anarchismus
habe und die Geschichte der ökonomischen Ideen des Anarchismus ignoriere, die
immer antikapitalistisch gewesen seien. Zwischen anarchokapitalistischen
Theoretikern und der anarchistischen politischen Bewegung bestehe keine
Verbindung.[19] Dagegen sieht Stefan Blankertz den Anarchismus allgemein als
radikale Form des Liberalismus.[20] Neuere Ansätze Emma Goldman Die
französische Variante des Anarchismus von 1968, der Situationismus, zeigte sich
in der Studentenbewegung und den Mai-Unruhen. Forderungen waren unter anderem
Abschaffung der Ware, der Arbeit, der Hierarchien, Aufhebung der Trennung
zwischen Kunst und Leben. Der Anarchafeminismus ist eine Wortschöpfung der
1970er Jahre und vereint den Radikalfeminismus mit der anarchistischen Idee. Es
gibt in der anarchistischen Bewegung schon Vorläufer, so hat Emma Goldman den
Kampf um weibliche Gleichberechtigung mit dem um Herrschaftsfreiheit verbunden.
Die Begriffssetzung Neo-Anarchismus beschreibt die historische Erscheinungsform
im Zuge der 68er-Bewegung in Deutschland, in der der theoretische Anarchismus
wiederentdeckt wurde und die Hierarchiefreiheit in progressiven und „linken“
Gruppen Einzug hielt. Öko-Anarchismus ist die Bezeichnung für die Verknüpfung
von Ablehnung der Herrschaft von Menschen über Menschen mit der Ablehnung der
Herrschaft des Menschen über die Natur. Eine bedeutende Strömung in Nordamerika
ist der Primitivismus, der die Rückkehr zu vorindustriellen Formen des
Wirtschaftens propagiert. „Folk-Anarchy“, auch der „kleines-a-Anarchismus“,
sind in den USA entwickelte „postlinke“ anarchistische Strömungen. Diese
Ansätze finden sich in Netzwerken wie CrimethInc. und der Curious George
Brigade, die sich gegen nostalgische Theorie- und Personenbezüge richten und
eine „Do it yourself“-Praxis (DIY) fordern: „eine Anarchie geschaffen von
gewöhnlichen Menschen, die außergewöhnliche Leben leben, genannt
Folk-Anarchy.“[21] Postanarchismus stellt keine einheitliche Theorie dar,
sondern ist ein Sammelbegriff für postmoderne, postfeministische und
poststrukturalistische Debatten aus anarchistischer Perspektive. Das Präfix
„Post“ steht für eine Infragestellung und Verwerfung von einigen Grundannahmen
des klassischen Anarchismus, nicht für ein Aufgeben anarchistischer Ziele. Das
äußerst positive Menschen- und Weltbild des Anarchismus des 19. Jahrhunderts
gilt dem Postanarchismus als überholt. Ihm zeigt sich Herrschaft als verändert
und erweitert dar, der Ausbeutung wird die unterwerfende Subjektivierung zur
Seite gestellt, der positive Machtbegriff Foucaults adaptiert. Der
Postanarchismus beschäftigt sich zudem mit Postkolonialismus und
Antirassismus.[22] Libertärer Kommunalismus[23] ist ein reformistisch
orientierter praxisnaher Entwurf für demokratische Selbstverwaltung von
Gemeinden auf der Basis von Ökologie, Freiwilligkeit und Föderalismus und wurde
in den kurdischen Gebieten zur Zeit des syrischen Bürgerkriegs umgesetzt. Das
englischsprachige begriffliche Pendant zu libertär, libertarian, bezeichnet
seit den 1950er Jahren eine Verbindung von Anarchismus und Kapitalismus.[24]
Geschichte Vorläufer → Hauptartikel: Vorläufer des Anarchismus Diogenes von
Sinope auf einem Gemälde von John William Waterhouse. Diogenes gehörte zu den
frühen Gesellschaftskritikern und predigte die Bedürfnislosigkeit als Grundlage
der Freiheit. Der Historiker Peter Marshall bezeichnet den Daoismus als „ersten
klaren Ausdruck anarchistischer Sensibilität“ und dessen Hauptwerk Daodejing
von Laozi als „einen der größten anarchistischen Klassiker.“[25] Die Taoisten
lehnten Regierungen ab und strebten ein Leben in natürlicher und spontaner
Harmonie an, wobei der Einklang des Menschen mit der Natur eine bedeutende
Rolle spielte. Der Daoismus entwickelte im Laufe der Zeit ein regelrechtes
System politischer Ethik und verzichtete auf Kulte und die Ausbildung einer
Priesterkaste. Der Daoismus war damit auch die wichtigste Gegenströmung zum
autoritären und bürokratischen Konfuzianismus, der später zur chinesischen
Staatsreligion wurde.[26] Erste Vorläufer des Anarchismus in Europa finden sich
in der griechischen Philosophie der Antike. Der Historiker Max Nettlau sieht
die bloße Existenz des Wortes „An-Archia“ als Beleg, „dass Personen vorhanden
waren, die bewußt die Herrschaft, den Staat verwarfen.“[27] Ab dem 5.
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung predigte Diogenes von Sinope (ca. 400 –
324 v. Chr.) die Rückkehr zum naturgemäßen Leben. Er und die Schüler der von
ihm begründeten Schule der Kyniker sahen die ursprüngliche Bedürfnislosigkeit
als erstrebenswerten Zustand. Soziale Harmonie würde laut den Kynikern anstelle
von gegenseitigem Kampf und gesellschaftlichem Konflikt bestehen, da sich diese
aus der Gier des Menschen nach materiellem Besitz und dem Streben nach Ehre
ergeben.[28] In den Lehren von Zenon von Kition (ca. 333–262 v. Chr.) sieht der
Historiker Georg Adler zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Ideen des
Anarchismus entwickelt.[29] Zenon, der Begründer der Stoa, war ein großer
Kritiker von Platons Ideal einer Gesellschaft, die mit absoluter Staatsmacht zu
einem moralischen Zusammenleben finden sollte. Zenon entwarf im Gegensatz zu
Platon sein eigenes Ideal einer freien staatenlosen Gemeinschaft, die der Natur
des Menschen besser entsprechen würde. Anstatt dem schriftlichen Gesetz zu
folgen sollten die Menschen durch innere Einsicht ihren wahren natürlichen
Trieben folgen. Dies würde die Menschen zur Liebe zum Mitmenschen und zur
Gerechtigkeit führen. Wie in der äußeren Natur Eintracht, Harmonie und
Gleichgewicht herrschen, so würde dies dann auch in der menschlichen
Gesellschaft gelten. Daraus folgt die Negation des Gesetzes, der Gerichte, der
Polizei, der Schule, der Ehe, des Geldes, der staatlichen Religion und des
Staates. Über alle Völkergrenzen hinaus würde der Mensch in vollkommenster
Gleichheit leben. Jeder sollte freiwillig gemäß seinen Fähigkeiten arbeiten und
je nach Bedürfnis konsumieren dürfen.[29] Im späten Altertum und im Mittelalter
gab es verschiedene verfolgte Sekten und Ketzer mit freiheitlichen Merkmalen. Anarchistische
Elemente sind im Mittelalter jedoch erstmals beim Häretiker Amalrich von Bena
und seinen Anhängern, den Amalrikanern, dokumentiert. Ähnliches gilt für die
christlich-mystischen Brüder und Schwestern des freien Geistes im 12. und 13.
Jahrhundert, die sich außerhalb der Gesellschaft und ihrer Gesetze
stellten.[30] Zu den Vorläufern des Anarchismus wird Étienne de La Boétie
(1530–1563) gezählt, der im Alter von 18 Jahren das grundlegende Werk Discours
de la servitude volontaire ou le Contr'un (deutsch: Von der freiwilligen
Knechtschaft oder das Gegen Einen [den Monarchen]) schrieb. Die Grundfrage des
Discours de la servitude lautet: Woher kommt es, dass sich ein ganzes Volk von
einem einzigen Menschen quälen, misshandeln und gegen seinen Willen leiten
lässt. Monarchen stützen sich nicht nur auf Repression, um ihre Herrschaft zu
erhalten. Viel wichtiger ist für Étienne de la Boétie der Fakt, dass sich die
Untertanen freiwillig in ihre Knechtschaft ergeben und so erst dem einen
Menschen die Macht übertragen. Würden also die Untertanen dem Monarchen ihren
Dienst verweigern, hätte dieser wiederum keine Macht mehr. Eine Grundkritik des
Anarchismus, das Herr-/Knechtschaftsverhältnis in der Gesellschaft, hat La
Boétie erstmals für die Neuzeit formuliert.[31] Im Jahr 1649, einem Jahr großer
sozialer Unruhen, entstand in England unter dem Einfluss von Gerrard Winstanley
die religiös-anarchistische Bewegung der Diggers. Die bestehende
gesellschaftliche Ordnung und die Herrschaft der Großgrundbesitzer versuchten
die Diggers durch die Gründung kleiner, landwirtschaftlicher Kommunen auf
egalitärer Basis aufzubrechen. Durch freiwilligen Zusammenschluss aller
einfachen Leute sollten die Herrschenden ausgehungert werden, wenn sie sich
nicht den Kommunen anschließen. Schon 1651 waren die Kolonien der
gemeinschaftlich wirtschaftenden Dissidentengruppe durch Obrigkeit und lokale
Grundbesitzer wieder zerstört. William Godwin war ein englischer Gelehrter und
Kritiker der autoritären Entwicklung der Französischen Revolution. 1793
formulierte er in seinem Hauptwerk Enquiry concerning political justice, dass
jedwede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft
anzusehen sei. Mit seinen Ideen hatte Godwin bereits nahezu alle wesentlichen
Punkte der anarchistischen Theorie vorweggenommen.[32] Anarchismus versus
Marxismus Illustration aus der französischen Ausgabe von Der Anarchismus von
Kropotkin, 1913 Aus den Ideen der Aufklärung, verbunden mit den sich
verstärkenden radikalen Strömungen des revolutionären Liberalismus seit der
französischen Revolution von 1789 und verschiedenen frühsozialistischen
Ansätzen, entwickelten sich die Vorstellungen des modernen Anarchismus etwa
zeitgleich mit den kommunistischen Ideen von Weitling und Marx und zunehmend in
gegenseitiger Abgrenzung voneinander. Die politischen Differenzen zwischen
Kommunisten und Anarchisten führten zu historisch konfliktträchtigen
Situationen in der Arbeiterbewegung und der politischen Linken insgesamt;
Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart andauern. Erst Pierre-Joseph
Proudhon bezeichnet sich selbst als Anarchist und stellt die wesentlichen
Elemente des Anarchismus in seinem Werk Qu’est-ce que la propriété? ou
recherches sur le principe du droit et du gouvernement (1840) (dt.: Was ist das
Eigentum? Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und
der Herrschaft) zusammen. Er formuliert: „Eigentum ist Diebstahl“,[33] wobei er
unter Eigentum solches verstand, das die Voraussetzung für Einkommen ohne
Arbeit ist. Damit stellte er Privateigentum an Produktionsmitteln,
Mietshäusern, Wertpapieren und Ähnlichem ins Zentrum seiner Kritik an den
herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen im Kapitalismus. Dieses sei
ebenso wie der bürgerliche Staat, der es schützen soll, direkt und unmittelbar
zu bekämpfen und durch selbstorganisierte Formen des Gemeineigentums zu
ersetzen. In einem Briefwechsel setzte sich Proudhon mit Karl Marx auseinander.
Dabei stellte sich heraus, dass sie beide Themen wie Macht und Freiheit des
Individuums oder die Rolle des Kollektivs als revolutionäres Subjekt sehr
verschieden bewerteten. Proudhon argumentierte stärker mit
philosophisch-ethischen Prinzipien, während Marx diese als bloß moralische
Ideale kritisierte und eine wissenschaftliche Analyse der Widersprüche zwischen
Kapital und Arbeit vermisste. Proudhons Anhänger Michail Bakunin
(kollektivistischer Anarchismus) und später Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
(kommunistischer Anarchismus) verbanden seine Theorien mit der Agitation für
eine soziale Revolution, die zur radikalen Umwälzung der Besitzverhältnisse
notwendig sei. Bakunin lehnte die führende Rolle einer revolutionären
Kaderpartei jedoch ebenso ab wie staatliche Hierarchien und verwarf damit Marx’
Forderung nach der Gründung kommunistischer Parteien ebenso wie die These von
der „Diktatur des Proletariats“, die zur klassenlosen Gesellschaft führen
solle. Er glaubte nicht, dass die Arbeiter zuerst die politische Staatsmacht
erringen müssten, damit der Sozialismus aufgebaut und der Staat absterben könne,
sondern wollte diesen direkt abschaffen. Diese Konzeption nannte er
„antiautoritären Sozialismus“; ein Konzept, das von den Marxisten als
„kleinbürgerlich-pseudorevolutionäre Ideologie“ abgelehnt wurde. Zwischen 1864
und 1872 waren Anarchisten und Marxisten in der noch aus einer Vielzahl
politisch divergierender Gruppen der Arbeiterbewegung bestehenden
Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) organisiert. Als der ideologische
Konflikt zwischen den Anhängern von Bakunin einerseits und denen von Marx andererseits
eskaliert war, wurde Bakunin 1872 auf Betreiben von Marx aus der IAA
ausgeschlossen. Der ideologische Konflikt, der 1876 zur Auflösung der IAA
(heute auch unter der Bezeichnung „Erste Internationale“ bekannt) geführt
hatte, markiert die erste grundlegende Zäsur in der Geschichte des Sozialismus
und der internationalen Arbeiterbewegung – noch vor deren weiteren Aufspaltung
am Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert in einen reformorientierten
(sozialdemokratischen) und einen revolutionären (kommunistischen) Flügel. Seit
dem Auseinanderbrechen der IAA grenzen sich – Rudolf Rocker zufolge –
Anarchisten in folgenden Punkten grundsätzlich vom Marxismus ab: Ablehnung der
von Hegel geprägten marxistischen „Schicksalstheorien“. In der Geschichte gebe
es überhaupt keine Zwangsläufigkeiten („historischen Notwendigkeiten“,
„Zwangsläufigkeit des historischen Geschehens“), „sondern nur Zustände, die man
duldet und die in Nichts versinken, sobald die Menschen ihre Ursachen
durchschauen und sich dagegen auflehnen“ (Rocker). Ablehnung des „Historischen
Materialismus“. Aus den wirtschaftlichen Verhältnissen könnte nicht alles
„politische und soziale Geschehen“ erklärt werden. Der Anarchismus begreift die
Menschen als handelnde Individuen, lehnt die Betrachtung von Menschen als Masse
ab. Grundsätzliche Ablehnung eines Staates. Die Produktionsmittel von der
Privatwirtschaft einem Staat zu übergeben, „führt lediglich zu einer Diktatur
durch den Staat“ (Rocker). Ablehnung von Gesetzen und Gesetzgebern.
Entscheidungen werden dezentral, kollektiv und im Konsens entschieden. „Nur das
freie Übereinkommen, ‚könnte‘ das einzige moralische Band aller
gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander sein“ (Rocker).
Ablehnung einer Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus. Der „Wille zur
Macht“ müsse in einer freien Gesellschaft grundsätzlich bekämpft werden.
radikale Ablehnung aller kapitalistisch geprägten Begriffe: Sämtliche
Wertbegriffe, wie wir sie heute kennen, sind samt und sonders kapitalistische
Begriffe. Luft, Sonnenlicht, Regen, Erdfeuchtigkeit, Humus, kurz, viele der
wichtigsten Produktionsfaktoren sind, weil sie nicht monopolisiert werden
konnten, heute kapitalistisch wertlos. (…) Mit dem Aufhören des
Eigentumsbegriffes an Produktionsmitteln hört auch jeder Wertbegriff für den
einzelnen auf. (Pierre Ramus, Franz Barwich) Einzelne Vertreter bezweifeln
ebenfalls das Konzept der sozialen Klasse wie Errico Malatesta auf dem Kongress
in Amsterdam. Die Propaganda der Tat Der französische Anarchist Ravachol war ein
Verfechter der Propaganda der Tat durch Gewalt: Als Rache für getötete
Demonstranten verübte er Bombenanschläge und wurde dafür guillotiniert. →
Hauptartikel: Propaganda der Tat Ab den späten 1870er Jahren wurden
anarchistische Aktionen und Taten mit Vorbildcharakter als Propaganda der Tat
bezeichnet. Sie sollten die Gesellschaft „aufwecken“ und in der Bevölkerung
Sympathien schaffen, um somit als Mittel für politische und soziale Veränderung
zu dienen. Durch die relative Häufung von Attentaten zum Ende des 19.
Jahrhunderts in verschiedenen Ländern kam es in der öffentlichen Meinung zu
einer Reduktion des Anarchismus auf Terroranschläge, eine bis heute verbreitete
Ansicht. Zu den publizistischen Unterstützern der Anschläge durch die Narodniki
auf Zar Alexander II. zählten beispielsweise auch einzelne sozialdemokratische
Politiker im Deutschen Reich wie Wilhelm Hasselmann und Johann Most. Durch den
1880 erfolgten Ausschluss dieser beiden Protagonisten der
sozialrevolutionär-anarchistischen Fraktion der SPD-Vorläuferpartei SAP
versuchte die deutsche Sozialdemokratie, sich während der Geltungsdauer des
repressiven Sozialistengesetzes ihres tendenziell anarchistischen Flügels zu
entledigen. Hasselmann und Most, die beispielsweise in der in London
herausgegebenen und illegal im Deutschen Kaiserreich verbreiteten zunächst
sozialdemokratischen, dann anarchistischen Zeitschrift Freiheit auch zu offener
Gewalt gegen die antisozialistische Unterdrückungspraxis der deutschen
Regierung unter Reichskanzler Otto von Bismarck aufgerufen und der SAP-Führung
eine zu gemäßigte Haltung in ihrer bloß verbalen Systemopposition vorgeworfen
hatten, setzten nach ihrem Parteiausschluss ihre sozialrevolutionäre Agitation
im US-amerikanischen Exil fort. Schon einige Jahre zuvor hatten symbolträchtige
Anschläge auf Kaiser Wilhelm I. und die Könige von Spanien und Italien
stattgefunden. Am 24. Juni 1894 aber tötete der junge italienische Einwanderer
Sante Geronimo Caserio, der dem anarchistischen Umfeld zuzurechnen war, den
französischen Präsidenten Carnot. Dies war der Höhepunkt einer ganzen Serie von
anarchistisch motivierten Anschlägen in Frankreich. Am 10. September 1898
erstach Luigi Lucheni in Genf Kaiserin Elisabeth (Sisi). Am 6. September 1901
schoss Leon Czolgosz in Buffalo (New York) auf den US-Präsidenten William
McKinley; dieser starb acht Tage später. Die 1890er Jahre wurden als ein
„Jahrzehnt der Bomben“ bezeichnet. Mit Dynamit – einer damals neuen Erfindung –
wurden Anschläge verübt gegen Monarchen, Präsidenten, Minister, Polizeichefs,
Polizisten und gegen Richter, die Anarchisten verurteilt hatten. Andere trafen
offizielle Gebäude. Die gewaltsamen Anschläge und Attentate gegen Ende des 19.
Jahrhunderts, von Peter Kropotkin anlässlich eines internationalen
revolutionären Kongresses 1881 in London als kontraproduktiv oder ineffektiv
bezeichnet, wurden zunehmend auch von anderen Anarchisten abgelehnt. Frühes 20.
Jahrhundert Anarchisten spielten in vielen Arbeiterbewegungen, Aufständen und
Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Rolle. Dazu gehören etwa die
Mexikanische Revolution von 1910 bis 1919 mit der Bauernarmee unter Führung von
Emiliano Zapata, die Oktoberrevolution 1917 in Russland und die nach ihrem
Anführer Nestor Machno benannte Bauern- und Partisanenbewegung, der Machnowzi
zwischen 1917 und 1921 in der Ukraine; auch in der kurzlebigen Münchner
Räterepublik von 1919 waren zeitweise Anarchisten wie Gustav Landauer und der
Dichter Erich Mühsam an der Räteregierung beteiligt. Die 1922 gegründete
anarchosyndikalistische Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA) ist
heute noch in vielen Ländern Amerikas und Europas in Arbeitskämpfen aktiv. Im
frühen 20. Jahrhundert wurden Anarchistengruppen in Russland von den
kommunistischen Bolschewiki verdrängt und fielen gegen Ende der russischen
Revolution Säuberungsaktionen zum Opfer (Niederschlagung des Aufstandes in
Kronstadt und der anarchistischen Bauernbewegung Machnowschtschina). Spanische
Republik → Hauptartikel: Anarchismus in Spanien Fahne der CNT-FAI Im Spanischen
Bürgerkrieg, der in den Jahren von Juni 1936 bis April 1939 zwischen
verschiedenen Gruppen der Republikaner und der faschistischen Bewegung unter
General Franco stattfand, wirkte der Anarchismus bisher am stärksten.
Insbesondere die mitgliederstarke und einflussreiche anarchosyndikalistische
Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) kontrollierte mit ihrem
militanten Arm, der anarchistischen Federación Anarquista Ibérica (FAI), große
Teile des östlichen Spaniens. Deutschland während der NS-Diktatur Während des
nationalsozialistischen Regimes war eine legale politische Tätigkeit von
Anarchisten in Deutschland nicht möglich. Bereits kurz nach der Machtergreifung
Hitlers wurden ab 1933 prominente Wortführer der Anarchisten in
Konzentrationslager verbracht. Viele von ihnen wurden ermordet, wie
beispielsweise der Dichter und Publizist Erich Mühsam. Junge und weniger
bekannte Aktivisten versuchten noch mit den Schwarzen Scharen antifaschistische
Widerstandsgruppen zu organisieren, wurden aber von der Gestapo ausgehoben. Ein
Großteil emigrierte. Viele der emigrierten deutschen Anarchisten, darunter etwa
Augustin Souchy, schlossen sich ab 1936 in Spanien während des dortigen
Bürgerkriegs dem Kampf der Internationalen Brigaden auf der Seite der CNT/FAI
gegen Franco an. Hunderte von in Deutschland verbliebenen Anarchisten wurden in
„Schutzhaft“ genommen, in Schauprozessen verurteilt und in Konzentrationslager
verbracht, von wo einige zum Ende des Zweiten Weltkriegs etwa in die
SS-Sondereinheit Dirlewanger gepresst wurden.[34] Nachkriegszeit →
Hauptartikel: Anarchismus in Deutschland Deutsche Demokratische Republik
Kurzzeitig kam es unter sowjetischer Besatzungsmacht zum Wiederaufleben des
Anarchismus, vor allem durch syndikalistische Arbeiter. Nach dem Krieg hatte
sich um Wilhelm Jelinek in Zwickau ein neuer Kreis von freiheitlich gesinnten
Personen gebildet. Jelinek war Betriebsratsvorsitzender eines großen
Industriebetriebes. Dieser Kreis verschickte Rundbriefe an mindestens 18
verschiedene Orte in der sowjetischen Zone und unterhielt auch Korrespondenzen
mit Anarchisten in anderen Zonen Deutschlands. Es gelang ihm durch mündliche
und briefliche Agitation, ein weitmaschiges Netz über die gesamte Ostzone und
spätere DDR zu spannen.[35] „In Zwickau wurde, so unglaublich es klingt, eine
Informationsstelle des gesamtdeutschen Anarchismus gebildet. Sie berief Mitte
1948 nach Leipzig eine geheime Konferenz aller unter sowjetischer
Besatzungsmacht lebenden Antiautoritären verschiedener Richtungen ein.“
Zirkulare des Zwickauer Kreises fielen den Staatsorganen in die Hände. Der
Staatssicherheitsdienst wurde aufmerksam und verhaftete alle Teilnehmer. Nach
Kriegsende bis zur gesprengten Tagung 1948 waren die anarchistischen
Gruppierungen in der Sowjetischen Besatzungszone so stark, dass sie sogar die
westdeutschen Anarchisten mit einer Vervielfältigungsmaschine und Geld
unterstützen konnten.[36] Von einigen Orten aus dem Gebiet der DDR ist bekannt,
dass einige ehemalige Mitglieder der FAUD sich der SED anschlossen, die zumeist
in den 1950er Jahren wieder „hinausgesäubert“ wurden.[37] Bis zur Wende
beschränkten sich anarchistische Aktivitäten auf die Herausgabe von
Flugblättern und einigen Zeitschriften.[38] Bundesrepublik Deutschland Mit der
Studentenbewegung Ende der 60er Jahre stieg das öffentliche Interesse am
Anarchismus. Innerhalb der Studentenbewegung gab es eine anarchistische
Strömung. Auch im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), der sich zum
Sammelbecken der gesamten Bewegung entwickelte, waren Anarchisten vertreten.
Des Weiteren hatte der Anarchismus für die Neuen sozialen Bewegungen (NSB) eine
theoretische und praktische Bedeutung. Innerhalb der Autonomen, als
linksradikalem Flügel der NSB, gab und gibt es eine große libertäre Strömung.
Ein bundesweit organisiertes Bündnis anarchopazifistisch dominierter
Bezugsgruppen war die von 1980 bis in die 1990er bestehende Föderation
Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA), die über Jahre hinweg die bis in die
Gegenwart erscheinende Zeitschrift Graswurzelrevolution herausgab. 1989
gründete sich die „Initiative für eine anarchistische Föderation in
Deutschland“ (I-AFD).[39] Sie überstand die Jahrtausendwende und ist später im
„Forum deutschsprachiger Anarchistinnen und Anarchisten“ (seit 2013 Föderation
deutschsprachiger Anarchist*innen) aufgegangen. Im frühen 21. Jahrhundert haben
sich mehrere Ortsgruppen der Anarchistisch-Syndikalistischen Jugend gebildet.
Zeitweilig, insbesondere in den 1970er Jahren, wurde vor allem in den
Massenmedien die Rote Armee Fraktion (RAF) neben anderen ähnlich agierenden,
dem Linksterrorismus zugeordneten Gruppierungen ebenfalls als „anarchistisch“
bezeichnet. Diese Zuordnung beruhte jedoch auf einem inhaltlich falschen bzw.
in der Praxis verengten Verständnis des Anarchismus. Sie besetzte das in der
Gesellschaft verbreitete, polarisierende und nicht näher spezifizierte
Schlagwort Anarchie im Sinne von Anomie. Die RAF, die ihre Aktionen und
Anschläge aus einem marxistisch-leninistischen Verständnis des
Antiimperialismus heraus begründete, hatte selbst inhaltlich keinen
anarchistischen Bezugsrahmen. Die fälschliche Fremdzuschreibung als
„anarchistisch“ beruhte vor allem auf ihrer extremen Militanz, mit der ihre
wesentlichen Akteure bis zur tödlichen Konsequenz für andere und sich selbst
gegen Symbolfiguren der herrschenden staatlichen und ökonomischen Strukturen
aus Politik, Wirtschaft und Justiz vorgingen. Deutsche
Verfassungsschutzbehörden ordnen den Anarchismus mit der Begründung, er strebe
eine „staats- und herrschaftsfreie Gesellschaftsordnung“ an, unter dem Begriff
des Linksextremismus ein, etwa im Verfassungsschutzbericht des Bundes von
2012.[40] International In Europa und den Amerikas rekonstituierten sich die
überregionalen Anarchistischen Föderationen und schlossen sich 1968 zur
Internationale der Anarchistischen Föderationen zusammen. In den USA und
Großbritannien entstand Ende der 1970er-Jahre der Punk als anarchistisch
geprägte Subkultur. Vor allem die Mitglieder der Band Crass sind hier als
engagierte Anarchisten und Pazifisten zu nennen. Nach dem Zerfall der
zentralistischen Staaten des Warschauer Pakts haben sich dort weitere
anarchistische Föderationen gebildet, die teilweise der Internationale
beigetreten sind. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre gibt es internationale
Libertäre Buchmessen in mehr als zehn Ländern. Anarchismus in der Gegenwart
Scheiss auf die Wahlen, gegen jede Repräsentation, gegen jede Autorität, für
Eigenverantwortung und Autonomie, für die Anarchie. Plakat in Wien, 2016 Ein
zeitgenössisches Plakat in griechischer Sprache. "Ihr erhebt euch also
erneut! Sie schafften es nicht, euch auf die Knie zu zwingen. Der Geist, der
euch dazu antreibt, den Staat und jede Herrschaft zu zerstören, ist nicht das
Resultat irgendeines pubertären Triebs, sondern Äußerung einer natürlichen LEIDENSCHAFT
für FREIHEIT, die aus den Tiefen eurer Seele entspringt." M. Bakunin Es
gibt auf der ganzen Welt lokale anarchistische Gruppen, die verschiedene
Strömungen propagieren und unterschiedlich organisiert sind. Die Bandbreite der
Aktivitäten reicht von Herausgabe von Zeitungen über die Umsetzung direkter
Aktionen bis zu anarchistischen Wohn- und Arbeitskollektiven. Der politische
Einfluss ist in der Regel begrenzt. Der Anarchismus in den Niederlanden wurde
Mitte der 1960er Jahre mit der Provo-Bewegung wieder aktuell. Nach der
Wirtschaftskrise in Argentinien im Jahre 2000 wurden einige hundert, zumeist
peronistisch ausgerichtete Betriebe in Selbstverwaltung gestellt, die
allerdings am normalen weltwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und nur einen
eingeschränkt mutualistischen Ansatz verfolgen.[41] Ebenso gelten die
Autonomen- und Punk-, insbesondere Anarcho-Punk-Szenen als stark vom
Anarchismus beeinflusst. Die Hausbesetzer- und Umsonstladenbewegungen gelten
ebenfalls als anarchistisch inspiriert. Zu Beginn des 3. Jahrtausends
adaptierte die kurdische Bewegung in Form des demokratischen Konföderalismus
eine zeitgenössische, pragmatische Form der ökologischen und demokratischen
Selbstverwaltung aus anarchistischen Diskursen. Organisationen An bedeutenden
internationalen Gruppierungen sind die Internationale der Anarchistischen
Föderationen (IFA) und die internationale anarchistische
Gefangenenhilfsorganisation Anarchist Black Cross (ABC) zu erwähnen. Weltweit
gibt es mehrere hundert anarchistische Basisorganisationen und libertäre
Gruppen, die sich in lokalen Organisationen organisieren. In Deutschland war
die Föderation freiheitlicher Sozialisten (1947 bis um 1970;
Nachfolgeorganisation der FAUD) die größte Organisation nach dem Zweiten
Weltkrieg, heute ist die anarchosyndikalistische Gewerkschaft Freie
Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) Mitglied der Internationalen
Konföderation der Arbeiter*innen (IKA). Die Föderation deutschsprachiger
Anarchist*innen (FdA), 2003 gegründete Nachfolgeorganisation der 1989 ins Leben
gerufenen Initiative zum Aufbau einer Anarchistischen Föderation in
Deutschland, ist in der IFA assoziiert. Seit 2009 existieren mehrere
Ortsgruppen der Anarcho-Syndikalistischen Jugend. 2019 gründete sich die
plattform – anarchakommunistische Organisation, welche sich auf das
Organisationsprinzip des Plattformismus beruft. Periodika Die wichtigsten
deutschsprachigen Periodika sind die „Direkte Aktion“ der
Anarchosyndikalistischen Organisation FAU-IAA, die sich vom Print-zum digitalen
Medium gewandelt hat[42], die anarcho-pazifistische „Graswurzelrevolution“ und
ihre auch gesondert erscheinende Beilage „Utopia“, welche 2011 eingestellt
wurde. Seit 2015 erscheint halbjährlich Ne znam, eine Zeitschrift für
Anarchismusforschung.[43] Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen
veröffentlicht seit 2011 monatlich das Magazin „Gǎidào“.[44] Der
vierteljährlich erschienene „Schwarze Faden“[45] ist seit 2004 eingestellt. In
Berlin erschien die englischsprachige Zeitschrift „Abolishing the Borders from
Below“ von 2001 bis 2010. Zum anarchistischen Umfeld werden die
Selbstorganisationszeitschrift „Contraste“ und das ökologisch orientierte
„Grüne Blatt“ gerechnet. Mittlerweile eingestellt wurde „Die Aktion“. Die
Organisation Socialiste Libertaire gibt die „Rébéllion“[46] in deutscher und
französischer Sprache heraus. Anarchistische beziehungsweise
anarchosyndikalistische Wochenzeitungen erscheinen mit „Umanità Nova“ in
Italien, „le monde libertaire“ in Frankreich und „Arbetaren“ in Schweden. Siehe
auch: Liste anarchistischer Zeitschriften Aktionsformen Der Anarchismus ist
bestrebt, direkt sozial oder politisch zu handeln. Gewaltlosigkeit sei
idealerweise das Ziel einer Anarchie.[47] Aus diesem Ansatz leiten sich
verschiedene Aktionsformen ab, wie zum Beispiel der in der Regel gewaltlose
zivile Ungehorsam oder die Direkte Aktion, also Streik, Generalstreik,
Sabotage, Betriebs- und Hausbesetzung und militante Aktionen. Die Grenze
zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit in der Anarchie wird an „Notwendigkeiten“
festgemacht: „Die wahre anarchistische Gewalt hört auf, wo die Notwendigkeit
der Verteidigung und der Befreiung aufhört“ schrieb Errico Malatesta, ein
bedeutender Aktivist und Wortführer der italienischen Anarchisten, 1924 zur
Zeit der faschistischen Diktatur in Italien.[47] Für die Errichtung und
Aufrechterhaltung einer Anarchie wurde Gegengewalt im frühen 20. Jahrhundert
weithin als legitimes Mittel gegen Herrschaft erachtet.[47] Im 19. und frühen
20. Jahrhundert war die Propaganda der Tat eine weitverbreitete Aktionsform,
mit der anarchistische Ideen durch Aktionen mit Vorbildcharakter verbreitet
werden sollten. Die Aktionsform wurde vor allem durch Anschläge auf exponierte
Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik bekannt. In den Revolutionen
des 19. und 20. Jahrhunderts spielten Anarchisten eine Rolle und waren zum
Beispiel als Partisanenbewegungen, wie die Machnowzi während des russischen
Bürgerkrieges, auch von militärischer Bedeutung. Im späten 20. Jahrhundert sind
neue Formen wie Kommunikationsguerilla, schwarzer Block, Clownarmee und
Guerilla Gardening hinzugekommen. Symbole → Hauptartikel: Anarchistische
Symbolik Die Symbole des Anarchismus umfassen eine Vielzahl von Zeichen. Am
häufigsten werden das A im Kreis, eine schwarze oder diagonal schwarz geteilte
Fahne und der schwarze Stern verwendet. Siehe auch Portal Portal: Anarchismus –
Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Anarchismus Liste bekannter
Anarchisten Anarchismus in Kuba Anarchismus in der Türkei Anarchismus in den
Vereinigten Staaten Anarchismus in Japan Anarchismus in Korea Literatur
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978-3-86747-001-8 Gruppe Gegenbilder (Hrsg., überarbeitet von Jörg Bergstedt):
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978-3-86747-005-6 Graswurzelrevolution (Hrsg.): Gewaltfreier Anarchismus.
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Graswurzelrevolution, Heidelberg 1999, ISBN 3-9806353-1-7 Wolfgang Haug &
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978-3-89771-497-7 Gabriel Kuhn: Anarchismus und Revolution. Gespräche und
Aufsätze. Unrast Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3-89771-226-3 Christine
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ISBN 3-936049-12-2 Michael Wilk: Macht, Herrschaft, Emanzipation. Aspekte
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3-931786-16-1 (michael-wilk.info [PDF; abgerufen am 28. Juli 2017]). Kritik am
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Abrechnung mit dem alten und dem neuen Anarchismus. Verlag 8. Mai, Berlin 1998.
ISBN 3-931745-06-6 Ute Nicolaus: Souverän und Märtyrer. Verlag Königshausen
& Neumann. Reihe Literaturwissenschaft. Band 506. S. 39, 40. Florens
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3-8260-2789-2 C. Roland Hoffmann-Negulescu: Anarchie, Minimalstaat, Weltstaat.
Kritik der libertären Rechts- und Staatstheorie. Kapitel IV., Anarchie, Staat
und Utopie. S. 83. Tectum Verlag, Marburg 2011. ISBN 3-8288-8303-6
Syndikalismus ist eine Weiterentwicklung des Gewerkschafts-Sozialismus, die von
dem französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon begründet wurde. Der
Syndikalismus propagiert die Aneignung von Produktionsmitteln durch die
Gewerkschaften, die dann auch an Stelle politischer Stellvertreter die
Verwaltung organisieren. Dabei bilden Streik, Boykott und Sabotage die Mittel
der Syndikalisten; parlamentarische Bestrebungen werden abgelehnt. Inhaltsverzeichnis
1 Idee 2 Syndikalismus in Deutschland 3 Die Organisation der Lokalisten 4 Vom
Lokalismus zum Syndikalismus 5 Die weitere programmatische Ausrichtung des
Syndikalismus 6 Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Deutschland
7 Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten
Weltkrieg 8 Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) 9 Syndikalismus: Zum
Gebrauch des Begriffs 10 Siehe auch 11 Literatur 12 Weblinks 13 Einzelnachweise
Idee Die nach föderalistischen Prinzipien aufgebaute Gewerkschaft solle mittels
eines Generalstreiks die Produktionsmittel in die Obhut der Arbeiterschaft
führen. Der Zusammenschluss (Syndikat) der Produktionseinheiten würde die
ökonomische Basis einer neuen Gesellschaft in Selbstverwaltung bilden. Der
bedeutendste Ideengeber und Vertreter der syndikalistischen Arbeiterbewegung
fand sich in der Person von Fernand Pelloutier. Ein wichtiges strukturbildendes
Element stellte die Arbeiterbörse dar. Der Syndikalismus war Anfang des 20.
Jahrhunderts besonders in Frankreich in Gewerkschaftskreisen verbreitet, etwa
in Form der Charta von Amiens von 1906, wurde jedoch nach Ende des Ersten
Weltkrieges von marxistischen Strömungen (vor allem dem Kommunismus) verdrängt
und zudem vom Faschismus bekämpft. Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs
1939 war der Syndikalismus praktisch verschwunden. Erweitert und im Wesenskern
ergänzt um weltanschauliche und philosophische Elemente des Anarchismus formte
sich der Anarchosyndikalismus. In Spanien erreichte die anarchosyndikalistische
Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) im ersten Drittel des 20.
Jahrhunderts eine breite Anhängerschaft von etwa zwei Millionen Mitgliedern und
gehörte zu den bedeutenden Faktoren der spanischen Politik. Die CNT sympathisierte
zeitweise mit der Russischen Revolution und trat 1919 der III. Internationale
(Komintern) bei. Nach 1921 vertrat jedoch nur noch eine Minderheit der
kommunistischen Syndikalisten die Verbindung mit der Russischen Revolution,
auch international dominierte Kritik gegenüber dem sich autoritär entwickelnden
Sowjetstaat.[1] In Deutschland trennten sich um 1921 die sich anfangs noch
stark überlappenden Milieus syndikalistischer und kommunistischer
Gewerkschaften. Konsequenterweise gründete sich 1922 ein eigener
internationaler Zusammenschluss anarcho-syndikalistischer Gewerkschaften, die
Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA). Syndikalismus in Deutschland
Die Geschichte in Deutschland wurde zunächst durch den Begriff des „Lokalismus“
geprägt. Dieser bezeichnet dabei gleichzeitig die Herkunft und die Motivation
der (anarcho-)syndikalistischen Bewegung. Sie entstammte der Sozialdemokratie
und wandte sich im Zuge der Verhältnisse unter den sogenannten
„Sozialistengesetzen“ (1878–1890) einem föderalistischen Gewerkschaftsmodell
zu, in welchem die Ortsvereine Souverän ihrer Entscheidungen blieben und sich
keiner Zentralinstanz unterordnen mussten. Das lag darin begründet, dass die
regionalen Vereinsgesetze oftmals nur lokale Vereinigungen zuließen, und zum
anderen daran, dass die „Lokalisten“ die zentralistische Organisationsform als
anfälliger für Repressions- und Korruptionsmaßnahmen ansahen. Des Weiteren
kritisierten sie die Tendenz, die Aufgaben der Gewerkschaften lediglich auf die
Tagesfragen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen festzulegen.
Der Klassenkampf der Arbeiterklasse solle nicht die alleinige Aufgabe der
sozialdemokratischen Partei sein. Hier lag der Keim für die weitere Ausformung
des (Anarcho-)Syndikalismus begründet, die Gewerkschaften gleichermaßen als
ökonomische, politische und kulturelle Bewegung anzusehen und auszurichten. Die
Organisation der Lokalisten Nach dem Ende der „Sozialistengesetze“ im Jahre
1890 und weiteren Zentralisierungstendenzen auf dem Kongress von Halberstadt
1892 entstand innerhalb der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung eine
Opposition zur „Generalkommission für die Zentralverbände“, welche sich dieser
Entwicklung verweigerte und sich auf Reichsebene im Jahre 1897 als
„Vertrauensmänner-Zentralisation Deutschlands“ bzw. „Zusammenschluss der
lokalorganisierten oder auf Grund des Vertrauensmännersystems zentralisierten
Gewerkschaften Deutschlands“ organisierte. Bis zum Kriegsausbruch im Jahre 1914
hielt die 1901 in „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVDG)
umbenannte Organisation 11 Reichskongresse ab. Besonderen Anklang fand sie bei
den Berufsvereinigungen der Bauarbeiter mit Zentrum in Berlin. Insgesamt
vereinigte sie bis zum Ersten Weltkrieg bis zu 20.000 Mitglieder. Die
organisatorischen Köpfe fanden sich in Fritz Kater, Gustav Keßler, Andreas
Kleinlein und Carl Thieme, welche sowohl die Geschäftskommission stellten, als
auch seit 1897 für das zentrale Organ Die Einigkeit verantwortlich waren,
welches in einer Auflage von 10.000 zweiwöchentlich erschien. Außerdem war
Fritz Kater Verleger und Herausgeber der Zeitschrift Der Syndikalist. Vom
Lokalismus zum Syndikalismus Um die Jahrhundertwende bestand die Bewegung aus
revolutionären Sozialdemokraten und Parteimitgliedern, doch ging die Partei in
den Jahren ab 1902 verstärkt dazu über, die lokalistische Bewegung und ihr
Programm der „Propaganda für die Idee des Massen- resp. Generalstreiks“
offensiv zu bekämpfen, bis die Parteitage der Jahre 1906 bis 1908 den
Ausschluss der dort als „Anarcho-Sozialisten“ betitelten lokalorganisierten
Mitglieder thematisierte. Diese bezeichneten sich gemäß ihrer programmatischen
Ausformung selber immer häufiger als „Syndikalisten“. Ihre Entwicklung wurde
weiterhin maßgeblich durch die Schriften von Fernand Pelloutier (Anarchismus
und Gewerkschaften), Arnold Roller (d. i. Siegfried Nacht: Der soziale
Generalstreik) und vom Konzept der französischen „bourses du travail“, den
sogenannten „Arbeiterbörsen“, geprägt. Im Jahre 1908 fasste die SPD auf ihrem
Parteitag in Nürnberg einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den
lokalorganisierten Gewerkschaften, woraufhin nur etwa 8.000 der insgesamt ca.
16.000 Mitglieder in der FVDG verblieben. Die weitere programmatische
Ausrichtung des Syndikalismus Diese prägten fortan den Begriff „Syndikalismus“
in Deutschland und darüber hinaus und gaben sich im Jahre 1911 das Programm
„Was wollen die Syndikalisten?“. Das ideelle Fundament speiste sich zusätzlich
vornehmlich aus den Schriften Peter Kropotkins und trug die Bezeichnung „Kommunistischer
Anarchismus“. Die Syndikalisten der FVDG setzten sich nicht nur für bessere
Lohn- und Arbeitsverhältnisse ein, sondern auch für die Abschaffung des
kapitalistischen Wirtschaftssystems zugunsten einer „freien und von der
Arbeiterschaft selbst verwalteten Gesellschaftsform“. Dieser
„Umformungsprozess“ sollte durch einen Generalstreik eingeleitet werden, in
dessen Folge die bislang profitorientierte Produktion zugunsten einer
bedürfnisorientierten und solidarischen Wirtschaftsweise umgestellt werden sollte.
Die Aufgaben der Bedarfsermittlung, der Verteilung der Produkte, aber generell
auch der kulturellen Belange und die der Bildung und Erziehung sollten den
Arbeiterbörsen vorbehalten bleiben, in welchen die einzelnen Berufsverbände
sowie die außerberuflichen syndikalistischen Vereinigungen zusammengefasst
wurden. Dieses Konzept wurde im Wesentlichen formuliert in der
Prinzipienerklärung des Syndikalismus von Rudolf Rocker im Jahre 1919 und 1922
von der „Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen“, ausführlicher
präzisiert in der Schrift Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Abgesehen von
diesem Kernbereich wendeten sich die Syndikalisten auch gegen alle materiellen
und ideologischen Bestrebungen, welche ihrer Auffassung nach einer Forcierung
des Klassenkampfes zuwiderliefen, beispielsweise den Nationalismus, den
Militarismus und das Kirchenwesen. Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten
Weltkriegs in Deutschland Infolge ihres Charakters wurde die FVDG mitsamt ihrer
Presse (Die Einigkeit und Der Pionier) zu Kriegsbeginn im Jahre 1914 verboten,
während die SPD und die Zentralgewerkschaften mit der deutschen Regierung den
„Burgfrieden“ schlossen und begünstigt wurden. So mussten beispielsweise die
Redakteure vieler SPD-Organe nicht zum Militärdienst antreten. Im Gegensatz zu
diesen wurden viele Syndikalisten verhaftet, die öffentlich gegen den Krieg
eintraten. Zudem wurden viele Aktivisten der FVDG zum Militärdienst eingezogen,
so dass die bloße Aufrechterhaltung der Organisation oberste Priorität erlangte.
Dazu gab die Geschäftskommission während der Kriegsjahre zwei Organe heraus,
welche nach kurzer Zeit verboten wurden: Das Mitteilungsblatt der
Geschäftskommission der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (1914–1915)
und das Rundschreiben an die Vorstände und Mitglieder aller der Freien
Vereinigung deutscher Gewerkschaften angeschlossenen Vereine (1915–1917).
Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten
Weltkrieg Mit dem Ende des Krieges konnte sich die FVDG neu formieren und viele
von der Sozialdemokratie enttäuschte Arbeiter ansprechen. Bis 1919 schlossen
sich schon etwa 60.000 Mitglieder an. Auf ihrem ersten Nachkriegskongress Ende
1919 vereinigten sich unter dem Programm der genannten Prinzipienerklärung des
Syndikalismus in der in „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD) umbenannten
Organisation bereits über 111.000 Syndikalisten aus dem gesamten Reichsgebiet
mit regionalen Schwerpunkten in fast allen größeren Städten, besonders aber im
Rheinland, im Ruhrgebiet, in Schlesien und in Berlin. Ortsvereine entstanden
vor allem dort, wo die Industrialisierung einsetzte, und zudem
zentralgewerkschaftliche Organisationen noch nicht Fuß gefasst hatten, so auch
in vielen Kleinstädten und Dörfern. Lag der Branchenschwerpunkt während der
Kaiserzeit bei den Bauarbeitern, so kamen jetzt vor allem Metallarbeiter und
Bergarbeiter zu zehntausenden hinzu. Auch in der Holz-, der chemischen- und
Verkehrsindustrie wuchsen mancherorts starke syndikalistische Organisationen
heran. Die FVDG war eine originäre proletarische Organisation. Intellektuelle
bildeten auch auf Funktionärsebene eine seltene Randerscheinung. Begrifflich
änderte sich 1919 der Organisationsname zugunsten des Elements „Union“, womit
den seit Anfang des 20. Jahrhunderts veränderten Produktionsprozessen Rechnung
getragen wurde. Die Mitglieder sollten nicht mehr nur nach speziellen
Berufsgruppen organisiert, sondern möglichst nach Industriebereichen
zusammengefasst werden, um ihre Schlagkraft am Ort zu erhöhen. Zudem änderte
sich im Jahre 1921 per Kongressbeschluss die offizielle Bezeichnung „FAUD
(Syndikalisten)“ in das bis 1933 gültige „FAUD (Anarcho-Syndikalisten)“, womit
das kommunistisch-anarchistische Fundament verdeutlicht wurde. Dennoch wurden
die Begriffe „Syndikalismus“ und „Anarcho-Syndikalismus“ in Deutschland sowohl
von Zeitgenossen als auch in der Forschung auch synonym verwendet, da sich
außerhalb des Anarcho-Syndikalismus keine rein syndikalistische Organisation
definieren konnte. Nahestehende Zusammenschlüsse, wie beispielsweise die
„Arbeiter-Unionen“ oder die „Föderation Kommunistischer Anarchisten
Deutschlands“ und der Syndikalistische Frauenbund, orientierten sich rein
unionistisch oder anarchistisch. Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA)
Der Syndikalismus in Deutschland, wenngleich zahlenmäßig nicht größer als etwa
150.000 im Jahre 1922, hatte bedeutenden theoretischen und organisatorischen
Einfluss auf die internationale syndikalistische Arbeiterbewegung. Im gleichen
Jahr wurde in Berlin in Bezugnahme zur „Ersten Internationale“ von 1864 die
„Internationale Arbeiter-Assoziation“ (heute Internationale
ArbeiterInnen-Assoziation) nach anarchosyndikalistischen Vorstellungen neu
gegründet. Rudolf Rocker verfasste die Prinzipienerklärung und stellte zusammen
mit Augustin Souchy und Alexander Schapiro bis 1933 das Sekretariat in Berlin.
Die IAA vereinigte zeitweilig bis zu zwei Millionen Mitglieder. Ihre stärksten
Sektionen hat sie in Europa und Südamerika. Die IAA vertritt den Standpunkt,
dass der Begriff „Syndikalismus“ alleine nicht genüge. Syndikalismus: Zum
Gebrauch des Begriffs Tatsächlich versuchten autoritär-kommunistische und
faschistische Kräfte vor allem in Frankreich, Italien und später auch in
Spanien den Begriff für ihre Ziele in Anspruch zu nehmen. Gegenüber manch
solcher zentralistischer und nationalistischer Abart mit Bezug auf Georges
Sorel muss betont werden, dass sich die internationale syndikalistische
Arbeiterbewegung bewusst an den Ideen und Methoden des Anarcho-Syndikalismus
orientierte, wie er sich auch in Deutschland formierte. Entgegen mancher
Auffassung spielte Georges Sorel für die syndikalistische Arbeiterbewegung in
Deutschland keine und in vielen anderen Ländern, wenn überhaupt, nur eine
untergeordnete Rolle. In Italien hingegen übte Sorel einen großen Einfluss aus.
Benito Mussolini bekannte sich offen zu Sorel und erklärte, dass er von Sorel
stark geprägt worden sei.[2] Was die Konkretisierung des Begriffs
„Syndikalismus“ dennoch gerade im internationalen Zusammenhang notwendig macht,
ist die einfache Tatsache, dass der Begriff von Land zu Land eine andere
Bedeutung hat. Er stammt aus dem Französischen von „syndicat“ und bezeichnet in
den romanischsprachigen Ländern zunächst einmal lediglich einen weitgehend
unbestimmten Gewerkschaftsbegriff. Zur Unterscheidung von
sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften wird auch der wenig geeignete, weil
inhaltlich nur mäßig bestimmte und ungenaue Begriff „revolutionärer
Syndikalismus“ verwendet. Siehe auch Christiaan Cornelissen, Clara Wichmann, Helmut
Rüdiger Teresa Claramunt, Salvador Seguí, Ángel Pestaña, Juan Peiró, Diego Abad
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Geschichte, Heft 2017/III, S. 74–96. Clara Wichmann: Die Theorie des
Syndikalismus (1920). In: Clara Wichmann: Vom revolutionären Elan. Beiträge zu
Emanzipationsbewegungen 1917-1922. Hrsg. von Renate Brucker, Verlag
Graswurzelrevolution, Heidelberg 2018, S. 122–148, ISBN 978-3-939045-36-6.