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Erich Bromme (* 10. August 1906 in Großbockedra; † 30. Mai 1986 in Berlin) war ein deutscher Historiker und Siedlungsgeograf, der in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkrieges in Ostthüringen tätig war. Nach Kriegsende ging er nach West-Berlin und war hier führend in dem 1951 neu gegründeten Deutscher Freidenker-Verband aktiv. Neben einer Reihe von religionskritischen Schriften publizierte er auch zur Siedlungsarchäologie, wobei er die These der allgemein als geschichtsrevisionistisch abgelehnten Slawenlegende vertrat.
Erich Bromme wurde mit einer 1929 an der Universität Jena eingereichten und noch im selben Jahr in Halle publizierten Dissertationsschrift Das Fürstentum Sachsen-Weimar zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Darstellung an Hand der Landesvisitationsakten von 1603 - 1643 promoviert. 1932 reichte er ebenfalls an der Universität Jena eine zweite mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation über Oelknitz, Ein Beitrag zur Siedlungsgeographie Thüringens ein, die im Jahr darauf wiederum in Halle gedruckt wurde. Anschließend war Bromme mit dem Titel eines Studienrates als Lehrer in Meuselwitz bei Altenburg tätig. 1939 veröffentlichte er im Akademie-Verlag Halle die Arbeit Gemeinnutz und Eigennutz in zweitausendjähriger deutscher Geschichte. Außerdem erschienen zwischen 1935 und 1949 eine Reihe von kleineren Studien und Aufsätzen zur Siedlungsgeografie, Archäologie, Volkskunde sowie mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte Ostthüringens, so etwa zu seinem Wohnort Meuselwitz, den Windischen-Ortsnamen in Thüringen als Erwiderung zu einer Veröffentlichung von Martin Wähler oder der Leuchtenburg.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging Bromme nach West-Berlin. 1947 war seine 1939 veröffentlichte Studie auf die Liste der auszusondernden Literatur der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone gesetzt worden.[1] In West-Berlin wurde er in der Freidenker-Bewegung aktiv, vertrat den „Bund für wissenschaftliche Weltanschauung“, der sich im Berlin der 1950er für einen „freigeistigen Humanismus“ und vor allem für die Einführung des Lebenskundeunterrichts für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, in West-Berlin einsetzte, nach außen und war in führender Position im Deutschen Freidenker-Verband (DFV) tätig. Seit 1960 erschienen eine Reihe vom Arbeiten zu verschiedenen Religionen, neben Christentum auch zum Islam, sowie religionskritische Arbeiten. Bei den oft lediglich in kleiner Auflage als Maschinenschrift vervielfältigten Schriften handelt es sich meist um in den Versammlungen des Bundes für Wissenschaftliche Weltanschauung gehaltene Vorträge. Spätestens ab den 1970er Jahren meinte er, mehrere angebliche Geschichtsfälschungen aufgedeckt zu haben. So erschien 1975 das Buch Fälschung und Irrtum in Geschichte und Theologie. Umsturz im Morgen- und Abendland durch die Entallegorisierung der „Heiligen Schrift“.
Neben diesen religionskritischen Schriften erschienen 1982 einige Arbeiten zur Siedlungsforschung, in denen er dezidiert völkische Thesen vertrat, so etwa in Die Grundlagen der Siedlungsforschung mit Blick auf den deutschen Osten, erschienen im selben Jahr auch unter dem verkürzten Titel Grundlagen der Siedlungsforschung. Ähnliche Tendenzen verfolgte seine Veröffentlichung Christliche Germanen- und Christenverfolgung in Deutschland: 25. Juni 1982.
Laut einer Anmerkung in einem Vortrag des Berliner Kulturwissenschaftlers Horst Groschopp war Bromme einem Ausschluss aus der SPD durch seinen Rücktritt von seinen Funktionen zuvorgekommen. Er sei einigen Belegen im Nachlass von Walter Dornfeldt zufolge „wahrscheinlich heimlicher Ludendorffer“ gewesen.[2]
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Internationale Sozialistenkongresse IAA I.A.A. International Arbeiterassoziation Sozialdemokratie SPD Heidelberger Programm Sozialistische Internationale Kathedersozialisten David Ricardo Friedrich Albert Lange Kinderarbeit schlesische Weber Manifest der Kommunistischen Partei Freiherr von Ketteler Wichern Schulze-Delitzsch Ferdianand Lassalle Adolf Stöcker Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein Gothaer Programm Erfurter Programm Heidelberger Programm Godesberger Programm Gustav SchmollerLujo Brentano Bismarck Papst leo XIII. Carl Legien Ernst Abbe Eduard bernstein Friedrich Maumann Adolf Damaschke Karl Kautzky Der Sozialismus (von lateinisch socialis ‚kameradschaftlich‘) ist eine der im 19. Jahrhundert entstandenen drei großen politischen Ideologien neben dem Liberalismus und Konservatismus. Es gibt keine eindeutige Definition des Begriffs. Er umfasst eine breite Palette von politischen Ausrichtungen. Diese reichen über sich als revolutionär verstehende (Kampf-)Bewegungen und Parteien, die den Kapitalismus schnell und gewaltsam überwinden wollen, bis zu reformatorischen Linien, die Parlamentarismus und Demokratie akzeptieren (demokratischer Sozialismus). Demzufolge wird auch grob zwischen den Ausrichtungen von Kommunismus, Sozialdemokratie oder Anarchismus differenziert. Sozialisten betonen im Allgemeinen die Grundwerte Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und in einigen Strömungen auch die Verwirklichung negativer und positiver Freiheit. Sie heben oft die enge Wechselbeziehung zwischen praktischen sozialen Bewegungen und theoretischer Gesellschaftskritik hervor, wobei sie das Ziel verfolgen, mit Blick auf eine sozial gerechte Wirtschafts- und Sozialordnung beide zu versöhnen. Historisch bestehen und bestanden in vielen Staaten Systeme, die – teils als Eigenbezeichnung – mit Realsozialismus, aber auch als Staatssozialismus bezeichnet werden und sich grundsätzlich als autoritäre oder totalitäre Systeme einordnen lassen; zu nennen sind u. a. die Sowjetunion, Volksrepublik China, Nordkorea, die DDR oder Kuba. Als socialistae (lateinisch) oder socialisti (italienisch) wurden im 18. Jahrhundert von römisch-katholischen Theologen, die der Aufklärung kritisch bis ablehnend gegenüberstanden, polemisch die Vertreter des modernen Naturrechts in der Art von Hugo Grotius und Samuel von Pufendorf benannt.[1] 1762 verfasste Jean-Jacques Rousseau sein Werk Du contrat social, in dem der Staat auf dem Kontrakt (Vertrag) freier Individuen beruht. Seit 1793 wird in Deutschland für Anhänger des Pufendorfschen Solidaritätsprinzips der rechtsphilosophische Terminus „Sozialisten“ verwendet.[2] Erstmals findet sich das Wort Sozialismus 1803 in der italienischen Form socialismo. Giacomo Giuliani verwendet diesen Begriff in seiner Kritik an Rousseau positiv auf die Gesellschaftsordnung, allerdings indem er es für den göttlichen Willen hielt, dass die Gesellschaft durch Hierarchien zwischen den Menschen gekennzeichnet sei. Eine solche religiöse Umdeutung wurde jedoch stark kritisiert, weil der Begriff mit dem Liberalismus der Aufklärung in ursächlichem Zusammenhang gesehen wurde.[3] Die ersten Nachweise der Verwendung des Worts socialist im Englischen fand man im Jahre 1824, das eigentliche französische socialisme erstmals 1832,[4] geprägt von Joncières, weiter verbreitet von Leroux und Reybaud.[5] Eine Übertragung des ursprünglichen Begriffsadjektivs sozial in die heutige, deutsche Gesellschaftssprache ist in der Nähe von gemeinsam, gerecht oder etwa gesellschaftlich zumutbar, der Gemeinschaft zuträglich zu suchen. Das Adjektiv sozialistisch dagegen wurde von Anfang an politisch verstanden. Es ist gesellschaftlich gesehen eine Weiterentwicklung der sozialen Gedanken der Aufklärung insofern, als diese Gleichheit nicht nur dem Recht, sondern auch dem Besitz zugestanden werden soll. Definitionsproblematik Was unter Sozialismus zu verstehen sei, ist seit langem umstritten. Schon in den 1920er Jahren sammelte der Soziologe Werner Sombart 260 Definitionen von Sozialismus.[6] Eine allgemein anerkannte, wissenschaftlich gültige Definition existiert nicht. Vielmehr zeichnet sich der Wortgebrauch durch eine große Bedeutungsfülle und begriffliche Unschärfe aus und unterliegt einem ständigen Bedeutungswandel. Deswegen werden dem Begriff zur näheren Präzisierung häufig Adjektive (proletarisch, wissenschaftlich, demokratisch, christlich, genossenschaftlich, konservativ, utopisch) vorangesetzt. Weitere Beispiele für solche Spezifizierungen sind etwa Agrarsozialismus, Staatssozialismus oder Reformsozialismus.[7] Einen kleinsten gemeinsamen Nenner des Begriffs können folgende Definitionen geben: „Sozialismus bezieht sich auf ein weites Spektrum ökonomischer Theorien sozialer Organisation, welche sich kollektiven Besitz und politische Administration zum Ziel der Schaffung einer egalitären Gesellschaft zum Ziel gesetzt haben.“[8] „Sozialismus bezeichnet Ideologien, welche die Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung der Arbeiterklasse aus Armut und Unterdrückung (soziale Frage) zugunsten einer an Gleichheit, Solidarität und Emanzipation orientierten Gesellschaftsordnung propagieren.“[9] „Er kann definiert werden als Gegenmodell zum Kapitalismus entwickelte politische Lehre, die bestehende gesellschaftliche Verhältnisse mit dem Ziel sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit verändern will, und eine nach diesen Prinzipien organisierte Gesellschaftsordnung sowie eine politische Bewegung, die diese Gesellschaftsordnung anstrebt.“[10] Die Bedeutungsvielfalt wird zusätzlich dadurch gesteigert, da der Begriff Sozialismus sowohl Methoden und Zielvorstellungen, gesellschaftlich-politische Bewegungen als auch historisch-gesellschaftliche Phasen und existierende Gesellschaftssysteme bezeichnen kann: eine auf die Deutung, Analyse, Kritik, Idealvorstellung oder praktische Gestaltung bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse gerichtete sozialökonomisch, politisch, philosophisch, pädagogisch bzw. ethische Lehre; eine politische Bewegung, welche versucht, die durch den Sozialismus begründeten Forderungen und Ziele praktisch zu verwirklichen; der Gesellschaftszustand bzw. die Gesellschaftsordnung, welche in wirtschaftlichen Produktionsweisen und Lebensformen den Sozialismus verkörpert; im Rahmen des Marxismus-Leninismus eine weltgeschichtliche Entwicklungsphase im Übergang von der kapitalistischen zur kommunistischen Gesellschaftsformation.[11] den Begriff „Realsozialismus“, mit dem sich jene Staaten bezeichneten, die seit 1917 von einer Kommunistischen Partei, in der Regel in einem Ein-Parteien-System, regiert wurden. Nach dem Politikwissenschaftler Günter Rieger lassen sich sozialistische Ideologien zum einen nach ihrer Haltung zum Staat unterscheiden (Staatssozialismus versus Anarchismus), zum anderen nach dem Weg, auf dem die angestrebte Umgestaltung der Gesellschaft erreicht werden soll (Revolution versus Reform), sowie drittens danach, welcher Stellenwert unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Interessen der Beteiligten eingeräumt wird (Klassenantagonismus versus Pluralismus).[12] Historischer Überblick Eine explizit sozialistische Bewegung entwickelte sich erst infolge von Aufklärung und industrieller Revolution zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie war eng verwoben mit der Entstehung der Arbeiterbewegung. Wie bei allen -ismen trat der Sozialismus historisch in vielfältigen Formen auf: von den genossenschaftlichen Ideen der Frühsozialisten über die parteipolitische Organisation in sozialdemokratischen, sozialistischen und danach kommunistischen Parteien, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts oft unterschiedliche Ausprägungen annahmen. Frühsozialismus Charles Fourier (1772–1837) zählt zu den bedeutendsten Frühsozialisten → Hauptartikel: Frühsozialismus Frühsozialisten wie François Noël Babeuf, Claude-Henri Comte de Saint-Simon, Louis-Auguste Blanqui, Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon, William Godwin, Robert Owen oder Moses Hess legten politische Konzepte von quasi-absolutistischen Diktaturen bis hin zu einem anarchistischen Föderalismus vor. Einig waren sie sich einerseits in einer abwehrenden Reaktion gegen Effekte des Frühkapitalismus wie in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die mittelalterliche Standesunterschiede ebenso überwinden würde wie neuere Klassengegensätze. Oftmals argumentierten sie sehr moralisch. Eine sozialwissenschaftlich inspirierte Analyse, wie sie von Marx geleistet wurde, gab es noch nicht. Sozialstrukturell gesehen wurde der Frühsozialismus nicht von der Arbeiterklasse getragen, sondern von Handwerkern und Kleinbürgertum. Diese begannen bereits die Verwerfungen der industriellen Revolution zu spüren, ohne dass es schon zur Bildung eines Industrieproletariats gekommen wäre. Einige wie Robert Owen versuchten den Aufbau abgeschlossener sozialistischer Gemeinschaften in einer so empfundenen feindlichen Umwelt. Die meisten Sozialisten zielten auf eine grundlegende Veränderung der gesamten Gesellschaft. Sozialistisch inspirierte Aktivisten beteiligten sich an der französischen Revolution von 1789 bis 1799 und an den im Wesentlichen als bürgerlich geltenden europäischen Revolutionen bis 1848/1849 (siehe Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848 und Märzrevolution 1848/1849); einen letzten Höhepunkt im 19. Jahrhundert hatten diese frühsozialistischen Bewegungen in der Pariser Kommune von 1871, die als erste proletarische Revolution gilt und die schon nach kurzer Zeit blutig niedergeschlagen wurde. Durch die historische Entwicklung bedingt wurden die Diskussionslinien danach klarer: Die vielfältigen Ansätze des Frühsozialismus spalteten sich in drei Hauptlinien, den Anarchismus und die vom Marxismus inspirierten kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegungen. Vereinzelt, wie im 20. Jahrhundert bei den russischen Revolutionen von 1905 und der Februarrevolution 1917 (bei der Oktoberrevolution 1917 nur noch sehr bedingt), der Münchner Räterepublik 1919 oder dem Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 kam es zur Zusammenarbeit der drei Gruppen. Diese war jedoch jeweils nur kurzfristig, meist von heftigen internen Auseinandersetzungen geprägt und endete im Sieg einer Gruppe oder der Niederlage aller. Anarchismus Louise Michel (1830–1905) war eine bedeutende Exponentin des Anarchismus → Hauptartikel: Anarchismus, Kommunistischer Anarchismus und Anarchosyndikalismus Auch die Anarchisten verstanden sich in sozialistischer Tradition: „Was im Juni 1848 unterlag, war nicht der Sozialismus im Allgemeinen, nur der Staatssozialismus, der autoritäre und reglementmäßige Sozialismus, der geglaubt und gehofft hatte, dass der Staat den Bedürfnissen und legitimen Wünschen der Arbeiterklasse volle Befriedigung gewähren werde und mit seiner Allmacht eine neue soziale Ordnung einführen wolle und könne.“[13] Die Theorie des Anarchismus lehnt daher staatliche Strukturen als Herrschaftsinstrument ab. Der Anarchismus baut auf die freiwillige Verbindung der Individuen in Kollektiven, Räten und Kommunen, um dieselben Ziele zu erreichen. Der Anarchismus strebt eine Synthese zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung an und unterscheidet sich von den autoritären Strömungen. Statt des Staates wird beispielsweise von Bakunin vorgeschlagen: „Die Gesellschaft so zu organisieren, dass jedes auf die Welt kommende männliche oder weibliche Wesen ungefähr gleiche Mittel zur Entwicklung seiner Fähigkeiten und ihrer Nutzbarmachung durch die Arbeit vorfindet…“[14] Religiös motivierte Sozialisten Wilhelm Weitling (1805–1871) begründete sozialistische Positionen unter Bezugnahme auf das christliche Gleichheitsideal → Hauptartikel: Religiöser Sozialismus Die Bewegung des Religiösen Sozialismus entstand mit der erstarkenden Arbeiterbewegung in Mitteleuropa seit dem 19. Jahrhundert vor allem unter sozial engagierten Christen, zum Teil auch Juden. Dass der Sozialismus, der den demokratischen Radikalismus der deutschen Handwerker, Arbeiter und Intellektuellen ablöste, sich als religiöser Sozialismus konstituierte, ist entscheidend auf den Schneidergesellen Wilhelm Weitling, das Haupt der Bewegung zu Beginn der 1840er Jahre, zurückzuführen. Seine sozialistische, am Ideal der Gütergemeinschaft orientierte Gesellschaftsutopie begründete Weitling in der Schrift Die Menschheit wie sie ist und sein sollte 1839/40, aber auch noch in seinem Evangelium eines armen Sünders 1843 überwiegend christlich-religiös.[15][16] Besonders seit der Erfahrung des Ersten Weltkriegs gewann unter Juden die Überzeugung an Boden, dass dauerhafter Frieden entsprechend der Tora und dem Evangelium nur verwirklicht werden könne, wenn der auf Egoismus, Konkurrenz und Ausbeutung gegründete Kapitalismus überwunden werde. Hermann Samuel Reimarus, Karl Kautsky, R. Eisler, Samuel George Frederick Brandon, und andere beriefen sich in ihrem „sozialen und politischen Kampf gegen bestehende Ordnungen“ auf Person und Handeln Jesu, und betonten seine Nähe zur Bewegung der Zeloten.[17] Andere wie z. B. der Theologe Hans Küng, halten eine Inanspruchnahme Jesu für sozialrevolutionäre Bestrebungen für konstruiert.[18] Marxistischer Sozialismus Karl Marx, 1875 Laut Friedrich Engels bedeutete Sozialismus noch 1847 eine Bourgeoisbewegung, Kommunismus indes eine Arbeiterbewegung (Cabet, Weitling), weswegen Karl Marx und Engels damals noch der Bezeichnung „Kommunisten“ den Vorzug gaben. Erst 1887 bekannten sich sogar die englischen Gewerkschaften zum Sozialismus.[19] Der Marxismus hatte lange Zeit die Deutungshoheit in der sozialistischen Bewegung. Nach dem Verfall der ersten Internationale 1876 bis über den größten Teil des gesamten 20. Jahrhunderts hinweg wurden Diskussionen innerhalb des und über den Sozialismus überwiegend mit den von Marx und Engels geprägten Begriffen geführt. Marx und Engels betrachteten den Frühsozialismus als Utopischen Sozialismus und stellten ihm den wissenschaftlichen Sozialismus gegenüber. Nach der Theorie von Marx und Engels stehen sich in der Epoche des Kapitalismus die Kapitalistenklasse (Privateigentümer auf Produktionsmittel) und die Arbeiterklasse (Proletariat) als Gegenspieler gegenüber. Die Arbeiter seien gezwungen ihre Arbeitskraft an die Kapitalisten zu verkaufen. Der jeweilige Kapitalist stelle die Arbeiter als Lohnabhängige ein und profitiere von deren Arbeit, weil er den Arbeitern immer nur einen Teil des durch ihre Arbeit erwirtschafteten Geldes auszahle, den Rest behalte er für sich. Demnach entstehe Ausbeutung. Die verschiedenen Interessen der beiden Klassen würden sich in einem stetigen Widerstreit befinden, also in einem Klassenkampf. Die Zuspitzung dieses Widerstreits würde es nach Marx und Engels erforderlich machen, dass die organisierte Arbeiterklasse die Macht erobern müsse, um sich selbst zu befreien.[20] Nach Marx ist die Diktatur des Proletariats mit ihrer Aufgabe die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln die Voraussetzung der klassenlosen Gesellschaft (Kommunismus). Nach Friedrich Engels wird diese Diktatur eine demokratische Herrschaft der Mehrheit über die Reste der Ausbeuterklasse sein. Marx und er forderten Verstaatlichungen aller Produktionsmittel, zum Beispiel im Manifest der Kommunistischen Partei: „Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.“[21] Wie die Gesellschaftsform nach der Entwicklung vom Sozialismus zum Kommunismus, also der klassenlosen Gesellschaft, genauer aussehen werde, wurde von Marx und Engels bewusst nicht genauer ausgemalt und werde sich der Theorie folgend anhand konkreter gesellschaftlicher Entwicklungen und Widersprüche zeigen. Zwei bekannte Zitate, die sich um die Entwicklung zur höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft drehen: „In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“[22] „Sobald es keine Gesellschaftsklasse mehr in der Unterdrückung zu halten gibt, sobald mit der Klassenherrschaft und dem in der bisherigen Anarchie der Produktion begründeten Kampf ums Einzeldasein auch die daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse beseitigt sind, gibt es nichts mehr zu reprimieren, das eine besondre Repressionsgewalt, einen Staat, nötig machte. Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt – die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft, ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht ‚abgeschafft‘, er stirbt ab.“[23] Die Phase der Diktatur wurde von Wladimir Iljitsch Lenin als eigenständige Gesellschaftsformation verstanden, die er als Sozialismus bezeichnete. In ihr würden die Proletarier die Produktionsverhältnisse durch Vergesellschaftung der Produktionsmittel so verändern, dass schließlich die Klassengegensätze selbst aufgehoben würden. Der Staat, von Marx als Instrument der Unterdrückung einer Klasse durch die andere gedacht, werde somit überflüssig und sterbe ab, woraus die letzte Gesellschaftsformation der Menschheitsgeschichte möglich werde, der Kommunismus.[24] Im sogenannten Revisionismusstreit innerhalb der deutschen Sozialdemokratie grenzten sich Marxisten, die auf eine Revolution setzten, von solchen ab, die den Sozialismus auf dem Wege von Reformen herbeiführen wollten. Rosa Luxemburg betonte hierbei die Unumgänglichkeit der Revolution, indem sie zum Beispiel schrieb: „Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist.“[25] Ihr parteiinterner Gegner Eduard Bernstein vertrat die Ansicht, die Sozialdemokratie könne die angestrebte grundlegende Erneuerung der Gesellschaft durch einen beständigen Reformprozess erreichen. Er stellte die Notwendigkeit der proletarischen Revolution in Frage und propagierte die Teilhabe am politischen System des Kaiserreiches. In der Weimarer Republik und den ersten zwanzig Jahren der Bundesrepublik wurde diese Differenzierung durchgehalten. Realsozialismus Sowjetisches Lenindenkmal in Ulan-Ude → Hauptartikel: Realsozialismus und Liste sozialistischer Staaten Als real existierenden Sozialismus bezeichneten sich jene Staaten, die seit 1917 von einer Kommunistischen Partei, in der Regel in einem Ein-Parteien-System, regiert wurden: besonders die Sowjetunion mit der KPdSU und die ab 1945 an ihrem System ausgerichteten Staaten des europäischen „Ostblocks“, darunter: Polen, ČSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Deutsche Demokratische Republik sowie die Mongolische Volksrepublik. Weiterhin bestehen bis heute einige weitere sehr unterschiedliche, sich teilweise widersprechende von manchen als realsozialistisch bezeichnete Systeme wie die Volksrepublik China (seit 1949), im nach dem Vietnamkrieg vereinigten Vietnam (spätestens seit 1975), Laos (seit 1975), Kuba (seit 1959) oder Nordkorea (seit 1948). Mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland sollten die Ideen des Sozialismus erstmals in einem großen Flächenstaat in die Praxis umgesetzt werden. Der Begriff des Realsozialismus sollte erklären, warum viele Vorhersagen der marxschen Theorie wie die Weltrevolution und die rasche Entwicklung größeren Wohlstands in den sozialistischen Staaten nicht eintraten und diese Staaten sich dennoch weiter zum Kommunismus entwickelten, allerdings mit Problemen der Realpolitik zu kämpfen hatten. Stalin vertrat nach Lenins Tod die Theorie vom möglichen „Sozialismus in einem Land“, der sich unabhängig von der Weltrevolution etablieren und halten könne. Trotzki stellte dagegen seine Theorie der permanenten Revolution auf, um bürokratische Erstarrung einer Sozialrevolution durch erneute innenpolitische Umwälzungen und Revolutionierung weiterer Länder zu verhindern. Nachdem sich Stalin gegen Trotzki durchgesetzt hatte, gab die von ihm beherrschte KP die ursprünglichen Ziele auch der Bolschewiki auf, die eine Demokratisierung nach erfolgreichem Aufbau sozialistischer Produktionsverhältnisse in Aussicht gestellt hatten. Stalins rigorose Zwangsmaßnahmen zur forcierten Industrialisierung, Kollektivierung der Landwirtschaft, ethnischen Homogenisierung und Ausschaltung jeder möglichen Opposition – zusammengefasst als Stalinismus – aber auch die ähnliche Politik seiner Nachfolger und die ständigen schweren Verstöße gegen die Menschenrechte in realsozialistischen Staaten haben diese Systeme weltweit diskreditiert. Die faktisch nationale, diktatorisch-technokratische Machtpolitik und das imperialistische Hegemoniestreben solcher Staaten gefährdete aus Sicht vieler Kritiker alle weiteren Anläufe zu einem von der Sowjetunion oder China unabhängigen Sozialismus. Realsozialismus wird dabei entweder als logische Konsequenz des marxschen Sozialismusmodells oder als dessen Verkehrung ins Gegenteil kritisiert, sodass viele Kritiker diesen Staaten das Recht absprachen, sich sozialistisch zu nennen. Teile dieses Abschnitts scheinen seit einigen Jahren nicht mehr aktuell zu sein. Bitte hilf mit, die fehlenden Informationen zu recherchieren und einzufügen. Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Seit der Wende und friedlichen Revolution von 1989 gilt der Realsozialismus trotz einiger noch bestehender Systeme dieser Art als historisch gescheitert. Als Hauptursachen für das Scheitern des Realsozialismus sehen viele folgende Entwicklungen: Entgegen den Voraussagen des Marxismus entwickelten die kapitalistisch geprägten Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Ostasiens auf Druck der Arbeiterbewegung und der Konkurrenz des Realsozialismus ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes soziales Sicherungssystem in einem Sozialstaat, der die schlimmsten sozialen Unterschiede und die Armut in diesen Ländern abfederte und somit auch das revolutionäre Potenzial dort deutlich minimierte. Der Staatsapparat der meisten realsozialistischen Staaten erwies sich aufgrund mangelnder demokratischer Mitbestimmung als zunehmend unflexibel, und aufgrund ideologischer und anderer Hemmnisse kaum fähig, mit dem Komplexitätsgrad moderner westlicher Gesellschaften umzugehen. Die Staaten des realen Sozialismus orientierten sich an einem in der Regel kapitalistisch geprägten Modernisierungsmodell, nur konnten sie den Grad der Modernisierung dieser Staaten, von wenigen technologischen Ausnahmen abgesehen, kaum aufholen. Sie versuchten trotzdem – etwa durch Subventionen in vielen Bereichen (Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr, Grundnahrungsmittelproduktion, Wohnungsbau usw.) – die Forschungsleistungen der kapitalistischen Staaten zu übertreffen, was in der Losung „Überholen, ohne einzuholen“[26][27] zusammengefasst wurde. Die politischen Systeme realsozialistischer Staaten wurden auf Dauer nur selten von der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung getragen, insbesondere dort nicht, wo das entsprechende System (ohne eigene Revolution) von außen aufgezwungen wurde (vor allem in Ungarn, der ČSSR, Rumänien, Polen, der DDR und Bulgarien). Diese Systeme wurden gegen eine sich regende Opposition von den herrschenden sozialistischen oder kommunistischen Parteien auf Dauer auch durch einen zunehmend ausufernden Polizeistaat (Bespitzelung, Repressionen, Zensur) am Leben erhalten. Der unwillige Teil der Bevölkerung, der zum Teil lieber ausgewandert wäre, wurde oft durch Sperranlagen und strenge Visa-Bestimmungen am Verlassen des Staates gehindert. Realsozialistische Staaten setzten auch Mittel ein, unter denen die Verfechter des Sozialismus im 19. Jahrhundert gelitten hatten, beispielhaft hierfür ist die politische Verfolgung von Trotzkisten. Der in den meisten realsozialistischen Staaten umgesetzten staatlich und zentral gelenkten Planwirtschaft fehlte es oft an Übersicht über die Bedingungen und den Bedarf vor Ort. Durch langfristige wirtschaftliche Planung ohne eine Rückmeldung von den Produzenten und Konsumenten ging oft die Flexibilität verloren, kurzfristig auf komplexe Wirtschaftsvorgänge zu reagieren. Die Folge war, dass häufig am Bedarf vorbei produziert wurde, ökonomisch notwendige Investitionen unterblieben, Ressourcen unzweckmäßig eingesetzt und Innovationen nicht umgesetzt wurden. Eine weitere wirtschaftliche Ursache für das Scheitern des Realsozialismus war die hohe Verschuldung der entsprechenden Staaten, die insbesondere im Kalten Krieg zunahm, beispielsweise, um in der Rüstungsproduktion mit der militärischen Entwicklung der USA und der NATO Schritt zu halten (vgl. Wettrüsten). Sozialdemokratie Eduard Bernstein (1850–1932) Vertreter des sozialdemokratischen Reformismus In der europäischen Sozialdemokratie setzte sich seit etwa 1900 der Reformismus durch, der den Sozialismus nicht durch eine soziale Revolution, sondern durch demokratische Reformen erreichen zu können glaubt. Damit wurden sozialdemokratische Gründungsprogramme, die Sozialismus gemäß der marxschen Theorie vom Klassenkampf als Ergebnis krisenhafter Zuspitzungen der sozialen Gegensätze und revolutionärer Umgestaltungen erwarteten, zuerst in der praktischen Alltagspolitik und dann theoretisch aufgegeben. In Deutschland begann die Auseinandersetzung um einen revolutionären oder reformistischen Weg zum Sozialismus mit Veröffentlichungen Eduard Bernsteins, die 1896 die Revisionismusdebatte auslösten. Zwar fand Bernsteins Position in der SPD zunächst keine Mehrheit, doch setzte sie sich nach dem Tod des Parteivorsitzenden August Bebel 1913 unter seinem Nachfolger Friedrich Ebert mehr und mehr durch. Hieraus und aus der Zustimmung der SPD-Reichstagsfraktion zu den Kriegsanleihen zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs 1914, an dem die Sozialistische Internationale zerbrach, wurden ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialdemokratie manifest, die schließlich zur Spaltung der SPD in USPD und MSPD führte. Sie verschärften sich seit der Oktoberrevolution in Russland 1917. Es kam zu einer Spaltung zwischen Sozialisten und Kommunisten, die eigene kommunistische Parteien gründeten. Der Bruch zwischen beiden Lagern zeigte sich besonders am Verhältnis zum sogenannten Realsozialismus sowjetischer Prägung. Die Anfang 1919 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) beanspruchte als Nachfolgerin des Spartakusbundes, mit dem proletarischen Internationalismus die besten sozialdemokratischen Traditionen zu bewahren. Mit der Ermordung der Spartakusführer und KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurde die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung in die reformorientierte SPD und die marxistisch-revolutionäre KPD unumkehrbar, während die USPD bis 1922 zwischen diesen beiden Polen zerrieben wurde und danach keine bedeutende Rolle in der Weimarer Republik mehr spielte. In Russland spaltete sich die Sozialdemokratie schon 1903 in die reformorientierten Menschewiki (= Minderheitler) und die marxistisch-revolutionären Bolschewiki (= Mehrheitler), deren Gegensatz nach vorübergehender neuer Zusammenarbeit 1912 endgültig wurde. Den Menschewiki gelang unter Kerenski mit der Februarrevolution 1917 der Sturz des Zaren und die Regierungsbildung, doch setzten sie den Krieg gegen Deutschland für Gebietsgewinne fort. Die theoretische, nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1917 auch die praktische Führung der Bolschewiki übernahm Lenin. Durch das Angebot eines Sofortfriedens gewann er eine Mehrheit im Rätekongress, die er für eine erneute Revolution – diesmal gegen das russische Parlament in Petersburg – nutzte. Nach dem fünfjährigen Russischen Bürgerkrieg gegen verschiedene zarentreue „Weiße Truppen“ (vgl. Weiße Armee) gründeten die Bolschewiki die UdSSR mit der seit 1952 KPdSU genannten alleinherrschenden Staatspartei. Damit verlor die unterlegene russische Sozialdemokratie fast bis zum Ende der Sowjetunion 1990 jede machtpolitische Bedeutung. Die innersozialistischen Gegensätze in der „Systemfrage“, die in Deutschland zugunsten der Reformisten, in Russland zugunsten der Leninisten ausgegangen waren, vertieften nach dem Rechtsruck der Weimarer Republik ab 1923 die Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten und schwächten so die Zukunftsperspektiven des Sozialismus weltweit. Obwohl die SPD bis zu ihrem Heidelberger Programm von 1925 am Ziel einer Ablösung der kapitalistischen durch eine sozialistische Wirtschaftsordnung festhielt, ging sie im politischen Alltag den Weg einer Reformpartei, die ihre Ziele parlamentarisch durch Kompromisse und Koalitionen – auch mit gegnerischen Kräften der Gesellschaft – allmählich durchzusetzen suchte. Obwohl sie eine der größten demokratischen Parteien in der ersten deutschen Republik blieb und die meisten Regierungen mittrug, geriet sie bald in die politische Defensive gegenüber deutschnationalen und rechtsradikalen Parteien, bis sie 1933 kurz nach der KPD mit allen übrigen Parteien außer der NSDAP vom neuen Regime des Nationalsozialismus verboten, ihre Führungskräfte verfolgt und ihre Strukturen zerschlagen wurden. Nach dem Ende der NS-Diktatur konnte die SPD sich regenerieren und griff nun auf sozialistische Ziele zurück, die das Wiedererstarken des Faschismus durch energische Eingriffe in den Monopolkapitalismus verhindern sollten. Doch erst nach ihrer Wende zur Marktwirtschaft im Godesberger Programm 1959 wandelte sie sich zur Volkspartei. Dabei definierte sie „Sozialismus“ nun in ausdrücklicher Abgrenzung vom Sowjetkommunismus als „Demokratischen Sozialismus“, um damit ihre Anerkennung des pluralistischen Systems der westlichen Demokratien zu zeigen. So befreite die SPD sich allmählich aus ihrer Oppositionsrolle und stellte mit Willy Brandt 1969 erstmals den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Dessen Regierungserklärung versprach „mehr Demokratie“, jedoch keinen Sozialismus im Sinne der alten SPD-Programme mehr. In der Sowjetischen Besatzungszone war es unter sowjetischem Einfluss zur Zwangsvereinigung der SPD mit der dominierenden KPD zur SED gekommen, die in der DDR von 1949 bis zu deren Niedergang 1989/1990 an der Macht blieb und sich an der KPdSU und dem politischen System der UdSSR ausrichtete. Dort wurde der Sozialismus weiterhin als Gegensatz zum westlichen Kapitalismus und Vorstufe zum Kommunismus aufgefasst. Seit dem Scheitern des Realsozialismus leiteten sozialdemokratische Regierungen in Europa eine zunehmende Öffnung zur „Neuen Mitte“ ein. In der SPD begann dieser Prozess etwa 1999 mit dem „Schröder-Blair-Papier“, einer gemeinsamen Erklärung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder und dem damaligen britischen Premier Tony Blair von der Labour Party, und führte über die Hartz-IV-Gesetze 2002 bis zur Debatte über die Streichung des demokratischen Sozialismus aus dem Parteiprogramm. Globalisierungskritiker wie Attac und ehemalige SPD-Linke wie Oskar Lafontaine sehen darin eine Abkehr von sozialdemokratischen Grundwerten und eine Wende zum Neoliberalismus, der für sie eine besonders aggressive Steigerung des internationalen Kapitalismus ist. Die SPD sieht sich jedoch nach wie vor als sozialistische Partei, ist Mitglied der Sozialistischen Internationale und bekennt sich in ihrem Hamburger Parteiprogramm (2007) ausdrücklich in der Tradition der „marxistischen Gesellschaftsanalyse“ zum Demokratischen Sozialismus. Nationaler Sozialismus → Hauptartikel: Nationaler Sozialismus Schon der Philosoph Johann Gottlieb Fichte rückte in seinen späteren Schriften vom liberalen Staatsmodell ab und ersetzte es durch ein sozialistisches, welches er im Zuge der antinapoleonischen Freiheitskriege mit nationalistischen Gedanken auflud. Er propagierte nun einen nationalen Sozialismus, der eine Mitte zwischen reinem Nachtwächterstaat und reinem Wohlfahrtsstaat bilden sollte. Sein nationaler Sozialismus orientierte sich dabei an einer vorkapitalistischen Wirtschaftsform. Die Wirtschaft sollte eine ständisch organisierte staatliche Planwirtschaft sein.[28] Nationalsozialismus → Hauptartikel: Nationalsozialismus Otto Strasser (1897–1974) vertrat einen antimarxistischen Sozialismus innerhalb der NSDAP Das Verhältnis von Sozialismus und Nationalsozialismus ist unter Wissenschaftlern umstritten, was vor allem an den unterschiedlichen Verwendungen des Sozialismusbegriffs liegt. So wird die starke antiliberale Tendenz des Nationalsozialismus mitunter als „sozialistisch“ bezeichnet. Ein wesentlicher Teil der Propaganda des Nationalsozialismus waren wirtschafts- und sozialpolitische Versprechungen. Der Nationalsozialismus gab vor, im Kontrast zu den unerfüllt gebliebenen Versprechungen des Sozialismus und angesichts des Elends der Weltwirtschaftskrise ein „Sozialismus der Tat“ zu sein.[29] Dabei grenzte er sich scharf vom Marxismus ab, dessen Anhänger in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Der Rechtswissenschaftler Johann Braun schreibt: „Eine sozialistische Utopie liegt auch dem Nationalsozialismus zugrunde. Zwar zielt dieser nicht auf einen Sozialismus für alle ab, also nicht auf einen internationalen, sondern auf einen nationalen Sozialismus; aber die Logik des utopischen Rechtsdenkens herrscht auch hier.“[30] Der SPD-Politiker Rudolf Breitscheid meinte auf dem Leipziger Parteitag 1931, dass „selbst der Nationalsozialismus gezwungen sei, sich ein sozialistisches Aushängeschild zu geben“. Dies zeige, „dass zuletzt doch der Gedanke des Sozialismus marschiere.“ Die sozialistischen Gruppierungen in der NSDAP wie etwa der sozialrevolutionäre Flügel um Otto Strasser verließen vor der Machtergreifung die Partei. Die Otto-Strasser-Gruppe schrieb 1930 unter dem Titel „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“: „Für uns bedeutet Sozialismus Bedarfswirtschaft der Nation unter Anteilnahme der Gesamtheit der Schaffenden an Besitz, Leitung und Gewinn der ganzen Wirtschaft dieser Nation, d. h. also unter Brechung des Besitzmonopols des heutigen kapitalistischen Systems und vor allem unter Brechung des Leitungsmonopols, das heute an den Besitztitel gebunden ist.“[31] Für andere bezog der Nationalsozialismus einen wesentlichen Teil seiner ideologischen Wirkung aus der Zusammenführung von Nationalismus und Sozialismus.[32] Gemäß Götz Aly ist der Sozialismus im Begriff Nationalsozialismus nicht nur als Propagandaformel zu betrachten, vielmehr gehöre der Nationalsozialismus in die große egalitäre Grundtendenz des 20. Jahrhunderts.[33] Laut Joachim Fest ist „die Diskussion über den politischen Standort des Nationalsozialismus nie gründlich geführt worden“. Stattdessen habe man „zahlreiche Versuche unternommen, jede Verwandtschaft von Hitlerbewegung und Sozialismus zu bestreiten“. Zwar habe Hitler keine Produktionsmittel verstaatlicht, aber „nicht anders als die Sozialisten aller Schattierungen die soziale Gleichschaltung vorangetrieben“.[34] Der Historiker Henry A. Turner dagegen glaubt nicht, dass Hitler je Sozialist war. Er habe sich stets zum Privateigentum und zum liberalen Konkurrenzprinzip bekannt, aber nicht aus einem echten Liberalismus heraus, sondern auf Grund seiner sozialdarwinistischen Grundannahmen. Im Sinne eines Primats der Politik habe er postuliert, die Wirtschaft müsse stets unter der vollständigen Kontrolle der Politik stehen. Eine konsistente ökonomische Theorie habe der Nationalsozialismus nie entwickelt.[35] Der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler urteilt, dass der Sozialismus im Nationalsozialismus „allenfalls in verballhornter Form“ fortlebte, nämlich in der Ideologie der Volksgemeinschaft.[36] Neue Linke Rudi Dutschke (1940–1979) Wortführer der bundesdeutschen Neuen Linken Aus der Außerparlamentarischen Opposition der 1960er Jahre gingen seit 1970 zum einen eine Reihe von K-Gruppen, zum anderen „undogmatische“ und „antiautoritäre“ Gruppen hervor, die als „Neue Linke“ zusammengefasst werden. Unter ihnen war das 1969 gegründete Sozialistische Büro in Offenbach eine der einflussreichsten Organisationen. Studentenführer wie Rudi Dutschke vertraten einen demokratischen Sozialismus, den sie sowohl gegen die Sozialdemokratie als auch gegen den Realsozialismus abgrenzten. Sie blieben meist außerhalb von Parteien in verschiedenen Neuen sozialen Bewegungen engagiert und hatten kaum Rückhalt in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, gewannen aber mit Gründung und Aufstieg der neuen Partei Die Grünen parlamentarischen Einfluss. Kulturell erreichte die Deutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre eine Liberalisierung der Gesellschaft und differenziertere Haltung zum Ideal des Sozialismus als im Kalten Krieg, wo dieser Begriff fast nur mit diktatorischen Zuständen östlicher Systeme identifiziert wurde. Neue sozialistische Parteien Demokratischer Sozialismus, zwischen 1928 und 1934 aus kommunistischer Sicht im Zusammenhang mit der SPD noch als Sozialfaschismus verschrien, wurde auch in der DDR von der kommunistischen SED meist als ein Synonym für Sozialdemokratie definiert und als „Sozialdemokratismus“[37] ideologisch abgewertet. Nach der Wende in der DDR erklärte die gestürzte SED diesen Begriff aber zu ihrer Leitidee, indem sie sich 1990 zur Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannte und sich programmatisch wandelte. 2005 benannte sich die PDS in Die Linkspartei um und vereinte sich am 16. Juni 2007 mit der westdeutschen WASG zur neugebildeten Partei Die Linke. In anderen Staaten Westeuropas hatten kommunistische Parteien schon seit den 1960er Jahren einen antisowjetkommunistischen Kurs zum Eurokommunismus eingeschlagen: etwa die Kommunistische Partei Italiens, die sich 1990 umbenannte in „Demokratische Partei der Linken“ (italienisch Partito Democratico della Sinistra – PDS) oder die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF, französisch PCF). Diese ehemals kommunistischen Parteien setzen zum einen auf einen Ausbau des Sozialstaats und eine Zähmung des Kapitalismus durch gesetzliche Eingriffe, zum anderen wollen sie den Parlamentarismus stärker mit Plebisziten und direkter Demokratie ergänzen. Im Vorfeld der Wahlen zum russischen Staatspräsidenten hat auch der letzte Präsident der früheren UdSSR, Michail Gorbatschow, im Oktober 2007 eine sozialdemokratische Bewegung gegründet, um Tendenzen zu einer neuen Diktatur, Abbau von sozialen Rechten und Massenverarmung in Russland zu begegnen.[38] Perspektiven José Mujica (* 1935) war 2010–2015 Präsident Uruguays und vertrat sozialistische Positionen Eine wissenschaftliche Debatte über Sozialismus als alternativen Gesellschaftsentwurf, wie es sie während der deutschen Studentenbewegung der 1960er Jahre an den Universitäten gab, findet heute kaum mehr statt. Nur einzelne Sozialwissenschaftler wie Wolfgang Fritz Haug fordern angesichts des angeblichen Turbo-Kapitalismus heutzutage und der damit verbundenen Lebensweisen, aus den historischen Erfahrungen zu lernen und das sozialistische Projekt zu aktualisieren. Eine kritische Bestandsaufnahme unternimmt unter anderem die Zeitschrift Das Argument und die dort ebenfalls angesiedelte Edition des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM). Auch im Umfeld der zur Partei Die Linke gehörenden Rosa-Luxemburg-Stiftung wird eine zukünftige alternative Lebensweise mit Sozialismus diskutiert. Der Sozialphilosoph Axel Honneth hat mit seiner Schrift Die Idee des Sozialismus eine Kritik der ursprünglichen Idee des in der Industriellen Revolution wurzelnden Sozialismus vorgelegt und als dessen Kerngedanken die „soziale Freiheit“ neu definiert. Sozialismus bedeute heute experimentelle politische Ankersetzung auf dem Weg zu einer solidarischen Gesellschaft, die nicht nur auf der wirtschaftlichen, sondern auch in der politischen Ebene und in den persönlichen Beziehungen (insbesondere zwischen den Geschlechtern) anzustreben sei.[39] Ebenfalls eine Neuinterpretation stellt der politische Soziologe Heinz Dieterich mit seinem Konzept vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts dar, in dem er versucht, marxistische Werttheorie mit basisdemokratischen Elementen zu verknüpfen, der dann eine nicht-marktwirtschaftliche, demokratisch von den unmittelbar Wertschaffenden bestimmende Äquivalenzökonomie zu Grunde liegt. Versuche, diese neue Theorie in die Praxis umzusetzen, finden sich derzeit in Venezuela (Bolivarismus) und Bolivien. Die Theorie eines Demokratischen Konföderalismus wird gegenwärtig in verschiedenen kurdischen Organisationen und Lokalverwaltungen sozialistischer Prägung zu realisieren versucht (Rojava, YPG). Wolfram Elsner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen, sieht im Sozialismus chinesischer Prägung „gegenüber dem alten, eurozentrierten Sozialismusentwurf“, aber auch gegenüber dem „neoliberalen Finanzmarktkapitalismus“ ein „effektiveres Modell“. In seinem 2020 erschienenen Buch Das chinesische Jahrhundert schreibt er: „China ist heute fähig, die jahrzehntelange Diskreditierung und Tabuisierung jeder Idee von realem Sozialismus wieder aufzubrechen, vor allem weil es zeigt, dass Sozialismus im 21. Jahrhundert kein statisches, bürokratisches Armutssystem mehr ist, sondern diesbezüglich den real existierenden Kapitalismus sogar überflügeln und die menschlichen Perspektiven erweitern kann.“[40] Kritik → Hauptartikel: Sozialismuskritik Mangelnde wirtschaftliche Effizienz Seit dem Beginn der Auseinandersetzung in Frankreich zwischen der politischen Ökonomie und dem Sozialismus wurde den sozialistischen Kritikern der Marktwirtschaft vorgeworfen, dass sie über keine praxistauglichen Alternativen verfügten, bzw. dass verschiedene bereits gemachte Experimente schmählich gescheitert seien.[41] Unter den neueren Ökonomen warf dann Eugen von Böhm-Bawerk, ein Vertreter der Österreichischen Schule, in Kapital und Kapitalzins (1884–1902) dem Marxismus gegenüber erstmals wieder das Problem der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus auf, welches Argument von Ludwig von Mises in der Folge weiterhin ausgebaut wurde. Der Sozialismus negiert den gesamten Marktprozess und damit fehlen Marktpreise, die Signale für Knappheit sind. Wenn diese fehlen, gibt es damit keinerlei Möglichkeit, Investitionsalternativen rational zu bewerten wie Mises aus seiner Handlungstheorie heraus deduktiv herleiten kann. Allerdings kommt es in einer gemischten Wirtschaftsform mit Interventionen letztlich zum gleichen Problem, nur moderater, da in dem Ausmaß wie der Staat in den freien Markt eingreift, auch hier die Bildung von sinnvollen Preisen durchkreuzt und damit die Richtung der Produktion verändert wird. Der Regierung bleiben dann nur die beiden Möglichkeiten entweder zu einem freien Markt zurückzukehren oder aber zu versuchen durch weitere Interventionen, die ihrerseits wieder den wettbewerbliche Struktur der Marktpreise stören, die Schieflage zu korrigieren. Die Wirtschaft jedes interventionistischen Staates ist daher unvermeidlich instabil.[42] Milton Friedman betont, dass sozialistisch gesteuerte Volkswirtschaften generell qualitativ schlechtere Produkte zu höheren Preisen produzieren.[43] Mangelnde Individualrechte und Rechtsstaatlichkeit Nach Ansicht von Mises’ Schüler Friedrich August von Hayek kollidiert die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zwangsläufig mit den Individualrechten und der Rechtsstaatlichkeit. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit würde eine Selbstbeschränkung der Planungsbehörden erfordern, zu der diese nicht in der Lage seien, da sie sonst ihren Aufgaben nicht nachkommen könnten.[44] Der Ökonom Jürgen Pätzold formuliert es so: „Die zentrale Planung verlangt in gesellschaftspolitischer Hinsicht den Kollektivismus und in staatspolitischer Hinsicht den Totalitarismus des Einparteiensystems. Eine Marktwirtschaft erfordert dagegen, soll sie funktionieren, die Einbettung in ein System politischer und ökonomischer Freiheiten. Ein vergleichbares System der Freiheiten ist mit der Zentralverwaltungswirtschaft unvereinbar. Die Handlungs- und Bewegungsfreiheit der Individuen bildet in der zentral verwalteten Wirtschaft einen latenten Störfaktor, den der Staat zurückzudrängen sucht.“[45] Jean Baudrillard Der poststrukturalistische Soziologe und Philosoph Jean Baudrillard kritisiert in Die göttliche Linke – Chronik der Jahre 1977–1984 mit Blick auf die französischen Verhältnisse die aus seiner Sicht nicht mehr zeitgemäßen Ziele des Sozialismus. Während der Sozialismus noch immer von einer transparenten und kohärenten Gesellschaft träume, hätten die Menschen ein solches Bedürfnis nach Anschluss, Kontakt und Kommunikation kaum noch. Nach dem Philosophen Wolfgang Welsch könne ein Baudrillard diese Sozialismus-Kritik schwerlich äußern. Baudrillards Kritik sei dabei bloß narzisstisch und ein Vehikel, um seine eigene antiquierte Diagnose als aktuell erscheinen zu lassen.[46] Friedrich Nietzsche Der Zeitgenosse von Marx und Engels wies 1878 darauf hin, dass der Sozialismus der jüngere Bruder des fast abgelebten Despotismus sei, den er beerben wolle. Er brauche eine Fülle an Staatsgewalt und strebe die Vernichtung des Individuums an. Der erwünschte cäsarische Gewaltstaat brauche die untertänigste Niederwerfung aller Bürger und könne sich nur durch äußersten Terrorismus Hoffnung auf Existenz machen. Er bereite sich im Stillen auf eine Schreckensherrschaft vor und verwende missbräuchlich den Begriff der Gerechtigkeit. Der Sozialismus lehre die Gefahr der Anhäufung von Staatsgewalt und werde den Ruf nach so wenig Staat wie möglich provozieren.[47]Die vorliegende Kollektivarbeit Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung erschien zuerst vor 40 Jahren. Ihre Verfasser, die Gruppe Internationaler Kommunisten in Holland, gehörten der Rätebewegung an. Arbeiterräte entstanden zuerst in der russischen Revolution von 1905. Nach Lenin hatten sie damals schon die Potenz der politischen Machtergreifung, obwohl sie sich tatsächlich noch auf dem Boden der bürgerlichen Revolution bewegten. Trotzki zufolge stellten die Arbeiterräte, im Gegensatz zu den politischen Parteien innerhalb der Arbeiterklasse, die Organisation des Proletariats selbst dar. Der Holländer Anton Pannekoek sah in der Rätebewegung die Selbstorganisation des Proletariats, die zu ihrer Klassenherrschaft und zur Übernahme der Produktion führen würde. Mit dem Erlöschen der russischen Revolution und dem Ende der Räte verlor sich jedoch das Interesse an dieser neuen Organisationsform, und die traditionellen politischen Parteien und Gewerkschaften hatten das Feld der Arbeiterbewegung wieder für sich allein. Erst die russische Revolution von 1917 brachte die Räte erneut in das Gesichtsfeld der internationalen Arbeiterbewegung; nun aber nicht nur als Ausdruck der spontanen Organisation revolutionärer Arbeiter, sondern auch als notwendige Maßnahme gegen die konterrevolutionäre Haltung der alten Arbeiterbewegung. Der erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Zweiten Internationale schloß die erste Periode der Arbeiterbewegung ab. Was schon lange zuvor ersichtlich war, nämlich die Eingliederung der Arbeiterbewegung in die bürgerliche Gesellschaft, wurde nun zur unumstößlichen Tatsache. Die Arbeiterbewegung war keine revolutionäre Bewegung, sondern eine Bewegung von Arbeitern, die sich innerhalb des Kapitalismus einzurichten suchte. Nicht nur die Führer, auch die Arbeiter, hatten kein Interesse an der Abschaffung des Kapitalismus und waren demz
Internationale bezeichnet in erster Linie den Zusammenschluss von Arbeiterorganisationen aus verschiedenen Ländern, die ideologisch von sozialistischen, kommunistischen oder anarchistischen Zielvorstellungen geprägt sind. Heutzutage am bekanntesten ist die teils sozialdemokratische, teils sozialistische Sozialistische Internationale. Im übertragenen Sinne verwendet man den Begriff auch für andere internationale Phänomene, wie beispielsweise „blaue Internationale“ für die europäische Aristokratie oder „goldene Internationale“ für das globale Finanzkapital. Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung und Bedeutung 2 Die einzelnen Richtungen 2.1 Erste Internationale 2.2 Zweite (Sozialistische) Internationale 2.3 Dritte (Kommunistische) Internationale 2.4 Vierte Internationale 2.5 Die neu gegründete Sozialistische Internationale 3 Weitere Gruppierungen und Projekte 4 Parteibündnisse und Organisationen 5 Weblinks 6 Einzelnachweise Ursprung und Bedeutung Der Begriff Internationale leitet sich von der Kurzbezeichnung der 1864 gegründeten Internationale Arbeiterassoziation (IAA), ab, die auch als Erste Internationale bezeichnet wird. Die Grundidee einer solchen Vereinigung entstammt der Forderung „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“, die im Jahre 1848 von Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest verankert worden war. Dieser Appell richtete sich an alle revolutionär-sozialistischen Arbeiterparteien und -organisationen, die sich zum Internationalismus bekennen. Die weltweit verbreitete Hymne der sozialistischen Arbeiterbewegung Die Internationale sollte der Festigung dieses Bandes dienen. Die einzelnen Richtungen Erste Internationale Die Erste Internationale oder auch Internationale Arbeiterassoziation (IAA) wurde 1864 von englischen Gewerkschaftern und französischen Emigranten in London gegründet. Karl Marx wurde als Mitglied des vorläufigen Organisationskomitees eingeladen und hatte entscheidenden Einfluss auf deren Verlauf. Es wurde betont, dass die Befreiung von der Unterdrückung „das Werk der Arbeiter selber sein müsste“, mit dem Ziel, jegliche Art von Klassengesellschaft zu beseitigen. Es bestanden endlose Diskussionen zwischen Marx, den französischen Anhängern Proudhons und den Anhängern Bakunins. Die Internationale überlebte das Scheitern der Pariser Kommune 1871 nicht und wurde 1876 endgültig aufgelöst. Der Grund des Scheiterns lag im unlösbaren Konflikt zwischen Karl Marx als Vertreter des Kommunismus und Michail Bakunin als Vertreter des Anarchismus. Zweite (Sozialistische) Internationale Die Zweite Internationale bzw. Sozialistische Internationale wurde 1889 in Paris gegründet. Sie löste sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs auf, da ihre Parteien sich jeweils mit ihrer kriegführenden Regierung arrangiert hatten (vgl. Burgfrieden). Eine Neugründung nach dem Krieg wurde wegen Gründung der Dritten Internationale (= Komintern) durch Lenin auf Antrag der österreichischen SDAP (Friedrich Adler) hinausgeschoben. Damals verweigerte die europäische Sozialdemokratie den Anarchisten den Zutritt zu der Zweiten Internationale, obwohl sie während der Ersten Internationale noch zu den stärksten Fraktionen der Arbeiterbewegung gehörten. Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. In den 1920er Jahren gab es verschiedene Versuche, die zweite Internationale als Alternative zur Komintern wiederzubeleben. Dazu gehörte zunächst die Internationale Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Parteien (= Zweieinhalbte Internationale). Sie stellt den unter Leitung des Österreichers Friedrich Adler stehenden Versuch dar, im Rahmen des vom stellvertretenden Vorsitzenden und Chefideologen der österreichischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) Otto Bauer propagierten Integralen Sozialismus die mit der Gründung der Dritten Internationale auseinandergedrifteten Arbeiterbewegung wieder zu vereinen. Als dieser Versuch im April 1922 bereits bei der Vorkonferenz in Berlin scheiterte, löste sich die Arbeitsgemeinschaft auf, schloss sich der verbliebenen Reste der Zweiten Internationale an und gründete mit ihr gemeinsam am 21. Mai 1923 in Hamburg die Sozialistische Arbeiterinternationale als Vereinigung jener Parteien, die sich nicht der Dritten Internationale angeschlossen hatten. Die Sozialistische Arbeiterinternationale ging im Zuge des Zweiten Weltkrieges unter, in dessen Verlauf die Masse der sozialistischen Parteien in Europa zerschlagen wurde. Dritte (Kommunistische) Internationale Die Dritte Internationale oder auch: Kommunistische Internationale (= Komintern) wurde 1919 in Moskau gegründet. Das Brechen der Beschlüsse der Konferenz der 2. Internationale 1913 (einen zukünftigen Krieg zwischen den Ländern mit einem Krieg zwischen den Klassen zu beantworten) und die Unterstützung des Kriegskurses der jeweiligen Mitgliedsparteien, stellte den politischen Bruch der 2. Internationale mit den Traditionen der Arbeiterbewegung (Internationale Solidarität) dar. Im Zuge der gewaltsamen Aneignung der Produktionsmittel durch die Arbeiter und die Errichtung von eigenen Interessenorganen (Milizen, Räte) in vielen Ländern (Russland, Deutschland, Italien, Österreich-Ungarn usw.) schlossen die linken Sozialisten, nun sei der Zeitpunkt gekommen, eine neue Internationale aufzubauen. Parallel zur Komintern wurde 1921 in Moskau die Rote Gewerkschafts-Internationale gegründet. Die Niederlage der revolutionären Bewegungen in vielen Ländern und die daraus resultierende politische und ökonomische Isolation der russischen Oktoberrevolution, führte zur Anpassung der KPdSU unter Stalin, in deren Verlauf der Standpunkt einer internationalen Revolution aufgegeben wurde, und im Jahr 1943 zur Auflösung der Komintern, nicht zuletzt aus Rücksicht auf die verbündeten Mächte Großbritannien und USA; dies wurde 1947 in neuer Form wieder aufgebaut (beziehungsweise umgewandelt) als Kominform (Kommunistisches Informationsbüro), das dann 1957 infolge der Entstalinisierung endgültig aufgelöst wurde. Nach Auflösung der Kominform organisierte sich die kommunistische Weltbewegung unter anderem durch internationale Konferenzen. So zum Beispiel bei den Internationalen Treffen Kommunistischer und Arbeiterparteien 1960 und 1969. Seit 1998 existiert mit dem Internationalen Treffen Kommunistischer und Arbeiterparteien wieder eine kontinuierlich arbeitende internationale Organisation der Kommunistischen Parteien. Vierte Internationale Die Vierte Internationale, gegründet 1938, war die durch Leo Trotzki initiierte Reaktion auf den Stalinismus. Vor den Moskauer Prozessen hatte sie einen gewissen Einfluss auf die Linke Opposition innerhalb der KPdSU und führte auch in der KPD einen teilweise erfolgreichen Kampf gegen die stalinistische Bürokratie und für die Aufrechterhaltung marxistischer Prinzipien. Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Die erste größere Spaltung ereignete sich kurz nach dem gewaltsamen Tod Trotzkis, als 1941 in der großen US-amerikanischen Sektion, Socialist Workers Party (SWP), keine Einigung über die Haltung zur aktuellen Führung der Sowjetunion und zu den Methoden des dialektischen Materialismus erzielt werden konnte. Es wird spekuliert, dass die SWP von zahlreichen russischen und US-amerikanischen Agenten durchdrungen war, die zum Dissens beitrugen. Weitere Spaltungen führten dazu, dass sich nun mehrere Organisationen als Vierte Internationale betrachten, beziehungsweise eine solche neu errichten wollen. Diese Spaltungen und das geringe politische Gewicht ihrer Teilorganisationen haben die Bedeutung der Organisation minimiert. Die neu gegründete Sozialistische Internationale Die bis in die Gegenwart existierende Sozialistische Internationale (SI) wurde am 30. Juni 1951 in Frankfurt am Main als Neugründung mit dem Anspruch ins Leben gerufen, die Tradition der Zweiten Internationale wiederzubeleben. Sie umfasst zurzeit 168 Parteien unterschiedlicher Ausrichtung (sozialdemokratische, sozialistische und reformkommunistische Parteien). Zur Abgrenzung von der marxistischen dritten und trotzkistischen vierten Internationale wird sie selten auch als fünfte Internationale bezeichnet. Weitere Gruppierungen und Projekte Die Internationale Vereinigung der Kommunistischen Opposition bestand aus Parteien, die sich aufgrund der 1928 erfolgten ultralinken politischen Wende der Komintern von der Dritten Internationale abgespalten hatten. Sie bestand von 1930 bis 1939. Das Londoner Büro bestand zwischen 1932 und 1940 und war ein Zusammenschluss (teilweise exilierter) linkssozialistischer und unabhängiger kommunistischer Parteien und Gruppen, die ideologisch zwischen den beiden großen Internationalen standen. Anarchisten: Nach dem Niedergang der Ersten Internationale kam es zu einigen Zusammenschlüsse anarchistischer Gruppierungen auf internationaler Ebene. Die 1922 gegründete anarchosyndikalistische IAA verfügte in den 1920er und 1930er Jahren in Ländern wie Spanien und Argentinien über eine Massenbasis, die heute nicht mehr existent ist. 1968 wurde die Internationale der Anarchistischen Föderationen gegründet, die sich auf die antiautoritäre Internationale (1872) beruft. Im April 2003 benannte sich die trotzkistische „Liga für eine Revolutionär-Kommunistische Internationale“ in „Liga für die 5. Internationale“ um. Aufbauend auf der Kritik der vorangehenden formellen vier Internationalen, die als degeneriert und zentristisch bezeichnet werden, fordert sie die Schaffung einer neuen Internationale, um die Führungskrise des Proletariats zu überwinden. Die LFI hat u. a. Sektionen in Deutschland, Österreich, Großbritannien und Pakistan.[1] Parteibündnisse und Organisationen Später griffen auch andere internationale Parteienbündnisse wie z. B. die Liberale Internationale, die Humanistische Internationale, die Internationale Demokratische Union oder die Christdemokratische Internationale (IDC-CDI) auf diesen Begriff zurück. Man findet ihn auch bei der Situationistischen Internationale, bei den Agrarparteien als „Grüne Internationale“ oder bei außerparlamentarischen Gruppierungen wie die Hedonistische Internationale.
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Unter
Rätekommunismus versteht man eine marxistische Bewegung, deren Idee des
Kommunismus vor allem vom Gedanken der kollektiven Selbstverwaltung und
Basisdemokratie in Arbeiterräten geprägt ist. Inhaltsverzeichnis 1 Konzeption 2
Geschichte und Einfluss 3 Literatur 4 Weblinks Konzeption Nach Meinung der
Rätekommunisten sollen in der kommunistischen Revolution die Arbeiterräte an
die Stelle der Regierung treten, jedoch die Ausbildung eines autoritären
Staates verhindern. Die entsprechende Gesellschaftsform wird Rätedemokratie
oder Räterepublik genannt. Der Rätekommunismus steht in unversöhnlichem
Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, zum Parlamentarismus und auch zum
autoritären Marxismus-Leninismus. Die Sowjetunion war in ihrer Anfangszeit
stark von Idee und Praxis der Rätedemokratie getragen („Alle Macht den Räten“,
lautete eine Parole der Bolschewiki), bis sich spätestens unter der Herrschaft
des Stalinismus die Macht der Räte schrittweise auflöste. Die
Herrschaftsausübung im Rätekommunismus erfolgt maßgeblich in den Räten, welche
als Exekutive, Legislative aber auch als Judikative in einem agieren. Die
Vertreter dieser Organe unterliegen einem imperativen Mandat, d. h., sie können
jederzeit von der Wählerschaft wieder abgewählt werden. Es besteht Rechenschaftspflicht,
wodurch eine radikale Demokratie gewährleistet ist. Angehörige des Bürgertums
haben in der Regel keinen Zugang zu den Räten, wie sie bereits aus den Sowjets
in der russischen Revolution ausgeschlossen waren. Als Vorbild einer rätedemokratischen
Organisationsstruktur gilt insbesondere die bereits von Karl Marx euphorisch
begrüßte Pariser Kommune, in die Herausbildung der Idee des Rätekommunismus
sind aber auch syndikalistische Konzeptionen eingeflossen. Geschichte und
Einfluss Ihre Blütezeit erlebte die Idee der Rätedemokratie vor allem in
Deutschland mit der Novemberrevolution im Jahr 1918 und in deren unmittelbarer
Folgezeit. Im engeren Sinne rätekommunistische Organisationen entwickelten sich
im Zuge der nach der Novemberrevolution zunehmenden Fraktionskämpfe innerhalb
der deutschen Linken. Nach dem Ausschluss vieler Linksabweichler aus der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unter Führung von Paul Levi Ende 1919
gründete sich die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) sowie die
linke Richtungsgewerkschaft Allgemeine Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD).
Diese Organisationen verfügten zum Zeitpunkt ihrer Gründung über etwa
hunderttausend Mitglieder – und hatten damit mehr Mitglieder als die KPD. Die
wichtigste inhaltliche Differenz zwischen KPD und Rätekommunisten bestand in
der Einschätzung der Führungsrolle der Partei, die von den Rätekommunisten
zugunsten des Gedankens der Selbstverwaltung vehement abgelehnt wurde. Auch die
Einschätzung der Entwicklung in der jungen Sowjetunion war wesentlich
verschieden: Die Rätekommunisten bezeichneten die Parteiherrschaft in der
Sowjetunion nach der Entmachtung der Räte als Staatskapitalismus, womit sie die
Tatsache in den Blick rückten, dass die bloße Verstaatlichung der Produktionsmittel
noch nicht zu ihrer Vergesellschaftung geführt habe. Stattdessen habe der Staat
die Funktion der Kapitalistenklasse innerhalb der Gesellschaft übernommen. Eine
Befreiung von der Lohnarbeit habe nicht stattgefunden. Bestanden ursprünglich
noch gute Kontakte zur III. Kommunistischen Internationale, kam es bald darauf
zum Bruch. Lenin griff die Rätekommunisten in seinem Buch Der linke
Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus scharf an. Ende 1921 trennten
sich Teile der AAUD von der KAPD und existierten als Allgemeine Arbeiter-Union
– Einheitsorganisation (AAUE) weiter. Die rätekommunistische Bewegung verlor
nach den erneut aufflammenden revolutionären Unruhen 1923 in Deutschland
zunehmend an Einfluss. Rätekommunistische Organisationen in der Endphase der
Weimarer Republik und im Widerstand gegen den Faschismus waren die Roten
Kämpfer, die Kommunistische Räte-Union und die Kommunistische Arbeiter Union
Deutschlands (KAUD). Rätekommunistische Ideen hatten auch in den Niederlanden,
Großbritannien sowie Bulgarien und Dänemark Einfluss in der
sozialrevolutionären Bewegung. Zu den wichtigsten Theoretikern des
Rätekommunismus zählen Anton Pannekoek (Pseudonym Karl Horner), Paul Mattick,
Karl Korsch, Otto Rühle, Herman Gorter, Willy Huhn, Cajo Brendel, Sylvia
Pankhurst sowie die späteren Nationalbolschewisten Heinrich Laufenberg und
Fritz Wolffheim. Auch die spätere Neue Linke um 1968 sowie insbesondere die
Situationisten in Frankreich waren von rätekommunistischen Ideen beeinflusst.
Literatur Anton Pannekoek: Arbeiterräte. Texte zur sozialen Revolution.
Germinal Verlag, Fernwald (Annerod) 2008. ISBN 978-3-88663-490-3. Anton
Pannekoek: Workers’ Councils. (Introduction by Noam Chomsky) AK Press Oakland
and Edinburgh 2003. Cajo Brendel: Anton Pannekoek. Denker der Revolution
Freiburg 2001. (Memento vom 1. Oktober 2010 im Internet Archive) Herman Gorter:
Offener Brief an den Genossen Lenin Eine Antwort auf Lenins Broschüre:
"Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus" (1920)
Andreas G. Graf (Hrsg.), Anarchisten gegen Hitler. Anarchisten,
Anarcho-Syndikalisten, Rätekommunisten in Widerstand und Exil. Berlin:
Lukas-Verlag 2001, ISBN 3-931836-23-1 Frits Kool (Hrsg.): Die Linke gegen die
Parteiherrschaft. (Band 3 der 'Dokumente der Weltrevolution') Olten und
Freiburg 1970. Gottfried Mergner (Hrsg.): Gruppe Internationale Kommunisten
Hollands. Reinbek 1971. H. (FAU-Bremen): Syndikalismus, kommunistischer
Anarchismus und Rätekommunismus. Eine Erwiderung auf die rätekommunistische
Kritik am „Gewerkschaftsfetischismus“ und am kommunistischen Anarchismus Erich
Mühsams, Bremen 2005. Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von
1918 bis 1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union
Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und
der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (Marburger Abhandlungen zur
Politischen Wissenschaft, Bd. 13). Meisenheim/Glan 1969. Hans Manfred Bock:
Geschichte des ‘linken Radikalismus’ in Deutschland. Ein Versuch. Frankfurt/M.
1976. Philippe Bourrinet: The Dutch and German Communist Left: A Contribution
to the History of the Revolutionary Movement., 1988–1998 ders.: Lexikon des
deutschen Rätekommunismus 1920-1960, Paris, 1. Juli 2017, Verlag moto proprio, 我的摩托车出版社 W.I. Lenin: Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im
Kommunismus (1920); in: W.I. Lenin Werke Band 31, Berlin (DDR): Dietz Verlag,
1964 Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) war eine
kommunistische Partei während der Weimarer Republik, die linke,
antiparlamentaristische und rätekommunistische Positionen vertrat.
Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks Geschichte
Die KAPD wurde am 4./5. April 1920 von Mitgliedern des linken Flügels der
Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gegründet, die auf dem Heidelberger
Parteitag der KPD (20.–23. Oktober 1919) durch die Zentrale Leitung unter Paul
Levi ausgeschlossen worden waren. Viele von ihnen waren vor der KPD-Gründung in
der Gruppe Internationale Kommunisten Deutschlands aktiv. Ihr Hauptziel war die
sofortige Beseitigung der bürgerlichen Demokratie und die Konstituierung einer
Diktatur des Proletariats, wobei eine Diktatur einer Partei nach russischem
Vorbild verworfen wurde. Die KAPD lehnte, anders als die KPD, insbesondere die
leninistische Organisationsform des sogenannten demokratischen Zentralismus,
die Teilnahme an Wahlen und die Mitarbeit in reformistischen Gewerkschaften ab.
Eine wichtige Rolle für die KAPD spielten die niederländischen kommunistischen
Theoretiker Anton Pannekoek und Herman Gorter, die nach dem Vorbild der KAPD in
den Niederlanden die KAPN ins Leben riefen, die freilich niemals die Bedeutung
der Schwesterpartei in Deutschland erreichte. Hintergrund für die Gründung der
KAPD war der Kapp-Putsch. Er hatte nach Ansicht des linken Flügels in der KPD
gezeigt, dass das Verhalten der KPD-Parteileitung gleichbedeutend mit einem
Aufgeben des revolutionären Kampfes war, da die KPD eine mehrmals wechselnde
Haltung zum Generalstreik eingenommen und im Bielefelder Abkommen vom 24. März
1920 einer Entwaffnung der Roten Ruhrarmee zugestimmt hatte. Die Berliner
Bezirksgruppe rief zum 3. April 1920 einen Kongress der linken Opposition ein.
Dort wurde beschlossen, sich als die „Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands“
zu konstituieren. Die Delegierten vertraten nach Schätzungen 80.000
KPD-Mitglieder. Die neu gegründete Partei trat für die Ablehnung der
parlamentarischen Tätigkeit und den aktiven Kampf gegen den bürgerlichen Staat
ein. Sie arbeitete in der Folgezeit eng mit der AAUD zusammen. Hochburgen der
Partei lagen in Berlin, Hamburg, Bremen und Ostsachsen, wo sich jeweils ein
Großteil der KPD-Mitglieder der neuen Partei anschloss. Im August 1920 erfolgte
der Ausschluss der Hamburger Gründungsmitglieder Heinrich Laufenberg und Fritz
Wolffheim, die nationalbolschewistische Ideen vertreten hatten. Zwei Monate
später wurde auch Gründungsmitglied Otto Rühle ausgeschlossen. Die KAPD war
1920 bis 1921 kooptiertes Mitglied der III. Internationale. 1921 kooperierte
die KAPD bei der Märzaktion wieder mit der KPD. Ausgelöst wurde dies durch den
Einmarsch von Truppen der Weimarer Republik in das mitteldeutsche
Industriegebiet, wobei KAPD und KPD befürchteten, dass das Militär die Betriebe
besetzen wollte. Ende 1921 kam es zu einer weiteren Absplitterung, als sich
Teile der AAUD um Rühle, Franz Pfemfert und Oskar Kanehl von der KAPD trennten
und die AAUE gründeten. Nach 1921, als die KAPD noch über 43.000 Mitglieder
verfügte, verlor die die Partei mehr und mehr an Bedeutung und spaltete sich
1922 in die „Berliner Richtung“ und die „Essener Richtung“ um Alexander Schwab,
Arthur Goldstein, Bernhard Reichenbach und Karl Schröder. Hauptgrund war die
Ablehnung der Beteiligung an betrieblichen Tageskämpfen in einer als
revolutionär eingeschätzten Situation durch die Essener. Die Gründung einer
Kommunistischen Arbeiter-Internationale (KAI) 1922 durch die KAPD der „Essener
Richtung“ (die „Berliner Richtung“ lehnte diesen Schritt als verfrüht ab),
gemeinsam mit den Gruppen um Herman Gorter in den Niederlanden, um Sylvia
Pankhurst in Britannien und weiteren Gruppen in Belgien, Bulgarien und unter
Exilanten aus der Sowjetunion war wenig erfolgreich. Die KAI, deren Sekretariat
von der deutschen Sektion dominiert wurde, zerfiel bis 1925. 1926/1927 kam es
zum kurzfristigen Zusammenschluss der KAPD (Berliner Richtung) mit der
Entschiedenen Linken um den aus der KPD ausgeschlossenen Abgeordneten Ernst
Schwarz. Diese Fusion führte innerhalb der KAPD zu einer weiteren Spaltung, da
Schwarz sein Abgeordnetenmandat nicht niederlegte, wie es eine Minderheit der
Mitglieder forderte, die sich nach dem darauf erfolgten Austritt um die
Zeitschrift Vulkan gruppierte. Widerstandsgruppen gegen den
Nationalsozialismus, die in der Tradition der KAPD standen, waren die Roten
Kämpfer und die Kommunistische Räte-Union im Raum Braunschweig. Genuine
KAPD-Widerstandsgruppen gab es im Ruhrgebiet, in Leipzig (wo die örtliche
KAPD-Gruppe in ihrer Druckerei auch Materialien für andere Widerstandsgruppen
erstellte), in Königsberg und im litauischen Memel. Weitere bekannte Mitglieder
der KAPD waren die Schriftsteller Franz Jung, Adam Scharrer und Friedrich
Wendel, der Künstler Heinrich Vogeler, der Pressefotograf John Graudenz, der
Anthropologe Paul Kirchhoff, die Anführer bewaffneter kommunistischer
Partisanengruppen 1920/1921 Max Hölz und Karl Plättner, die rätekommunistischen
Theoretiker und Aktivisten Fritz Rasch, Paul Mattick und Jan Appel sowie August
Merges, der 1918/1919 kurzzeitig Präsident der Sozialistischen Republik Braunschweig
war. Siehe auch Liste linkskommunistischer Organisationen in der Weimarer
Republik Literatur Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus von
1918–1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands
(Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der
Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (= Marburger Abhandlungen zur
Politischen Wissenschaft. Bd. 13, ISSN 0542-6480). Hain, Meisenheim am Glan
1969 (Zugleich: Marburg, Universität, Dissertation, 1968). Hans Manfred Bock:
Geschichte des „linken Radikalismus“ in Deutschland. Ein Versuch (= Edition
Suhrkamp 645). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-00645-2. Die
Allgemeine Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (AAUE, auch AAU-E) war eine antiparlamentarische
und antiautoritäre rätekommunistische Organisation in der Weimarer Zeit.
Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Fraktionskämpfe und Zerfall 3
Reorganisationsversuch 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks Entstehung Die AAUE
konstituierte sich im Oktober 1921, nachdem es in der KAPD und der ihr
angeschlossenen betrieblichen Organisation Allgemeine Arbeiter-Union
Deutschlands (AAUD) zu verstärkter Kritik an der Unterordnung der AAUD unter
die KAPD gekommen war. Ansatz der Kritik war es, eine politisch-betriebliche
Einheitsorganisation aufzubauen. Der neuen Organisation schlossen sich
wesentliche Teile der AAUD-Strukturen in Ostsachsen und Nordwestdeutschland
sowie Minderheiten in anderen Regionen an; bekannte Gründungsmitglieder waren
u. a. der ehemalige Reichstagsabgeordnete Otto Rühle, der Herausgeber der
Aktion, Franz Pfemfert, der Dichter Oskar Kanehl und der bekannte
Strafverteidiger in politischen Prozessen, James Broh. Die AAUE gab die
Wochenzeitungen Einheitsfront und Betriebsorganisation heraus und verfügte mit
der Aktion über eine ihr nahestehende Zeitschrift. Durch die Verbindung mit der
Aktion bewegten sich zeitweise auch Schriftsteller wie Max Herrmann-Neiße und
Carl Sternheim im Umfeld der Organisation. Über die Mitgliederzahlen gibt es
keine genaueren Angaben, die von Pfemfert genannten anfänglichen 60.000
Mitglieder dürften jedoch übertrieben gewesen sein. Fraktionskämpfe und Zerfall
Schnell kam es in der neuen Organisation zu Fraktionskämpfen und zentrifugalen
Tendenzen, welche bis Mitte der 1920er Jahre zur Aufspaltung in mehrere, alle
den Namen AAUE tragenden Gruppen führte. Die drei letztgenannten Organisationen
dürften in der Endphase der Weimarer Republik alle jeweils einige hundert
Mitglieder gehabt haben: „Heidenauer Richtung“ um die Zeitschrift Revolution.
Sie pflegte eine individualistische und organisationsfeindliche Ausrichtung und
löste sich konsequenterweise 1923 selbst auf. „Zwickauer Richtung“ um die
Zeitschrift Weltkampf. Sie trat für die Beteiligung an Betriebsratswahlen und
Annäherung an anarchosyndikalistische Positionen ein, 1923 erfolgt der
Anschluss an die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD). „2. Zwickauer
Richtung“ um die Wochenzeitungen Proletarischer Zeitgeist (Zwickau, Auflage im
Jahr 1932 von 2.400 Exemplaren) und Von Unten Auf (Hamburg). Sie zeigte Nähe zu
anarchistischen Positionen und starke Intellektuellenfeindlichkeit. 1924
schloss sich dieser Organisation eine Gruppe ehemaliger KPD-Mitglieder um Ketty
Guttmann an und konnte sich bis zur teilweisen Zerschlagung während der Zeit
des Nationalsozialismus halten. Die Hamburger Gruppe um Otto Reimers gab in der
Illegalität bis Mitte 1934 den Mahnruf heraus, anderen lokalen Gruppen gelang
es teilweise die NS-Zeit zu überdauern. „Frankfurt-Breslauer Richtung“ um die
Zeitschrift Die Proletarische Revolution. Sie stand in Verbindung zu den
rätekommunistischen Ideen der Individualpsychologie Alfred Adlers. Sie
arbeitete eng mit Otto Rühle zusammen und war aktiv in der proletarischen
Freidenkerbewegung. 1931 Zusammenschluss mit Teilen der AAUD und der KAPD zur
Kommunistischen Arbeiter Union Deutschlands (KAUD). Im Kopf der
KAUD-Zeitschrift Der Kampfruf, die bis 1933 in Berlin erschien, bezeichnet sich
die Gruppe auch als KAU-RBO (Revolutionäre Betriebsorganisation). Ehemalige
Mehrheitsfraktion der alten AAUE um Franz Pfemfert und Oskar Kanehl. 1926/1927
zeitweiliger Zusammenschluss mit einer ultralinken KPD-Abspaltung um Iwan Katz
und dem Industrieverband für das Verkehrsgewerbe zum Spartakusbund
linkskommunistischer Organisationen (Spartakusbund Nr. 2). Sie gab
Einheitsfront und später Spartakus und Die Weltrevolution heraus, zerfiel aber
1932/33. Reorganisationsversuch Versuche der Strömung um den Proletarischen
Zeitgeist, nach 1945 in der Zwickauer Region die Organisation
wiederherzustellen, wurden 1948 repressiv unterbunden, der leitende Aktivist
der Gruppe, Wilhelm Jelinek, starb 1952 unter ungeklärten Umständen im
Zuchthaus Bautzen. Anarchismus (abgeleitet von altgriechisch ἀναρχία anarchia
‚Herrschaftslosigkeit‘; Derivation aus α privativum und ἀρχή arche
‚Herrschaft‘) ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft
von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der
Unterdrückung von Freiheit ablehnt. Dieser wird eine Gesellschaft
entgegengestellt, in der sich Individuen auf freiwilliger Basis selbstbestimmt
und föderal in Kollektiven verschiedener Art wie Kommunen als kleinster Einheit
des Zusammenlebens, Genossenschaften und Syndikaten als Basis der Produktion
zusammenschließen.[1] Es gibt innerhalb des Anarchismus viele teils sehr
unterschiedliche Strömungen. Grundsätzlich bedeutet Anarchie die Aufhebung
hierarchischer Strukturen – bis hin zur Auflösung staatlicher Organisiertheit
der menschlichen Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen Freiheit,
Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung der Individuen und
kollektive Selbstverwaltung. Der Anarchismus wird in einem sozialrevolutionären
Sinn von seinen Vertretern als Synthese zwischen individueller Freiheit wie im Liberalismus
und sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft wie im Sozialismus verstanden.
Menschen, die nach diesen Prinzipien leben oder eine herrschaftsfreie
Gesellschaft anstreben, werden als Anarchisten bezeichnet. Bisweilen wird im
deutschsprachigen Raum das Adjektiv libertär (deutsch: freiheitlich) als
Synonym für „anarchistisch“ benutzt. Inhaltsverzeichnis 1 Strömungen 1.1
Klassifikationen 1.2 Grundformen 1.3 Weitere Strömungen 1.4 Neuere Ansätze 2
Geschichte 2.1 Vorläufer 2.2 Anarchismus versus Marxismus 2.3 Die Propaganda
der Tat 2.4 Frühes 20. Jahrhundert 2.5 Spanische Republik 2.6 Deutschland
während der NS-Diktatur 2.7 Nachkriegszeit 2.7.1 Deutsche Demokratische
Republik 2.7.2 Bundesrepublik Deutschland 2.7.3 International 2.8 Anarchismus
in der Gegenwart 2.8.1 Organisationen 2.8.2 Periodika 3 Aktionsformen 4 Symbole
5 Siehe auch 6 Literatur 6.1 Einführungen 6.2 Klassiker 6.3 Moderne Ansätze 6.4
Kritik am Anarchismus 7 Medien 8 Weblinks 9 Einzelnachweise Strömungen
Klassifikationen Peter Kropotkin Ein wichtiges Element des Anarchismus ist der
innere Pluralismus, der sich in verschieden ausgeformten Strömungen zeigt, die
sich meist in ihren Schwerpunkten ergänzen.[2] Alle Strömungen stimmen in der
Ablehnung des Staates – besonders in seiner Ausprägung als Monarchie und
Diktatur –, des Militarismus und Klerikalismus überein. In der
wissenschaftlichen Sekundärliteratur werden unterschiedliche Bestimmungen und
Abgrenzungen von Richtungen des Anarchismus diskutiert.[3] Schon 1894
unterschied Rudolf Stammler zwischen „individualistischen“ und
„kollektivistischen“ Varianten anarchistischer Ideen.[4] In einer Darstellung
von 1937 unterschied Albert Weisbord weiterführend folgende Richtungen:[5]
liberal-anarchistisch libertär (Godwin) mutualistisch (Proudhon)
amerikanisch-liberal (Thoreau, Warren, Tucker) kommunistisch-anarchistisch
kollektivistisch (Bakunin) kommunistisch (Kropotkin, Most, „Chicagoer
Märtyrer“). Franz Neumann[6] schlug 1977 eine dann vielfach rezipierte
Unterscheidung folgender Strömungen vor: Individual-Anarchismus (Godwin,
Stirner, Bellegarrigue) Sozialer Anarchismus (Proudhon, Landauer) Kollektiver
Anarchismus (Bakunin) Kommunistischer Anarchismus (Kropotkin, Cafiero, Most)
Anarcho-Syndikalismus (Pelloutier, Monatte, CNT) „Neuer Anarchismus und
Studentenbewegung“ In ähnlicher Weise unterschied 1972 Erwin Oberländer[7]
Individualistischer Anarchismus (Bellegarigue, Tucker, Landauer)
Kollektivistischer Anarchismus (Bakunin, früher Kropotkin, Adhémar
Schwitzguébel) Kommunistischer Anarchismus (Cafiero, Kropotkin, Reclus,
Merlino, Goldman, Most) „Anarchismus und Gewerkschaftsbewegung“ (Pelloutier,
Monatte, Machnowschtschina, CNT u. a.) „Anarchismus heute“ (Colin Ward, William
O. Reichert) David L. Miller hat in seiner Monographie von 1984[8] außerdem
einen „philosophischen Anarchismus“ von „individualistischem“ und
„kollektivistischem“ Anarchismus unterschieden, was eine Kategorie für Autoren
wie Stirner oder Godwin bereitstellt, deren Wirken den üblichen Ansetzungen
einer „anarchistischen Bewegung“ vorausliegt (eine solche wird in der
Sekundärliteratur zumeist nicht vor den 1860er-Jahren für greifbar gehalten).
Peter Marshall hat 1992 eine einflussreiche, geographisch gegliederte
Darstellung vorgelegt, die auch nichtwestliche Traditionen insbesondere des
Daoismus, aber auch z. B. Gandhi einbezieht, ebenso „amerikanische
Individualisten und Kommunisten“ und auch auf Verbindungen von Anarchismus und
der „Neuen Rechten“ eingeht.[9] Auch der Einbezug bestimmter Klassiker ist
sowohl unter den Vertretern anarchistischer Ideen wie in der Sekundärliteratur
vielfach strittig, so etwa bezüglich Stirners.[10] Grundformen Michail Bakunin.
(Photographie von Félix Nadar, ca. 1860) Aus der Geschichte gewerkschaftlicher
Organisation und gegenseitiger Unterstützung (frz. assistance mutuelle) hat
sich der Mutualismus herausgebildet, der eine soziale Symbiose in einem
herrschaftsfreien System zum Ziel hat. Der Mutualismus wurde vor allem von
Pierre-Joseph Proudhon geprägt und enthält revolutionäre Elemente. Im Zentrum
steht jedoch eine Reform von Kredit- und Währungsordnung mit dem Ziel der
Beseitigung des Profits.[11] Das von Proudhon entworfene 'Konzept des
anarchistischen Föderalismus' baut auf die Vernetzung kommunaler Strukturen und
gilt auch in nachfolgenden Konzepten des Anarchismus als Grundprinzip. Der
kollektivistische Anarchismus basiert vor allem auf den Ideen Michail Bakunins
und Mitgliedern der Juraföderation. Statt des Privateigentums an
Produktionsmitteln sollen die Arbeitsmittel im Besitz überschaubarer Kollektive
sein und von den Produzenten selbst kontrolliert und verwaltet werden.[12]
Arbeiter sollen von demokratischen Institutionen nach der Zeit ihrer Arbeit
vergütet werden. Diese Einkünfte sollten verwendet werden, um Artikel in einem
kommunalen Markt zu erwerben. Föderalistische Strukturen sollen den Staat und
andere zentralistische Institutionen vollständig ersetzen.[13] Anhänger des
kommunistischen Anarchismus fordern einen vollständigen Bruch mit dem
Kapitalismus und die Abschaffung des Geldes.[14] Die direkte Entlöhnung soll
ersetzt werden durch den freien Zugang zum gemeinsamen Arbeitsprodukt.[15]
Peter Kropotkin, als bedeutendster Theoretiker des kommunistischen Anarchismus,
wendet sich gegen den ökonomischen Wert im Allgemeinen; sei es Geld, Arbeit
oder Ware. Er sieht das Privateigentum als Grund für Unterdrückung und
Ausbeutung und schlägt stattdessen eine umfassende Kollektivierung vor.[16] Der
individualistische Anarchismus ist eine im 19. Jahrhundert in Nordamerika
entstandene Lehre, die das Individuum und seine Interessen als Mittelpunkt der
Gesellschaft ansieht, der keinen Gegensatz zu den vorgenannten sozial
orientierten Formen darstellt und in Opposition zum Kollektivismus steht. Die
individualistische Strömung wurde in den USA vor allem von Benjamin Tucker
entwickelt. In Deutschland vertrat ihn der Anarchist und Schriftsteller John
Henry Mackay, der sich hauptsächlich auf Benjamin Tucker und Max Stirner
berief.[17] Der Individualanarchismus wird häufig als Extremform des
Liberalismus beschrieben. Der Gegensatz zwischen Individualismus-Egoismus und
Kollektivismus-Altruismus stellt eine wichtige anarchistische
Auseinandersetzung dar. Weitere Strömungen Voltairine de Cleyre, eine
Vertreterin des Anarchismus ohne Adjektive Wegen der Vielzahl sich inhaltlich
überschneidender, im Detail jedoch durchaus verschiedener anarchistischer
Ausprägungen wird für den Anarchismus im Allgemeinen, wie ihn etwa Fernando
Tarrida del Mármol vertreten hat, der Begriff „Anarchismus ohne Adjektive“
verwendet. Der Ausdruck wird entweder übergreifend auf Anarchismus angewandt,
wenn eine spezifische Klassifizierung abgelehnt wird, oder wenn sich dessen
Anhänger den verschiedenen Strömungen gegenüber tolerant zeigen. Die
bekannteste und international am stärksten organisierte Richtung ist der
Anarchosyndikalismus. Seine Idee ist die Zusammenführung der Lohnabhängigen in
Gewerkschaften, die sich von Tarifparteien durch die Unterstützung des
revolutionären Syndikalismus unterscheiden. Die mit fast zwei Millionen Mitgliedern
bislang größte anarchosyndikalistische Gewerkschaft war im Spanien der 1930er
Jahre die Confederación Nacional del Trabajo (CNT), die nach der Zeit des
Franquismus reorganisiert wurde. Für die rein gewaltfreie Umsetzung steht der
Anarchopazifismus (auch gewaltfreier Anarchismus). Hier geht es primär um das
Zusammenführen des Anarchismus mit der gewaltfreien Aktionstheorie bzw. mit
Theorien der gewaltfreien Revolution. Gewaltkritik wird in diesem Zusammenhang
auch als wichtiger Teil anarchistischer Herrschaftskritik verstanden. Auch
christliche Anarchisten treten zumeist strikt pazifistisch auf. Sie verneinen
die Herrschaft der Kirchen und Priester wie des Staates und glauben, dass
Freiheit direkt durch die Lehre Jesu spreche. Eine Strömung des jüdischen Anarchismus,
zum Beispiel vertreten von Bernard Lazare, entstand aus den Erfahrungen
verschiedener antisemitischer Pogrome des späten 19. Jahrhunderts. Die auch als
‘anarchistischer Zionismus’ bezeichnete Idee war ein jüdisches
Gesellschaftssystem ohne Staat. Durch die Zusammenarbeit mit zionistischen
Sozialisten wurden viele jüdische Siedlungen in Palästina (Kibbuzim) unter
britischem Mandat nach anarchistischen Vorstellungen organisiert.[18] Weitere
Denkrichtungen entstanden durch die Verbindung von anarchistischen Ideen mit
anderen religiösen Denktraditionen, wie beispielsweise dem Islam, dem
Buddhismus und dem Hinduismus. Aus Reflexion über die Niederlage des
Anarchismus in der Ukraine wurde der Plattformismus entwickelt, der eine
stärkere Gemeinschaft, deutliche Verständigung über die ideologische
Ausrichtung und Verbindlichkeit in der Praxis fordert. Ein ähnliches Modell
vertritt der Especifismo in Südamerika. Der Insurrektionalismus oder
aufständische Anarchismus ist eine revolutionäre Theorie und Praxis innerhalb
der freiheitlichen Bewegung, die sich formalen Organisationen wie
Basisgewerkschaften und Föderationen entgegenstellt, die auf einem politischen
Programm und regelmäßigen Treffen basieren. Stattdessen befürworten
Insurrektionisten Direkte Aktion und Zusammenarbeit in informellen kleinen
autonomen Basisgruppen, den Affinity Groups (Bezugsgruppen). Der
Anarchokapitalismus tritt für eine vom freien Markt, von freiwilligen
Übereinkunften und von freiwilligen vertraglichen Bindungen geprägte Gesellschaft
ein, die vollständig auf staatliche Institutionen und Eingriffe verzichtet. Die
Verhältnisbestimmung dieser Ideen und ihrer Vertreter und Vorläufer zu anderen
Formen des Anarchismus ist umstritten. Die Anarchist FAQ schreibt dazu, dass
der Anarchokapitalismus seinen Ursprung im Liberalismus, nicht im Anarchismus
habe und die Geschichte der ökonomischen Ideen des Anarchismus ignoriere, die
immer antikapitalistisch gewesen seien. Zwischen anarchokapitalistischen
Theoretikern und der anarchistischen politischen Bewegung bestehe keine
Verbindung.[19] Dagegen sieht Stefan Blankertz den Anarchismus allgemein als
radikale Form des Liberalismus.[20] Neuere Ansätze Emma Goldman Die
französische Variante des Anarchismus von 1968, der Situationismus, zeigte sich
in der Studentenbewegung und den Mai-Unruhen. Forderungen waren unter anderem
Abschaffung der Ware, der Arbeit, der Hierarchien, Aufhebung der Trennung
zwischen Kunst und Leben. Der Anarchafeminismus ist eine Wortschöpfung der
1970er Jahre und vereint den Radikalfeminismus mit der anarchistischen Idee. Es
gibt in der anarchistischen Bewegung schon Vorläufer, so hat Emma Goldman den
Kampf um weibliche Gleichberechtigung mit dem um Herrschaftsfreiheit verbunden.
Die Begriffssetzung Neo-Anarchismus beschreibt die historische Erscheinungsform
im Zuge der 68er-Bewegung in Deutschland, in der der theoretische Anarchismus
wiederentdeckt wurde und die Hierarchiefreiheit in progressiven und „linken“
Gruppen Einzug hielt. Öko-Anarchismus ist die Bezeichnung für die Verknüpfung
von Ablehnung der Herrschaft von Menschen über Menschen mit der Ablehnung der
Herrschaft des Menschen über die Natur. Eine bedeutende Strömung in Nordamerika
ist der Primitivismus, der die Rückkehr zu vorindustriellen Formen des
Wirtschaftens propagiert. „Folk-Anarchy“, auch der „kleines-a-Anarchismus“,
sind in den USA entwickelte „postlinke“ anarchistische Strömungen. Diese
Ansätze finden sich in Netzwerken wie CrimethInc. und der Curious George
Brigade, die sich gegen nostalgische Theorie- und Personenbezüge richten und
eine „Do it yourself“-Praxis (DIY) fordern: „eine Anarchie geschaffen von
gewöhnlichen Menschen, die außergewöhnliche Leben leben, genannt
Folk-Anarchy.“[21] Postanarchismus stellt keine einheitliche Theorie dar,
sondern ist ein Sammelbegriff für postmoderne, postfeministische und
poststrukturalistische Debatten aus anarchistischer Perspektive. Das Präfix
„Post“ steht für eine Infragestellung und Verwerfung von einigen Grundannahmen
des klassischen Anarchismus, nicht für ein Aufgeben anarchistischer Ziele. Das
äußerst positive Menschen- und Weltbild des Anarchismus des 19. Jahrhunderts
gilt dem Postanarchismus als überholt. Ihm zeigt sich Herrschaft als verändert
und erweitert dar, der Ausbeutung wird die unterwerfende Subjektivierung zur
Seite gestellt, der positive Machtbegriff Foucaults adaptiert. Der
Postanarchismus beschäftigt sich zudem mit Postkolonialismus und
Antirassismus.[22] Libertärer Kommunalismus[23] ist ein reformistisch
orientierter praxisnaher Entwurf für demokratische Selbstverwaltung von
Gemeinden auf der Basis von Ökologie, Freiwilligkeit und Föderalismus und wurde
in den kurdischen Gebieten zur Zeit des syrischen Bürgerkriegs umgesetzt. Das
englischsprachige begriffliche Pendant zu libertär, libertarian, bezeichnet
seit den 1950er Jahren eine Verbindung von Anarchismus und Kapitalismus.[24]
Geschichte Vorläufer → Hauptartikel: Vorläufer des Anarchismus Diogenes von
Sinope auf einem Gemälde von John William Waterhouse. Diogenes gehörte zu den
frühen Gesellschaftskritikern und predigte die Bedürfnislosigkeit als Grundlage
der Freiheit. Der Historiker Peter Marshall bezeichnet den Daoismus als „ersten
klaren Ausdruck anarchistischer Sensibilität“ und dessen Hauptwerk Daodejing
von Laozi als „einen der größten anarchistischen Klassiker.“[25] Die Taoisten
lehnten Regierungen ab und strebten ein Leben in natürlicher und spontaner
Harmonie an, wobei der Einklang des Menschen mit der Natur eine bedeutende
Rolle spielte. Der Daoismus entwickelte im Laufe der Zeit ein regelrechtes
System politischer Ethik und verzichtete auf Kulte und die Ausbildung einer
Priesterkaste. Der Daoismus war damit auch die wichtigste Gegenströmung zum
autoritären und bürokratischen Konfuzianismus, der später zur chinesischen
Staatsreligion wurde.[26] Erste Vorläufer des Anarchismus in Europa finden sich
in der griechischen Philosophie der Antike. Der Historiker Max Nettlau sieht
die bloße Existenz des Wortes „An-Archia“ als Beleg, „dass Personen vorhanden
waren, die bewußt die Herrschaft, den Staat verwarfen.“[27] Ab dem 5.
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung predigte Diogenes von Sinope (ca. 400 –
324 v. Chr.) die Rückkehr zum naturgemäßen Leben. Er und die Schüler der von
ihm begründeten Schule der Kyniker sahen die ursprüngliche Bedürfnislosigkeit
als erstrebenswerten Zustand. Soziale Harmonie würde laut den Kynikern anstelle
von gegenseitigem Kampf und gesellschaftlichem Konflikt bestehen, da sich diese
aus der Gier des Menschen nach materiellem Besitz und dem Streben nach Ehre
ergeben.[28] In den Lehren von Zenon von Kition (ca. 333–262 v. Chr.) sieht der
Historiker Georg Adler zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Ideen des
Anarchismus entwickelt.[29] Zenon, der Begründer der Stoa, war ein großer
Kritiker von Platons Ideal einer Gesellschaft, die mit absoluter Staatsmacht zu
einem moralischen Zusammenleben finden sollte. Zenon entwarf im Gegensatz zu
Platon sein eigenes Ideal einer freien staatenlosen Gemeinschaft, die der Natur
des Menschen besser entsprechen würde. Anstatt dem schriftlichen Gesetz zu
folgen sollten die Menschen durch innere Einsicht ihren wahren natürlichen
Trieben folgen. Dies würde die Menschen zur Liebe zum Mitmenschen und zur
Gerechtigkeit führen. Wie in der äußeren Natur Eintracht, Harmonie und
Gleichgewicht herrschen, so würde dies dann auch in der menschlichen
Gesellschaft gelten. Daraus folgt die Negation des Gesetzes, der Gerichte, der
Polizei, der Schule, der Ehe, des Geldes, der staatlichen Religion und des
Staates. Über alle Völkergrenzen hinaus würde der Mensch in vollkommenster
Gleichheit leben. Jeder sollte freiwillig gemäß seinen Fähigkeiten arbeiten und
je nach Bedürfnis konsumieren dürfen.[29] Im späten Altertum und im Mittelalter
gab es verschiedene verfolgte Sekten und Ketzer mit freiheitlichen Merkmalen. Anarchistische
Elemente sind im Mittelalter jedoch erstmals beim Häretiker Amalrich von Bena
und seinen Anhängern, den Amalrikanern, dokumentiert. Ähnliches gilt für die
christlich-mystischen Brüder und Schwestern des freien Geistes im 12. und 13.
Jahrhundert, die sich außerhalb der Gesellschaft und ihrer Gesetze
stellten.[30] Zu den Vorläufern des Anarchismus wird Étienne de La Boétie
(1530–1563) gezählt, der im Alter von 18 Jahren das grundlegende Werk Discours
de la servitude volontaire ou le Contr'un (deutsch: Von der freiwilligen
Knechtschaft oder das Gegen Einen [den Monarchen]) schrieb. Die Grundfrage des
Discours de la servitude lautet: Woher kommt es, dass sich ein ganzes Volk von
einem einzigen Menschen quälen, misshandeln und gegen seinen Willen leiten
lässt. Monarchen stützen sich nicht nur auf Repression, um ihre Herrschaft zu
erhalten. Viel wichtiger ist für Étienne de la Boétie der Fakt, dass sich die
Untertanen freiwillig in ihre Knechtschaft ergeben und so erst dem einen
Menschen die Macht übertragen. Würden also die Untertanen dem Monarchen ihren
Dienst verweigern, hätte dieser wiederum keine Macht mehr. Eine Grundkritik des
Anarchismus, das Herr-/Knechtschaftsverhältnis in der Gesellschaft, hat La
Boétie erstmals für die Neuzeit formuliert.[31] Im Jahr 1649, einem Jahr großer
sozialer Unruhen, entstand in England unter dem Einfluss von Gerrard Winstanley
die religiös-anarchistische Bewegung der Diggers. Die bestehende
gesellschaftliche Ordnung und die Herrschaft der Großgrundbesitzer versuchten
die Diggers durch die Gründung kleiner, landwirtschaftlicher Kommunen auf
egalitärer Basis aufzubrechen. Durch freiwilligen Zusammenschluss aller
einfachen Leute sollten die Herrschenden ausgehungert werden, wenn sie sich
nicht den Kommunen anschließen. Schon 1651 waren die Kolonien der
gemeinschaftlich wirtschaftenden Dissidentengruppe durch Obrigkeit und lokale
Grundbesitzer wieder zerstört. William Godwin war ein englischer Gelehrter und
Kritiker der autoritären Entwicklung der Französischen Revolution. 1793
formulierte er in seinem Hauptwerk Enquiry concerning political justice, dass
jedwede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft
anzusehen sei. Mit seinen Ideen hatte Godwin bereits nahezu alle wesentlichen
Punkte der anarchistischen Theorie vorweggenommen.[32] Anarchismus versus
Marxismus Illustration aus der französischen Ausgabe von Der Anarchismus von
Kropotkin, 1913 Aus den Ideen der Aufklärung, verbunden mit den sich
verstärkenden radikalen Strömungen des revolutionären Liberalismus seit der
französischen Revolution von 1789 und verschiedenen frühsozialistischen
Ansätzen, entwickelten sich die Vorstellungen des modernen Anarchismus etwa
zeitgleich mit den kommunistischen Ideen von Weitling und Marx und zunehmend in
gegenseitiger Abgrenzung voneinander. Die politischen Differenzen zwischen
Kommunisten und Anarchisten führten zu historisch konfliktträchtigen
Situationen in der Arbeiterbewegung und der politischen Linken insgesamt;
Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart andauern. Erst Pierre-Joseph
Proudhon bezeichnet sich selbst als Anarchist und stellt die wesentlichen
Elemente des Anarchismus in seinem Werk Qu’est-ce que la propriété? ou
recherches sur le principe du droit et du gouvernement (1840) (dt.: Was ist das
Eigentum? Untersuchungen über den Ursprung und die Grundlagen des Rechts und
der Herrschaft) zusammen. Er formuliert: „Eigentum ist Diebstahl“,[33] wobei er
unter Eigentum solches verstand, das die Voraussetzung für Einkommen ohne
Arbeit ist. Damit stellte er Privateigentum an Produktionsmitteln,
Mietshäusern, Wertpapieren und Ähnlichem ins Zentrum seiner Kritik an den
herrschenden politischen und sozialen Verhältnissen im Kapitalismus. Dieses sei
ebenso wie der bürgerliche Staat, der es schützen soll, direkt und unmittelbar
zu bekämpfen und durch selbstorganisierte Formen des Gemeineigentums zu
ersetzen. In einem Briefwechsel setzte sich Proudhon mit Karl Marx auseinander.
Dabei stellte sich heraus, dass sie beide Themen wie Macht und Freiheit des
Individuums oder die Rolle des Kollektivs als revolutionäres Subjekt sehr
verschieden bewerteten. Proudhon argumentierte stärker mit
philosophisch-ethischen Prinzipien, während Marx diese als bloß moralische
Ideale kritisierte und eine wissenschaftliche Analyse der Widersprüche zwischen
Kapital und Arbeit vermisste. Proudhons Anhänger Michail Bakunin
(kollektivistischer Anarchismus) und später Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
(kommunistischer Anarchismus) verbanden seine Theorien mit der Agitation für
eine soziale Revolution, die zur radikalen Umwälzung der Besitzverhältnisse
notwendig sei. Bakunin lehnte die führende Rolle einer revolutionären
Kaderpartei jedoch ebenso ab wie staatliche Hierarchien und verwarf damit Marx’
Forderung nach der Gründung kommunistischer Parteien ebenso wie die These von
der „Diktatur des Proletariats“, die zur klassenlosen Gesellschaft führen
solle. Er glaubte nicht, dass die Arbeiter zuerst die politische Staatsmacht
erringen müssten, damit der Sozialismus aufgebaut und der Staat absterben könne,
sondern wollte diesen direkt abschaffen. Diese Konzeption nannte er
„antiautoritären Sozialismus“; ein Konzept, das von den Marxisten als
„kleinbürgerlich-pseudorevolutionäre Ideologie“ abgelehnt wurde. Zwischen 1864
und 1872 waren Anarchisten und Marxisten in der noch aus einer Vielzahl
politisch divergierender Gruppen der Arbeiterbewegung bestehenden
Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) organisiert. Als der ideologische
Konflikt zwischen den Anhängern von Bakunin einerseits und denen von Marx andererseits
eskaliert war, wurde Bakunin 1872 auf Betreiben von Marx aus der IAA
ausgeschlossen. Der ideologische Konflikt, der 1876 zur Auflösung der IAA
(heute auch unter der Bezeichnung „Erste Internationale“ bekannt) geführt
hatte, markiert die erste grundlegende Zäsur in der Geschichte des Sozialismus
und der internationalen Arbeiterbewegung – noch vor deren weiteren Aufspaltung
am Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert in einen reformorientierten
(sozialdemokratischen) und einen revolutionären (kommunistischen) Flügel. Seit
dem Auseinanderbrechen der IAA grenzen sich – Rudolf Rocker zufolge –
Anarchisten in folgenden Punkten grundsätzlich vom Marxismus ab: Ablehnung der
von Hegel geprägten marxistischen „Schicksalstheorien“. In der Geschichte gebe
es überhaupt keine Zwangsläufigkeiten („historischen Notwendigkeiten“,
„Zwangsläufigkeit des historischen Geschehens“), „sondern nur Zustände, die man
duldet und die in Nichts versinken, sobald die Menschen ihre Ursachen
durchschauen und sich dagegen auflehnen“ (Rocker). Ablehnung des „Historischen
Materialismus“. Aus den wirtschaftlichen Verhältnissen könnte nicht alles
„politische und soziale Geschehen“ erklärt werden. Der Anarchismus begreift die
Menschen als handelnde Individuen, lehnt die Betrachtung von Menschen als Masse
ab. Grundsätzliche Ablehnung eines Staates. Die Produktionsmittel von der
Privatwirtschaft einem Staat zu übergeben, „führt lediglich zu einer Diktatur
durch den Staat“ (Rocker). Ablehnung von Gesetzen und Gesetzgebern.
Entscheidungen werden dezentral, kollektiv und im Konsens entschieden. „Nur das
freie Übereinkommen, ‚könnte‘ das einzige moralische Band aller
gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander sein“ (Rocker).
Ablehnung einer Übergangsphase vom Kapitalismus zum Sozialismus. Der „Wille zur
Macht“ müsse in einer freien Gesellschaft grundsätzlich bekämpft werden.
radikale Ablehnung aller kapitalistisch geprägten Begriffe: Sämtliche
Wertbegriffe, wie wir sie heute kennen, sind samt und sonders kapitalistische
Begriffe. Luft, Sonnenlicht, Regen, Erdfeuchtigkeit, Humus, kurz, viele der
wichtigsten Produktionsfaktoren sind, weil sie nicht monopolisiert werden
konnten, heute kapitalistisch wertlos. (…) Mit dem Aufhören des
Eigentumsbegriffes an Produktionsmitteln hört auch jeder Wertbegriff für den
einzelnen auf. (Pierre Ramus, Franz Barwich) Einzelne Vertreter bezweifeln
ebenfalls das Konzept der sozialen Klasse wie Errico Malatesta auf dem Kongress
in Amsterdam. Die Propaganda der Tat Der französische Anarchist Ravachol war ein
Verfechter der Propaganda der Tat durch Gewalt: Als Rache für getötete
Demonstranten verübte er Bombenanschläge und wurde dafür guillotiniert. →
Hauptartikel: Propaganda der Tat Ab den späten 1870er Jahren wurden
anarchistische Aktionen und Taten mit Vorbildcharakter als Propaganda der Tat
bezeichnet. Sie sollten die Gesellschaft „aufwecken“ und in der Bevölkerung
Sympathien schaffen, um somit als Mittel für politische und soziale Veränderung
zu dienen. Durch die relative Häufung von Attentaten zum Ende des 19.
Jahrhunderts in verschiedenen Ländern kam es in der öffentlichen Meinung zu
einer Reduktion des Anarchismus auf Terroranschläge, eine bis heute verbreitete
Ansicht. Zu den publizistischen Unterstützern der Anschläge durch die Narodniki
auf Zar Alexander II. zählten beispielsweise auch einzelne sozialdemokratische
Politiker im Deutschen Reich wie Wilhelm Hasselmann und Johann Most. Durch den
1880 erfolgten Ausschluss dieser beiden Protagonisten der
sozialrevolutionär-anarchistischen Fraktion der SPD-Vorläuferpartei SAP
versuchte die deutsche Sozialdemokratie, sich während der Geltungsdauer des
repressiven Sozialistengesetzes ihres tendenziell anarchistischen Flügels zu
entledigen. Hasselmann und Most, die beispielsweise in der in London
herausgegebenen und illegal im Deutschen Kaiserreich verbreiteten zunächst
sozialdemokratischen, dann anarchistischen Zeitschrift Freiheit auch zu offener
Gewalt gegen die antisozialistische Unterdrückungspraxis der deutschen
Regierung unter Reichskanzler Otto von Bismarck aufgerufen und der SAP-Führung
eine zu gemäßigte Haltung in ihrer bloß verbalen Systemopposition vorgeworfen
hatten, setzten nach ihrem Parteiausschluss ihre sozialrevolutionäre Agitation
im US-amerikanischen Exil fort. Schon einige Jahre zuvor hatten symbolträchtige
Anschläge auf Kaiser Wilhelm I. und die Könige von Spanien und Italien
stattgefunden. Am 24. Juni 1894 aber tötete der junge italienische Einwanderer
Sante Geronimo Caserio, der dem anarchistischen Umfeld zuzurechnen war, den
französischen Präsidenten Carnot. Dies war der Höhepunkt einer ganzen Serie von
anarchistisch motivierten Anschlägen in Frankreich. Am 10. September 1898
erstach Luigi Lucheni in Genf Kaiserin Elisabeth (Sisi). Am 6. September 1901
schoss Leon Czolgosz in Buffalo (New York) auf den US-Präsidenten William
McKinley; dieser starb acht Tage später. Die 1890er Jahre wurden als ein
„Jahrzehnt der Bomben“ bezeichnet. Mit Dynamit – einer damals neuen Erfindung –
wurden Anschläge verübt gegen Monarchen, Präsidenten, Minister, Polizeichefs,
Polizisten und gegen Richter, die Anarchisten verurteilt hatten. Andere trafen
offizielle Gebäude. Die gewaltsamen Anschläge und Attentate gegen Ende des 19.
Jahrhunderts, von Peter Kropotkin anlässlich eines internationalen
revolutionären Kongresses 1881 in London als kontraproduktiv oder ineffektiv
bezeichnet, wurden zunehmend auch von anderen Anarchisten abgelehnt. Frühes 20.
Jahrhundert Anarchisten spielten in vielen Arbeiterbewegungen, Aufständen und
Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts eine Rolle. Dazu gehören etwa die
Mexikanische Revolution von 1910 bis 1919 mit der Bauernarmee unter Führung von
Emiliano Zapata, die Oktoberrevolution 1917 in Russland und die nach ihrem
Anführer Nestor Machno benannte Bauern- und Partisanenbewegung, der Machnowzi
zwischen 1917 und 1921 in der Ukraine; auch in der kurzlebigen Münchner
Räterepublik von 1919 waren zeitweise Anarchisten wie Gustav Landauer und der
Dichter Erich Mühsam an der Räteregierung beteiligt. Die 1922 gegründete
anarchosyndikalistische Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA) ist
heute noch in vielen Ländern Amerikas und Europas in Arbeitskämpfen aktiv. Im
frühen 20. Jahrhundert wurden Anarchistengruppen in Russland von den
kommunistischen Bolschewiki verdrängt und fielen gegen Ende der russischen
Revolution Säuberungsaktionen zum Opfer (Niederschlagung des Aufstandes in
Kronstadt und der anarchistischen Bauernbewegung Machnowschtschina). Spanische
Republik → Hauptartikel: Anarchismus in Spanien Fahne der CNT-FAI Im Spanischen
Bürgerkrieg, der in den Jahren von Juni 1936 bis April 1939 zwischen
verschiedenen Gruppen der Republikaner und der faschistischen Bewegung unter
General Franco stattfand, wirkte der Anarchismus bisher am stärksten.
Insbesondere die mitgliederstarke und einflussreiche anarchosyndikalistische
Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) kontrollierte mit ihrem
militanten Arm, der anarchistischen Federación Anarquista Ibérica (FAI), große
Teile des östlichen Spaniens. Deutschland während der NS-Diktatur Während des
nationalsozialistischen Regimes war eine legale politische Tätigkeit von
Anarchisten in Deutschland nicht möglich. Bereits kurz nach der Machtergreifung
Hitlers wurden ab 1933 prominente Wortführer der Anarchisten in
Konzentrationslager verbracht. Viele von ihnen wurden ermordet, wie
beispielsweise der Dichter und Publizist Erich Mühsam. Junge und weniger
bekannte Aktivisten versuchten noch mit den Schwarzen Scharen antifaschistische
Widerstandsgruppen zu organisieren, wurden aber von der Gestapo ausgehoben. Ein
Großteil emigrierte. Viele der emigrierten deutschen Anarchisten, darunter etwa
Augustin Souchy, schlossen sich ab 1936 in Spanien während des dortigen
Bürgerkriegs dem Kampf der Internationalen Brigaden auf der Seite der CNT/FAI
gegen Franco an. Hunderte von in Deutschland verbliebenen Anarchisten wurden in
„Schutzhaft“ genommen, in Schauprozessen verurteilt und in Konzentrationslager
verbracht, von wo einige zum Ende des Zweiten Weltkriegs etwa in die
SS-Sondereinheit Dirlewanger gepresst wurden.[34] Nachkriegszeit →
Hauptartikel: Anarchismus in Deutschland Deutsche Demokratische Republik
Kurzzeitig kam es unter sowjetischer Besatzungsmacht zum Wiederaufleben des
Anarchismus, vor allem durch syndikalistische Arbeiter. Nach dem Krieg hatte
sich um Wilhelm Jelinek in Zwickau ein neuer Kreis von freiheitlich gesinnten
Personen gebildet. Jelinek war Betriebsratsvorsitzender eines großen
Industriebetriebes. Dieser Kreis verschickte Rundbriefe an mindestens 18
verschiedene Orte in der sowjetischen Zone und unterhielt auch Korrespondenzen
mit Anarchisten in anderen Zonen Deutschlands. Es gelang ihm durch mündliche
und briefliche Agitation, ein weitmaschiges Netz über die gesamte Ostzone und
spätere DDR zu spannen.[35] „In Zwickau wurde, so unglaublich es klingt, eine
Informationsstelle des gesamtdeutschen Anarchismus gebildet. Sie berief Mitte
1948 nach Leipzig eine geheime Konferenz aller unter sowjetischer
Besatzungsmacht lebenden Antiautoritären verschiedener Richtungen ein.“
Zirkulare des Zwickauer Kreises fielen den Staatsorganen in die Hände. Der
Staatssicherheitsdienst wurde aufmerksam und verhaftete alle Teilnehmer. Nach
Kriegsende bis zur gesprengten Tagung 1948 waren die anarchistischen
Gruppierungen in der Sowjetischen Besatzungszone so stark, dass sie sogar die
westdeutschen Anarchisten mit einer Vervielfältigungsmaschine und Geld
unterstützen konnten.[36] Von einigen Orten aus dem Gebiet der DDR ist bekannt,
dass einige ehemalige Mitglieder der FAUD sich der SED anschlossen, die zumeist
in den 1950er Jahren wieder „hinausgesäubert“ wurden.[37] Bis zur Wende
beschränkten sich anarchistische Aktivitäten auf die Herausgabe von
Flugblättern und einigen Zeitschriften.[38] Bundesrepublik Deutschland Mit der
Studentenbewegung Ende der 60er Jahre stieg das öffentliche Interesse am
Anarchismus. Innerhalb der Studentenbewegung gab es eine anarchistische
Strömung. Auch im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), der sich zum
Sammelbecken der gesamten Bewegung entwickelte, waren Anarchisten vertreten.
Des Weiteren hatte der Anarchismus für die Neuen sozialen Bewegungen (NSB) eine
theoretische und praktische Bedeutung. Innerhalb der Autonomen, als
linksradikalem Flügel der NSB, gab und gibt es eine große libertäre Strömung.
Ein bundesweit organisiertes Bündnis anarchopazifistisch dominierter
Bezugsgruppen war die von 1980 bis in die 1990er bestehende Föderation
Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA), die über Jahre hinweg die bis in die
Gegenwart erscheinende Zeitschrift Graswurzelrevolution herausgab. 1989
gründete sich die „Initiative für eine anarchistische Föderation in
Deutschland“ (I-AFD).[39] Sie überstand die Jahrtausendwende und ist später im
„Forum deutschsprachiger Anarchistinnen und Anarchisten“ (seit 2013 Föderation
deutschsprachiger Anarchist*innen) aufgegangen. Im frühen 21. Jahrhundert haben
sich mehrere Ortsgruppen der Anarchistisch-Syndikalistischen Jugend gebildet.
Zeitweilig, insbesondere in den 1970er Jahren, wurde vor allem in den
Massenmedien die Rote Armee Fraktion (RAF) neben anderen ähnlich agierenden,
dem Linksterrorismus zugeordneten Gruppierungen ebenfalls als „anarchistisch“
bezeichnet. Diese Zuordnung beruhte jedoch auf einem inhaltlich falschen bzw.
in der Praxis verengten Verständnis des Anarchismus. Sie besetzte das in der
Gesellschaft verbreitete, polarisierende und nicht näher spezifizierte
Schlagwort Anarchie im Sinne von Anomie. Die RAF, die ihre Aktionen und
Anschläge aus einem marxistisch-leninistischen Verständnis des
Antiimperialismus heraus begründete, hatte selbst inhaltlich keinen
anarchistischen Bezugsrahmen. Die fälschliche Fremdzuschreibung als
„anarchistisch“ beruhte vor allem auf ihrer extremen Militanz, mit der ihre
wesentlichen Akteure bis zur tödlichen Konsequenz für andere und sich selbst
gegen Symbolfiguren der herrschenden staatlichen und ökonomischen Strukturen
aus Politik, Wirtschaft und Justiz vorgingen. Deutsche
Verfassungsschutzbehörden ordnen den Anarchismus mit der Begründung, er strebe
eine „staats- und herrschaftsfreie Gesellschaftsordnung“ an, unter dem Begriff
des Linksextremismus ein, etwa im Verfassungsschutzbericht des Bundes von
2012.[40] International In Europa und den Amerikas rekonstituierten sich die
überregionalen Anarchistischen Föderationen und schlossen sich 1968 zur
Internationale der Anarchistischen Föderationen zusammen. In den USA und
Großbritannien entstand Ende der 1970er-Jahre der Punk als anarchistisch
geprägte Subkultur. Vor allem die Mitglieder der Band Crass sind hier als
engagierte Anarchisten und Pazifisten zu nennen. Nach dem Zerfall der
zentralistischen Staaten des Warschauer Pakts haben sich dort weitere
anarchistische Föderationen gebildet, die teilweise der Internationale
beigetreten sind. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre gibt es internationale
Libertäre Buchmessen in mehr als zehn Ländern. Anarchismus in der Gegenwart
Scheiss auf die Wahlen, gegen jede Repräsentation, gegen jede Autorität, für
Eigenverantwortung und Autonomie, für die Anarchie. Plakat in Wien, 2016 Ein
zeitgenössisches Plakat in griechischer Sprache. "Ihr erhebt euch also
erneut! Sie schafften es nicht, euch auf die Knie zu zwingen. Der Geist, der
euch dazu antreibt, den Staat und jede Herrschaft zu zerstören, ist nicht das
Resultat irgendeines pubertären Triebs, sondern Äußerung einer natürlichen LEIDENSCHAFT
für FREIHEIT, die aus den Tiefen eurer Seele entspringt." M. Bakunin Es
gibt auf der ganzen Welt lokale anarchistische Gruppen, die verschiedene
Strömungen propagieren und unterschiedlich organisiert sind. Die Bandbreite der
Aktivitäten reicht von Herausgabe von Zeitungen über die Umsetzung direkter
Aktionen bis zu anarchistischen Wohn- und Arbeitskollektiven. Der politische
Einfluss ist in der Regel begrenzt. Der Anarchismus in den Niederlanden wurde
Mitte der 1960er Jahre mit der Provo-Bewegung wieder aktuell. Nach der
Wirtschaftskrise in Argentinien im Jahre 2000 wurden einige hundert, zumeist
peronistisch ausgerichtete Betriebe in Selbstverwaltung gestellt, die
allerdings am normalen weltwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und nur einen
eingeschränkt mutualistischen Ansatz verfolgen.[41] Ebenso gelten die
Autonomen- und Punk-, insbesondere Anarcho-Punk-Szenen als stark vom
Anarchismus beeinflusst. Die Hausbesetzer- und Umsonstladenbewegungen gelten
ebenfalls als anarchistisch inspiriert. Zu Beginn des 3. Jahrtausends
adaptierte die kurdische Bewegung in Form des demokratischen Konföderalismus
eine zeitgenössische, pragmatische Form der ökologischen und demokratischen
Selbstverwaltung aus anarchistischen Diskursen. Organisationen An bedeutenden
internationalen Gruppierungen sind die Internationale der Anarchistischen
Föderationen (IFA) und die internationale anarchistische
Gefangenenhilfsorganisation Anarchist Black Cross (ABC) zu erwähnen. Weltweit
gibt es mehrere hundert anarchistische Basisorganisationen und libertäre
Gruppen, die sich in lokalen Organisationen organisieren. In Deutschland war
die Föderation freiheitlicher Sozialisten (1947 bis um 1970;
Nachfolgeorganisation der FAUD) die größte Organisation nach dem Zweiten
Weltkrieg, heute ist die anarchosyndikalistische Gewerkschaft Freie
Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) Mitglied der Internationalen
Konföderation der Arbeiter*innen (IKA). Die Föderation deutschsprachiger
Anarchist*innen (FdA), 2003 gegründete Nachfolgeorganisation der 1989 ins Leben
gerufenen Initiative zum Aufbau einer Anarchistischen Föderation in
Deutschland, ist in der IFA assoziiert. Seit 2009 existieren mehrere
Ortsgruppen der Anarcho-Syndikalistischen Jugend. 2019 gründete sich die
plattform – anarchakommunistische Organisation, welche sich auf das
Organisationsprinzip des Plattformismus beruft. Periodika Die wichtigsten
deutschsprachigen Periodika sind die „Direkte Aktion“ der
Anarchosyndikalistischen Organisation FAU-IAA, die sich vom Print-zum digitalen
Medium gewandelt hat[42], die anarcho-pazifistische „Graswurzelrevolution“ und
ihre auch gesondert erscheinende Beilage „Utopia“, welche 2011 eingestellt
wurde. Seit 2015 erscheint halbjährlich Ne znam, eine Zeitschrift für
Anarchismusforschung.[43] Die Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen
veröffentlicht seit 2011 monatlich das Magazin „Gǎidào“.[44] Der
vierteljährlich erschienene „Schwarze Faden“[45] ist seit 2004 eingestellt. In
Berlin erschien die englischsprachige Zeitschrift „Abolishing the Borders from
Below“ von 2001 bis 2010. Zum anarchistischen Umfeld werden die
Selbstorganisationszeitschrift „Contraste“ und das ökologisch orientierte
„Grüne Blatt“ gerechnet. Mittlerweile eingestellt wurde „Die Aktion“. Die
Organisation Socialiste Libertaire gibt die „Rébéllion“[46] in deutscher und
französischer Sprache heraus. Anarchistische beziehungsweise
anarchosyndikalistische Wochenzeitungen erscheinen mit „Umanità Nova“ in
Italien, „le monde libertaire“ in Frankreich und „Arbetaren“ in Schweden. Siehe
auch: Liste anarchistischer Zeitschriften Aktionsformen Der Anarchismus ist
bestrebt, direkt sozial oder politisch zu handeln. Gewaltlosigkeit sei
idealerweise das Ziel einer Anarchie.[47] Aus diesem Ansatz leiten sich
verschiedene Aktionsformen ab, wie zum Beispiel der in der Regel gewaltlose
zivile Ungehorsam oder die Direkte Aktion, also Streik, Generalstreik,
Sabotage, Betriebs- und Hausbesetzung und militante Aktionen. Die Grenze
zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit in der Anarchie wird an „Notwendigkeiten“
festgemacht: „Die wahre anarchistische Gewalt hört auf, wo die Notwendigkeit
der Verteidigung und der Befreiung aufhört“ schrieb Errico Malatesta, ein
bedeutender Aktivist und Wortführer der italienischen Anarchisten, 1924 zur
Zeit der faschistischen Diktatur in Italien.[47] Für die Errichtung und
Aufrechterhaltung einer Anarchie wurde Gegengewalt im frühen 20. Jahrhundert
weithin als legitimes Mittel gegen Herrschaft erachtet.[47] Im 19. und frühen
20. Jahrhundert war die Propaganda der Tat eine weitverbreitete Aktionsform,
mit der anarchistische Ideen durch Aktionen mit Vorbildcharakter verbreitet
werden sollten. Die Aktionsform wurde vor allem durch Anschläge auf exponierte
Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik bekannt. In den Revolutionen
des 19. und 20. Jahrhunderts spielten Anarchisten eine Rolle und waren zum
Beispiel als Partisanenbewegungen, wie die Machnowzi während des russischen
Bürgerkrieges, auch von militärischer Bedeutung. Im späten 20. Jahrhundert sind
neue Formen wie Kommunikationsguerilla, schwarzer Block, Clownarmee und
Guerilla Gardening hinzugekommen. Symbole → Hauptartikel: Anarchistische
Symbolik Die Symbole des Anarchismus umfassen eine Vielzahl von Zeichen. Am
häufigsten werden das A im Kreis, eine schwarze oder diagonal schwarz geteilte
Fahne und der schwarze Stern verwendet. Siehe auch Portal Portal: Anarchismus –
Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Anarchismus Liste bekannter
Anarchisten Anarchismus in Kuba Anarchismus in der Türkei Anarchismus in den
Vereinigten Staaten Anarchismus in Japan Anarchismus in Korea Literatur
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Widerstand. Texte zum Anarchismus Unrast Verlag, Münster 2009 ISBN
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Magerski und David Roberts: Kulturrebellen. Studien zur anarchistischen
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ISBN 3-936049-12-2 Michael Wilk: Macht, Herrschaft, Emanzipation. Aspekte
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3-931786-16-1 (michael-wilk.info [PDF; abgerufen am 28. Juli 2017]). Kritik am
Anarchismus Wolfgang Harich: Zur Kritik der revolutionären Ungeduld. Eine
Abrechnung mit dem alten und dem neuen Anarchismus. Verlag 8. Mai, Berlin 1998.
ISBN 3-931745-06-6 Ute Nicolaus: Souverän und Märtyrer. Verlag Königshausen
& Neumann. Reihe Literaturwissenschaft. Band 506. S. 39, 40. Florens
Christian Rang: Kritik am Anarchismus: Das Problem der Gewalt. ISBN
3-8260-2789-2 C. Roland Hoffmann-Negulescu: Anarchie, Minimalstaat, Weltstaat.
Kritik der libertären Rechts- und Staatstheorie. Kapitel IV., Anarchie, Staat
und Utopie. S. 83. Tectum Verlag, Marburg 2011. ISBN 3-8288-8303-6
Syndikalismus ist eine Weiterentwicklung des Gewerkschafts-Sozialismus, die von
dem französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon begründet wurde. Der
Syndikalismus propagiert die Aneignung von Produktionsmitteln durch die
Gewerkschaften, die dann auch an Stelle politischer Stellvertreter die
Verwaltung organisieren. Dabei bilden Streik, Boykott und Sabotage die Mittel
der Syndikalisten; parlamentarische Bestrebungen werden abgelehnt. Inhaltsverzeichnis
1 Idee 2 Syndikalismus in Deutschland 3 Die Organisation der Lokalisten 4 Vom
Lokalismus zum Syndikalismus 5 Die weitere programmatische Ausrichtung des
Syndikalismus 6 Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Deutschland
7 Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten
Weltkrieg 8 Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) 9 Syndikalismus: Zum
Gebrauch des Begriffs 10 Siehe auch 11 Literatur 12 Weblinks 13 Einzelnachweise
Idee Die nach föderalistischen Prinzipien aufgebaute Gewerkschaft solle mittels
eines Generalstreiks die Produktionsmittel in die Obhut der Arbeiterschaft
führen. Der Zusammenschluss (Syndikat) der Produktionseinheiten würde die
ökonomische Basis einer neuen Gesellschaft in Selbstverwaltung bilden. Der
bedeutendste Ideengeber und Vertreter der syndikalistischen Arbeiterbewegung
fand sich in der Person von Fernand Pelloutier. Ein wichtiges strukturbildendes
Element stellte die Arbeiterbörse dar. Der Syndikalismus war Anfang des 20.
Jahrhunderts besonders in Frankreich in Gewerkschaftskreisen verbreitet, etwa
in Form der Charta von Amiens von 1906, wurde jedoch nach Ende des Ersten
Weltkrieges von marxistischen Strömungen (vor allem dem Kommunismus) verdrängt
und zudem vom Faschismus bekämpft. Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs
1939 war der Syndikalismus praktisch verschwunden. Erweitert und im Wesenskern
ergänzt um weltanschauliche und philosophische Elemente des Anarchismus formte
sich der Anarchosyndikalismus. In Spanien erreichte die anarchosyndikalistische
Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) im ersten Drittel des 20.
Jahrhunderts eine breite Anhängerschaft von etwa zwei Millionen Mitgliedern und
gehörte zu den bedeutenden Faktoren der spanischen Politik. Die CNT sympathisierte
zeitweise mit der Russischen Revolution und trat 1919 der III. Internationale
(Komintern) bei. Nach 1921 vertrat jedoch nur noch eine Minderheit der
kommunistischen Syndikalisten die Verbindung mit der Russischen Revolution,
auch international dominierte Kritik gegenüber dem sich autoritär entwickelnden
Sowjetstaat.[1] In Deutschland trennten sich um 1921 die sich anfangs noch
stark überlappenden Milieus syndikalistischer und kommunistischer
Gewerkschaften. Konsequenterweise gründete sich 1922 ein eigener
internationaler Zusammenschluss anarcho-syndikalistischer Gewerkschaften, die
Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA). Syndikalismus in Deutschland
Die Geschichte in Deutschland wurde zunächst durch den Begriff des „Lokalismus“
geprägt. Dieser bezeichnet dabei gleichzeitig die Herkunft und die Motivation
der (anarcho-)syndikalistischen Bewegung. Sie entstammte der Sozialdemokratie
und wandte sich im Zuge der Verhältnisse unter den sogenannten
„Sozialistengesetzen“ (1878–1890) einem föderalistischen Gewerkschaftsmodell
zu, in welchem die Ortsvereine Souverän ihrer Entscheidungen blieben und sich
keiner Zentralinstanz unterordnen mussten. Das lag darin begründet, dass die
regionalen Vereinsgesetze oftmals nur lokale Vereinigungen zuließen, und zum
anderen daran, dass die „Lokalisten“ die zentralistische Organisationsform als
anfälliger für Repressions- und Korruptionsmaßnahmen ansahen. Des Weiteren
kritisierten sie die Tendenz, die Aufgaben der Gewerkschaften lediglich auf die
Tagesfragen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen festzulegen.
Der Klassenkampf der Arbeiterklasse solle nicht die alleinige Aufgabe der
sozialdemokratischen Partei sein. Hier lag der Keim für die weitere Ausformung
des (Anarcho-)Syndikalismus begründet, die Gewerkschaften gleichermaßen als
ökonomische, politische und kulturelle Bewegung anzusehen und auszurichten. Die
Organisation der Lokalisten Nach dem Ende der „Sozialistengesetze“ im Jahre
1890 und weiteren Zentralisierungstendenzen auf dem Kongress von Halberstadt
1892 entstand innerhalb der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung eine
Opposition zur „Generalkommission für die Zentralverbände“, welche sich dieser
Entwicklung verweigerte und sich auf Reichsebene im Jahre 1897 als
„Vertrauensmänner-Zentralisation Deutschlands“ bzw. „Zusammenschluss der
lokalorganisierten oder auf Grund des Vertrauensmännersystems zentralisierten
Gewerkschaften Deutschlands“ organisierte. Bis zum Kriegsausbruch im Jahre 1914
hielt die 1901 in „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVDG)
umbenannte Organisation 11 Reichskongresse ab. Besonderen Anklang fand sie bei
den Berufsvereinigungen der Bauarbeiter mit Zentrum in Berlin. Insgesamt
vereinigte sie bis zum Ersten Weltkrieg bis zu 20.000 Mitglieder. Die
organisatorischen Köpfe fanden sich in Fritz Kater, Gustav Keßler, Andreas
Kleinlein und Carl Thieme, welche sowohl die Geschäftskommission stellten, als
auch seit 1897 für das zentrale Organ Die Einigkeit verantwortlich waren,
welches in einer Auflage von 10.000 zweiwöchentlich erschien. Außerdem war
Fritz Kater Verleger und Herausgeber der Zeitschrift Der Syndikalist. Vom
Lokalismus zum Syndikalismus Um die Jahrhundertwende bestand die Bewegung aus
revolutionären Sozialdemokraten und Parteimitgliedern, doch ging die Partei in
den Jahren ab 1902 verstärkt dazu über, die lokalistische Bewegung und ihr
Programm der „Propaganda für die Idee des Massen- resp. Generalstreiks“
offensiv zu bekämpfen, bis die Parteitage der Jahre 1906 bis 1908 den
Ausschluss der dort als „Anarcho-Sozialisten“ betitelten lokalorganisierten
Mitglieder thematisierte. Diese bezeichneten sich gemäß ihrer programmatischen
Ausformung selber immer häufiger als „Syndikalisten“. Ihre Entwicklung wurde
weiterhin maßgeblich durch die Schriften von Fernand Pelloutier (Anarchismus
und Gewerkschaften), Arnold Roller (d. i. Siegfried Nacht: Der soziale
Generalstreik) und vom Konzept der französischen „bourses du travail“, den
sogenannten „Arbeiterbörsen“, geprägt. Im Jahre 1908 fasste die SPD auf ihrem
Parteitag in Nürnberg einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit den
lokalorganisierten Gewerkschaften, woraufhin nur etwa 8.000 der insgesamt ca.
16.000 Mitglieder in der FVDG verblieben. Die weitere programmatische
Ausrichtung des Syndikalismus Diese prägten fortan den Begriff „Syndikalismus“
in Deutschland und darüber hinaus und gaben sich im Jahre 1911 das Programm
„Was wollen die Syndikalisten?“. Das ideelle Fundament speiste sich zusätzlich
vornehmlich aus den Schriften Peter Kropotkins und trug die Bezeichnung „Kommunistischer
Anarchismus“. Die Syndikalisten der FVDG setzten sich nicht nur für bessere
Lohn- und Arbeitsverhältnisse ein, sondern auch für die Abschaffung des
kapitalistischen Wirtschaftssystems zugunsten einer „freien und von der
Arbeiterschaft selbst verwalteten Gesellschaftsform“. Dieser
„Umformungsprozess“ sollte durch einen Generalstreik eingeleitet werden, in
dessen Folge die bislang profitorientierte Produktion zugunsten einer
bedürfnisorientierten und solidarischen Wirtschaftsweise umgestellt werden sollte.
Die Aufgaben der Bedarfsermittlung, der Verteilung der Produkte, aber generell
auch der kulturellen Belange und die der Bildung und Erziehung sollten den
Arbeiterbörsen vorbehalten bleiben, in welchen die einzelnen Berufsverbände
sowie die außerberuflichen syndikalistischen Vereinigungen zusammengefasst
wurden. Dieses Konzept wurde im Wesentlichen formuliert in der
Prinzipienerklärung des Syndikalismus von Rudolf Rocker im Jahre 1919 und 1922
von der „Studienkommission der Berliner Arbeiterbörsen“, ausführlicher
präzisiert in der Schrift Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Abgesehen von
diesem Kernbereich wendeten sich die Syndikalisten auch gegen alle materiellen
und ideologischen Bestrebungen, welche ihrer Auffassung nach einer Forcierung
des Klassenkampfes zuwiderliefen, beispielsweise den Nationalismus, den
Militarismus und das Kirchenwesen. Der Syndikalismus zur Zeit des Ersten
Weltkriegs in Deutschland Infolge ihres Charakters wurde die FVDG mitsamt ihrer
Presse (Die Einigkeit und Der Pionier) zu Kriegsbeginn im Jahre 1914 verboten,
während die SPD und die Zentralgewerkschaften mit der deutschen Regierung den
„Burgfrieden“ schlossen und begünstigt wurden. So mussten beispielsweise die
Redakteure vieler SPD-Organe nicht zum Militärdienst antreten. Im Gegensatz zu
diesen wurden viele Syndikalisten verhaftet, die öffentlich gegen den Krieg
eintraten. Zudem wurden viele Aktivisten der FVDG zum Militärdienst eingezogen,
so dass die bloße Aufrechterhaltung der Organisation oberste Priorität erlangte.
Dazu gab die Geschäftskommission während der Kriegsjahre zwei Organe heraus,
welche nach kurzer Zeit verboten wurden: Das Mitteilungsblatt der
Geschäftskommission der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (1914–1915)
und das Rundschreiben an die Vorstände und Mitglieder aller der Freien
Vereinigung deutscher Gewerkschaften angeschlossenen Vereine (1915–1917).
Syndikalismus und Anarcho-Syndikalismus in Deutschland nach dem Ersten
Weltkrieg Mit dem Ende des Krieges konnte sich die FVDG neu formieren und viele
von der Sozialdemokratie enttäuschte Arbeiter ansprechen. Bis 1919 schlossen
sich schon etwa 60.000 Mitglieder an. Auf ihrem ersten Nachkriegskongress Ende
1919 vereinigten sich unter dem Programm der genannten Prinzipienerklärung des
Syndikalismus in der in „Freie Arbeiter-Union Deutschlands“ (FAUD) umbenannten
Organisation bereits über 111.000 Syndikalisten aus dem gesamten Reichsgebiet
mit regionalen Schwerpunkten in fast allen größeren Städten, besonders aber im
Rheinland, im Ruhrgebiet, in Schlesien und in Berlin. Ortsvereine entstanden
vor allem dort, wo die Industrialisierung einsetzte, und zudem
zentralgewerkschaftliche Organisationen noch nicht Fuß gefasst hatten, so auch
in vielen Kleinstädten und Dörfern. Lag der Branchenschwerpunkt während der
Kaiserzeit bei den Bauarbeitern, so kamen jetzt vor allem Metallarbeiter und
Bergarbeiter zu zehntausenden hinzu. Auch in der Holz-, der chemischen- und
Verkehrsindustrie wuchsen mancherorts starke syndikalistische Organisationen
heran. Die FVDG war eine originäre proletarische Organisation. Intellektuelle
bildeten auch auf Funktionärsebene eine seltene Randerscheinung. Begrifflich
änderte sich 1919 der Organisationsname zugunsten des Elements „Union“, womit
den seit Anfang des 20. Jahrhunderts veränderten Produktionsprozessen Rechnung
getragen wurde. Die Mitglieder sollten nicht mehr nur nach speziellen
Berufsgruppen organisiert, sondern möglichst nach Industriebereichen
zusammengefasst werden, um ihre Schlagkraft am Ort zu erhöhen. Zudem änderte
sich im Jahre 1921 per Kongressbeschluss die offizielle Bezeichnung „FAUD
(Syndikalisten)“ in das bis 1933 gültige „FAUD (Anarcho-Syndikalisten)“, womit
das kommunistisch-anarchistische Fundament verdeutlicht wurde. Dennoch wurden
die Begriffe „Syndikalismus“ und „Anarcho-Syndikalismus“ in Deutschland sowohl
von Zeitgenossen als auch in der Forschung auch synonym verwendet, da sich
außerhalb des Anarcho-Syndikalismus keine rein syndikalistische Organisation
definieren konnte. Nahestehende Zusammenschlüsse, wie beispielsweise die
„Arbeiter-Unionen“ oder die „Föderation Kommunistischer Anarchisten
Deutschlands“ und der Syndikalistische Frauenbund, orientierten sich rein
unionistisch oder anarchistisch. Die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA)
Der Syndikalismus in Deutschland, wenngleich zahlenmäßig nicht größer als etwa
150.000 im Jahre 1922, hatte bedeutenden theoretischen und organisatorischen
Einfluss auf die internationale syndikalistische Arbeiterbewegung. Im gleichen
Jahr wurde in Berlin in Bezugnahme zur „Ersten Internationale“ von 1864 die
„Internationale Arbeiter-Assoziation“ (heute Internationale
ArbeiterInnen-Assoziation) nach anarchosyndikalistischen Vorstellungen neu
gegründet. Rudolf Rocker verfasste die Prinzipienerklärung und stellte zusammen
mit Augustin Souchy und Alexander Schapiro bis 1933 das Sekretariat in Berlin.
Die IAA vereinigte zeitweilig bis zu zwei Millionen Mitglieder. Ihre stärksten
Sektionen hat sie in Europa und Südamerika. Die IAA vertritt den Standpunkt,
dass der Begriff „Syndikalismus“ alleine nicht genüge. Syndikalismus: Zum
Gebrauch des Begriffs Tatsächlich versuchten autoritär-kommunistische und
faschistische Kräfte vor allem in Frankreich, Italien und später auch in
Spanien den Begriff für ihre Ziele in Anspruch zu nehmen. Gegenüber manch
solcher zentralistischer und nationalistischer Abart mit Bezug auf Georges
Sorel muss betont werden, dass sich die internationale syndikalistische
Arbeiterbewegung bewusst an den Ideen und Methoden des Anarcho-Syndikalismus
orientierte, wie er sich auch in Deutschland formierte. Entgegen mancher
Auffassung spielte Georges Sorel für die syndikalistische Arbeiterbewegung in
Deutschland keine und in vielen anderen Ländern, wenn überhaupt, nur eine
untergeordnete Rolle. In Italien hingegen übte Sorel einen großen Einfluss aus.
Benito Mussolini bekannte sich offen zu Sorel und erklärte, dass er von Sorel
stark geprägt worden sei.[2] Was die Konkretisierung des Begriffs
„Syndikalismus“ dennoch gerade im internationalen Zusammenhang notwendig macht,
ist die einfache Tatsache, dass der Begriff von Land zu Land eine andere
Bedeutung hat. Er stammt aus dem Französischen von „syndicat“ und bezeichnet in
den romanischsprachigen Ländern zunächst einmal lediglich einen weitgehend
unbestimmten Gewerkschaftsbegriff. Zur Unterscheidung von
sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften wird auch der wenig geeignete, weil
inhaltlich nur mäßig bestimmte und ungenaue Begriff „revolutionärer
Syndikalismus“ verwendet. Siehe auch Christiaan Cornelissen, Clara Wichmann, Helmut
Rüdiger Teresa Claramunt, Salvador Seguí, Ángel Pestaña, Juan Peiró, Diego Abad
de Santillán, Luís Andrés Edo Gildensozialismus Literatur Gerhard Aigte: Die
Entwicklung der revolutionären syndikalistischen Arbeiterbewegung Deutschlands
in der Kriegs- und Nachkriegszeit (1918–1929) (= Freie Arbeiterinnen- und
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Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-936049-38-6. Helge Döhring:
Anarcho-Syndikalismus. Einführung in die Theorie und Geschichte einer
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Lich/Hessen 2017, ISBN 978-3-86841-143-0. Helge Döhring: Syndikalismus in
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Lich/Hessen 2013, ISBN 978-3-868410-83-9. Helge Döhring: Anarcho-Syndikalismus
in Deutschland 1933-1945. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2013, ISBN
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Hauptband. FAU Bremen, Bremen 2005. FAU-Bremen (Hrsg.): Klassenkampf im
Weltmaßstab (= Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union. FAU Bremen 8).
Ergänzungsband. FAU Bremen, Bremen 2006. Georg Fülberth: G-Strich. Kleine
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Luigi Ganapini: Revolutionärer und faschistischer Syndikalismus in Italien
(1920–1945). In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung
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1900–1914. Myths and Reality. Pluto Press, London 1976, ISBN 0-904383-22-9.
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Hartmut Rübner: Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands; eine
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Jahrhunderts (= Campus Forschung 255). Campus Verlag, Frankfurt am Main u. a.
1982, ISBN 3-593-33045-8 (Zugleich: Bremen, Univ., Diss., 1978). Georges
Yvetot: ABC des Syndikalismus. Verlag der Revolution, Wien 1908. Arturo
Zoffmann Rodriguez: "Marxistisch und proudhonistisch zugleich": Die
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