Erstausgabe / Jura / Gerichtliche Polizei / Königreich
WestPhalen / Code Napoleon / Frankreich / Gerichtswesen / Kriminalität /
Verbrechen / Richter / Polizeigericht / Kriminalgericht / Rechtswissenschaft /
Rechtsgeschichte – angeboten wird die sehr seltene und in zwei Teilbänden vollständige Erstausgabe (19,5 x 12 cm) einer Monographie des kurhessischen
Juristen Elard Johann Kulenkamp (1777-1851) über die gerichtliche
Polizei im Königreich
Westphalen aus dem Jahr 1810. Am 18. August 1807 wurde der größte Teil
von Kurhessen
dem neuen Königreich Westphalen zugeschlagen und am 1.
Januar 1808 begann die neue, französisch organisierte
Regierung des Königs Jérôme Bonaparte. Kulenkamp wurde am 15. Februar 1808 als Richter bei dem Distrikt-Tribunal in Hersfeld angestellt. Da seit dem 1. Januar 1808 der Code Napoleon als Gesetzbuch und seit dem 1. März 1809
auch eine neue bürgerliche Prozessordnung galt, musste er sich rasch in die neuen Verhältnisse
einfinden. In dieser Zeit beschäftigte Kulenkamp sich auch schriftstellerisch eingehend mit der neuen Gerichtsverfassung und veröffentlichte hierzu einige Zeitschriftenbeiträge sowie selbstständige
Werke (wie das hier vorliegende).
ELard Johann Kulenkamp: Über die gerichtliche Polizei und das Verfahren der
Municipalpolizeigerichte und der Korrektionstribunale nach französischen und
westphälischen Gesetzen. Nebst einem alphabetischen Verzeichniß der im
Gesetzbülletin des Königreichs Westfalen vorkommenden Strafverfügungen. Braunschweig,
Vieweg 1810. XII, 298 [1 Bl.] & 104 S. Originalbroschur.
Elard Johannes
Kulenkamp (30. November 1777 in
Witzenhausen - 15. Juni 1851 in Kassel) war ein kurhessischer Jurist. Trotz
schlechter schulischer Vorbildung begann Elard Johannes Kulenkamp am 16.
Oktober 1795 an der Universität Marburg ein Studium der Rechtswissenschaften
und hörte Vorlesungen beim Professor Philipp Friedrich Weiß. Im Frühjahr 1799
bestand er das Examen, jedoch nur mittelmäßig, so dass er beschloss, nicht die
juristische Laufbahn in den Höheren Behörden des Landes einzuschlagen, sondern
sich um eine Advokatur zu bewerben. Im Sommer 1799 bestand er das
Advokatur-Examen an der Universität Göttingen mit „Gut“. Auf seine Bewerbung
hin wurde er durch landesherrliches Reskript vom 28. März 1800 zum
Stadtsyndikus und Advokaten beim Justizamt in Treysa bestellt. Mit Reskript vom
27. September 1803 wurde er zum Amtsassistenten des Justizbeamten Georg Elard
Biskamp (1736–1807), eines Bruders seiner Mutter und Vater seiner späteren
Ehefrau, ernannt; 1806 erfolgte die Ernennung zum Amtsadjunkten. In dieser Zeit
beschäftigte er sich auch mit schriftstellerischen Tätigkeiten und publizierte
in mehreren Zeitschriften juristische, aber auch historische und gemeinnützige
Aufsätze. Am 18. August 1807 wurde der größte Teil von Kurhessen dem neuen
Königreich Westphalen zugewiesen, und am 1. Januar 1808 begann die neue,
französisch organisierte Regierung des Königs Jérôme Bonaparte. Elard Johannes
Kulenkamp wurde am 15. Februar 1808 als Richter bei dem Distrikt-Tribunal in
Hersfeld angestellt. Da seit dem 1. Januar 1808 der Code Napoleon als
Gesetzbuch und seit dem 1. März 1809 auch eine neue bürgerliche Prozessordnung
galt, musste er sich rasch in die neuen Verhältnisse einfinden. In dieser Zeit
war er auch schriftstellerisch mit der neuen Gerichtsverfassung tätig und
verfasste teils einzelne Abhandlungen, von denen mehrere in der von Karl
Michael Eggena herausgegebenen juristischen Bibliothek erschienen, aber
beschäftigte sich auch wissenschaftlich mit diesem Thema und schrieb hierzu
selbständige Werke. Er blieb in seinem Richteramt bis Anfang 1814, denn nachdem
Kurfürst Wilhelm I. am 1. November 1813 wieder Herrscher über das Kurfürstentum
Hessen geworden war, verfügte dieser, dass am 10. Januar 1814 die westphälische
Verfassung aufgehoben werde und die Beamten am 15. Februar 1814 wieder auf ihre
alten Dienstposten zurückkehren sollten. Da dies nicht auf Elard Johannes
Kulenkamp zutraf, da er seinerzeit nicht in einer selbständigen Funktion war,
blieb er vorerst auf seinem Dienstposten. Durch ein Reskript des Kurfürsten
wurde er zum Justizbeamten (entsprach Amtmann) in Friedewald bei Hersfeld
ernannt; er trat sein Amt am 22. April 1814 an. Dort führte er für seinen
Gerichtsbezirk die Rügegerichte wieder ein, die viermal jährlich abgehalten
wurden, zwei im Oberamt Friedewald, zwei im Unteramt Heringen. Nachdem am 27.
Februar 1821 Kurfürst Wilhelm II. die Regierung übernommen hatte, wurde durch
Geheimrat Friedrich Krafft eine neue Organisation der gesamten inneren
Landesverwaltung, das heißt Bürokratie und eine straffere und schematisierte
Organisation eingeführt und die Rechte der Korporationen beschränkt. Er wurde
an eines der vier neu eingerichteten Obergerichte versetzt und trat am 5.
Oktober 1821 in Fulda seine neue Stelle als Obergerichtsrat im Zivilsenat des
Obergerichts Fulda an. In der ersten Zeit konnte er an den Geschäften des
Obergerichtes keinen Anteil nehmen, weil er vom Justizministerium beauftragt
worden war, einen Entwurf zu einer neuen Untergerichtsordnung für Kurhessen
auszuarbeiten; mit dieser Aufgabe war er bereits nach zwei Monaten fertig. Im
Herbst 1822 wurde er zum Rat beim Oberappellationsgericht Kassel ernannt und
begann sein Amt am 6. November 1822. Seit 1823 nahm er, anfangs als
Stellvertreter, später als eigentliches Mitglied an der juristischen
Prüfungskommission teil. Durch eigenen Entschluss und einen später erfolgten
landesherrlichen Auftrag unternahm er ab 1826, unter Oberaufsicht des
Justizministeriums, aus der großen Menge althessischer Landesverordnungen das
noch Gültige zu erfassen und zu erläutern; diese Aufgabe erledigte er bis 1839,
ohne seine eigentlichen Aufgaben beim Oberappellationsgericht zu
vernachlässigen. Diese Arbeit wurde als Neue Sammlung der Landesordnungen,
Ausschreiben und allgemeine Verfügungen, welche bis zum Oktober 1806 für die
älteren Gebietstheile Kurhessens ergangen sind veröffentlicht. 1850 weigerte
sich die vom Bürgertum beherrschte Ständeversammlung, den von der Regierung
vorgelegten Staatshaushalt zu bewilligen, weil vom kurhessischen Innen- und
Justizminister Ludwig Hassenpflug kein Budget vorgelegt worden war. Daraufhin
löste der Kurfürst die Ständeversammlung wegen Bruchs der Verfassung namentlich
des § 143 der Verfassungsurkunde, wonach die Stände für Aufbringung des
Staatsbedarfs durch Bewilligung von Abgaben zu sorgen haben, auf und verfügte
durch landesherrliche Verordnung vom 4. September 1850 eine
Steuer-Notverordnung, um weiterhin Steuern erheben zu können. Als Antwort
darauf riefen die Presse und der landständische Ausschuss sowohl Behörden als
auch Untertanen dazu auf, diese Verordnung nicht zu befolgen, weil sie
verfassungswidrig sei. Nachdem die Verordnung tatsächlich nicht umgesetzt
wurde, ließ der Kurfürst durch Verordnung vom 7. September 1850 den
Kriegszustand über Kurhessen ausrufen und sämtliche Militär- und Zivilbehörden,
ausgenommen den Richterstand, unter einen obersten Militärbefehlshaber stellen.
Das inzwischen angerufene Präsidium des Oberappellationsgerichts, das von Elard
Johannes Kulenkamp geführt wurde, weil der Präsident Ludwig Emil August Duysing
(1785–1861) gesundheitsbedingt nicht dazu in der Lage war, befand, dass
aufgrund des fehlenden Budgets die Ständeversammlung im Recht sei und die vom
Landesherrn verfügten Ausnahmeverordnungen nicht im Recht begründet seien. Der
Kurfürst verschärfte daraufhin das Kriegsrecht mit einer landesherrlichen
Verordnung vom 28. September 1850 und sprach den Gerichten die Zuständigkeit
ab, landesherrliche Erlasse auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Am 3.
Oktober 1850 erklärte das Oberappellationsgericht Kassel auch diese Verordnung
für verfassungswidrig. Nachdem fast alle Offiziere zwischen dem 9. und 12.
Oktober 1850 ihre Entlassungsgesuche eingereicht hatten, weil sie einen Eid auf
die Verfassung abgelegt hatten, rief der Kurfürst die Bundesversammlung um
Hilfe an, die im Rahmen einer Bundesintervention das Bundesexekutionskorps
entsandte. Elard Johannes Kulenkamp hätte inzwischen zwar nach fünfzigjähriger
Dienstzeit um seine Pensionierung nachsuchen können, hielt dies aber für
Feigheit und übernahm die weiteren Verhandlungen und Beratungen mit den Behörden.
Als im Dezember 1850 der österreichische Feldmarschalleutnant Graf von
Leiningen-Westerburg-Neuleiningen (1812–1856) im Namen des Deutschen Bundes und
General Eduard von Peucker im Namen Preußens und seiner Verbündeten als
Zivilkommissare an der Spitze der Truppen in Kurhessen eingeführt wurden und
die Befolgung der landesherrlichen Verordnungen vorschrieben, kam es ihnen vor
allem darauf an, das höchste Gericht umzustimmen; hierzu gaben die Kommissare
die Erklärung ab, dass sie Beauftragte des Deutschen Bundes seien. Das höchste
Gericht vertrat nun die Ansicht, dass Preußen zwar nicht dem von Österreich
berufenen Bundestag beigetreten war, aber die mangelnde Bevollmächtigung
seitens einer obersten Behörde des deutschen Bundes durch die von allen
deutschen Regierungen erteilte Vollmacht an die Kommissare wirksam sei. Am 18.
Dezember 1850 fasste das Oberappellationsgericht den Beschluss, der
Steuerverordnung doch nachzukommen, insbesondere aus Rücksicht auf das
allgemeine Landeswohl. Nachdem jedoch die kurfürstliche Regierung sich nicht
entgegenkommend erwiesen und General von Peucker sein gegebenes Versprechen
gebrochen hatte, nicht exekutiv gegen das Land tätig zu werden, indem er Graf
Leiningen am 22. Dezember 1850 Kassel besetzen ließ, glaubte Elard Johannes
Kulenkamp sich in seiner juristischen Ehre derart verletzt, dass er von nun an
in Siechtum überging und nach wenigen Monaten an Entkräftung verstarb.
ZUSTAND:
Noch gutes, festes und recht sauberes Exemplar. Die dünne Interimsbroschur ist gebrauchsspurig
mit kleinen Fehlstellen, insgesamt aber gut annehmbar erhalten. Das Innenleben
ist – abgesehen von dem Besitzstempel auf dem Titel - frei von Einträgen und
auch ansonsten in einem sauberen Zustand (seitlicher Buchschnitt etwas fleckig).
Die Titelseite hat oben links ein kleines Loch mit minimalem Textverlust. Sehr
seltenes Sammlerstück.