Sie bieten auf ein maschinenschriftliches Zeugnis des Chemischen Instituts der Universität Frankfurt am Main, Anorganische und analytische Abteilung.


Datiert Frankfurt a.M., den 14. März 1923.


Ausgestellt und signiert vom stellvertretenden Abteilungsvorsteher, dem jüdischen Chemiker Friedrich Hahn (1888-1975).


Friedrich Lazarus Hahn war ein deutscher Chemiker. Er wurde 1911 mit der Dissertation „Synthese einiger '-Aminoketone“ in Berlin promoviert. 1924-33 war er ao. Professor für Chemie an den Universität Frankfurt am Main, musste 1933 vor den Nazis fliehen und emigrierte über Frankreich, Ecuador und Guatemala nach Mexiko, wo er ab 1948 Professor an der Staatsuniversität Mexiko war.


Ausgestellt für Dr. phil. nat. Jon Seemann (1900-1989), der 1922 seinen Doktortitel in Frankfurt erhielt (Dissertation "I. Synthese des Beta-Nitronaphtalins aus Tetralin. II. Untersuchungen über Ringfestigkeitsverhältnisse cyklischer Basen").


Jon Seemann wird bescheinigt, das er "von Wintersemester 1921/22 bis Wintersemester 1922/23 einschliesslich an der anorganischen Abteilung des Instituts als Unterrichtsassistent tätig" gewesen war.


Mit schönem Stempel des Instituts.


Format: 26,5 x 20,8 cm; ohne Umschlag.


Über Jon Seemann: Der Chemiker Dr. Jon Oskar Paul Seemann (* 12. Juni 1900 in Bukarest als Sohn des Chemikers Dr. phil. Richard Seemann, 1869-1943, und der Ida, geb. Brandt, gest. 1989 in Hannover) zog mit seinen Eltern häufig um, da sein Vater oft die Stellung wechselte (er war für die Einrichtung technisch-chemischer Betriebe zuständig). Seinen ersten Schulunterricht erhielt er an einer höheren Privatschule in Berlin-Grünau, die Sexta bis Untertertia absolvierte er am Städtischen Gymnasium in Leipzig-Lindenau, daraufhin besuchte er die Bezirksschule in Brugg (Schweiz) und ab 1913 die Reichsdeutsche Schule in Budapest, wo er die Befähigung zum 1-jährig Freiwilligen Dienst erhielt. 1916 wurde er am Schiller-Realgymnasium in Charlottenburg aufgenommen, wo er 1918 sein Abitur ablegte. Am 21. Juni 1918 wurde er zum Heeresdienst einberufen (4. Eisenbahn-Regiment, 2. Ersatz-Bataillon) und am 20. November 1918 entlassen. Danach studierte an der Technischen Hochschule Berlin, ab dem SS 1919 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, wo er bis zum WS 1920/21 blieb.

Jon Seemann besuchte in Berlin u.a. Seminare beim:

-Physiker Ernst Gehrcke (1878-1960), der Einsteins Relativitätstheorie ablehnte (Einstein lehrte zur selben Zeit in Berlin; Seemann besuchte aber keines seiner Seminare...)

-Physiker und Chemiker Walther Nernst (1864-1941), der 1920 den Nobelpreis für Chemie erhielt

-Chemiker Hermann Wichelhaus (1842-1927)

-Physiker Heinrich Rubens (1865-1922)

-Pflanzenphysiologen Ernst Pringsheim jun. (1881-1970)

-Physiker und Radiochemiker Otto Hahn (1879-1968), Träger des Nobelpreises für Chemie 1944, bei dem Seemann ein Seminar über Radioaktivität besuchte

-Experimentalphysiker James Franck (1882-1964), der 1925 zusammen mit Gustav Hertz den Nobelpreis für Physik erhielt (hier "Frank" geschrieben, es kommt aber kein anderer Dozent in Frage).

Danach wechselte Seemann an die Universität in Frankfurt am Main, wo er 1922 seinen Doktor der Naturwissenschaften machte (Arbeit: "I. Synthese des Beta-Nitronaphtalins aus Tetralin. II. Untersuchungen über Ringfestigkeitsverhältnisse cyklischer Basen"). 1920/21 legte er unter unter seinem Doktorvater Julius von Braun (1875-1939), mit dem zusammen er nach Frankfurt gewechselt war, Prüfungen des "Verbands der Vorstände Chemischer Laboratorien an deutschen Hochschulen" ab.

1923 zog er dann nach Berlin.

Am 25. Februar 1929 heiratete er in Berlin-Neukölln Fräulein Nanny Elisabeth Paula Kleber (* 14. Juli 1906 in Rixdorf als Tochter des Lackierers Heinrich Theodor Adolf Kleber und der Pauline Luise, geb. Schülke). Die kirchliche Trauung erfolgte am 7. April 1929 in der Kirche auf dem Tempelhofer Feld.

Er erhielt zahlreiche Patente auf Erfindungen: 1930 erhielt er zusammen mit dem Industriechemiker Friedrich Boedecker (1883-1977) das US-Patent 1937682 (Method of Producing Hydrogen).

1939 erfand er mit Eberhard Forche ein Verfahren zu "Herstellung eines Zementsatzes aus Calciumsulfatrückständen der Flussäurefabrikation", 1943 zusammen mit Karl Mau ein Verfahren zur "Anreicherung des Natriumgehaltes in Kryolithen und 1959 zur "Herstellung hochkonzentrierter Wasserstoffperoxydlösungen durch fraktionierte Kondensation von Wasserstoffperoxyddämpfen", jeweils für die J.D. Riedel - E. de Haen AG in Berlin-Britz, für die er 1954 als Vorstandsmitglied nachweisbar ist.

1937 ist er in Hannover nachweisbar (1943 als Fabrikdirektor), wo er 1989 starb.


Sein Vater, der Chemiker und Dr. phil. Richard Otto Seemann wurde am 13. März 1869 in Berlin als Sohn des Tuchmachermeisters Johann Carl Friedrich Seemann und der Pauline, geb. Engeling geboren und 1884 im Berliner Dom vom Oberhofprediger Rudolf Kögel (1829-1896) konfirmiert.

Am 4. Januar 1898 heiratete er in Koesterbeck bei Kessin (Mecklenburg) Ida Wilhelmine Marie Meta Brandt, geb. am 20. November 1870 in Kessin als Tochter des Erbschmieds und Erbkrügers Christian David Johann Brandt (* 1831) und der Elise Caroline Louise, geb. Voß. Richard Seemann lebte zur Zeit seiner Hochzeit in Braila (Rumändien). Später wurde er Direktor der Chemischen Fabrik der Byk-Gulden-Werke AG in Oranienburg bei Berlin.

Er starb am 23. Januar 1943 in Berlin-Schöneberg in seiner Wohnung.


Zustand: Blatt längs und quer gefaltet; Papier gebräunt, mit kleineren Knicken. Bitte beachten Sie auch die Bilder!

Interner Vermerk: DokinZeitungen, Seemann Uni


Über Friedrich Hahn (Quelle: Hessische Biographie):

Hahn, Friedrich Lazarus

* 19.10.1888 Öls/Schlesien (heute Olesnica/Polen), † 9.1.1975 Mexico, jüdisch; evangelisch

Prof. Dr. phil. – Chemiker, Hochschullehrer

Andere Namen

Hahn, F.L.

Hahn, Friedrich

Wirken

Werdegang:

1907 Reifeprüfung am Königlichen Luisen-Gymnasium in Berlin

ab 1907 Studium der Naturwissenschaften (Mathematik und Chemie) in Berlin

1911 Promotion zum Dr. phil. in Berlin

Privatassistent am Pharmazeutischen, dann am Chemischen Institut der Universität Berlin

1913 Unterrichtsassistent am Chemischen Institut der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften und des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main

1914 etatmäßiger Assistent an der Universität Frankfurt

1916-1917 Abhaltung einer Vorlesung über Analytische Chemie

1917 Habilitation für Analytische Chemie in Frankfurt, Privatdozent

1922 außerordentlicher Professor

1933 Entzug der Lehrbefugnis gemäß § 3BBG

1933 Emigration nach Frankreich

1933-1935 Gastprofessor an der Universität Sorbonne, Paris

1935 nach Ecuador

1935-1942 Professor für Chemie an der Escuela Politécmica del Ecuador

1942 nach Guatemala

1942-1945 Direktor des Landwirtschaftlich-Chemischen Instituts in Guatemala-City

1945 nach Mexico

1945-1949 Leiter des Laboratoriums der Industrias Quimicas de Mexico

1948 Professor der Chemie, Universidad Nacional Autonoma de Mexico

1949 Mitarbeiter des Laboratoriums "Control Quimico" in Mexico

1951 Emeritierung

Familie

Vater:

Hahn, Julius, Amtsgerichtsrat, Geheimer Justizrat

Mutter:

Hahn, Amalie geb. Hahn

Partner:

Heiden-Heimer, Gertrude, Heirat 12.11.1919, * Mainz 9.4.1895, † Guayaquil (Ecuador) 15.4.1987

Verwandte:

Hahn, Roberto P. <Sohn>