– Weitere Bilder sowie Auszüge siehe unten! –
Sie bieten auf fünf Gedicht-Handschriften von 1925-1929 aus Wien.
Mit selbstverfassten Gedichten und Gedicht-Entwürfen eines jungen Mannes namens Wilhelm Gross.
Teils sind Gedichte durchgestrichen, also verworfen worden, aber fast immer in noch lesbarer Form.
In einem der Hefte befinden sich zwei Briefabschriften (Korrespondenz vom Dezember 1925 mit einem Freund über die Gedichte, die der Verfasser einem Professor zur Begutachtung vorlegen möchte).
Im Brief von Wilhelm Gross an den Freund heißt es: "Lieber Hans! Immer mehr drängt sich mir die Erkenntnis auf, daß mir die innere Berufung fehlt. Es scheint mir eben doch die Ausdrucksfähigkeit oder die nötige Intelligenz zu fehlen. Jedenfalls müßte doch die nächste Zeit darüber Auskunft geben, ob ich etwas zu erwarten habe oder nicht. Ich werde in 1-2 Monaten eine Auswahl an Prof. Breyer vorlegen, und falls dessen Beurteilung negativ ausfallen sollte, wohl auf den Gedanken einer produktiven Zukunft verzichten müssen. Dein Wilhelm."
Zitate aus der Antwort (vom Freund eigenhändig geschrieben): "Lieber Willi! Ich kann Dich nur immer zur Weiterarbeit, zur größten Selbstlosigkeit in der Kritik der eigenen Sachen und zur Stärkung des Willens auffordern. Du bist noch sehr jung und wirst noch viele Wandlungen durchmachen. Künstlerische Selbständigkeit im Erfassen und Bearbeiten des Stoffes stellt sich erst bei einer gewissen Reife ein. Erst dann wird es sich zeigen, ob der Ernst Deiner Seele die Ausdrucksmöglichkeit findet, die über sogenannte Alltagsverse und Tändeleien erhaben ist. Also arbeite bis dahin und verzweifle nicht. - Von einem Urteileinholen bei Prof. A. Brayer rate ich Dir ab; denn es zeigt sich in Deinen Sachen noch kein irgendwie markanterer Eigenzug. Aber die Zeit wird ja kommen. Ich selbst will Dir mit Rat und Tat beistehen, soweit es in meiner Macht steht. Also Mut."
Der Freund schreibt auch manchmal Anmerkungen an den Rand der Gedichte.
Wilhelm Gross ist in eine Carla Hellar verliebt, der er mehrere Gedichte widmet; auch eine Abschrift eines Briefes an sie ist vorhanden.
Umfang: ins. 382 beschriebene Seiten (20 x 16,5 cm). Wenige Seiten in Kurzschrift.-- Ein Heft mit Pappeinband; die anderen mit flexiblem Einband.
Datiert 24. Juni 1925 bis 28. Mai 1929 (ab 1927 nur noch wenige Gedichte). -- Der Ortsname Wien taucht in einigen Datierungen von Briefabschriften auf.
Beispiele:
In mein Tagebuch (26. September 1925)
Du bist ein Spiegel alter Zeit,
ein Streiflicht auf das neue Leben,
Heut Bild unsrer Vergangenheit,
In Zukunft wirst Du wieder leben.
Lache Bajazzo! (20. Januar 1926)
Ich fasse den Wahnsinn mit Händen
Und schleudre ihn mir ins Gesicht,
ich tu's, mein Sein zu schänden
Denn weinen darf ich nicht.
Und wenn sich jeder Muskel zart
und jede Ader krampft, um zu betrügen
Da hat mich mein inneres Sehnen erhört
ich will die Welt, ich muss sie belügen.
Wenn ich so die Menschen verachte
und lächelnd ihr kaltes Innre betrachte
wie sie betrügen, wie sie lügen
schlürfen des andern Leid in freudigen Zügen
Da lacht mein Dämon in schauriger Qual
und von seinem Grinsen das tiefe Mal
ist stets am Haupte zu finden.
Lache Bajazzo!
Stadtleben (März 1926)
Vom Häusermaul der Stadt
verschlungen,
vom rastlos treibenden Tratt
umdrungen.
ratlos. -
In das prille Geheul der Welthyäne
gellt kilometergier'ger Sirene
Geldroß.
Fragend
irrt mein Blick über das quirlende Meer
wo es gröhlt vom Hasten dünsteschwer
und klagend:
'Für das bisschen abgegriffene Freud
ewig durch's nervenzerraffende Leid?'"
Ohne Titel (12. April 1929):
Sind die Frauen, die ich liebe
jene feinen, wunderstolzen
die gehoben von den Blicken
leicht vorübergehen.
Und sie sind allein die großen
Leibesstolzen{?}
allen, allen hingegeben
in dem leichten Schreiten un dem bloßen
Lächeln freudig ihres Angesichts.
Zustand: Einbände berieben, Bindung leicht gelockert. Seiten durchgehend etwas fleckig. Bitte beachten Sie auch die Bilder am Ende der Artikelbeschreibung!