Sie bieten auf einen eigenhändigen, signierten Brief des damals 20-jährigen Historikers Rudolf von Thadden (1932-2015) aus seiner Studienzeit in Paris.


Datiert Paris, den 27. April 1953.


Gerichtet an seine Tante Bertha, d.i. Bertha von Thüngen-Heilsberg (1892-1972).


Interessant ist, dass der Brief bereits sein Lebensthema, die Deutsch-französische Verständigung, behandelt.


Auszüge: "Liebe Tante Bertha! [...] Das letzte Vierteljahr in Paris zeichnet sich durch Frühlingsstimmung aus. Das Studium muss etwas hinter den Ausflügen zurücktreten, die mich in die Umgebung von Paris führen. [...] Übermorgen muss ich in studentischem Kreise die Fortsetzung eines Vortrags halten, den ich vergangene Woche über den Unterschied zwischen deutschem und französischem nationalen Empfinden angefangen habe. Ich versuche ihnen zu erklären, dass das Übel des Nationalismus auf die französische Revolution zurückzuführen ist, dass also die Franzosen selber die Verantwortung für das Erwachen des deutschen Nationslbewusstseins tragen. In Paris wird gegenwärtig der 'Prinz von Homburg' in einem Staatstheater gegeben. Es macht einen komischen Eindruck, wenn man das Stück, das einem in deutsch bekannt ist, auf einmal auf französisch hört. [...] Olivier Burgelin, der Sohn des Professors Burgelin, den Vater so gut kennt und bei dem ich regelmäßig am Sonntag zu Mittag esse, ist in den Osterferien in Berlin gewesen. Er kam ganz begeistert zurück und konnte nicht genug Worte des Lobes über die standhafte Haltung der Berliner finden. [...] Die Franzosen sind voll von Vorurteilen gegen Deutschland. Wenn sie es aber einmal kennengelernt haben, so lassen sie ihre Vorurteile fallen. [...] Liebe Tante Bertha! Als Zeichen des Gedenkens lege ich Dir eine Ansichtskarte bei, die Dir das Größenverhältnis zwischen Paris und dem Heilsberg nahe bringen soll! Es hat Dich sehr lieb und küsst Dir die Hand Dein dankbarer Neffe Rudolf."


Umfang: beidseitig beschriebenes Blatt (26,8 x 20,8 cm); ohne Umschlag.


Zustand: Papier leicht gebräunt und etwas fleckig. Bitte beachten Sie auch die Bilder!

Interner Vermerk: Mappe Sonnecken Wendt beige Autogramm Autograph Wissenschaft Adel Studentika


Über Rudolf von Thadden (Quelle: wikipedia):

Rudolf Joachim von Thadden (* 20. Juni 1932 auf Gut Trieglaff; † 18. November 2015 in Göttingen) war ein deutscher Historiker und Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Göttingen.

Familie: Rudolf von Thadden entstammte dem pommerschen Adelsgeschlecht von Thadden und war der Sohn von Reinold von Thadden-Trieglaff (1891–1976), Jurist und Gründer sowie Ehrenpräsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, und Elisabeth Freiin von Thüngen (auch Elisabeth von Thüngen zu Heilsberg; 1893–1988).

Er heiratete am 28. August 1958 in Göttingen Wiebke Fesefeldt (* 1931), promovierte Autorin historischer Jugendliteratur, die Tochter des Universitätsdozenten und Industriephysikers Hans Fesefeldt und der Ilse Hoffmann. Aus ihrer Ehe gingen vier Kinder hervor. Die Tochter Elisabeth von Thadden (* 1961) arbeitet als Redakteurin der Wochenzeitung Die Zeit, der Sohn Ernst-Ludwig von Thadden (* 1959) ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Rektor der Universität Mannheim. Weitere Söhne sind Leopold und Reinold von Thadden.

Rudolf von Thaddens Tante war die 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtete Widerstandskämpferin Elisabeth von Thadden (1890–1944).

Sein Bruder Franz-Lorenz von Thadden (1924–1979) war CDU-Bundestagsabgeordneter (1969–1972) und kam 1979 bei einem Flugzeugabsturz in Ecuador ums Leben, wo er als Leiter der Caritas-Überseehilfe Entwicklungsprojekte inspizierte.

Sein Onkel Adolf von Thadden (1921–1996, Halbbruder seines Vaters Reinold) schlug politisch eine andere Richtung ein und war von 1967 bis 1971 Bundesvorsitzender der NPD, zu deren Gründern er gehörte.

Leben: Thadden studierte Geschichte, Evangelische Theologie und Romanistik an den Universitäten Tübingen, Paris und Göttingen und wurde 1958 in Göttingen zum Dr. phil. promoviert. 1967 folgte dort die Habilitation. Im folgenden Jahr erhielt er seine erste Dozentur, eine Lehrstuhlvertretung an der Technischen Hochschule Hannover, und 1968 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor an das Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen, wo er bis zu seiner Emeritierung blieb. 1974/1975 war er zudem Rektor der Universität Göttingen und gehörte dem Senat der Westdeutschen Rektorenkonferenz an. Ab 1977 war er zudem Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz.

Deutsch-französische Zusammenarbeit: Im Jahr 1983 war der im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit stark engagierte von Thadden als Gastprofessor (Directeur d'Études) an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris tätig, wo er zwischen 1989 und 1992 einen weiteren Lehrstuhl innehatte. Von 1985 bis 1994 war er zudem Präsident des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg. Darüber hinaus stand er von 1994 bis 2007 der heutigen Stiftung Genshagen mit dem Berlin-Brandenburgischen Institut für deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa als Direktor vor und war von 1999 bis 2003 Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit der Bundesregierung.

Forschungsschwerpunkte: Neben der deutsch-französischen Zusammenarbeit und der französischen Geschichte der Neuzeit bildeten vor allem die preußische Geschichte seit dem 17. Jahrhundert, die vergleichende Kulturgeschichte Europas und die Kirchengeschichte die Forschungsschwerpunkte von Thaddens, wobei er letztere vor allem aus dem Blickwinkel der Gesellschaftsgeschichte betrachtete. Neben zahlreichen Werken zu diesen Themen (u. a. sein Standardwerk Fragen an Preußen) verfasste er weitere Schriften zur Geschichte der Hugenotten, des Liberalismus sowie Essays zu Geschichte und Gegenwart. Daneben war er seit 1997 Herausgeber der Reihe Genshagener Gespräche.

Ehrungen und Auszeichnungen

1996: Ehrendoktorwürde der Universität Genf

1996: Ehrendoktorwürde der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder

1998: Großes Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

2000: Kommandeur der französischen Ehrenlegion, der er seit 1984 als Officier de la Légion d'Honneur angehörte

2007: Verdienstorden des Landes Brandenburg aus Anlass des 75. Geburtstages

2007: Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

2012: Ehrenmedaille der Stadt Göttingen

Mitgliedschaften

1962 2. bzw. 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kirchenreform Göttingen

1976 Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig

1984 Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages

1989: Mitglied der Academia Europaea

1991–1993 Mitglied des Gründungssenats der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), zudem Gründungsdekan der dortigen kulturwissenschaftlichen Fakultät

1993 Korrespondierendes Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

Mitglied der Académie Universelle des Cultures in Paris