1771 veröffentlichte der französische Orientalist Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron erstmals eine Übersetzung der Avesta – der heiligen Bücher des Zoroastrismus – in eine europäische Sprache.[6] In Zend-Avesta vertritt Anquetil die These, dass Zoroaster Urheber der Avesta sei. Anquetil hatte sich bereits im Januar 1762 in der Bodleian Library Auseinandersetzungen mit Jones’ späteren Professor John Swinton über die Interpretation asiatischer Texte geliefert.[7] Kurz nach Erscheinen von Anquetils Zend-Avesta stellte Jones die Urheberschaft Zoroasters in Frage und griff Anquetil in einem auf Französisch verfassten Pamphlet scharf an.[8] Jones’ Pamphlet gab den Auftakt zu weiteren Polemiken zwischen britischen und französischen Orientalisten, die als „Anquetil-Jones-Streit“ die Diskussion um die Interpretation asiatischer Texte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts prägte.
Nach seiner Versetzung an das Oberste Gericht von Bengalen in Kalkutta, erlernte Jones von Einheimischen Sanskrit: Der Schweizer Orientalist und Mitglied der Asiatick Society Antoine Polier berichtet in der 1809 posthum erschienen Mythologie des Indous: „Ein glücklicher Zufall brachte mich mit einem Mann zusammen, der die nötigen Qualitäten besaß, um meine Unkenntnis in Sanskrit zu überbrücken und meinen Wunsch nach tiefgehender Unterweisung in den mythologischen, primitiven und grundlegenden Ansichten der Inder zu erfüllen. Dieser Mann hieß Ramtchund und war der Lehrer des berühmten Sir [William] Jones, der mein Freund war.“ Polier beschreibt Ramtchund als einen Sikh aus der Oberschicht, welcher sich ein umfassendes Wissen zu den Puranas angeeignet habe und stets in Begleitung von zwei schriftkundigen Brahmanen gewesen sei.[9]
Am 15. Januar 1784 gründete Jones mit weiteren 13 weiteren Kolonialbeamten in Kalkutta die Asiatick Society. Die Asiatick Society war eine der ersten Gelehrtengesellschaften Europas zur Erforschung eines fremden Kontinents. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte der Bhagavad-Gita-Übersetzer Charles Wilkins und der spätere Gouveurneur von Bombay Jonathan Duncan. In einem Brief an den Generalgouverneur von Fort William Warren Hastings beschreibt Jones den Zweck der Gesellschaft als „Erforschung der menschlichen und natürlichen Geschichte, des Altertums, der Künste und Wissenschaften Asiens“.[10] Jones war bis zu seinem Tod Präsident der Asiatick Society. Als solcher hielt er einen jährlichen Vortrag vor den Gesellschafts-Mitgliedern zu seiner aktuellen Forschung und gab das ab Ende der 1780er erscheinende Journal Asiatick Researches heraus. Die Gesellschaft wurde mehrfach umbenannt in Asiatick Society of Bengal (1832–1935), The Royal Asiatick Society of Bengal (1936–1951) und Asiatic Society (1952–heute). Die Titelseite des Journals der Asiatic Society trägt bis heute Jones’ Konterfei.
Jones leistete mit der These eines gemeinsamen Ursprungs von Sanskrit, Persisch und den europäischen Sprachfamilien einen Beitrag zur Entstehung der vergleichenden Sprachwissenschaft. Ähnlichkeiten zwischen dem Griechischen, Latein und Sanskrit wurden bereits zuvor festgestellt von Filippo Sassetti, Andreas Jäger, Benjamin Schulze und Gaston-Laurent Cœurdoux. 1767 schickte der französische Orientalist Coeurdoux aus Indien ein Mémoire an die Académie des inscriptions et belles-lettres, das eine etymologische, phonetische und grammatische Ähnlichkeit zwischen Sanskrit, Griechisch und Latein nachweist. Für die Ähnlichkeit mit „la langue Sanskroutane“ nennt Coeurdoux sechs mögliche Erklärungen, darunter auch einen „gemeinsamen Ursprung“ (origine commune).[11] In der englischsprachigen Forschung wird Jones dennoch meist als derjenige Orientalist dargestellt, der erstmals eine These von einer indoeuropäischen Ursprache aufgestellt habe.[12] Jones präsentierte seine These 1786 während eines Vortrags vor Mitgliedern der Asiatick Society:
“The Sanscrit language, whatever be its antiquity, is of a wonderful structure; more perfect than the Greek, more copious than the Latin, and more exquisitely refined than either, yet bearing to both of them a stronger affinity, both in the roots of verbs and the forms of grammar, than could possibly have been produced by accident; so strong indeed, that no philologer could examine them all three, without believing them to have sprung from some common source, which, perhaps, no longer exists; there is a similar reason, though not quite so forcible, for supposing that both the Gothic and the Celtic, though blended with a very different idiom, had the same origin with the Sanscrit; and the old Persian might be added to the same family […].”
„Die Sprache Sanskrit verfügt – abgesehen von ihrem Alter – über eine wundervolle Struktur; vollendeter als das Griechische, üppiger als das Lateinische und von eleganterer Verfeinerung als beide zusammen genommen. Hinzu kommt, dass Sanskrit zu beiden hinsichtlich der Verbwurzeln und grammatischen Formen eine stärkere Nähe aufweist, als dies allein durch Zufall hätte hervorgerufen werden können. Die Nähe ist so ausgeprägt, dass kein Philologe alle drei untersuchen könnte, ohne an einen gemeinsamen Ursprung zu glauben, der womöglich nicht mehr existiert. Es liegen ebenfalls – wenn auch etwas weniger überzeugende – Gründe vor, einen gemeinsamen Ursprung des Gotischen und Keltischen anzunehmen und auch das alte Persisch könnte der gleichen Familie hinzugefügt werden