Klassische Moderne: Emaillierte Wandplatte Kupfer emailliert Gemma Wolters-Thiersch Burg Giebichenstein Halle Saale ~1938

Avantgardistisches altes Wandbild, opakes Email auf Kupferplatte, silbrig brauner Fond Rot, Goldgelb, Schwarz überschmolzen, schwarz schablonierte Begrenzungs-Linien, von Gemma Wolters-Thiersch in der Bauhauszeit ausgeführt. Das Motiv ev. im Zusammenhang mit der Erzählung von H. v. Hofmannsthal "Die Frau ohne Schatten" entstanden, der mündlichen Überlieferung nach um 1938 oder früher ausgeführt. Die Bildplatte datiert in eine Epoche die Kunst und Handwerk zusammenführte und stilistisch interessante Email-Entwürfe an der Burg Giebichenstein und im Bauhaus hervorbrachte. Die minimal gewölbte Emailplatte ist ca. 30 cm breit und 33 cm hoch, rückseitig mit weißem Gips unterlegt, in diesem zwei Aufhängeösen. Guter originaler gebrauchter Zustand, Emaille ohne Fehlstellen, nicht restauriert, nicht  gereinigt. Später etwas sehr schlicht gerahmt im Format 33,5 x 36 cm, Etikett auf Rahmenkarton bezeichnet "Gemma Wolters-Thiersch". Die letzten beiden Fotos zeigen Bildplatten der Künstlerin die in den Büchern "Burg Giebichenstein, die hallesche Kunstschule von den Anfängen bis zur Gegenwart" und "Gemma Wolters-Thiersch Email, Schmuck, Gerät" abgebildet sind.

Biographie der Künstlerin: Die deutsche Emailleurin und Goldschmiedin Gemma Wolters-Thiersch (1907 Berlin - 1994 Überlingen) war die Tochter von Paul Thiersch dem Gründer und Leiter der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale. 1923 begann Gemma Thiersch an der von ihrem Vater geleiteten Kunstgewerbeschule „Burg Giebichenstein“ eine Lehre in der Emailwerkstatt bei Klara Kuthe und Lili Schulz sowie in der Metallwerkstatt von Karl Müller. 1927 heiratete sie den erheblich älteren Friedrich Wolters in Kiel. Wolters zählte zum engsten Vertrauten des Lyrikers Stefan George für den Gemma Wolters-Thiersch eine Reihe von Goldschmiedearbeiten angefertigte. Von 1930 dem Todesjahr ihres Mannes bis 1935 nahm sie ihre Ausbildung an der Burg Giebichenstein wieder auf und beteiligte sich gleichzeitig an verschiedenen Wettbewerben.1936 bestand sie als zweite Frau die Meisterprüfung des erst kurz zuvor als Ausbildungsberuf für Frauen zugelassenen Handwerks und gründete eine eigene Werkstatt in Überlingen am Bodensee. 

Bereits 1935 wagten Gemma Wolters-Thiersch und Erika Spitzbarth-Petersen, das kurzfristige Experiment der Selbstständigkeit in Stuttgart-Degerloch. Beide nahmen an Wettbewerben der Deutschen Gesellschaft für Goldschmiedekunst teil und gewannen erste Preise. Während Erika Petersen 1935/36 nach Schwäbisch Gmünd ging, betreute Gemma Wolters-Thiersch den Bau ihres „Hauses am See“ in Überlingen. 1937 kam Erika Petersen ebenfalls nach Überlingen. Die Zusammenarbeit der Emailleurmeisterin mit der Silberschmiedin ermöglichte eine Arbeitsteilung von Gefäßformung einerseits und deren Dekoration mit Email andererseits. Ab 1937 nahm man an den „Grassi-Messen“ in Leipzig teil. In ihrem 1936 erbauten „Haus am See“ wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg der „Geist Stefan Georges“ aufrecht erhalten. Von 1950 bis 1959 hielt sich Gemma Wolters-Thiersch überwiegend in der Türkei  und im nahen Osten auf und kehrte 1959 nach Überlingen zurück. Von 1969 bis 1980 führte sie ihre Werkstatt zusammen mit der Silberschmiedin Ulla Thiersch von Keiser weiter und es wurden vor allem Schmuck und Emailarbeiten gefertigt. 

Mit dem „Haus am See“ war ein neues Zentrum des von Stefan George geprägten Freundes- und Gesinnungskreises begründet worden. In diesem „Kreis ohne Meister“ pflegte man Dichtkunst, Bildhauerei und Kunsthandwerk gleichermaßen und Gemma Wolters-Thiersch schuf Objekte, die nach dem Tod von Stefan George (1933) der Gedankenwelt Georges verpflichtet waren. Ein weiteres Betätigungsfeld der Gruppe, zu der auch die Brüder von Gemma Wolters-Thiersch, Frank Mehnert, Rudolf Fahrner und die Gebrüder von Stauffenberg zählten, war mit dem „Weberhof“ auf der Nordsee Insel Juist gegeben. Hier war man ab 1936 bestrebt, eigene Kunsthandwerker Ideale zu leben, betrieb zugleich ein Kindererholungsheim. In den Weberhof-Werkstätten auf Juist, einer Pflanzschule der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein, fanden Kunsthandwerker, Weber, Emailmeister, Töpfer, Schüler der Burg Giebichenstein zusammen. 

Literatur: Zeller-Hildebrandt/Spitzbath-Petersen "Gemma Wolts-Thiersch, Email, Schmuck, Gerät". Ausstellungen: Internationale Emailausstellungen Genf, Hilversum, Hameln, Hanau und Coburg; Landesgewerbeamt Baden Württemberg in Stuttgart und Karlsruhe; Einzelausstellungen Musarion Basel, Landesmuseum Oldenburg, Goldschmiedehaus Hanau, Galerie Fauler Pelz Überlingen, Galerie Rödel-Neubert Mannheim; Teilnahme an Wettbewerben der Gesellschaft für Goldschmiedekunst, Bröhanmuseum; Ausstellung „Frauen-Silber, Silberschmiedinnen der Bauhauszeit“ Badisches Landesmuseum.   

Die Dichterpersönlichkeit Stefan Anton George (12. Juli 1868 Büdesheim, heute Stadtteil von Bingen am Rhein - 4. Dezember 1933 in Minusio bei Locarno) war ein deutscher Lyriker. Zunächst vor allem dem Symbolismus verpflichtet, wandte er sich nach der Jahrhundertwende vom reinen Ästhetizismus der zuvor in den Blättern für die Kunst propagierten „kunst für die kunst“ ab und wurde zum Mittelpunkt des nach ihm benannten, auf eigenen ästhetischen, philosophischen und lebensreformerischen Vorstellungen beruhenden George-Kreises. Seit den 1890er Jahren sammelte er einen schöngeistigen Kreis von Intellektuellen um sich. Um 1907 vollzog er einen Richtungswandel von Leben und Werk. Statt einer neuen und rein ästhetischen Kunst wollte er nun eine neue Lebensweise schaffen. Er verstand sein literarisches Schaffen von da an als pädagogischen und prophetischen Auftrag. Die persönliche Ausstrahlungskraft und das neue Selbstverständnis Georges erweiterten seinen Schülerbund zu einem intellektuellen Elitekreis, der auf die Geisteswissenschaften in Deutschland starke Wirkungen hatte. Gemma Thiersch geriet schon als Mädchen und junge Frau über ihre Eltern – Vater Paul Thiersch war Leiter der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein und Verehrer von Stefan George – in den eingeschworenen, „geheimen“ Kreis um den charismatischen Dichter. 1927 heiratete sie 20-Jährig den erheblich älteren Friedrich Wolters (1876-1930). Dieser war „Hofhistoriograph“ und bedingungsloser Verehrer von Stefan George. Der „Meister“ Stefan George bedachte Gemma Wolters-Thiersch mit großem Wohlwollen und nannte sie seine „Staatsgoldschmiedin“. Auch in diesem Umfeld entstanden eine Reihe von Email-, Gold- und Silberschmiedearbeiten.