Bärbel Rudin (Hrsg)
" die Rassler "
zwischen Acker und Werkbrett
Pforzheims ländliche Schmuck-
warenarbeiter von einst
broschierte Ausgabe, Dokumentation der
Sparkasse Pforzheim 1982, sehr guter Zustand,
ZUM BUCH:
Im Juni 1767 wurde in Pforzheim das erste Industrie-Unternehmen eröffnet, und im März des folgenden Jahres erweitert zur Uhren-, feine Stahlarbeit-, Kleinod- und Juwelenfabrike, mit denen damit verbundenen Kunstästen. Mit der heutigen Industrie hat sie nur insofern zu tun, als der Gegenstand, der dort hergestellt wurde,auch heute noch in dieser Stadt produziert wird. Die Fabrik war praktisch ein Staatsunternehmen – das Gründungs- und Betriebskapital kam aus der Schatulle des Markgrafen Karl Friedrich von Baden –, ihr Erzeugnis Luxusgüter, die sich nur die wenigsten leisten konnten; die Arbeiterschaft bestand aus ungelernten Waisenkindern und fachlich mehr oder weniger qualifizierten Gastarbeitern, Franzosen und französischsprachigen Schweizern zumeist, zu denen sich später noch Engländer und Italiener gesellten. Geleitet wurde das Unternehmen ebenfalls von Ausländern: einem Südfranzosen, einem Engländer, zwei Schweizern. Das Produktionsprogramm umfaßte bald Taschen- und Standuhren, Tabatieren aus Gold, Etuis mit und ohne Emaillearbeit, eingelegte Schildpatt-dosen, sodann Uhrketten, Knöpfe, Beschläge, Schnallen aus Stahl, Schiffchen aus Elfenbein, gelegentlich auch Landschaften aus Haaren, wie es die Mode wollte. Die Luxusgüterindustrie des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, die Herstellung von Gobelins und Porzellan, von Goldwaren und Seide, war eine Liebhaberei der Fürsten, ein allgemein gepflegtes feudales Hobby. Nur so läßt sich verstehen, warum der Markgraf und seine Gattin Karoline, die bei der Pforzheimer Gründung die treibende Kraft gewesen war, dem ohnehin mit Steuer- und Zollprivilegien ausgestatteten Unternehmen, sobald es ins Stocken geriet, immer neue Kredite, Schulderlassungen, Unterstützungen gewährten, gar nicht zu reden von Sachzuwendungen wie Feuerholz und Wein. Schon bald gab es Streit unter den Geschäftsführern, so daß die Fabriken in den Uhren- und Schmuckzweig getrennt werden mußten. Doch das schlechte Wirtschaften, dem ein Mangel an kaufmännischer Begabung, vor allem aber das Fehlen eigener Verantwortung zugrunde lag, ging weiter. 1775 ließ der Markgraf die beiden vertragsbrüchig gewordenen Manager des Schmuckunternehmens kurzweg verhaften. Die Fabrik wurde drei Jahre lang kommissarisch geleitet, bis sie 1778 einen Privatkäufer fand. Die Uhrenfabrik ging 1808 ganz ein. An die hundert Jahre lang wurde in der Goldstadt keine Uhr mehr fabriziert. Von den vier Entrepreneurs der ersten Stunde genoß keiner die Früchte seiner Lebensarbeit in Pforzheim. Einer der beiden Schweizer starb; der andere ließ sich bescheiden als Uhrmacher in Karlsruhe nieder; der Engländer wanderte nach Rußland aus; der Franzose wurde Zahlmeister in der Armee Napoleons...
INHALT:
Der Pforzheimer Bijouteriearbeiter
Von Renate Schostack 5
Vom Bauer zum Bijoutier
Das Beispiel einer Landgemeinde 19
Das aufkommende Raßlertum und die
„schreckenden Verhältnisse der Industrie" 26
Von Bärbel Rudin
Die Frau besorgt die Landwirtschaft
Zur ökonomischen Lage dörflicher Bijouteriearbeiter 36
Die Pforzheimer Schmuck-Industrie
um die Jahrhundertwende 45
Von Hanns von Zobeltitz
Raßlerdasein 54
Raßler, Tüftler, Häuslebauer 66
Von Bärbel Rudin
Die städtische Perspektive 74
Das Thema Raßlerdenkmal 83
Von Fritz Theilmann
Das „Raßler"-Denkmal
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