Mit „Wappen der Länder der Bundesrepublik Deutschland" setzt die Deutsche Bundespost die Reihe zeitgeschichtlicher Themen fort. Die Briefmarkenserie soll die Öffentlichkeit auf die junge und jüngste Geschichte sowie den föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik aufmerksam machen und ein Beitrag zur Einheit Deutschlands sein. 

Das Wappen des Landes Sachsen-Anhalt symbolisiert die Entwicklung der wichtigsten Landesteile; das sind der bis 1945 selbständige Freistaat Anhalt und die 1816 gebildete preußische Provinz Sachsen ohne den 1944 von der Provinz Sachsen abgetrennten Regierungsbezirk Erfurt. 

100 Jahre Herzogsägmühle 

Nach dem Beispiel Friedrich von Bodelschwingh (Bethel) haben sozial engagierte Bürger unter der Leitung des späteren Oberkonsistorialrates der Evang.-Luth. Landeskirche Bayerns, Adolf von Kahl, im Jahr 1894 Herzogsägmühle bei Peiting in Oberbayern als „Arbeiterkolonie" für obdachlose und arbeitslose Männer gegründet. Dem Träger, ,,Verein für Arbeiterkolonien in Bayern", gehörten damals neben vielen Privatpersonen nahezu alle bayerischen Gemeinden, Städte und Landkreise als Mitglieder an. 

Herzogsägmühle hat in der nun 100 Jahre alten Tradition der „Obdachlosenhilfe" eine wechselhafte Geschichte aufzuweisen. Zwischen 1936 und 1945 war sie- unter der Regie einer NS-staatlichen Organisation - die Zentrale der gesamten links- und rechtsrheinischen „Nichtseßhaftenhilfe" Bayerns. Zwangsarbeit und die Angst vor Überstellung in das Konzentrationslager Dachau prägten damals das Leben in der Einrichtung. 

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges übernahm der Verein für Innere Mission in München die Trägerschaft und verantwortete die weitere Entwicklung bis heute, von der „Einrichtung" mit Heimcharakter bis zum sozialen Dorf für Menschen, die vorübergehend oder auf Dauer in anderen Orten nicht leben können und persönliche, soziale und berufliche Hilfen brauchen. 

Mit nahezu 300 Aufnahmemöglichkeiten für Obdachlose und arme Frauen und Männer ist Herzogsägmühle heute die größte und differenzierteste Einrichtung Bayerns für diese Menschen und bietet: Beratung und Begleitung für von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen aus der Region, Übergangs- und Rehabilitationseinrichtungen, Wohnungen und Wohnheime in Herzogsägmühle, Häuser und Wohngemeinschaften mit sozialpädagogischer Begleitung in Orten der Umgebung, psychologische Beratung und Sozialtherapie, Bildung, Kultur und Freizeit, Berufsförderung (36 verschiedene Ausbildungsabschlüsse), berufliche Eingliederung (auch im geschützten Rahmen) und Arbeitsvermittlung (im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit). 

In Deutschland einmalig ist, daß alle Häuser und Wohnungen des Bereiches „Obdachlosenhilfe" nicht nur Männern, sondern auch Frauen und Paaren offenstehen, wenngleich das Ziel, allen ein eigenes Zimmer zu bieten, noch nicht erreicht ist. 

Dazu kommen über 400 weitere Aufnahmemöglichkeiten für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, seelisch kranke oder suchtkranke Frauen und Männer, Erwachsene mit geistiger Behinderung, Menschen im Alter und Wohnungen für nahezu 200 Betreuer (einschließlich ihrer Angehörigen). Darin liegt eine weitere Besonderheit von Herzogsägmühle: Menschen unterschiedlichster Art, die üblicherweise verschiedenen „sozialen Randgruppen" zugerechnet werden, leben in einer sie bestätigenden Dorfgemeinschaft zusammen. 

Die Stärke von Herzogsägmühle liegt in der Vielfalt der Möglichkeiten, sie dient vor allem Menschen, die durch das Netz anderer oder kleinerer Einrichtungen fallen. Ein Schwerpunkt der Arbeit für diese verschiedenen Personengruppen ist die Wiedereingliederung in andere Orte und Betriebe der Gesellschaft. 

Kann jemand nicht mehr in seine früheren Wohnverhältnisse zurückkehren und in Betrieben üblicher Art nicht mehr arbeiten, steht ihm das Bürgerrecht in Herzogsägmühle auf Dauer offen. Dies schließt Arbeitsgelegenheiten, die das jeweilige Leistungsvermögen berücksichtigen, ebenso ein, wie Mitwirkungsmöglichkeiten in vielen Bereichen und die Erfahrung der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, in der Besonderheiten und Begrenzungen geachtet werden. 

Trotz des mit anderen sozialen Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege vergleichbaren Rechtscharakters ist Herzogsägmühle ein ganz normales und offenes Dorf (Teil der Marktgemeinde Peiting) mit guter Infrastruktur: Gasthaus, Läden, Sportanlagen, kulturelle Angebote, Buslinien in Orte des Umfeldes, Kirche, Friedhof, Postamt, Arbeitsamt, Arbeitsstätten, Freizeitanlagen, Feuerwehr, Kino (alles öffentlich und auch Bürgerinnen und Bürgern aus dem Umfeld zugänglich) für Menschen, die in anderen Orten als „unnormal" gelten und vielfach abgelehnt werden. 

ORT ZUM LEBEN und ANDERSSEIN ACHTEN ist Programm der Arbeit und Selbstverständnis der Ortschaft Herzogsägmühle. Öffenheit und Normalität prägen den Alltag, Arbeitslosigkeit ist ein Fremdwort. Das Recht des Schwächeren ist garantiert. Vorherrschend ist das Bemühen, im Alltag christliches Leben zu verwirklichen: Einander anzunehmen, Hoffnung in das Leben einzelner zu bringen und sich gegenseitig größtmögliche Freiheit und Individualität zuzugestehen; die Liebe Gottes zu den Menschen soll erfahrbar werden.