Nussknacker Holz
Deutscher Michel

Schnitzarbeit wohl Brienz, Schweiz
Schwarzwald

Gewicht ca. 158 gramm

Länge ca. 21 cm

Vor 1945

Sammlerstück aus Privatsammlung
Berlin - Nikolassee in über 40 Jahren mit Liebe und viel Zeit zusammen getragen.


Zustand
Gebrauchsspuren. gebraucht erhalten.
( siehe Fotos )

Aus dem lauten, wirren Getriebe der völkerbewegenden Weltindustrie hat sich ein still bescheidenes Naturkind in einen der heimlichsten Winkel des großen, erhabenen Alpengebäudes, an die Ufer des Brienzer Sees geflüchtet; es ist die Berner-Oberländer Holzschnitzerei. Während es drunten im gehügelten Mittellande dampft und braust, surrt und klappert und die Maschinen des Fabrikgebäudes mit dämonischer, geisterhafter Thätigkeit den Dienst der Menschenhand überflüssig machen zu wollen scheinen; – während dort die reichen Geldleute rechnen und speculiren, Briefe hin- und herfliegen, das Steigen und Fallen der Baumwollen- und Rohseiden-Preise Berichte von größter Wichtigkeit, die Ernte-Resultate in fremden Ländern Lebensfragen des schweizerischen Manufactur-Erwerbes geworden sind und die Arbeitskräfte wie todte Nullen betrachtet werden, die erst Werth durch den davorgestellten Zähler des Fabrikanten, Kaufherrn oder Exporteurs bekommen, – hämmert und sägt, schnitzelt und raspelt das stille Bergvölklein der Berner Oberländer daheim in seinen vier Pfählen, unbekümmert um die großen weltbewegenden Handels-Conjuncturen, in naiver Einfalt den Führungen des Genius der Kunst folgend. Die Geschicktesten unter ihnen sind auch die allzeit Gesuchten, und freiherrlich-unabhängig liegt die Größe ihres Verdienstes in ihren eigenen Händen.

Die Oberländer Holzschnitzlerei ist ein Erwerb, der aus sich selbst entstanden ist, ein Industriezweig, der, von der Pike auf dienend, durch eigene Kraft sich emporgearbeitet hat zu der Bedeutung, welche er seit kurzer Zeit einzunehmen beginnt. Nicht Einflüsse von Außen schufen, beförderten und hoben diese autodidaktische Volksbeschäftigung, nicht mächtig bewegende Fluktuationen führten als Nothwendigkeits-Folge deren Aufnahme und Cultur herbei (wie z. B. im Gebiete der gewebten Waaren seiner Zeit das siegreiche Emporkommen der fremdländischen Baumwolle, welche den inländisch erzeugten Flachs und die darauf basirte Leinen-Industrie verdrängte), – nicht Momente des Zufalls gaben die Veranlassung oder den ersten leisen Anstoß zur Anhandnahme einer ursprünglich den localen Bedürfnissen und subjektiven Fertigkeiten des Volkes fernliegenden Erwerbsbranche; – der gut ökonomische, echtschweizerische, haushaltende Grundsatz:

„Die Axt im Haus’ erspart den Zimmermann“
(Schiller’s Tell.)

das Selbstständigkeits-Bedürfniß eines Gebirgsvolkes und dessen Unbekanntsein mit dem eindringenden Luxus, welcher heutzutage am Wohlstande des schlichten Bürgers als zehrende Schmarotzerpflanze nagt, – die urthümlich alte, einfache und solide Bauernregel: „Meiner Hände Arbeit ist der Boden meines Wohlstandes,“ war die Basis, auf welcher die Holzschnitzerei zu wachsen, zu blühen und Früchte zu tragen anfing. Schon Jahrhunderte und Jahrhunderte lang war sie von den viehzüchtenden Alpenwirthschaft treibenden Thalbewohnern der Schweiz ausgeübt worden, und nicht über die Grenzen seiner stillen, schönen Heimath hinaus bekannt geworden; die Urväter des Grütli-Bundes hatten sich selbst ihre „Melchkübeli“ und „Nidelkellen“ (Rahmlöffel), ihre „Gepsli“ (Schüsseln) und „Täufeli* (Milchgefäße), ihre Teller, Löffeli und Gabeln aus Holz geschnitzt und hingen in dieser Beziehung bei ihren häuslichen Einrichtungen weit weniger von den eingeführten Eisenschmiedewaaren Steiermarks, Solingens, und Schmalkaldens oder den zerbrechlichen Thonproducten Schwabens und der Eidgenossen im Pruntruter Lande ab, als die Städter.

Bis zu den Zeiten des Sturzes der ersten napoleonischen Herrschaft wurde die Schweiz noch wenig von Fremden bereist; nur Naturforscher und sehr reiche Leute, namentlich Engländer, waren die einzigen, die mit großem Kostenaufwande in jene Gebirgswinkel eindrangen, wo jetzt Gasthof-Paläste stehen und im Sommer ein drängendes Touristenleben sich jagt. Napoleon hatte durch den Bau der Simplonstraße zuerst den praktischen Beweis geliefert, daß im wildesten Gebirge Weg und Steg für den Verkehr zu ebnen sind; seinem Vorgange folgten, gedrängt von den größeren Anforderungen der Zeit, andere Thalschaften. Es entstanden die großen Alpenstraßen über den Gotthard, Bernhardin und Splügen. Hiermit erweiterte sich das Straßennetz im Alpenlande allgemein; der Aufschwung aller Industrie trug wesentlich dazu bei. Aber mit den verbesserten Verkehrsmitteln wurde es auch leichter, bequemer, billiger, das Wunderland der Schweiz zu besuchen; der Fremdenverkehr wuchs, und alle jene abgelegenen schönen Thalgelände, die bis dahin zur Außenwelt in kaum irgend einer Beziehung standen, wurden jetzt Reiseziel. – Die Wanderer, überrascht und schwärmend für des Bergvolkes Sitten und Gebräuche, Einfachheit und Genügsamkeit, nahmen neben seltenen Mineralien und gepflückten Alpenpflanzen auch Exemplare jener urthümlichen Holzgeräthe als Reise-Erinnerung mit in die Heimath. So kam’s, daß nach und nach aus den anfänglich für den eigenen Gebrauch geschnitzten Holzwaaren ein kleiner Luxus-Handelsartikel wurde. Die Schnitzler (deren es von ausschließlichem Beruf nur wenige gab) verwendeten mehr Aufmerksamkeit auf ihre Arbeit, lauschten die Wünsche und Meinungen der Fremden schlau ab und suchten die ursprüngliche derbe Naivetät, welche diese Holzsculpturen kennzeichnete, durch allerlei verzierende Beigabe zu verschönern.

Ein junger Lauterbrunner, Heinrich Mugel, soll der Erste gewesen sein, der im ersten Decennium unseres Jahrhunderts Einfassungen zu Tintengläsern schnitzelte und so die in der Kindheit schlummernde, ungekünstelte Handfertigkeit auf ein bis dahin fremdes Gebiet übertrug. Als eigentlicher Begründer der Holzschnitzerei, wie sie in der Gegenwart eine namhafte Stellung einnimmt, wird jedoch allgemein Christen Fischer von Brienz bezeichnet. Jetzt beschäftigt sie einige tausend Menschen und setzt jährlich etwa eine halbe Million Franken um, die, da das Rohmaterial, beinahe an Ort und Stelle gewonnen, sehr billig ist, nahezu als reiner Verdienst anzusehen sind. Thun, die beiderseitigen Ufer des Thuner und besonders des Brienzer Sees, sowie das Hasli-Thal sind die Heimath dieser ihre Producte über die ganze civilisirte Erde verbreitenden Industrie.

Die meisten Arbeiten trugen bis in die jüngste Zeit das entschiedenste Gepräge des selbstwüchsigen Dilettantismus, der sich eine gewisse Fertigkeit in Behandlung stereotyper Formen angeeignet hat. Vor zwanzig Jahren konnten die meisten Schnitzler kaum eine Figur, eine Blume oder Arabeske anatomisch oder proportionirt richtig zeichnen, geschweige denn daß sie klare Begriffe von den Gesetzen der plastischen Composition, von den ästhetischen Bedingungen der Gruppirung gehabt hätten. Alles, was die Besten unter ihnen kannten und konnten, waren die der Natur unmittelbar abgelauschten Momente, und auch diese beschränkten sich wiederum nur auf Gegenstände, die ihrem Wahrnehmungsvermögen, dem Gesichtskreise der Alltäglichkeit entsprachen. Gemsen und Alpenrosen gaben die hervorragendsten Modelle für ihre Kunstfertigkeit ab, also Dinge, die ihres alpinen Charakters halber von den Fremden am Ehesten gekauft wurden. Ein droben in den Felsenlabyrinthen durch das Fernglas in seinen Stellungen beobachtetes Gratthier, eine als Schildwacht auf hervorragendem Vorsprung aufgestellte Vor-Geis, ein ruhig als Einsiedler grasender Gemsbock war vielleicht von einem talentvollen Schnitzler ziemlich naturgetreu wiedergegeben worden, und die ganze große Schaar der übrigen Gemsenschnitzler warf sich als Freibeuter über dieses Prototyp her und copirte es, je nach den subjektiven und individuellen Fähigkeiten, gut oder krüppelhaft. Woher kam es, daß man noch jüngst in den bedeutendsten Magazinen von Interlaken, Bern, Thun, Brienz etc. so wenig Gemsengruppen sah, in denen lebhafte Action ausgedrückt wurde? Eben daher, daß den Schnitzlern gute Vorbilder fehlten und sie von sich aus nicht fähig waren, das Thier anders als in ebenmäßig passivem Zustande darzustellen. Hierzu gesellte sich nach und nach noch eine den Fremden zu Lieb ausgebeutete Unwahrheit, eine Carrikirung der Natur. Die Schnitzler nahmen im Laufe der Zeiten wahr, daß Damen und elegante Touristen, welche für ihren Schreibsecretair, für ihren Curiositäten-Tisch daheim eine Gemsengruppe kaufen wollten, immer denen den Vorzug gaben, welche am kokettesten mit spindeldürren Steckelbeinchen, am ballettänzerhaftesten, am blasirtesten geschnitzt waren. Die „Holzschnäffler“, welche recht wohl wußten, daß die Gemse derben Knochenbau, eisenfeste Schenkel und gar nicht so feenhaft zarte Spinnebeine hat, die dem Thiere bei seinen lebensgefährlichen Sprüngen schlechte Dienste leisten möchten, zogen es vor, der Thorheit der Fremden, der sublimen Geschmacksverirrung zu huldigen und eine ganz neue Species von Gratthieren zu schaffen. Als ich im vorigen Sommer einem der besten Gemsenschnitzler, dem im Rosenlaui-Bade stationirten Jean Zurflüh[1] von Meiringen, dahin bezügliche Bemerkungen machte, holte er mir aus einem Winkel seines Ausstellungs-Glaskastens einen pompös in Nußbaumholz geschnitzten, strammen, derbbeinigen Gemsbock. „Den kauft mir kein Mensch ab,“ sagte er lachend, „d’Lüt wei derige Gamsche nöd.“ Später hörte ich die gleiche Aussage von anderen Schnitzlern bestätiget.

Seit den letzten Jahren hat sich bezüglich der einseitigen Auffassung, der incorrecten Zeichnung, der beschränkten Formen-Auswahl viel gebessert. Verschiedene Factoren haben dazu beigetragen. Zuvörderst gebührt der Regierung des Kantons Bern die Anerkennung, daß sie zur Aufhülfe besseren Zeichen-Unterrichtes und praktischer Anleitung im Jahre 1852 in Gadmen und 1854 in Meiringen unter Leitung des Bildhauers Lüthi von Solothurn Schnitzlerschulen etablirte und mit Geldmitteln begabte, in denen arme Knaben Unterricht empfingen. Ja, letzteren wurden sogar, da den meisten alle und jede Mittel fehlten, die erforderlichen Werkzeuge auf Staatskosten angeschafft und geschenkt. So wurde dem namentlich in diesem Kantonstheil furchtbar im Aufblühen begriffenen Proletariate auch von dieser Seite entgegengearbeitet. Leider soll der Besuch der Schulen so unregelmäßig gewesen sein, daß dieselben wieder eingehen mußten. – Von wesentlichem Einfluß auf die Geschmacksverbesserung war es ferner, daß große Unternehmer, mit guten Kenntnissen ausgerüstete Fachmänner die bisher von Schnitzlern ganz auf eigene Faust ausgeübte Kunst systematisch organisirten, fabrikmäßig zu betreiben anfingen, gute Vorlagen beschafften und auf eine Verbesserung und Abklärung des Geschmackes hinwirkten. Solche Progressisten sind namentlich die Herren Gebrüder Wirth in Brienz und Kunsthändler Wald in Thun, von denen gleich ausführlicher die Rede sein wird. Immerhin ist’s wunderbar, daß diese Leute bei ihrer enormen Material-Fülle, die sie in Modellen aus Paris beziehen, nicht einmal die vortrefflichen Rittmeyer’schen Zeichnungen in „Tschudi’s Thierleben der Alpenwelt“ kannten.

Ein, wenn man will, fabrikähnlicher Betrieb des Geschäftes nach bestimmten Branchen bestand schon früher; nur dadurch konnte jeder dieser Empiriker einigermaßen es zur Vollkommenheit in einem Fache bringen, daß er sein ganzes Leben hindurch ein und dasselbe Modell oder doch ganz verwandte bearbeitete. So ist noch heutigen Tages die Arbeit ziemlich ausgeschieden. Die kleinen, puppenhaften Berner-Oberländer Holzhäuschen, mit den steinbelasteten Dächern, grünen Jalousieen und fein durchbrochenen Lauben-Geländern, die so saftig-braun aus Mahagoni-Fournitüren und tannenem Resonanzbodenholz construirt werden und in allen feinen Spielwaarenläden Deutschlands zu haben sind, kommen meist aus Iseltwald (nördlich unterm Faulhorn am Brienzer-See gelegen), während das gegenüber am anderen Ufer liegende Oberried fast nur Salat-Bestecke liefert. Einer der besten Baumeister dieser pygmäischen Holzhäuser ist Ulr. Abegglen in Iseltwald. – Meiringen und Guttannen im Hasli-Thal galten lange Zeit als die Orte, wo die meisten Gemsengruppen geschnitten wurden, und wieder andere hatten besonderen Ruf für Cassetten u. dergl. m.

Jetzt ist Brienz, gegenüber den berühmten Gießbach-Fällen, unstreitig der Hauptort der Holzschnitzerei, und jeder Tourist, welcher das Berner Oberland bereist, sollte nicht unterlassen, die dort etablirten Fabriken und einzelnen Künstler zu besuchen. An der Spitze derselben steht das Etablissement der Herren Gebrüder Wirth (geborene Elsasser), die in einem langen Gebäude über 200 Arbeiter in den verschiedensten Branchen beschäftigen, an Ort und Stelle aber nichts verkaufen. Wir geben in beikommender Zeichnung einen ihrer Arbeitssäle. Ihre Magazine sind in Paris (Bv. des Italiens 17 und Rue d’Hauteville 40). Sie zählen die besten Schnitzler zu den Ihrigen, unter denen Joh. Huggler und Rud. Trauffer für Figuren, Jakob und Peter Thomann und Peter Fischer für Ornamente zu nennen sind. Hier geht die persönliche Kunstfertigkeit, das freie selbstbildende Schaffen Hand in Hand mit dem Dienst der Maschine, mit der mechanischen Vervielfältigung eines Modells. Die Theilung der Arbeit ist hier, so viel möglich, Grundgesetz des Geschäftsbetriebes geworden. In einem der Säle arbeiten die Schreiner, welche mit Hülfe der Circular-Säge und anderer durch Wasserkraft in Bewegung gesetzter Instrumente aus großen Nußbaumbohlen die platten Wände zu den reizenden Cassetten zuschneiden, die für zarte Frauenhände der cultivirten Welt beider Hemisphären bestimmt sind. Daneben ist ein Saal, in welchem minutiöse strohhalmbreite Vertical-Sägen, durch Wasserkraft und Brangen in Bewegung gesetzt (ähnlich wie die breiten Blätter einer Sägemühle), senkrecht sich hebend und fallend in ungemein rapidem Tempo arbeiten. An diesen feinen Schneide-Mechanismus bringt der Arbeiter einen handhohen, glatt vorgerichteten Nußbaumklotz, auf dessen oberer Fläche in scharfen, zarten Linien eine Arabeske, ein gothisches Ornament oder irgend ein Dessin gezeichnet ist. Mit großer Fertigkeit dreht und schiebt der Arbeiter den Klotz, daß der Sägenschnitt den Zeichnungen in den feinsten Wendungen folgt, und binnen wenig Minuten (wenn die Figur nicht sehr complicirt ist) zeigt sich der Block als ausgesägtes Stirnprofil irgend einer eleganten Verzierung. Er wandert nun in eine zweite Hand. Diese bringt ihn abermals an eine Vertical-Säge, welche im Querschnitt bleistiftdicke oder noch dünnere Scheibchen davon absägt, reizend gestaltete, durchbrochene Täfelchen nunmehr darstellend. Noch immer aber sind es rohe Formen. Jetzt erst kommen diese Täfelchen in die Werkstätten der Schnitzler, welche mit Hohlmeißeln und feinen Grabsticheln die Kreuzrippen und Quergurte aushöhlen, die sich durchschlingenden und umrankenden Ornamentzweige abrunden, hohlkehlen und gleichsam ciseliren. Diese in ihren Größen genau berechneten, „niedlinetten“ Verzierungsplättchen werden nun auf die platten Wände der Cassetten, auf die Flächen der vorgerichteten Rahmen, Lesepultchen, Meubles und was sie überhaupt schmücken sollen, so fein befestiget, daß sie wie aus einem Stück geschnitzt erscheinen. Mit dem Braunbeizen ist die eigentliche Holz-Arbeit beendet. In diesem halbfertigen Zustande sendet die Fabrik ihre Producte nach Paris. Dort erst werden sie völlig garnirt, die Cassetten mit Scharnieren und Schlössern versehen, mit Sammet ausgeschlagen, überhaupt für den Verkauf und Export erst vollendet. Dies ist aus dem fabrikativen Betriebe beispielsweise nur ein Bild; die Vielseitigkeit des Geschäftes in seinen andern Branchen zu schildern, mangelt hier der Raum. Der Katalog dieser Fabrik enthält allein 900 Nummern verschiedener hier verfertigter Gegenstände. Unser Bild stellt einen Schnitzlersaal dar, wo Uhrengestelle und Spiegelrahmen, Weihwasserkessel und Reliquienschreine, Kartenhalter und Lichtschirmträger, Zündholzkästli und Damen-Necessaires, Consolen mit heidnischen Karyatiden und Schreibzeuge mit alpinen Thiergruppen, kurzum Artikel des Luxus, wie sie das gesteigertste Bedürfniß der noblen Welt, die größte Eleganz nur verlangen mag, gefertigt werden. Man lasse sich von Herrn Flury-Urfer zum Kreuz in die Fabrik der Herren Wirth führen, um dort Modellkammern zu sehen, die sicherlich das Schönste wie ein Museum in sich vereinen, was die moderne Holzschnitzlerkunst produciert hat. Mit gleicher Anerkennung muß indeß auch anderer derartiger sehr tüchtiger Werkstätten gedacht werden, die leichtere, courante Waare, namentlich viel in Ahorn- und Legföhren-Holz liefern. Zu diesen gehören namentlich die der Herren Joh. Flück, Michel und Abplanalp, J. M. Roetter und Comp. und Jacob Wyder in Brienz. Als geschicktester Blumenschnitzler unserer Tage gilt Andreas Baumann daselbst, und die Gebrüder Bury in Ringgenberg (unweit Interlaken) haben großen Ruf als Gemsen-Sculpteurs.

Außerdem arbeiten aber noch Hunderte von Familien daheim in ihrem Stübli mit den Kindern und verkaufen die Producte ihrer Kunstfertigkeit an die Händler, unter denen die Firma Wald in Thun eine der ersten Stellen einnimmt. Auch dieses Geschäft hat große Verdienste um die Hebung der Schnitzlerkunst und stellte seiner Zeit in Bern bei der dritten schweizerischen Industrie-Ausstellung die reichste Sammlung künstlerisch gearbeiteter Stücke aus. Sein bester Ornamenten-Schnitzler ist Joh. v. Almen.

Zu den feinen und gut ausgeführten Schnitzereien wird, wie schon bemerkt, Nußbaumholz verwendet, für die minder kostbaren das des Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus); doch ziehen die Schnitzler das Holz der „Lenne“ (Acer platanoïdes) jenem noch vor, weil es von feinerem Gewebe und noch weißer und zäher sein soll. Für Löffel, Salatscheeren, Serviettenbänder, Nußknacker und ähnliche Producte der geringsten Sorte benutzt man meist das sehr feste, theils okerröthlich, theils gelbweiß aussehende Holz der Legföhre (Pinus pumilo). Arme Leute machen es sich zur Aufgabe, geeignete Stämme des letzteren, oft mit Lebensgefahr, vom Gebirge zu holen, namentlich von Wänden, deren Föhren-Gestrüpp nicht unter dem Schutz und der Wacht der Forstbehörden steht. – Als Seitenzweige sind die mit Schweizerlandschaften bemalten Holzschnitzereien zu betrachten, die, seit 1833 besonders von den Gebrüdern Wirtz in Bern, für alle Gegenstände unserer Kunst, sogar für Meubles in Anwendung gebracht werden.

Für Brienz sind der Tourismus und die Holzschnitzkunst von besonderer Bedeutung. Die Tradition der Brienzer Schnitzereien geht auf das Jahr 1816 zurück. Damals zwang eine Hungersnot die Menschen, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen. Geschickte Handwerker wie beispielsweise Christian Fischer (1790–1848) verstanden es, mit dem steigenden Tourismus auch den Verkauf von Holzskulpturen zu verbinden. Aus Gegenständen des täglichen Bedarfs wurden filigrane Kunstwerke entwickelt, die auf Weltausstellungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erfolgreich präsentiert wurden. Beispiele für Holzschnitzereien aus Brienz sind Tierskulpturen sowie Gebrauchsgegenstände mit Tierfiguren und die sogenannten Edelweiss-Möbelstücke. Die Schule für Holzbildhauerei ist die einzige Institution in der Schweiz, in der das Holzbildhauerhandwerk erlernt werden kann. Sie wurde 1884 als Schnitzlerschule Brienz gegründet. Seit 1928 ist sie eine Fachschule und Lehrwerkstatt des Kantons Bern. Die 1944 gegründete Geigenbauschule Brienz ist die einzige Fachschule für Geigenbau in der Schweiz.

Der deutsche Michel ist eine vermutlich schon in der Renaissance entstandene nationale Personifikation der Deutschen, die heute fast nur noch in der Karikatur Verwendung findet.

Sein auffallendstes Attribut ist seine Schlaf- bzw. Zipfelmütze. Die frühesten bildhaften Darstellungen des Michels datieren auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seine bildliche Ausformung bezieht sich auf literarische Vorläufer bzw. ein volkstümliches Verständnis der Figur. Den eigentlichen Höhepunkt seiner Popularität erreichte der Michel bereits in den 1840er Jahren.

Eigenschaften und Wesen der Figur sind bis heute ein Politikum. Die Ansicht, der Michel würde auf den Erzengel Michael (Schutzpatron Deutschlands seit der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955) oder den Reitergeneral Hans Michael Elias von Obentraut zurückgehen, ist bis heute weit verbreitet. Es finden sich für beide Behauptungen keine stichhaltigen Belege. Hinsichtlich der Einflüsse durch die Figur des Heiligen Michael existieren zumindest interessante Hypothesen (Stichwort: Pilgerfahrten zum Mont-Saint-Michel oder die Rolle des Schutzheiligen bei der Christianisierung Norddeutschlands). Die früheste belegte Überlieferung findet sich in einem von Sebastian Franck 1541 herausgegebenen Sprichwörterbuch – also einige Jahrzehnte vor Obentrauts Geburt. Der deutsche Michel bezeichnet hier einen Dummkopf, Tölpel und Fantasten. Auch in anderen zeitgenössischen Quellen findet sich ein ähnliches Verständnis.

1910 wurde in Bad Liebenwerda der Michelbrunnen errichtet.

In der Wissenschaft hat sich heute allgemein die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei der Redewendung „ein deutscher Michel“ um eine Geburt der Renaissance handelt. Der Humanismus in Deutschland hatte sich das Latein zur Sprache gewählt. Dadurch entstand zwischen der Sprache der Bildung und der des Volkes eine Kluft. Dies führte zu einer geistigen Kultur, die den Anschluss an das Ausland suchte. In diesem Zusammenhang entstand die Redewendung vom „teutschen Michel“ vermutlich in einem Zusammenspiel ausländischer Stereotype der Renaissance vom völlernden, saufenden und schlaftrunkenen Deutschen mit dem ebenso negativ belegten deutschen Bauernbild des ausgehenden Mittelalters.

Entgegen den frühesten, rein pejorativen Verwendungen wurde die Figur – einfach, ungebildet und unkundig in fremden Sprachen – in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zum kulturemanzipatorischen Symbol einer reinen, deutschen Muttersprache – so etwa bei Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Mobilisiert wurde der Begriff bereits um 1630 im Kampf gegen die Fremdwörter, und zwar als Titel eines satirischen Flugblatts, Teutscher Michel, das zu den merkwürdigsten Erscheinungen des deutschen Sprachpurismus gehört: Ich teutscher Michel / Versteh schier nichel / In meinem Vatterland / Es ist ein schand. Noch Mitte des 18. Jahrhunderts verwandte Gottlieb Wilhelm Rabener den Begriff, um die allgemeine Geringschätzung für die deutsche Dichtung zu beklagen. Parallel dazu gewann die Figur des „Vetters Michel“ an Popularität. Die ihr zugeschriebenen Eigenschaften waren Gemütlichkeit, Biederkeit und ein privates wie öffentliches Ruhebedürfnis. Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich in humoristischen Periodika und in der Literatur verschiedene Deutungen. Häufig ist er darin als Opfer von Unterdrückung in einer masochistischen Rolle dargestellt.

Am häufigsten finden sich zweifellos Michel-Darstellungen, die auf den naiven Bauernburschen bzw. den gemütlichen Biedermann anspielen. In Joseph Eiseleins Wörterbuch der deutschen Sprichwörter und Sinnreden von 1840 bezeichnet der Begriff „das ganze schwerleibige deutsche Volk“; die Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie von 1846 sieht im Michel die Personifikation der „Thorheiten und Verkehrtheiten“ der deutschen Nation. Grundsätzlich ist die Gestalt zu dieser Zeit bereits das Kollektivsymbol für das deutsche Volk bzw. dessen Wesensart im heutigen Sinne.

Ernst Moritz Arndt versuchte wie einige andere seiner Zeitgenossen das überlieferte Michelbild in einen neuen Traditionszusammenhang zu überführen. Aus der Annahme, es gäbe ein synonymes Verhältnis zwischen dem Michel-Begriff und der deutschen Mentalität, schloss er, dass die Eigenschaften des Michels in Abhängigkeit von den politischen Verhältnissen und der historischen Entwicklung stehen, was für die Michelbilder seiner Epoche durchaus richtig war. Seine daran anschließende, mythologisch verklärte und polemisierende Rückführung der Charakteristika des Michels auf den Typus eines mittelalterlichen Wehrbauern strapaziert die Etymologie des deutschen Michel weit über Gebühr. Ähnlich irreführende Ansätze, wie die Spekulation über den Reitergeneral Obentraut als Namensgeber, sind – obgleich in der Wissenschaft bereits seit über hundert Jahren widerlegt – bis heute noch immer weit verbreitet.

Im Jahre 1905 schrieb Fritz Stavenhagen seine niederdeutsche Bauernkomödie De dütsche Michel, die aus fünf Akten besteht.

Die Komödie ist auf die Figur des ewigen deutschen Michel, der im Bauernturm steckt zugeschnitten. Er verweigert den Lebenden, wie hier einem Grafen und einem Dichter, alles was sie fordern könnten, während er bereit ist den Toten alles zu geben.

Im Jahre 1951 bearbeitete Albert Mähl das Stück für den Hörfunk, welches vom NWDR Hamburg als Mundart-Hörspiel produziert und am 18. September 1951 erstgesendet wurde. Unter der Regie von Hans Freundt sprachen zahlreiche Ensemble-Mitglieder des Ohnsorg-Theaters.

Ebenfalls im Jahre 1956 schrieb Albert Mähl das Hörspiel:

    Fritz Stavenhagen. Eine Hörfolge über Werk und Leben des ersten niederdeutschen Dramatikers neuerer Zeit zur 50. Wiederkehr seines Todestages am 9. Mai 1956 mit Proben aus Der Lotse, Mudder Mews und De dütsche Michel

In dieser NDR-Produktion waren unter der Regie von Hans Tügel u. a. Heinz Klevenow als Graf Malin, Walter Klam als Von Maltzahn und Hilde Sicks als Ivanak, Tochter von Plessens zu hören.