Wird der Mensch, dessen Herz zu träge ist„um das Rad des Unheils aufzuhalten, zum Komplicen des Verbrechens?
Das ist das zentrale Problem, das Hans Habe in seinem Roman Die Mission bewegt..
Die Handlung spielt vornehmlich zwischen dem 6. und 15. Juli 1938, in den neun Tagen einer internationalen Konferenz, die in Evian-les-Bains am Genfer See tatsächlich stattgefunden hat. An der Konferenz, vom Präsidenten der Vereinigten Staaten in letzter Stunde einberufen, nehmen zweiunddreißig Nationen teil. Sie sollen die von Hitler Verfolgten retten. Vielleicht ist es noch nicht zu spät: Gewährt man ihnen Asyl, kann man
Millionen vor der Vernichtung bewahren. Bei dieser Konferenz erscheint ein ungebetener Gast: Professor Heinrich von Benda. Er kommt ungebeten wie das Gewissen; seine Mission ist konkret. Der Statthalter der erst jüngst angeschlossenen ››Ostmark« hat den soeben aus dem Gefängnis entlassenen Juden, einen weltberühmten Chirurgen, in geheimer Mission nach Evian entsandt. Er soll der Konferenz mitteilen, daß Deutschland bereit ist, seine Juden unter gewissen Bedingungen zu verkaufen. Der Preis: zweihundertfünfzig
Dollar »pro Stück«.
Die Konferenz von Evian ist heute vergessen. Die Welt mußte, die Welt wollte sie vergessen, denn ihre Geschichte ist eine einzige furchtbare Anklage gegen die Trägheit des Herzens. Mehr als fünfundzwanzig Jahre hat der Autor, der an der Konferenz als Korrespondent des Prager Tagblatt teilnahm, diese Anklage »wie eine Last und eine Verpflichtung« getragen. 1965 hat Hans Habe sein »J'accuse« vorgelegt.
Unter der Hand des »geborenen Romanciers«, wie Thomas Mann den Autor dieses Buches genannt hat, wächst der »Fall« ins Allgemeingültige. Die Mission ist kein bloßer Tatsachenbericht. Es ist die Tragödie eines einzelnen, eines alten Mannes der mit der ganzen Apparatur der Politikt konfrontiert wird. Übermenschlich, ja unmenschlich ist die Problematik, die sich vor Professor von Benda auftürmt. Wird der Mann, der Menschen als Ware anbietet - auch wenn er sie retten will - zum Menschenhändler, zum »umgekehrten Shylock«? lst Lösegeld, an Erpresser
bezahlt, eine Verbeugung vor der Rechtlosigkeit? Fragen, die auch theoretisch schwer zu entscheiden sind - um wieviel schwerer aber, wenn das eigene Leben von der Antwort abhängt? Soll Professor von Benda die Mission zur Flucht nutzen? Wie soll er mit dem Mangel an Phantasie, mit der Indolenz, mit der Trägheit der Herzen fertig werden, die ihm während der Konferenz zweiunddreißigfach entgegentritt? Man wird Die Mission lesen können als den Bericht von einer internationalen Konferenz, die den Mechanismus von Konferenzen dieser Art
durchleuchtet. Man wird Die Mission als eine durch die erstaunliche Materialfülle verblüffende geschichtliche Enthüllung lesen können, die nur ein Zeuge der Ereignisse aufzeichnen konnte.
Aber so erregend die Kämpfe hinter den Kulissen von Evian geschildert werden- wie kaum ein anderer Romancier versteht sich Hans Habe auf das breite Panorama des Menschlichen: Erregender ist der Kampf eines kranken Herzens gegen die Trägheit des Herzens. In Evian steht der große Chirurg Heinrich von Benda nicht nur den Vertretern von zweiunddreißig Staaten, er steht auch sich selbst gegenüber. Wer ist er? Shylock oder Moses? Ein Moses ohne Gott, wie er selbst sagt, ein Moses, der vergebens die Hand hebt: Das Rote Meer der Trägheit weicht nicht zurück. Nun ein Romzıncier, der zugleich Zeuge der historischen Ereignisse wurde, konnte dieses gewaltige Thema meistern. Mit der Gestalt des Professors von Benda und der Darstellung seiner verzweifelten Mission in einem Ozean der Gleichgültigkeit ist Hans Habe ein Werk gelungen, das sich inzwischen einen Platz in der großen Romanliteratur erobert hat. 
Die Mission wurde soeben zum zweitenmal verfilmt, diesmal unter der Regie von Erika Szántó als Spielfilm. Gedreht wurde an den Originalschauplätzen in Wien, Evian, Genf und Budapest.