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Moffie

Moffie ist ein Filmdrama von Oliver Hermanus, das 2019 im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig seine Premiere feierte. Der Film basiert auf dem autobiografischen Roman Moffie: A Novel von André Carl van der Merwe, in dem er die Verfolgung schwuler Männer während der Apartheid zur Zeit des südafrikanischen Grenzkrieges beschreibt.

Südafrika 2019, 103 Minuten, Originalfassung in Englisch und Afrikaans mit deutschen und englischen Untertiteln

FSK 16

Südafrika 1981, zur Zeit der Apartheid: Wie alle weißen jungen Männer muss auch Nicholas Van der Swart seinen zweijährigen Militärdienst leisten, um das Regime vor der Bedrohung durch den Kommunismus und die „Schwarze Gefahr“ zu verteidigen. Dass Nicholas schwul ist, darf niemand wissen, denn wer in der Truppe als „Moffie“ erkannt ist, wird brutal schikaniert und gequält. Doch dann verliebt sich Nicholas in seinen Kameraden Dylan …

Mit epischer Bildsprache zeigt Oliver Hermanus’ authentisches Soldatendrama, wie das Apartheid-Regime neben all seinen rassistischen Gräueltaten auch unzählige weiße junge Männer körperlich und physisch zugrunde gerichtet hat – durch das staatliche Verlangen, Homosexuelle und alle anderen „Abweichler“ aus der südafrikanischen Gesellschaft zu beseitigen.

DIRECTOR’S STATEMENT
OLIVER HERMANUS ÜBER SEINEN FILM

Ich wusste nicht sehr viel über den Grenzkrieg zwischen Südwestafrika (heute Namibia) und Angola, und ich wusste nicht viel über die Generation weißer südafrikanischer Männer, die in diesem Krieg kämpfen mussten. Ehrlich gesagt habe ich mir über die Probleme weißer Südafrikaner nie viel Gedanken gemacht. Angesichts der Mühen und Kämpfe meiner farbigen Eltern und der Menschen vor ihnen glaubte ich, dass alle weißen Menschen in Südafrika ein gutes Leben führten. Zum größten Teil stimmt das auch. Das System bevorzugte sie, es war durch und durch unfair und unverzeihlich. Deshalb machte ich mir in den Achtzigerjahren nie Gedanken über weiße schwule Jugendliche, ich hielt sie nicht für Feinde des Staates. Dieser Film handelt von einem solchen Jugendlichen. Weiß, achtzehn Jahre alt und auf dem Weg in die Illegalität.

In den vergangenen zwanzig Jahren sind viele Geschichten über das Apartheidsystem erzählt worden und über die Leben, die es ruinierte, die Helden, die es hervorbrachte und den Zoll, den es dem Erbe des südafrikanischen Volkes abverlangte. Doch hier geht es um einen komplexeren Aspekt – die verborgene Geschichte der weißen Männer, die die Propagandamaschinerie der Apartheid ertragen mussten. Viele von ihnen wurden durch die Einberufung in die Armee zugrunde gerichtet; fast eine Million weißer Jungen wurden gezwungenermaßen mit der Ideologie weißer Überlegenheit infiziert, mit rassischer Intoleranz und dem Verlangen, Homosexualität und Kommunismus aus der südafrikanischen Gesellschaft auszutilgen. Obwohl er der herrschenden Rasse angehört, ist das Leben unserer Hauptfigur Nick in Gefahr. Er ist Eigentum des Staates und soll ohne Widerstand und ohne zu fragen dessen Ziele verteidigen, obwohl sie nicht verteidigt werden können. Ihm wird befohlen, sich für die Ziele der Regierung aufzuopfern und den Tod in Kauf zu nehmen. Der Krieg, in dem er kämpft, ist sinnlos, und die menschlichen Opfer sind vergebens. Er ist unschuldig einem rassistischen Terror ausgesetzt worden, und am Ende kann keine Partei einen echten Sieg verbuchen. Unsere Geschichte ist die Geschichte von Nicholas‘ Überlebenskampf, in dessen Verlauf er Verluste und Leid ertragen muss, doch am Ende weiß er, welche Rolle ihm in „diesem“ Südafrika zukommt.

Es muss gesagt werden, dass Angehörige dieser Generation, die in der Armee nicht nur für den Krieg an der Grenze, sondern für den Alltag Südafrikas geprägt wurden, noch heute am Leben sind. Es sind Väter und Brüder, Söhne und Onkel. Sehr wenige von ihnen reden über ihre Zeit bei der Armee, als habe es die Militarisierung dieser Jungs kurz vor dem Fall der Apartheid nie gegeben. Doch die Erinnerung ist noch am Leben, und selbst bei denjenigen, die nicht schwul waren oder Widerstand gegen das System geleistet haben, ist der Schaden groß und noch immer vorhanden. Dies ist ein Film darüber, wie fast ein Jahrhundert lang südafrikanische Männer gemacht wurden.

Unser Titel „Moffie“ ist ein drastischer, abwertender Ausdruck in Afrikaans für „schwul“. Er ist eine südafrikanische Waffe, um schwule oder effeminierte Männer zu beleidigen. Wenn man dieses Wort das erste Mal hört, versucht man, sich davor zu verstecken. Man beginnt, sich zu verstellen, man tut so, also wäre man jemand anderes. Die Schande ist sofort real, man merkt, dass man entdeckt und aussortiert wurde. Das Wort sagt, du bist schlecht, du hast kein Recht, akzeptiert oder gemocht zu werden, und jeder kann dich zurückweisen. Und zur Zeit der Apartheid war man, genau wie schwarze Männer und Frauen, kriminell. Deshalb musste man ihn beseitigen, ihn verbergen, ihn töten – den „Moffie“ in sich selbst.

INTERVIEW
IM GESPRÄCH MIT OLIVER HERMANUS

Was inspirierte Dich dazu, André-Carl van der Merwes berühmte Erinnerungen zu verfilmen?
Als ich das Buch das erste Mal las, war ich von der Struktur der Geschichte und den Details beeindruckt, mit denen es von diesem Abschnitt unserer Geschichte erzählt. Ich wusste nichts über die Behandlung schwuler Rekruten, über die psychiatrische Behandlung in Ward 22 oder den Schaden, den dieses System so vielen Männern zugefügt hat. Ich spürte deutlich, dass „Moffie“ einen Wert hatte, der auf die Kinoleinwand gebracht werden musste.

Welcher Aspekt der Geschichte beeindruckte Dich vor allem?
Im Zentrum dieses Films steht ein Wort, „moffie“. Jeder schwule Mann in Südafrika kennt dieses Wort und hat eine Beziehung dazu. Es ist eine Waffe, die schon so lange gegen uns benutzt wird. Ich spürte den starken Drang, meine eigene Geschichte mit diesem Wort zu erkunden, und sie wurde schließlich eine Szene im Film. Ich glaube, im Kern meiner Entscheidung, diesen Film zu machen, steht der Wille, dieses Wort „abzurüsten“ und zu reformieren.

Fragen der Identität und Sexualität haben heute eine größere Bedeutung als 1981, dem Jahr, in dem die Geschichte spielt, siehst Du das auch so?
Vollkommen. Wir leben in einer globalen Kultur und erleben noch immer die Verfolgung der LGBT-Gemeinschaft auf der ganzen Welt. Zur gleichen Zeit wird die Stimme dieser globalen Gemeinschaft lauter gehört als je zuvor. Ein Film wie „Moffie“ soll uns daran erinnern, woher wir kommen, was wir ertragen und erlitten haben und weshalb es so wichtig ist, niemals aufzuhören, sich stolz zu Wort zu melden.

Manche meinen, „moffie“ habe eine abwertende Bedeutung, andere gebrauchen das Wort als eine Art Kosename. Wie verstehst Du es?
Ich verstehe es als eine Waffe und vermeide es, das Wort zu benutzen. Für mich ist es noch immer ein Stigma. Diesen Film zu machen gab mir die Möglichkeit, mit anderen schwulen Männern über ihre Beziehung zu diesem Wort zu reden. Ich glaube, die meisten empfinden dabei noch immer Schmerzen. Ich bin sehr dafür, sich das Wort anzueignen, aber ich hoffe, ihm dadurch, dass ich es als Titel des Films benutze, einen Teil seiner Giftigkeit zu nehmen – wie es schon das Buch getan hat.

Erzähl mir von einigen Aspekten, ein Moffie zu sein, wie sie im Film gezeigt werden.
Der Film fokussiert in erster Linie auf Männlichkeit. Er erkundet, wie weiße südafrikanische Männer seit mehr als hundert Jahren geprägt wurden. Wie das System der Apartheid, die Armee und die konservative Ausrichtung dieses Landes den jungen Männern eine Ideologie von Überlegenheit und Hass eingetrichtert haben. In diesem Kontext ist es ein Verbrechen, ein Problem, ein Fehler, ein Moffie zu sein.

Wie bist Du als Filmemacher mit diesen Themen umgegangen?
Mit umfangreichen Recherchen. Für mich persönlich kam es darauf an, am Kern des Themas festzuhalten – dass es ein System von Hass und Aussonderung war und die Zielsetzung bei der Einberufung von Rekruten darin bestand, dieses System zu schützen und zu stärken. Diesen Prozess will ich im Film zeigen, das Publikum soll Zeuge dieser Indoktrination werden und sie selbst spüren.

Was meinst Du, warum war es so schwer für junge Rekruten in dieser Periode der südafrikanischen Geschichte, mit ihrem Schwulsein klarzukommen?
Aufgrund der simplen Tatsache, dass es als Verbrechen angesehen wurde und gefährlich war. In dieser Zeit war die Gesellschaft entschlossen, schwule Männer und lesbische Frauen zu einem Leben im Verborgenen zu zwingen.

Glaubst Du, dass sich viel geändert hat, selbst angesichts der Unterstützung der Rainbow Nation durch die Verfassung?
In der Armee bin ich mir da nicht so sicher. Doch in der allgemeinen Öffentlichkeit hat sich etwas geändert. Ich glaube, allein die Tatsache, dass ich solch einen Film machen kann, ist ein Beweis dafür.

Schwule im Militär sind auf der ganzen Welt ein Problem. Woran liegt es Deiner Meinung nach, dass diese Umgebung eine solche Konfrontation erzeugt?
Ich glaube, das liegt in der Natur des Militärs – es ist ein durch und durch männlicher, heterosexueller Raum, der in hohem Maß von Männern bevölkert ist. Ich glaube, dieser Rahmen schafft die Erwartung und die Annahme, dass alle Männer im Militär heteronormativ sein wollen. Allerdings sehen wir jetzt, dass sich das ändert.

In Ihrem Film „Skoonheid“ erforschst Du die Psyche eines jungen Mannes, der das Objekt der Begierde eines älteren Mannes wird. In „Moffie“ erkundest Du die Sexualität eines schwulen Mannes, der von der Gesellschaft und den Gesetzen der Apartheid ins Gefängnis geworfen wird. Wie hängt das zusammen?
„Skoonheit“ handelt von Unterdrückung und Selbsthass, wogegen „Moffie“ erzählt, wie es dazu kam – durch Scham und Indoktrination. Die beiden Filme gehen natürlich Hand in Hand, man könnte sogar sagen, dass „Moffie“ das Vorspiel ist, aber ich glaube, ihre Botschaften sind sehr unterschiedlich. „Moffie“ handelt von der Reise eines schwulen Mannes durch das SADF, doch er beschreibt ebenfalls die Reise einer ganzen Generation weißer Männer, schwul und hetero. Sie alle bekommen seine Aufmerksamkeit.

War es ein schwieriger Weg von den Dreharbeiten zum Film?
Der Weg dauerte vier Jahre! Ich würde sagen, das Haupthindernis war das Casting. Weil die Figuren allesamt um die 18 Jahre alt sind, hatten wir es mit einer schwierigen Altersgruppe zu tun. Wir brauchten über ein Jahr, um die wichtigsten Rollen zu besetzen, und waren begeistert von all den unentdeckten Talenten Südafrikas.

Erzähl mir von den Schauspielern und davon, wie Du sie dazu gebracht hast, den Figuren Leben zu verleihen.
Die Darsteller setzen sich aus Oberschülern, ausgebildeten Schauspielern, Laiendarstellern und realen Figuren zusammen. Sie haben viel Zeit mit einem Militärausbilder verbracht, der ihnen die SADF-Grundausbildung vermittelt hat. Sie haben gelernt, mit R1-Gewehren zu schießen, und was militärischer Drill bedeutet. Danach verbrachte ich einige Wochen mit ihnen bei Proben in Cape Town, um ihnen so viel geschichtliches Wissen wie möglich über diese Zeit zu vermitteln.

Welche Wirkung auf das Publikum wünschst Du Dir für „Moffie“?
Ich hoffe, das Publikum wird eine ganz persönliche Erfahrung machen. Der Film kommt von Herzen und ist emotional. Ohne Frage wird er bei manchen Erinnerungen an ihre eigene Zeit beim Militär wachrufen, aber ich glaube, in erster Linie drückt der Film auf die Tränendrüse. Ein paar Tränen wären nicht schlecht (lacht)!

BIOGRAFIE

OLIVER HERMANUS wurde 1983 in Kapstadt geboren. Er studierte Film an der London Film School. Für seine Filme wurde er weltweit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Sein Debütfilm „Shirley Adams“ wurde 2009 im Wettbewerb von Locarno uraufgeführt. Sein zweiter Film „Skoonheid“ lief 2011 in Cannes in der Reihe „Un Certain Regard“ und wurde mit der Queer Palm ausgezeichnet. Sein dritter Film „The Endless River“ feierte Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig – und war der erste südafrikanische Film, der jemals in den dortigen Wettbewerb eingeladen wurde. „Moffie“ ist Hermanus‘ vierter Film.

Filmografie:

  • 2009

    „Shirley Adams“

  • 2011

    „Skoonheid“ („Beauty“)

  • 2015

    „The Endless River“

  • 2019

    „Moffie“


PRESSESTIMMEN

In der taz bezeichnet Stefan Hochgesand „Moffie“ als „eine eindringliche, wichtige Geschichte darüber, wie menschenfeindliche Militärdoktrin und Homophobie Hand in Hand gehen“.

Jörg Albrecht fasst in Deutschlandfunk Corso zusammen: „In ‚Moffie‘ verflechtet Oliver Hermanus die Härte aus ‚Full Metal Jacket‘ mit der Poesie von ‚Brokeback Mountain‘ zu einem bewegenden Coming-of-Age-Drama, das nicht nur historisch zu lesen ist – schließlich existieren homophobe Männergesellschaften weiterhin.“

Knut Elstermann schwärmt auf MDR Kultur von einem „queeren Meisterwerk“.

In der internationalen Presse wurde der Film u.a. bereits als „brillante Analyse weißer Männlichkeit“ (Variety) und als „Triumph“ (Screen Daily) beschrieben.

CREDITS

CAST

Nicholas Van der Swart

Kai Luke Brummer

Dylan Stassen

Ryan de Villiers

Michael Sachs

Matthew Vey

Oscar Fourie

Stefan Vermaak

Sergeant Brand

Hilton Pelser

CREW

Regie

Oliver Hermanus

Buch

Oliver Hermanus, Jack Sidey

Schnitt

Alain Dessauvage, George Hanmer

Kamera

Jamie D Ramsay

Musik

Braam du Toit

Produktionsdesign

Franz Lewis

Kostümdesign

Reza Levy

Produzenten

Eric Abraham, Jack Sidey

Koproduzent_innen

Theresa Ryan-Van-Graan, Lamees Albertus, Genevieve Hofmeyr

eine Produktion von Portobello Productions

im Verleih von Salzgeber

Handlung

Der 18-jährige Nicholas van der Swart weiß schon lange, dass er anders als die Anderen ist. Es ist das Jahr 1981. Wie alle anderen weißen jungen Männer über 16 Jahren muss auch Nicholas zwei Jahre lang Wehrpflicht in der Armee Südafrikas leisten, um das Apartheid-Regime zu verteidigen. Nach einer Abschiedsparty fährt er mit dem Zug zu seinem Einsatzort.

Trotz seines weichen „englischen“ Aussehens hat Nicholas einen Afrikaans-Namen. Diesen hat er nach der Scheidung seiner Eltern von seinem Stiefvater übernommen. Sein leiblicher Vater hat ihm ein Pornomagazin mitgegeben in dem er ein Foto von sich versteckt hat, das Nicholas wie einen Schatz hütet.

Die militärische Ausbildung ist entmenschlichend, da die Armee versucht, diese Jungen in „Männer“ zu verwandeln und jede Spur von weiblichem oder „schwachem“ Verhalten auszumerzen. Sie werden angeschrien und aufgefordert, keine „Moffies“ zu sein. Während nach und nach einige seiner Kollegen aus dem Dienst genommen werden, kann sich der große und körperlich fitte Nicholas im Dienst beweisen. Die Strafe für Rekruten, die sich bei unzüchtigem Verhalten mit ihren Kameraden erwischen lassen und als zu weich erweisen, reicht von einer körperlichen Bestrafung bis hin zu einer Unterbringung in der gefürchteten „Abteilung 22“, eine Art Irrenanstalt.

Wenn zu den Trainingsaktivitäten jedoch das nackte Schwimmen in einem See und schweißtreibende, oberkörperfreie Volleyballspiele gehören, ist es leichter gesagt als getan, den natürlichen Drang zu kontrollieren. Während einer Übung muss sich Nicholas den begrenzten Platz in einem Schützengraben mit Dylan Stassen teilen. Sie müssen ganz nah zusammenrücken, um nicht zu frieren. Dieser intime Moment hat ein fortan stilles Verständnis der beiden jungen Männer füreinander zur Folge.

Die Truppe muss sich ins Landesinnere bewegen, an die Grenze zu Angola, um Südafrika im „Grenzkrieg“ gegen den Kommunismus, gegen die von der Sowjetunion unterstützte MPLA und gegen die „schwarze Gefahr“ zu verteidigen.

Literarische Vorlage

„Als wir uns von dem Kraal entfernen, taumelt eine Frau von ihrer Hütte durch eine Öffnung in dem primitiven Zaun. Ihr Wehklagen, das schmerzhafte Keuchen, als ihr Schrei verstummt, fährt durch mich hindurch. In diesem Moment weiß ich, dass ich so große Qualen erleide, die so umfassend sind, dass mich in meinen neunzehn Jahren nichts darauf hätte vorbereiten können.“

– Schilderung auf der ersten Seite aus Moffie: A Novel von Andre Carl van der Merwe
Die Parteien im südafrikanischen Grenzkrieg

Der Film basiert auf dem autobiografischen Roman von André Carl van der Merwe über seine Zeit in der Armee, den er 2006 unter dem Titel Moffie: A Novel veröffentlichte. Hierfür verwendete er seine Tagebücher, die er als Teenager und während seines Wehrdienstes führte. Der Roman versetzt den Leser in die Welt eines jungen schwulen Wehrpflichtigen, der ironischerweise ein Regime verteidigt, das seine Identität aktiv unterdrückt, und spielt zur Zeit des südafrikanischen Grenzkrieges, dort auch als „Angolan Bush War“ bezeichnet, der von 1966 bis 1989 in Südwestafrika tobte. In ihm kämpften die South African Defense Force (SADF) gegen die Volksbefreiungsarmee von Namibia (PLAN). Der Krieg führte zu einigen der größten Schlachten auf dem afrikanischen Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg und war eng mit dem angolanischen Bürgerkrieg verbunden. Der Krieg wurde von der Apartheid-Regierung angeblich zum Schutz vor dem Kommunismus geführt.

Van der Merwe beschreibt die fragliche Mission auf der ersten Seite seines Buches eindrücklich: „Ich bin in der Hölle gelandet […]. Gezwungen, Menschen zu töten, die ich nicht kenne, aus einem Grund, an den ich nicht glaube. Mein bester Freund Malcolm sitzt neben mir. Wir sind die einzigen Soldaten hinten auf dem Fahrzeug. Wir sind die einzigen, die noch nie getötet haben, und wir sind die einzigen, die sich nicht freiwillig für dieses Kriegsleben gemeldet haben. Die anderen Soldaten haben dieses Leben gewählt.“ Er widmete das Buch allen Menschen, die in der Armee unter Vorurteilen und den Folterungen von Ward 22 gelitten haben und denjenigen, die heute noch immer darunter leiden.

„Moffie“, der Titel des Buchs, nimmt Bezug auf den afrikaansen Ausdruck für einen Mann, der sich wie eine Frau kleidet und verhält.

Produktion

Stab und Filmtitel

Regie führte Oliver Hermanus, der gemeinsam mit Jack Sidey auch das auf van der Merwes Roman basierende Drehbuch schrieb.Als Hermanus die Memoiren von van der Merwe zum ersten Mal las, war er ziemlich angetan von der Textur und den Details, die er über diesen Teil der südafrikanischen Geschichte erzählte: „Ich wusste nichts über die Behandlung schwuler Wehrpflichtiger, über die psychiatrische „Abteilung 22“ oder den Schaden, den das System so vielen Männern zufügte, und ich hatte das starke Gefühl, dass Moffie eine Macht hatte, die auf einer Kinoleinwand erzählt werden musste.“ Im Zentrum seines Films stehe das eine Wort „Moffie“, das jeder in Südafrika lebende schwule Mann kennt. Sein Wunsch sei es gewesen, dieses Wort mit seinem Film zu denuklearisieren. Hermanus beschreibt den Begriff wie „Sissy“ und „faggot“ (engl. für „Schwuchtel“) in einem Wort und ein Symbol für gescheiterte Männlichkeit ebenso wie für Homosexualität an sich. „Moffie“ sei austauschbar mit „Pädophiler“ gewesen, habe einen Fehler gekennzeichnet und sei ein Gradmesser für die Frage gewesen: „Bist du ein Mann oder nicht?“ In diesem Sinne sei das Wort ein wichtiges psychologisches Instrument im Arsenal der Depersonalisierung und Brutalisierung der Bootcamps gewesen und ein Stempel, den es um jeden Preis zu vermeiden galt. Ebenso sei „kommunistisch“ austauschbar mit „terroristisch“ und austauschbar mit „schwarzer Mann“ gewesen, wie Hermanus bemerkt: „Die Apartheid hat einen sehr binären Code geschaffen.“ Auch wenn „Moffie“ für gewöhnlich einfach mit „Schwuchtel“ übersetzt wird, liege die wahre Bedeutung näher am „N“-Wort, das verwendet wird, um blanken Hass zum Ausdruck zu bringen, so Chris Machell in CineVue.

Drehbuchentwicklung

Auch wenn Hermanus in seinem Film die Anziehungskraft zwischen dem Protagonisten Nicholas und Strasser beschreibt, hat er die Liebesgeschichte absichtlich heruntergespielt, die in Van der Merwes Roman noch eine klarere romantische Linie hatte: "Eine meiner wichtigsten Regeln war von Anfang an, dass es keine konventionelle Liebesszene geben würde: Es sollte kein Beziehungsdrama werden." Wichtiger sei es ihm gewesen, ein Verständnis für diese Generation von Männern, die eine schwierige Zeit durchlebt hat, aufzubauen. Es handelt sich bei Moffie um Hermanus' zweiten Film mit schwuler Thematik. Guy Lodge schreibt in VarietyMoffie und Hermanus' zutiefst verstörender Film Beauty von 2011 ergänzten sich auf vielfältige Weise. Beide enthüllten die gewalttätige Homophobie, die in der stark patriarchalischen weißen Afrikaans-Bevölkerung des Landes vorherrscht. Sie näherten sich dem Thema jedoch aus verschiedenen Blickwinkeln. Während sich Beauty auf einen selbstverachtenden schwulen Afrikaner konzentrierte, der in seiner eigenen Gesellschaft gefangen ist, untersuche Moffie Vorurteile aus der Perspektive eines Soldaten englischer Abstammung, der lernt, sich anzupassen oder zu sterben.

Besetzung und Dreharbeiten

Die Hauptrolle von Nicholas van der Swart wurde mit Kai Luke Brummer besetzt, der als Junge von Matt Ashwell verkörpert wird. Brummer und der Regisseur seien sich einig gewesen, dass Nicholas nicht wie eine starke Person aussehen sollte. Daher begann Brummer zu Beginn der Dreharbeiten mit dem Abnehmen und verlor bis zum Drehende rund 11 Kilogramm Körpergewicht. Der Schauspieler bemerkt, er sei während seiner Kindheit immer wieder auf dem Spielplatz als „Moffie“ bezeichnet worden, weil er Ballett lernte. In Südafrika des Jahres 1981 als „Moffie“ bezeichnet zu werden, sei aber eine ganz andere Geschichte gewesen. Dennoch seien Nicholas' Erfahrungen mit seiner Sexualität nicht in einer fernen Vergangenheit verortet, sondern würden von Menschen auch heute noch erlebt.

Die restliche Besetzung besteht aus ausgebildeten Schauspielern und Laiendarstellern. Der Regisseur hatte sie viel Zeit mit einem Militärberater verbringen lassen, der sie durch ein SADF-Bootcamp führte. Zudem wurden sie im Umgang mit R1-Gewehren geschult.

Die Dreharbeiten fanden im Sommer 2018 an verschiedenen Orten in der südafrikanischen Provinz Western Cape statt.

Filmmusik und Veröffentlichung

Die Filmmusik komponierte Braam du Toit, mit dem Hermanus bereits für seinen Film The Endless River zusammenarbeitete. Die Aufnahme entstand an fünf Tagen in einer kleinen Kirche am Ufer des Bree River. Simran Hans vom Guardian erklärt, die spannungsgeladene, dissonante Streichmusik des Komponisten vermittele das Gefühl für ein inneres Sturmbrauen und unterstreiche besonders zu Beginn des Films die Darstellung von Hermanus‘ Protagonisten als Einzelgänger. Jamie Dunn bemerkt in seiner Kritik, die atonalen Klänge schienen direkte aus dem Kopf des verängstigten Nicholas zu stammen, und auch die bevorzugt handgehaltenen Nahaufnahmen von Jamie Ramsay würden dieser musikalischen Intensität entsprechen, die so intim sind, dass der Zuschauer sehen kann, wie der Schweiß aus den Poren der Schauspieler dringt. Klassische Stücke von Bach und Vivaldi in ihrer barocksten Form tragen zur fieberhaften Atmosphäre des Films bei, so Dunn weiter.

Eine erste Vorstellung des Films erfolgte am 4. September 2019 im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig. Anfang Oktober 2019 wurde er beim London Film Festival im offiziellen Wettbewerb vorgestellt. Im Januar 2020 wurde er beim Palm Springs International Film Festival gezeigt. Da der Film bereits für die 55. Ausgabe des Filmfestivals Karlovy Vary ausgewählt worden war, dieses jedoch wegen der Pandemie abgesagt wurde, erfolgten Anfang Juli 2020 im Rahmen der Initiative „KVIFF at Your Cinema“ Vorstellungen, wo er als einer von insgesamt 16 Filmen neun Tage lang in verschiedenen Kinos in Tschechien gezeigt wurde. Ab Ende August 2020 erfolgten Vorstellungen in Deutschland, so beim Queerfilmfest in Köln. Ebenfalls Ende August 2020 wurde der Film beim Molodist International Film Festival, das in einer Hybridversion stattfindet, im Wettbewerb vorgestellt. Vorstellungen erfolgten zudem im Rahmen des von 24. September bis 4. Oktober 2020 stattfindenden Zurich Film Festivals. Am 9. April 2021 kam der Film in die US-Kinos. Ein Kinostart in Deutschland war am 21. Januar 2021 vorgesehen.

Rezeption

Kritiken

Der Film konnte bislang 90 Prozent aller Kritiker bei Rotten Tomatoes überzeugen und erhielt hierbei eine durchschnittliche Bewertung von 7,5 der möglichen 10 Punkte. Immer wieder wurde Moffie dabei mit Full Metal Jacket und Moonlight verglichen und meist als eine Mischung aus diesen beiden Filmen beschrieben. Auch Parallelen zu Claire Denis‘ Film Beau Travail wurden bemerkt.

So schreibt Peter Bradshaw vom Guardian wie Denis in ihrem Film von 1999 von der Homoerotik in Herman Melvilles Erzählung Billy Budd im Kontext der französischen Fremdenlegion inspiriert wurde, reagiere Oliver Hermanus direkt auf die Schönheit männlicher Körper, aber die meiste Zeit sei die gezeigte Körperlichkeit einschüchternd und gewalttätig. Bradshaws Kollegin Simran Hans schreibt, eine nicht zu leugnende homoerotische Aufladung ziehe sich durch die Szenen, in denen glänzende männliche Körper verschwenderisch betrachtet werden und so an die anmutigen Legionäre in Denis' Film erinnerten. Der ruhige, verschlossene Nicholas fühle sich von dem neuen Rekruten und Provokateur Dylan Stassen angezogen, doch Hermanus behandele diese Liebesgeschichte nur als Subtext um auf diese Weise seine Aufmerksamkeit auf den viszeralen Sadismus der South African National Defence Force lenken und den emotionalen und physischen Tribut eines solchen toxischen Regimes kritisieren zu können.

Guy Lodge von Variety findet, Moffie sei Hermanus' Meisterwerk geworden, der mit diesem Film alle Versprechen und Tiefsinnigkeiten seiner früheren Arbeiten zu einer erstaunlichen Leistung formaler und narrativer Kunst zusammenfasst und ihn so als Südafrikas wichtigsten zeitgenössischen Filmemacher etabliert habe. Der Regisseur und der Kameramann Jamie D Ramsay stilisierten in der witzigsten Szene des Films, als Soldaten in ihrer Freizeit Volleyball spielen, die eindeutig an ein Match in Top Gun angelehnt ist, den bekanntermaßen augenzwinkernden Subtext zu einer offeneren, ungenierten Homoerotik. Ein einziger, herzzerreißender Rückblick auf Nicholas 'Kindheit zeige aber auch, warum und wie er gelernt hat, seinen Blick abzuwenden, als ein solcher in den Duschräumen eines öffentlichen Schwimmbades ein geradezu aggressives Verhalten zur Folge hatte.