DVD

Johan - Eine Liebe in Paris im Sommer 1975 -


 ist ein französischer Film von Philippe Vallois aus dem Jahr 1976.


Handlung

Der junge Regisseur Philippe will einen Film über seinen Liebhaber, den Dieb und Betrüger Johan, drehen. Doch der wird wegen Scheckbetrugs verhaftet. Nun ist Philippe, gespielt von Patrice Pascal, auf der Suche nach einem Ersatzschauspieler und trifft so auf die Mutter, auf Freunde und auf Feinde Johans. Johan erscheint im Film nur in Briefzitaten, er bleibt dem Zuschauer unbekannt. Die beiden als Hauptdarsteller vorgesehenen Personen verlassen am Ende Paris, sodass der Film nie zustande kommt.

Veröffentlichung

In den Pariser Kinos startete der Film zensuriert – die sexuell explizitesten Szenen wurden gekürzt. Am Filmfestival Cannes wurde im gleichen Jahr in der Section parallèle die ungekürzte Fassung gezeigt. In Deutschland war der Film erstmals am 14. September 2007 auf Arte zu sehen und erschien 2008 auf DVD.

Rezeption

Der Filmdienst schrieb, der Film sei „einer der ersten französischen homosexuellen Spielfilme, der Einblicke in die dortige Schwulenkultur Mitte der 1970er-Jahre“ gebe, womit es sich bei ihm „ein historisches Dokument“ handle. Der Film sei „formal ambitioniert, wechselt eine krisselige Handkameraoptik mit sorgfältig ausgeleuchteten, tiefenscharfen Bildarrangements, bei denen Licht und Schatten oft gerade das kunstvoll verbergen, was in einem Pornofilm ausgestellt würde“. Der Film sei deshalb nicht „prüde“, auch mehr als drei Dekaden „nach seiner Zensur“.

Nach der Kölner Stadtrevue ist Johan „radikalste kinematographische Freiheit. […] Aus heutiger Perspektive völlig wahnsinnig, weil unfassbar schön ist, wie freimütig sich die Menschen der Kamera preisgeben, angezogen oder nackt.“

Die Süddeutsche Zeitung schrieb: „Johan ist ein ganz und gar sprunghafter Film, eine wilde Mischung aus unterschiedlichen Filmmaterialien, schwarzweiß und Farbe, in diversen Stilen von cinéma vérité bis Comic, mal dokumentarisch und mal Kinophantasie, voller Jump-Cats, eingefrorener Bilder – eine vollkommene Art, von einem Amour Fou zu erzählen. Das tut Philippe Vallois mit hinreißender Unverfrorenheit.“

„Der Film war ein Zeitgenosse von La Cage aux Folles und gleichzeitig dessen totaler Gegenentwurf – wild, frei, radikal, experimentell, sexuell.“


BESCHREIBUNG EINES PHANTOMS

Er sei ungewöhnlich schön und oberflächlich, narzisstisch und unstet, sagen diejenigen, die ihn kennen. Er gehöre zu jener besonderen Art von Menschen, die man nur einmal im Leben treffe und dann nie mehr vergesse. Johan, der Titelheld aus Philippe Vallois’ 1976 entstandenem Film, ist ein Phantom, dessen Abwesenheit die Phantasie dieser Low budget-Produktion beflügelt. Als Suche, Annäherung und Liebeserklärung des Filmemachers Vallois an seinen unsichtbaren Helden trägt die verspielte Hommage von Anfang an autobiographische Züge, kreuzen sich unentwegt Fiktion und Wirklichkeit, Wahrheit und Lüge. Nicht nur Johans Charakter ist an dieser ebenso prekären wie kreativen Schnittstelle angesiedelt, sondern auch Philippe Vallois’ bis vor kurzem selbst noch verschollener Film.
Johan – Eine Liebe in Paris im Sommer 1975 / Johan — Mon été 75, der nach dreißig Jahren erstmals in deutschen Kinos zu sehen ist, beschwört völlig unverkrampft noch einmal den Geist der Nouvelle vague, ihre Leichtigkeit und Spontaneität, ihre Lust an der Improvisation und zwangloser Provokation. Vornehmlich Jean-Luc Godards Außer AtemDie Verachtung oder auch Masculin – Feminin scheinen in vielen Szenen Pate gestanden zu haben. So pendelt der Film, der zu großen Teilen auf Pariser Straßen und Plätzen gedreht wurde, beharrlich zwischen Dokument und Inszenierung, Schwarzweiß und Farbe. Übersetzt hat Philippe Vallois diese unterschiedlichen Grade der Fiktionalisierung in eine Film-im-Film-Struktur, die die filmische Illusion immer wieder aufbricht. Während er auf der Erzählebene seine Freundschaft und Liebesbeziehung zu dem im Gefängnis sitzenden Johan anhand poetischer Liebesbriefe schildert, inszeniert er auf der Film im Film-Ebene ausgewählte Stationen ihrer Begegnung. Als unterschiedliche Facetten von Johans Persönlichkeit lassen sich diese Szenen verstehen. Im Kontext der Dreharbeiten bilden sie zugleich die Suche nach dem „richtigen“ Darsteller ab. Wie in Todd Haynes aktuellem Film I’m not there über Bob Dylan, wird Johan von verschiedenen Darstellern, unter denen übrigens auch eine lebenslustige Frau ist, verkörpert. Dies ist für Vallois wiederum ein willkommener Anlass mit Lust und Freude seine schwulen Freunde und mit ihnen die homosexuelle Community in Paris Mitte der 1970er Jahre zu porträtieren. Die authentische, relativ freizügige Darstellung des Milieus bewirkte allerdings, das Johan – Eine Liebe in Paris im Sommer 1975 / Johan — Mon été 75 nach seiner Uraufführung am Festival von Cannes der Zensurschere zum Opfer fiel und bald darauf aus den Kinos verschwand, bevor 1996 für das französische Filmarchiv eine ungekürzte Version gesichert werden konnte. Wenn Vallois in Anlehnung an Platon einmal sagt, Johan – Eine Liebe in Paris im Sommer 1975 / Johan — Mon été 75,sei für ihn wie seine zweite Hälfte, die ihm von den Göttern entrissen wurde, gilt dies in gewisser Weise auch für seinen vergessenen Film, der in seiner vollständigen Fassung jetzt neu entdeckt werden darf.