DVD

Verführung von Engeln

schwule Kurzfilme von Jan Krüger


TALENTPROBEN EINES JUNGEN REGISSEURS

Es gibt deutsche Filmemacher, die sich im Ausland großer Beliebtheit und Anerkennung erfreuen, die aber im eigenen Lande so gut wie unbekannt sind. Zu dieser Spezies gehört auch der 1973 in Aachen geborene Regisseur Jan Krüger, dessen Kurzfilme unter anderem für den deutschen und den europäischen Filmpreis nominiert waren und der für Freunde den Silbernen Löwen für den besten Kurzfilm auf den 58. Filmfestspielen von Venedig erhielt. Das Kurzfilmprogramm Verführung von Engeln bringt nun zum ersten Mal ausgewählte Filme von Jan Krüger abseits von Festivalteilnahmen in die deutschen Kinos – allerdings werden die Werke nur in wenigen ausgesuchten Lichtspieltheatern zu sehen sein.

Verführung von Engeln (D 2000, 6 Minuten, sw)
Der Film, der als Musikvideo für Udo Linderbergs Interpretation des Brecht-Gedichtes „Über die Verführung von Engeln“ entstand, zeigt einen jungen Mann auf dem Weg durch die nächtlichen Straßen einer Stadt. Immer wieder kommt es zu Begegnungen mit Männern, Frauen, Paaren, ein subtiles Spiel um Erotik und Verführung nimmt seinen Lauf, das schließlich in einer Begegnung aller miteinander in einem Club endet.

Über die Verführung von Engeln

Engel verführt man gar nicht oder schnell.
Verzieh ihn einfach in den Hauseingang
Steck ihm die Zunge in den Hals und lang

Ihm untern Rock, bis er sich nass macht, stell
Ihn, das Gesicht zur Wand, heb ihm den Rock
Und fick ihn.
Stöhnt er irgendwie beklommen
Dann halt ihn fest und lass ihn zweimal kommen
Sonst hat er dir am Ende einen Schock.

Ermahn ihn, dass er gut den Hintern schwenkt
Heiß ihn dir ruhig an die Hoden zu fassen
Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen
Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt -

Doch schau ihm nicht beim Ficken ins Gesicht
Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht.

Bertolt Brecht, 1948.

Anmerkung: Brecht schreibt dieses Sonett in Zürich und unterzeichnet mit "Thomas Mann". Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Anspielung auf Begegnungen anlässlich Thomas Manns Aufenthalt in Zürich vom 24. Mai bis 21. Juni 1948...


Freunde (D 2001, 21 Minuten, Farbe)
Eigentlich könnten sie nicht unterschiedlicher sein – der brave Johannes und der wagemütige Marco, der ständig Grenzen austesten muss. Und doch: Als die beiden Jungs aufeinander treffen, entsteht etwas, das sie zunächst hinter einer Fassade zu verstecken versuchen. Doch je näher sie sich kommen, desto größer wird auch die Gefahr, einander zu verletzen.

Tango Apasionado (D 2006, 13 Minuten, Farbe)
Der Film entstand im Auftrag des Internationalen Filmfestivals Rotterdam 2006, zu Ehren von Michael Haneke im Rahmen von „Meet the Maestro“ und zeigt zwei Männer in einer Beziehung auf dem schmalen Grad zwischen Liebe und Hass, ein Tanz der Emotionen.

Hotel Paradijs (D 2007, 30 Minuten, Farbe & sw)
Jeden Tag überquert Paul den Kanal, der die Innenstadt von Amsterdam von dem Industriegebiet trennt, in dem sein Liebhaber auf ihn wartet. Eines Tages aber trifft er auf Claire – eine Begegnung, die ihm eine neue Welt eröffnet. Die junge Frau macht Paul zu einem Voyeur, doch der solchermaßen Funktionalisierte ist dieser ungewohnten Rolle kaum gewachsen.

Jan Krüger, der Suchende des deutschen Queer Cinema, kam selbst erst über einen Umweg zum Film. Geboren 1973 in Aachen, studierte er zunächst in seiner Heimatstadt Elektrotechnik, Physik und Sozialwissenschaften, bevor er ab 1996 an der Kunsthochschule für Medien Köln Film- und Fernsehregie studierte. Sein erster Kurzfilm „Verführung von Engeln“ war ein Musikvideo mit Udo Lindenberg, eine Vertonung des bekannten Gedichts von Bertold Brecht. Darin finden sich die programmatischen Verse: „Verzieh ihn einfach in den Hauseingang / Steck ihm die Zunge in den Mund und lang / ihm untern Rock, bis er sich nass macht“. Kino als Bekenntnismaschine.

Krügers kurzer Abschlussfilm „Freunde“ (2001) über zwei 16-jährige Jungs, deren Freundschaft zunehmend erotische Züge annimmt, setzte ihn mit einem Schlag auf die damals lichte Landkarte des jungen schwulen Kinos in Deutschland. „Freunde“ lief im Kurzfilm-Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Venedig, wurde dort mit dem „Silbernen Löwen“ ausgezeichnet und war später für den Deutschen und den Europäischen Filmpreis nominiert.

Krügers Langfilm-Debüt „Unterwegs“ (2004) über ein junges Hetero-Pärchen, das beim Zelten im Sommer den jungen Marco kennenlernt, der für kurze Zeit ihr Leben auf den Kopf stellt, wurde von Schramm Film produziert, dem Zuhause der sogenannten Berliner Schule (also von Autorenfilmer_innen wie Christian Petzold, Angela Schanelec und Thomas Arslan) und beim Filmfestival Rotterdam mir dem renommierten „Tiger Award“ ausgezeichnet. „Dass der Film die homoerotischen Schwingungen beider so herrlich unstereotypen Männerfiguren einfach klingen lässt, ist nur einer der großen Momente“, schwärmte Melanie Wieland auf rbb Online damals über den Film. „Der Mut, nicht alles zu erklären, ambivalente Figuren wie Marco nicht auf eine Seite zu ziehen, sondern es dem Zuschauer zu überlassen, sich einen Reim auf die Ereignisse zu machen, zeichnen Krügers Film aus.“

Eine queere Diagnose, die auch für Krügers zweiten Langfilm „Rückenwind“ (2009) über zwei Freunde zutrifft, die in den Wäldern Brandenburgs verloren gehen und auf einem alten Gutshof stranden. „Rückenwind“, komplett an Originalschauplätzen und mit Laien in nur zwei Wochen gedreht und kühn mit Märchen- und Mythenmotiven versetzt, wurde im Panorama der Berlinale uraufgeführt und von der Filmkritik für seine radikale Offenheit gelobt.

Auch Krügers dritter Spielfilm „Auf der Suche“, der im Forum der Berlinale Premiere hatte, ist ein Road Movie, das diesmal an der Küste Südfrankreichs spielt. Corinna Harfouch spielt darin eine Frau, die nach Marseille kommt, um ihren Sohn zu finden, von dem sie seit einiger Zeit kein Lebenszeichen mehr erhalten hat, und dabei Hilfe von dessen Exfreund bekommt. Düsterer als seine Vorgänger, gräbt sich „Auf der Suche“ tief ins Innere seiner Figuren vor und stellt die Frage, was wir wirklich vom Anderen wissen können.

Mit seinem jüngsten Spielfilm verdichtet Krüger seine emotionale Suchbewegung nochmals. „Die Geschwister“ spielt in Berlin, dem Fluchtpunkt von Freiheitssuchenden aus aller Welt, wo sich ein junger Immobilienmakler in das Schicksal zweier Migranten verstrickt. Form und Motive verknüpfen „Die Geschwister“ eng mit Krügers vorhergehenden Filmen: Auch hier rückt wieder eine romantische Dreieckskonstellation ins Zentrum seiner Geschichte, öffnen Märchenmotive und eine elliptische Form die Dramaturgie, werden die Beziehungen zwischen den Figuren ambig gelassen.

Jan Krügers Filme sind queere Freiheitsstudien. Sie handeln von Menschen in Bewegung und von der lebensnotwendigen Forderung, sich neu einzulassen aufeinander, herauszufinden, was vielleicht noch alles möglich ist. Ein Kino der Reise mit offenem Ausgang.

Produktbeschreibungen

Wie man Engel verführt, wusste schon Brecht: gar nicht - oder schnell!
In den vier Kurzfilmen von Jan Krüger sind Liebe, Verführung, Beziehungen immer auch ein Spiel um Macht, eine Suche nach Sicherheit, eine Bewegung zwischen Distanz und Entgrenzung.
Ein Mann, der auf der Suche nach Liebe durch die Großstadt streift, erfährt das genauso wie die beiden Schulfreunde, die sich gegenseitig verführen. Oder das in Hassliebe verbundene Paar, das sich trennt und einen letzten Tango tanzt. Oder schöne Streuner, der immer selbst das Objekt der Begierde war und plötzlich die Erfahrung macht, wie es ist, wenn jemand mit seiner Liebe spielt. Wie verführt man also einen Engel?
Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen - Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt.

Film 1: "Verführung von Engeln" (2000), 6 Minuten
Film 2: "Freunde" (2001), 21 Minuten
Film 3: "Tango Apasionado" (2006), 13 Minuten
Film 4: "Hotel Paradijs" (2007), 30 Minuten


Bonusmaterial:
Kinotrailer; Werkgesprächl mit Regisseur und Horst Königstein; Hintergrundinformationen; Vorschau;

Produktinformation

  • Seitenverhältnis ‏ : ‎ 4:3 - 1.33:1
  • Alterseinstufung ‏ : ‎ Freigegeben ab 16 Jahren
  • Produktabmessungen ‏ : ‎ 13,7 x 1,7 x 19,2 cm; 102 Gramm
  • Regisseur ‏ : ‎ Krüger, Jan
  • Medienformat ‏ : ‎ Letterbox
  • Laufzeit ‏ : ‎ 1 Stunde und 10 Minuten
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 25. Juni 2007
  • Untertitel: ‏ : ‎ Englisch
  • Sprache, ‏ : ‎ Deutsch (DD)
  • Studio ‏ : ‎ Salzgeber & Co. Medien GmbH
  • ASIN ‏ : ‎ B000RZAM06