DVD Trübe Wolken


ist ein Thriller von Christian Schäfer, der im Januar 2021 beim 42. Filmfestival Max Ophüls Preis seine Premiere feierte und am 24. Februar 2022 in die deutschen Kinos kam.

Ein wortkarger Außenseiter muss sich kurz vor dem Abitur von seiner Rolle als unbeteiligter Beobachter verabschieden, als ein Neuer an seiner Schule im Wald tot aufgefunden wird. Ein sehr atmosphärischer, rätselhafter Jugendfilm aus der tristen hessischen Provinz, wo schon viele Träume begraben wurden und das Unheil mit Händen zu greifen ist, obwohl es sich als Normalität verkleidet. Die großartig gespielte und fotografierte Mischung aus Horror und Komödie, Anpassung und Abweichung erzählt von Einsamkeit und der Unsicherheit, was man mit seinem Leben anfangen soll. - Sehenswert ab 16.

Handlung

Der 17-jährige Paul Nebe interessiert sich für seltsame Dinge, so für Schleichpfade und verlassene Gebäude, geflüsterte Gespräche und liegengelassene Taschen. Auf seine Mitschülerin Dala Brünne und seinen kunstsinnigen Lehrer Erich Bulwer, die von verborgenen Sehnsüchten getrieben werden, übt der stille Einzelgänger gerade deswegen eine merkwürdige Faszination aus. Doch eines Tages wird ein Jugendlicher tot im Wald aufgefunden, und da Paul sehr oft dort herumstreift, gerät er unter Verdacht, seinen Mitschüler erschlagen zu haben. Entlastet wird er von Max, einem weiteren Mitschüler. Er berichtet von einem älteren Mann, den er auf dem Schulgelände gesehen haben will. Nachdem dann aber bei Pauls 14-jährigem Bruder Sachen des Ermordeten gefunden werden, wird Silas festgenommen.

Produktion

Regie führte Christian Schäfer. Es handelt sich nach Dieter Not Unhappy aus dem Jahr 2017 um den zweiten Film, bei dem Schäfer Regie führte. Das Drehbuch schrieb Glenn Büsing. Als Inspirationsquellen haben die Filmemacher auf die Filme von Gus van Sant und der „Berliner Schule“ verwiesen.

Trübe Wolken erhielt von HessenFilm und Medien eine Produktionsförderung Kino in Höhe von 200.000 Euro und von der Film- und Medienstiftung NRW eine Produktionsförderung in Höhe von 150.000 Euro.

Gedreht wurde an 30 Drehtagen von Anfang Juli bis Mitte August 2020 in KölnKrefeld und Gießen und Umgebung. Als Kamerafrau fungierte Sabine Sina Stephan.

Die Filmmusik komponierten Christopher Colaço & Philipp Schaeper.

Ab 18. Januar 2021 wurde Trübe Wolken im Wettbewerb des 42. Filmfestivals Max Ophüls Preis uraufgeführt, das pandemiebedingt komplett online stattfand. Hiernach wurde der Film im Rahmen mehrerer deutscher und internationaler Filmfestivals vorgestellt, darunter beim ebenfalls online stattfindenden Lichter Filmfest im April 2022, beim Festival de Cine Alemán und bei den Queeren Fürstenwalder Filmtagen.

Am 24. Februar 2022 kam der Film in die deutschen Kinos. Trübe Wolken erscheint in der Edition Salzgeber.

Rezeption

Kritiken

Christian Schäfer

Ulrich Kriest vom Filmdienst schreibt, der Film liefere atmosphärisch Material und Indizien, gönne sich aber den Luxus loser Handlungsfäden und unbestimmter Bilder: „Was da zu sehen ist, erzählt mehr vom Schrecken des Erwachsenwerdens als Dutzende Filme, die dies vorzugsweise komödiantisch auflösen.“ Trübe Wolken sei eine Ausstattungsorgie, in der jedes von Kamerafrau Sabine Sina Stephan brillant in Szene gesetzte Detail die Tristesse der mittelhessischen Provinz atme.

Peter Gutting von der Gilde deutscher Filmkunsttheater schreibt, es sei faszinierend, wie eine Erzählung vom undefinierbaren Zustand der Entfremdung, des vielleicht nicht nur pubertären Suchens einen derartigen Sog ausüben kann: „Paul bewegt sich in kunstvoll komponierten Räumen wie ein Tagträumer, losgelöst und schwerelos, wie hinter einem Schleier und manchmal wie umstellt von Spiegeln.“ Dank dem hervorragenden Nachwuchsschauspieler Jonas Holdenrieder reiße die emotionale Einfühlung in eine Art „Junge ohne Eigenschaften“ auch in schwierigen Momenten nicht ab, und der Mut zum Experiment entführe den Zuschauer in einen Film abseits ausgetretener Pfade, auch wenn das Risiko bestehe, Zuschauer zurückzulassen, die sich im Wald der Rätsel verlaufen.


Die entscheidende Frage hebt sich der Film von Christian Schäfer bis zum Schluss auf. Da verliert eine Mutter die Fassung und fragt ihren Sohn: „Was bist du nur für ein Mensch, Paul?“ Das ist eine gute Frage. Zumal, weil sie gar nicht so einfach zu beantworten ist. Und ganz bestimmt nicht von Paul (Jonas Holdenrieder). Der hat nämlich in den ganzen Film über vorzüglich an seiner Unsichtbarkeit und Ungreifbarkeit gearbeitet, obwohl er fast permanent im Bild war. Wobei: So ganz richtig ist das dann doch nicht, denn ab und an hat er schon ausgetestet, wie es sich anfühlt, wenn man mal eine Meinung zu etwas hat. Oder zumindest die Meinung von jemand anderem ansatzweise bestätigt.

Der Schulunterricht ist für Paul „Halbschlaf“, der Sportverein „Grillfest“. Ohnehin hält es „Trübe Wolken“ sehr lange in der Schwebe, in welche Richtung der Film gehen will. Notizen aus der Provinz, wo so rein gar nichts passiert. Da kann man dann schon auf die Idee kommen, nachts Steine von Brücken auf vorbeifahrende Autos zu werfen – und das Ganze dann zu filmen. Schließlich muss die Lokalpresse etwas zu schreiben haben. Aber sonst? Das Leben hier ist ein Witz, der reine Horror.

Ein Faible für verlassene Orte

Paul ist ein Beobachter, ein Flaneur und Voyeur mit einem Faible für verlassene Orte, der gerne in den Sachen fremder Menschen stöbert. Auf allen Personen, denen Paul begegnet, scheint etwas zu lasten. Auch sie scheinen sich fehl am Platz zu fühlen. Etwa die sehr verspannte Leiterin der Theater-AG an der Schule, die davon träumt, dass ihre Eleven sich mal locker machen. Oder der sinistre und mitunter Gottfried Benn oder auch „die Eisnerin“ zitierende Lehrer Bulwer, der zu Paul unvermittelt Sätze sagt wie: „À propos degeneriert. Was hältst du eigentlich vom Lehrplan, Paul?“ Die theateraffine Mitschülerin Dala ist Paul bislang gar nicht aufgefallen. Und da ist der neue, leicht flamboyante Mitschüler David, der unter dem „Provinzfetisch“ seiner Mutter leidet und sehr viel lieber in Berlin unterwegs wäre. David, der nun wohl hier in dieser Gegend leben muss, fragt Paul einmal: „Willst du mein Guide sein?“ Paul will, aber auch nicht so richtig. Weil es auch gar nicht so viel zu zeigen gibt.

Schließlich ist da auch noch Pauls Familie mit der dominanten Mutter, dem schweigsamen Vater und dem immer leicht rebellischen jüngeren Bruder Silas, die auf eine bedrückende Weise intakt und kaputt zugleich ist. Wenn Paul nicht durch die Gegend stromert, zieht er sich in sein Zimmer zurück, das offenbar niemand betreten darf.

Eine allumfassende Unzufriedenheit

Der Spielfilm ist eine Ausstattungsorgie, in der jedes von Kamerafrau Sabine Sina Stephan brillant in Szene gesetzte Detail die Tristesse der mittelhessischen Provinz atmet. Es herrscht eine allumfassende Unzufriedenheit und ein Ungenügen, die sich notdürftig als Normalität, als Grillfest eben, verkleidet. Irgendwann lässt sich die Gewaltförmigkeit der Verhältnisse aber nicht mehr unter den Teppich kehren. Unheil liegt in der Luft. Es werden Steine von Brücken auf Fahrzeuge geworfen. Dann verschwindet ein Junge. Gottfried Benns „Schöne Jugend“ wird zitiert, eine Sammlung von Tierpräparaten mit Rehkitz zum Treffpunkt und Leni Riefenstahl als Reichsgletscherspalte geoutet.

Obwohl Paul entschieden an seiner Unsichtbarkeit arbeitet, hat er plötzlich etwas anzubieten. Er wird überraschend entdeckt. Vom kunstsinnigen Lehrer Bulwer und auch von der Möchtegern-Schauspielerin Dala. Vielleicht ist die Projektarbeit kurz vor dem Schulabschluss tatsächlich die Chance, die Paul in Bewegung setzt. Seine Mutter könnte sich Jena als Studienort vorstellen. Als habe er die Patricia-Highsmith-Figur des Tom Ripley verstanden, spürt Paul, dass seine fortgesetzte Passivität wie eine Projektionsfläche wirkt, die ihn nur noch interessanter macht.

Der Schrecken des Erwachsenwerdens

Der Film nach einem Drehbuch von Glenn Büsing hält es genauso, liefert atmosphärisch Material und Indizien, gönnt sich aber den Luxus loser Handlungsfäden und unbestimmter Bilder. Die Filmemacher haben als Inspirationsquellen treffend auf die Filme von Gus van Sant und der „Berliner Schule“ verwiesen. Ganz am Schluss gewährt Paul einen Blick in sein Kinderzimmer. Was da zu sehen ist, erzählt mehr vom Schrecken des Erwachsenwerdens als Dutzende Filme, die dies vorzugsweise komödiantisch auflösen.


Die Innenseite des Außenseiters


„Ich glaub’s ja nicht“, sagt David, splitterfasernackt, unter der Sportvereins-Dusche, mit gespielter Empörung, aber strahlend, als Paul ihn hemmungslos anstarrt. „Guck weg, Alter!“, schiebt David hinterher, und es wirkt eher so, als würde er sich das Gegenteil davon wünschen. Was für ein Erstkontakt, was für ein Kennenlernen! „David übrigens“, sagt David. „Und wie darf ich dich nennen – Voyeur?“ Wobei durch die spezielle, sinnliche Art, wie David die Frage intoniert, offen bleibt, ob „Voyeur“ schon Davids Idee dazu ist, wie er Paul fortan nennen will.

Passen würde es ja, denn David hat eine Passion dafür, sich Dinge anzusehen, die nicht direkt für seine Augen bestimmt sind: Kurz bevor er sich zu David in die Dusche geschlichen hat, hatte er seine Finger schon in einer fremden Tasche in der Umkleidekabine. Ein Stoffhase und Seifenblasen waren drin. „Magst du mein Guide sein?“, fragt David, frisch auf dem Dorfe, Paul. Denn Paul, das versteht auch David rasch, kennt sich aus mit Trampelpfaden im Wald. Und womöglich ja mit sehr viel mehr noch. Ob Paul wirklich Davids Guide sein will (und welche Gefahr das bedeuten könnte), das bleibt aber erst mal offen: Wie nach so vielen Dialogen in „Trübe Wolken“ kommen am Ende einer Szene oft mehr neue Fragen hinzu als zuvor beantwortet worden wären. Viele Gespräche enden im Rätselhaften: Ist Gefahr im Verzug? Die Charaktere haben groteske Arten, aufeinander zu reagieren, bei denen man sich oft augen- und ohrenreibend fasziniert fragt: Ist das extrem künstlich? Oder reden wir tatsächlich oft so miteinander oder besser gesagt: aneinander vorbei?

Missglückte Kommunikation ist ein zentrales Thema des Films. Paradigmatisch dafür steht der Esstisch der Familie Nebe, also von Pauls Papa Per-Ulrich, Pauls Stiefmutter Sylvia und Pauls Bruder Silas. Allein dieser Name schon: Nebe! Einerseits eine Familie von nebenan, andererseits auch Leute, die im Nebel stehen und stochern. „Trübe Wolken“ halt. Während Teenager Silas beim „gemeinsamen“ Abendbrot lieber im Handyscreen versinkt („Willkommen im 21 Jahrhundert!“) oder das Austern-Omelett degoutiert („Wäh!“), schmiedet Sylvia Jackett-Outfit-Pläne fürs baldige Dinner mit verhassten Bekannten, und Per-Ulrich liest aus der Zeitung eine Polizei-Meldung vor: tödlicher Unfall. Schon wieder habe jemand von der Autobahnbrücke Steine geworfen, am Freitag. Paul wirkt, wie so oft, recht teilnahmslos. „Wo warst du eigentlich am Freitag?“, will Sylvia von Paul wissen. Schwingt da ein Verdacht mit? Ist Paul der ominöse Steinewerfer, der das Dorf nervlich auf Trab hält? Nach außen hin ist Paul ein unscheinbarer Niceguy. Was in seinem Inneren los ist, gibt zunehmend Rätsel auf.

Ja, die Sicht trübt sich fast so, als flögen wir durch Wolken. „Trübe Wolken“ changiert meisterhaft (weil: immer spannungsvoll) zwischen Plot-Antrieb und Plot-Verweigerung: Direkt in der ersten Szene sahen wir, im Dunkeln, wie jemand einen Stein warf, auf ein Auto, von der Brücke aus. Der Krimiplot ward eröffnet. Doch dann folgen wir erstmal David durch rätselhafte Szenerien. Alltagsszenerien, leicht neben der Spur. Etwa wenn er sich durch eine nur angelehnte Schiebefenstertür in ein Haus an ein hölzernes Yamaha-Klavier schleicht – und dann zu einer alten Frau, die schläft, ans Bett, nachdem er Briefe von ihr durchgelesen hat. Oder auch im schon erwähnten Provinz-Sportverein, wo Paul neben der Schule jobbt und wo man für Wandern, Kajak und Grillfeste brennt. Oder in der Schule, wo wir erfahren, dass ein Junge offenbar zu Tode kam. „Passen Sie gut auf sich auf, mein Junge“, mahnt der Schuldirektor Paul. Dann sind da noch der Text-Bild-Projektkurs, wo Paul mit seiner neblig-modernen Lyrik den Lehrer Bulwer für sich einnimmt und vernebelt, und die Theater-AG, wo Paul aus einer der hinteren Reihen seine Mitschülerin Dala beim Schauspiel beobachtet. Schnell mutet uns „Trübe Wolken“ eine Vielzahl an Settings zu; wir sehen Paul allein im Mischwald, über Bahngleise und durch Ruinen streunend – oder auch mal mit der Brechstange gefährlich nah an einem niedlichen Hamster. Was diese Vielzahl tragikomischer und immer Suspense-geladener Settings und Szenen zusammenhält, ist die Frage: „Wer ist eigentlich Paul?“ Mal wird er mit dem Vater verwechselt (sogar von der eigenen Stiefmutter, die zu ihm ins Bad drängt und ihm „zur Hand gehen“ will), mal glauben Leute, dass sie Paul von woanders schon kennen, was der aber negiert. Die Schauspiellehrerin, die es ja wissen muss, sie findet Pauls Gesichtsausdruck: „neutral“. Also: allerlei Interpretationsspielraum für die Außenwelt. Wie ist die Innenseite dieses Außenseiters?

Ganz und gar nicht neutral bleibt Paul hingegen, als Dala aus der Theater-AG, mit der sich eine Liebschaft anbahnt, in sein Zimmer will: Paul packt sie grob, ja, aggressiv beim Handgelenk, als sie die Klinke seiner Zimmertür ergreifen will. Er, der sonst überall ohne Erlaubnis hineinspäht, dreht durch, als Dala bei ihm Einblicke erhaschen will. Bei diesem „Niceguy“ schlummern Psycho-Abgründe im Nebel. Hatte er auch was mit dem toten Mitschüler David im Wald zu schaffen, dessen Guide er sein sollte? Die Lage wird immer verzwickter und komplexer, da Dala und auch der Lehrer Bulwer ihre ganz eigenen Phantasien auf Paul, die perfekte Projektionsfläche, projizieren. Aber auch am Esstisch mit der Familie kippen groteske Gespräche (bei denen man im Nu vom Hackbraten zu „Reichsgletscherspalte“ Leni Riefenstahl driftet oder umgekehrt) im Heimischen oft ins Unheimliche, subtil, oft still in Szene gesetzt und herausragend fotografiert: bedrohlich, aber dabei niemals überbordend plakativ. Manchmal auch mit komischer Auflösung, etwa wenn ein Messer dann am Ende der Szene doch nur dazu dient, den Granatapfel zu halbieren. Oder umgekehrt: eine harmlos-ulkige Zahnputz-Szene, an deren Ende die Frage bleibt, ob Paul die Zahnpasta vergiftet hat.

„Trübe Wolken“ ist ein faszinierendes, mitunter böses Spiel mit falschen und richtigen Fährten und auch voller Falltüren. Herkömmliche Genregrenzen werden demontiert. Regisseur Christian Schäfer nennt für seinen Debüt-Kinofilm sowohl „Nosferatu“-Horror als auch Gus Van Sant als Vorbilder. Das passt. Wer auf Sicht fliegt, braucht einen guten Kompass und auch einen klaren Horizont. Beides entreißt uns dieser großartige Film immer wieder. „Trübe Wolken“ ist ein Verwirrspiel mit der mörderischen Frage, wer hier eigentlich wem folgt – und wen verfolgt. Wer manipuliert hier wen? Wer vertraut sich wem an und was riskiert er dabei? Man kann auch an Gregor Schmidingers Post-Gay-Psychothriller „Nevrland“ (2017) oder Michael Hanekes „Benny‘s Video“ (1992) denken, obwohl dort zugegebenermaßen deutlich mehr Blut fließt; aber auch Paul hantiert gerne tabulos mit Kameras. In „Trübe Wolken“ wackeln gen Ende hin ganz schön die Balken, während wir Lichtreflexe, durchs Wasser gespiegelt, in einem alten Gemäuer sehen. Jemand strauchelt. Pokerface-Paul-Hauptdarsteller Jonas Holdenrieder (der dem vorgeblich neutralen Paul eben doch Gesichter und Stimmen gibt, bei denen man merkt, es brodelt hinter der Fassade sehr in ihm) ist eine phantastische Besetzung, und wir werden sicher noch viel von ihm sehen – das ist dann mal nicht wolkigtrüb, sondern glasklar. „Guck weg, Alter“, hat David am Anfang, splitterfasernackt, unter der Dusche zu Paul gesagt. Aber natürlich gucken wir nicht weg bei „Trübe Wolken“, sondern sehr gebannt hin – vielleicht ja gerade, wie Paul, weil wir es nicht sollten.

Einsatz im Unterricht

Das Onlineportal kinofenster.de empfiehlt den Film ab der 10. Klasse für die Unterrichtsfächer Deutsch, Darstellendes Spiel, Kunst, Ethik und Psychologie und bietet Materialien zum Film für den Unterricht. Dort schreibt Christian Horn, Trübe Wolken liefere plastisches Anschauungsmaterial für eine filmästhetische Analyse. Zunächst könne die grundlegende Genre-Mischung benannt und erörtert werden. Bei der Machart spiele die Filmmusik eine zentrale Rolle, die auch in alltäglichen Szenen Unheil verkündet. Als Beispiel könne der dialoglose Einstieg untersucht werden, der wesentliche Elemente der Inszenierung etabliert: „Vor allem die Erzeugung einer dichten Atmosphäre, die den Inhalt überlagert.“

Auszeichnungen

Festival des deutschen Films 2021

Filmfestival Cottbus 2021

Filmfestival Max Ophüls Preis 2021

Kinofest Lünen 2021

Lichter Filmfest 2021


INTERVIEW
FÜNF FRAGEN AN CHRISTIAN SCHÄFER (REGIE & PRODUKTION) UND GLENN BÜSING (BUCH & PRODUKTION)

„Trübe Wolken“ ist Euer Kinodebüt und ein Film über gleich mehrere Außenseiter. Was hat Euch zu der Geschichte inspiriert und wie habt Ihr zusammen den Stoff entwickelt?

Glenn: Mich interessierte von Beginn an diese Grundkonstellation: „junger Mensch – Schule – Thrillerhandlung“. Und dabei vor allem die Charaktere: Figuren mit diesem schmerzhaften Identitätskonflikt, mal so und mal so erscheinen zu müssen, in der Freiheit des Alleinseins Empfindungen und Erfahrungen kennenzulernen, die in Gegenwart anderer völlig außen vor gelassen werden. Und die Frage, worin das Ganze dann mündet. Dieses Spiel aus verschiedenen Außenwahrnehmungen, unausgesprochenen Hoffnungen und Manipulationen. Christian hat vor allem in der Endphase der Drehbuch-Entwicklung gute Ideen eingebracht, um der Dramaturgie den letzten Schliff zu verpassen. Mir hat viel bedeutet, dass er auch sehr früh die Charaktere in ihrer Eigenart ernst genommen und nicht versucht hat, sie zu glätten.

Der Film spielt an einem nicht näher bestimmten Ort. Warum war Euch diese Offenheit wichtig? Und wo habt Ihr tatsächlich gedreht?

Glenn: Eine konkrete Lokalisierung macht unseren Stoff nicht aus. Auch Paul hat ja vor allem eine Nicht-Persönlichkeit. In diesem Ungefähren liegt ein Kontrast, der uns interessiert hat, dieses schwer Greifbare aus banaler Alltäglichkeit und angespannter Tristesse, aus dem heraus nach und nach etwas entstehen kann. Das hätte keine schnelle Metropole, kein pittoreskes Oberbayern erzählen können. Wir haben zum größten Teil in Mittelhessen und dort vor allem im Lahn-Dill-Kreis am Fuß des Westerwalds gedreht, Christians Heimat. Einer Region, die – ohne den Leuten dort zu nahe treten zu wollen – erstaunlich viel von dem mitbringt, was dem Stoff liegt: viel Natur, graue Architektur, ein rauer Charme und eher traditionelle Strukturen bei gleichzeitig möglichst viel Anonymität.

Euer Film ist eine für das deutsche Kino sehr ungewöhnliche Mischung aus Coming-of-Age-Film, Thriller und Familiendrama. Welche Filme, Bücher oder Musik haben Euch am meisten beeinflusst?

Christian: Das stimmt wohl. Vermutlich liegt dieses für das deutsche Kino Ungewöhnliche darin begründet, dass einige andere Filmemacher*innen ihrer Filmidee gern etwas überstülpen, das einem vermuteten deutschen Filmgeschmack entgegenkommen soll. Wir wollten das aber nicht. Inspirationen gab es für uns eine ganze Reihe. Ursprünglich waren das tatsächlich US-amerikanische Arthouse-Filme, z. B. von Gus Van Sant. Aber auch Aspekte der Berliner Schule haben uns beeinflusst, dieses Changieren zwischen den Genres und der Impuls, sich nicht 100-prozentig auf etwas einzulassen. Uns interessierte das Erzählen von Schattenseiten des Alltags einer Figur, was wenigstens indirekt auch viele Aussagen über die Gesellschaft zulässt, in der die Figur lebt. Tatsächlich spielt an einigen Stellen mit „Nosferatu“ auch eine noch ältere deutsche Filmtradition hinein.

Im Film spielen mit Jonas Holdenrieder und Valerie Stoll zwei relative Newcomer, mit Devid Striesow aber auch ein sehr etablierter Film- und Fernsehdarsteller. Wie habt Ihr die richtigen Darsteller*innen für die Figuren gefunden?

Christian: Da ist viel dem Casting zu verdanken. Bei den jungen Hauptrollen war die Idee, dass Darstellerin und Darsteller gewisse Aspekte der Figur schon mitbringen sollten. Einfach Shootingstars zu besetzen, die durchaus auch zur Verfügung gestanden hätten, fand ich deswegen uninteressant. Bei der Figur von Devid Striesow sah die Vorbedingung etwas anders aus: Für Bulwer war es wichtig, jemanden zu finden, der nicht „wie die Faust aufs Auge“ zum „Rollenschema“ passt, denn das kann bei einem so eigenwilligen Charakter schnell falsch wirken. Ich suchte nach einem Schauspieler, mit dem man nicht gerechnet hätte, der aber dennoch die entsprechenden Qualitäten mitbrachte und mit dem ich die Rolle am Set erarbeiten konnte. Dafür war Devid Striesow extrem offen. Bulwer ist eine Rolle, die er noch nicht gespielt hat, und er hat sie auch nicht „klassisch“ verkörpert.

Der Film fängt die Tristesse, in der die Figuren zu leben versuchen, mit einem atmosphärisch dichten visuellen Konzept ein. Was war beim visuellen Stil des Films wichtig und wie habt Ihr ihn entwickelt?

Christian: Ähnlich wie schon bei der Genrefrage liegt die Antwort darin, keinem vorbestimmten Kamerastil zu folgen. Es ging zum einen darum, die Alltäglichkeit einer anscheinend gewöhnlichen Durchschnittsexistenz einzufangen: lange Schultrakte, der graue Montagmorgen, der alle gleich macht, oder das Sonntagnachmittagslicht, das beschaulich durchs Dachbodenfenster fällt. Dynamisiert wird das zum andern durch Bilder, die direkter wirken, düsterer, bedrohlicher. Dennoch ist es mir immer wichtig gewesen, ganz nah an der Hauptfigur zu bleiben, ohne von oben herab auf sie zu schauen. So entstehen auch in den weniger genrelastigen Alltags- und Familienszenen sehr beklemmende Momente für Paul.

BIOGRAFIEN

Das Herz von CHRISTIAN SCHÄFER (Regie) schlägt für Figuren, die anders sind. Sein Augenmerk liegt auf Charakteren, deren verborgene Schattenseiten nach und nach ans Licht treten. Aufgewachsen ist Schäfer in Herborn in Mittelhessen. Nach seinem Fachabitur im Bereich Sozialwesen arbeitete er bei Film- und Theaterproduktionen in der Aufnahmeleitung und Regieassistenz. Von 2013 bis 2018 belegte er an der Hochschule Macromedia in Köln das Studium Film und Fernsehen im Fachbereich Regie. Schäfer drehte 2014 „Zwei Gesichter“, den ersten Film zum Thema Homophobie im Fußball, der offiziell von Seiten des DFB unterstützt wurde. Der von der Film- und Medienstiftung NRW geförderte mittellange Spielfilm „Dieter Not Unhappy“ mit Christoph M. Ohrt, Leslie Malton und François Goeske in den Hauptrollen ist sein Abschlussfilm und feierte beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2018 seine Uraufführung. „Trübe Wolken“ ist Schäfers Kinodebüt.

Filmografie Christian Schäfer:
  • 2014

    Zwei Gesichter (KF)

  • 2016

    Hiebfest (KF)

  • 2018

    Dieter Not Unhappy (MF)

  • 2021

    Trübe Wolken

JONAS HOLDENRIEDER (Paul) steht schon seit seinem 12. Lebensjahr für Kino und Fernsehen vor der Kamera. Inzwischen gilt der Münchner als begehrter Jungdarsteller. Großen Anteil daran hatten Auftritte im erfolgreichen Kinomehrteiler „Die Vampirschwestern“ (2012–2016) und in „Fack ju Göhte“ (2013) sowie seine Hauptrollen in „Das kleine Gespenst“ (2013) und in der ZDF-Fernsehfilm-Reihe „Marie fängt Feuer“ (seit 2016). 2019 war er erneut auf der großen Leinwand zu sehen: in Michael Bully Herbigs Thrillerdrama „Ballon“. Seit Herbst 2020 studiert Jonas Holdenrieder an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. „Trübe Wolken“ ist seine zweite Kinohauptrolle.

DEVID STRIESOW (Erich Bulwer) war in den 2000er-Jahren einer der Protagonisten der Berliner Schule und wurde daneben einem breiten Publikum als durchgehender Ermittler in den Krimireihen „Bella Block“ und „Tatort“ bekannt. 2008 folgte das Oscar-prämierte KZ-Drama „Die Fälscher“, in dem Striesow den ambivalenten Antagonisten Herzog gab. 2015 verkörperte er Hape Kerkeling in der Bestseller-Verfilmung „Ich bin dann mal weg“. Striesow wurde im Laufe seiner Karriere mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Filmpreis (2007), dem Hessischen Fernsehpreis (2011), dem Deutschen Schauspielerpreis (2015) und dem Bambi (2016).

VALERIE STOLL (Dala) spielt seit 2015 Theater in Potsdam. Seit 2017 verkörpert sie ebenso Film- und Serienrollen, darunter bereits einige Hauptrollen, so in dem Fernsehfilm „Wo kein Schatten hinfällt“ (2017) oder dem tragikomischen Ensemblefilm „Wir lieben das Leben“ (2018). Darüber hinaus war Stoll in „Parfum“ (2018) zu sehen, einer von Patrick Süskinds gleichnamigem Bestseller inspirierten Thrillerserie, sowie in den TV-Produktionen „Totengebet“ (2019) und „Helen Dorn“ (2020). 2019 war sie für den Bunte-New-Faces-Award sowie den Studio-Hamburg-Nachwuchspreis nominiert. „Trübe Wolken“ ist ihre erste Kinohauptrolle.

Produktbeschreibungen

Der 17-jährige Paul interessiert sich für seltsame Dinge: für Schleichpfade und verlassene Gebäude, geflüsterte Gespräche und liegengelassene Taschen. Ansonsten hat der stille Einzelgänger scheinbar keine Eigenschaften. Auf seine Mitschülerin Dala und seinen kunstsinnigen Lehrer Bulwer, die von verborgenen Sehnsüchten getrieben werden, übt er gerade deswegen eine merkwürdige Faszination aus. Bis eines Tages ein Jugendlicher tot im Wald aufgefunden wird … Nebel, Dunst und dunkler Schauer. In Christian Schäfers vielschichtigem Regiedebüt „Trübe Wolken“ bricht sich das Unheimliche vom Grund der tristen Normalität eines grauen Provinzstädtchens unaufhaltsam Bahn. Schäfers Coming-of-Age-Thriller ist nicht nur ein atmosphärisch dichtes Außenseiterporträt, sondern erzählt auch eindrucksvoll von einer Gesellschaft, in der dysfunktionale Kommunikation und „perfekte Durchschnittlichkeit“ gewaltiges Unheil anrichten. Neben Kinostar Devid Striesow glänzen die beiden Newcomer Jonas Holdenrieder und Valerie Stoll in den Hauptrollen.

Bonusmaterial:
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Produktinformation

  • Seitenverhältnis ‏ : ‎ 16:9 - 1.85:1, 16:9 - 1.77:1
  • Alterseinstufung ‏ : ‎ Freigegeben ab 12 Jahren
  • Produktabmessungen ‏ : ‎ 13,9 x 1,7 x 19,2 cm; 95 Gramm
  • Regisseur ‏ : ‎ Schäfer, Christian
  • Laufzeit ‏ : ‎ 1 Stunde und 44 Minuten
  • Erscheinungstermin ‏ : ‎ 23. September 2022
  • Darsteller ‏ : ‎ Holdenrieder, Jonas, Striesow, Devid, Stoll, Valerie
  • Untertitel: ‏ : ‎ Englisch, Spanisch
  • Sprache, ‏ : ‎ Deutsch (Dolby Digital 5.1)
  • Studio ‏ : ‎ Salzgeber
  • ASIN ‏ : ‎ B0B5MCZ94C
  • Herkunftsland ‏ : ‎ Deutschland
  • Anzahl Disks ‏ : ‎ 1