Lob der Peitsche: Eine Kulturgeschichte der Erregung Gebundene Ausgabe – 12. September 2001


An alle, die es mit dem Hauen und Gehauenwerden haben: kaufen. Falls Ihnen die eigenen Gelüste peinlich sind: Hier winkt Entlastung. "Lieber Freund", könnte man als Subtext entziffern, "deine Ferkeleien besitzen eine ehrwürdige Tradition". Aber auch wissenschaftlich Interessierte, die sich einschlägige (?) Texte bisher aus Bibliothek oder Antiquariatshandel beschaffen mussten, werden für dieses Lesebuch, diese Anthologie der Flagellationsliteratur dankbar sein.

Ein Reader also? Auch nicht ganz. Zwar zitiert Largier -- ein Verdienst des Buches -- aus vielen teilweise entlegenen Quellen sehr ausführlich. Aber die Werke werden auf einen einzigen Aspekt, den der Flagellation, reduziert und die Kriterien der Auswahl selten begründet: "Was in diesem Buch zur Darstellung kommt, ist einem literar-historischen Bilderbogen der Geißelung ähnlicher als einer systematischen historischen oder psychohistorischen Analyse", schränkt der Verfasser bereits im Vorwort den eigenen Anspruch ein. Ein Bilderbogen ist unangreifbar, er muss nichts erklären.

Und das ist manchmal doch schade: Wer die Bußübungen in den Frauenklöstern des späten Mittelalters beschreibt, ohne auf das spezifische geistige Klima der Zeit einzugehen -- das Weltende schien unmittelbar bevorzustehen, Gottes Strafgerichte schienen sich den Zeitgenossen in Katastrophen und Kriegen anzukündigen -- bleibt über Gebühr an der Oberfläche. Und gerade zum späten Mittelalter wäre der Verfasser Nikolaus Largier auskunftsfähig, hierzu hat er in den letzten Jahren veröffentlicht (etwa als Herausgeber der >Bibliothek des Mittelalters).

Es ist übrigens auch nicht ganz einzusehen, warum der Bilderbogen es mit dem 19. Jahrhundert bewenden lässt und uns Szenen etwa der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts vorenthält. Trotzdem: Lagiers Buch eignet sich wunderbar als beziehungsreiches Geschenk für die gebildete Liebhaberin und den gebildeten Liebhaber.