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Richard Wagner als Autor
DDR- Ausgabe 1961
Autor: Richard Wagner *
Titel:Pariser Novellen Untertitel: Ein deutscher Musiker in Paris Verlag:
Koehler & Amelang, Leipzig 1961
127 Seiten, Ganzleinen, Schutzumschlag
Illustrationen: Hanns Georgi *
Inhalt siehe Foto
* Biographien siehe unter den Fotos
Maße: 18,5x 12 cm
Zustand: Buch sehr gut, Umschlag sehr geringe Gebrauchsspuren
Richard Wagner
Wilhelm
Richard Wagner (* 22. Mai 1813 in Leipzig; † 13.
Februar 1883 in Venedig) war ein deutscher Komponist, Schriftsteller, Theaterregisseur und Dirigent.
Mit seinen durchkomponierten Musikdramen gilt er als einer der
bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten der Romantik.
Richard
Wagner setzte für Figuren, Vorgänge und Gefühle charakteristische Leitmotive ein
und entwickelte dies im Ring des Nibelungen zu einer
systematischen Methode. Das von ihm propagierte Gesamtkunstwerk verbindet
unterschiedliche Künste wie Musik, Dichtung und Schauspiel zu einer Einheit.
Wagners Neuerungen der Harmonik beeinflussten die Entwicklung der
Musik bis in die Moderne.
Wagner
beschäftigte sich intensiv mit Stoffen der germanischen
Mythologie und Sagenwelt wie dem Schwanenritter, der Nibelungensage und
dem Heiligen Gral als Teil der Artus-Sage. In Lohengrin,
der Ring-Tetralogie und dem Spätwerk Parsifal kreisen seine
Gedanken um das Motiv der Erlösung, das bereits im Fliegenden
Holländer eine zentrale Rolle spielt. Mit Tristan und Isolde schuf
er eine der berühmtesten Liebesopern der Musikgeschichte. Das Werk wird von
schwebenden Dissonanzen, gesteigerter Chromatik, häufigen Modulationen und
unbestimmten Harmonien geprägt und überschreitet die Grenze zur Polytonalität.
Sein unstetes
Leben führte ihn in zahlreiche Städte Europas, in denen ein Großteil seines
Werkes entstand. Richard Wagner gründete die ausschließlich der Aufführung
eigener Werke gewidmeten Festspiele in dem von ihm geplanten Bayreuther
Festspielhaus.
An den
Erlösungsgedanken knüpft die Kritik Friedrich Nietzsches an, der sich
nach anfänglicher Begeisterung von Wagner abwandte und in zahlreichen teils
polemischen Schriften nicht nur die Musik, sondern auch das übrige Werk einer
kritischen Analyse unterzog.
In der Zeit
des Nationalsozialismus wurde Wagners Werk zum Staatskult erhoben.
Mit seiner Schrift Das Judenthum in der Musik und weiteren
Äußerungen gehört Wagner geistesgeschichtlich zu den obsessiven Verfechtern
des Antisemitismus und zu den umstrittensten Künstlern der
Kulturgeschichte. Ob sich der Antisemitismus in seinen musikdramatischen Werken
niedergeschlagen hat, wird bis in die Gegenwart diskutiert.
Wagners
Wirkung geht weit über den musikalischen Bereich hinaus. Literaten und Maler,
Philosophen und Regisseure haben sich ebenso mit ihm befasst wie Germanisten, Historiker, Politik- und Religionswissenschaftler.
Leben
Kindheit und Jugendzeit (1813–1830)
Wilhelm
Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 als neuntes Kind des Polizeiaktuars Carl
Friedrich Wilhelm Wagner (1770–1813) und der Bäckerstochter Johanna Rosine
Wagner (geborene Pätz, 1774–1848) in Leipzig geboren und am 16. August in
der Thomaskirche evangelisch getauft. Seine Mutter stammte aus
dem etwa 35 km südwestlich von Leipzig gelegenen Weißenfels. Wagners
Geburtshaus war der Gasthof Zum Roten und Weißen Löwen auf
dem Brühl Nr. 3
Nach
der Völkerschlacht bei Leipzig brach eine Flecktyphus-Epidemie
in der Stadt aus. Richards Vater infizierte sich und starb am 23. November
1813. Wagners Mutter heiratete am 28. August 1814 den Porträtmaler,
Schauspieler und Dichter Ludwig Geyer (1779–1821), der sich nach dem
Tod des Vaters der Familie angenommen hatte. Sein Lustspiel Der
Bethlehemitische Kindermord war recht erfolgreich und wurde auch
von Goethe gelobt. Spekulationen, etwa von Friedrich
Nietzsche, wonach Geyer der leibliche Vater Richard Wagners gewesen sei, sind
widerlegt worden. In Wagners schriftlichen und mündlichen Äußerungen gibt es
keine Belege dafür, dass Richard selbst an seiner Abstammung von Carl Friedrich
Wilhelm Wagner gezweifelt hätte.
Noch 1814
übersiedelte die Familie nach Dresden. Am 26. Februar 1815 wurde dort
Richards Halbschwester Cäcilie Geyer geboren. Seine älteren Geschwister hießen
Albert, Gustav, Rosalie, Julius, Luise, Klara, Theresia und Ottilie. Ab Herbst
1817 besuchte Richard – unter dem Namen Richard Geyer – die Schule
des Vizehofkantors Carl Friedrich Schmidt und wurde 1820 in die Obhut des
Pastors Wetzel nach Possendorf bei Dresden gegeben, wo er erste
prägende Eindrücke erhielt: Wetzel las nicht nur aus einer
Lebensbeschreibung Mozarts und dem Robinson Crusoe vor,
sondern auch aus Zeitungsberichten über den griechischen Freiheitskampf.
Um 1820 lernte Carl Maria von Weber, als Hofkapellmeister ein
großer Förderer von Richards Bruder Albert, den siebenjährigen Richard kennen,
der in seiner Gegenwart auf dem Klavier die Ouvertüre von Webers
Oper Der Freischütz übte.
Nachdem Geyer
am 30. September 1821 in Dresden gestorben war, nahmen mehrere Verwandte
das Kind in Betreuung. So kam Richard Mitte Oktober 1821 zum Bruder seines
Stiefvaters Karl nach Eisleben und lebte dort für ein Jahr unter dem
Namen Richard Geyer.
Im Sommer
1822 hielt er sich bei seinem Onkel Adolph Wagner in Leipzig auf,
einem Theologen, Übersetzer und Privatgelehrten, der mit Goethe korrespondierte
und großen Einfluss auf ihn hatte. Ab dem 2. Dezember 1822 besuchte
er die Kreuzschule in Dresden, wo er Lieblingsschüler des
Lehrers Julius Sillig wurde. Im Jahr 1826 übersiedelte die Familie
nach Prag, nachdem Richards Schwester Rosalie Wagner dort im
Dezember 1826 ein Engagement als Theaterschauspielerin erhalten hatte. Richard
blieb in Dresden und wurde bei der Familie Böhme untergebracht, besuchte seine
Familie aber mehrmals. Wagner versenkte sich in Shakespeare und Homer und
wagte sich an einige Übersetzungen.
In Dresden
entwickelte sich um 1826 seine Liebe zur Musik; Wagner schätzte insbesondere
Carl Maria von Weber, der seit 1817 Operndirektor in Dresden war. Ab
Weihnachten 1827 war er wieder mit seiner zurückgekehrten Familie in Leipzig.
Hier besuchte er vom 21. Januar 1828 bis 1830, jetzt unter dem Namen Richard
Wagner, die Nikolaischule sowie die Thomasschule zu Leipzig. In
der umfangreichen Bibliothek seines Onkels Adolf Wagner las er neben
Shakespeare auch Goethe, Schiller und E. T. A. Hoffmann und schrieb
als Schüler sein erstes dramatisches Werk, das Drama Leubald (1826–1828),
ein großes Trauerspiel in fünf Akten im Stile Shakespeares. Am 8. April 1827
wurde er in der Dresdner Kreuzkirche konfirmiert und führte
danach nur noch den Namen Richard Wagner. Von Herbst 1828 bis Mitte 1829 nahm
er bei Christian Gottlieb Müller heimlich Unterricht in Harmonielehre
Mit 16 Jahren
erlebte Wagner im April 1829 in Leipzig erstmals Beethovens Oper Fidelio mit Wilhelmine
Schröder-Devrient in der Titelrolle. Von nun an stand für ihn fest, dass
er Musiker werden wollte. Kurz darauf verfasste er erste Klaviersonaten (in
d-Moll und f-Moll) und ein Streichquartett in D-Dur (1829) sowie mehrere Ouvertüren (1830).
Im Frühjahr 1830 erwarb er sich durch Korrekturarbeiten für seinen Schwager,
den Verleger Friedrich Brockhaus, ein Taschengeld und begann, sich mit der
Lektüre politischer Schriften zu beschäftigen. Im Sommer desselben Jahres
erhielt er für kurze Zeit Geigenunterricht. Zur Neunten Symphonie Beethovens
verfasste er einen Klavierauszug.
Studium in Leipzig (1831–1833)
Ab 1831
studierte Richard Wagner an der Universität Leipzig Musik. Er nahm
Kompositionsunterricht beim Thomaskantor Christian Theodor Weinlig,
unter dessen Anleitung nach zahlreichen noch dilettantischen Versuchen die
ersten professionellen Kompositionen entstanden. Zu ihnen gehört die Klaviersonate in
B-Dur (WWV 21), die er Weinlig widmete und die ein Jahr später bei Breitkopf
& Härtel erschien. Auch vom Erfolg der ersten Aufführung seiner
Konzertouvertüre in d-Moll (WWV 20) und der Musik zu König Enzio (WWV 24)
1832 angespornt, komponierte Wagner weitere Werke, unter anderem die C-Dur-Symphonie (WWV 29),
die noch im selben Jahr im Prager Konservatorium uraufgeführt wurde.
Angeregt
von E. T. A. Hoffmanns Fantasiestücken in Callots Manier und
einem Stoff aus Ritterzeit und Ritterwesen, hatte Wagner bereits im Frühjahr
1826 eine Rittertragödie verfasst, die er jedoch verbrannte. Unter dem
Titel Die Hochzeit plante er eine Oper, deren Sujet auf
dem Buch Ritterzeit und Ritterwesen des Germanisten und
Volkskundlers Johann Gustav Gottlieb Büsching beruhte. Er
dichtete den Text und begann mit der Komposition der ersten Nummern dieses
„Nachtstücks von schwärzester Farbe“, dessen übertriebene Schauerromantik seiner
Schwester Rosalie jedoch wenig behagte. Daraufhin vernichtete Wagner den
Textentwurf, von der Partitur blieben Teile erhalten (WWV 31).
Wagner war
kurzzeitig beim Corps Saxonia Leipzig aktiv. Später schrieb er, dass
er das Corps vor allem aus Enttäuschung über die apolitische Haltung der
Leipziger Landsmannschafter zum Novemberaufstand verlassen habe. Die
Corpsstudenten hätten seine „schmerzliche Trauer“ über die polnische Niederlage
in der Schlacht bei Ostrołęka (1831) nicht geteilt. Im Zuge der Polenschwärmerei herrschten
unter den damaligen Studenten große Sympathien zum Nachbarvolk.] Der
Schriftsteller und Publizist Heinrich Laube beeindruckte Wagner 1833
mit den Ideen des Jungen Deutschlands, einer revolutionär orientierten
literarischen Bewegung des Vormärz, die er später als traditionsfeindlich
ablehnte.
Erste Theatererfahrungen (1833–1839)
Mit dem Plan,
den in Leipzig nach einer italienischen Vorlage verfassten Text seiner
Oper Die Feen zu vertonen, verließ Wagner im Januar 1833
Leipzig und reiste nach Würzburg, um seinen ältesten Bruder Albert zu
besuchen, der von Oktober 1830 bis Mai 1841 am Theater als Tenor
angestellt war. Am 13. Februar 1833 wurde Richard Wagner als „studiosus
musicae aus Leipzig“ im polizeilichen Melderegister der Stadt Würzburg
eingetragen. Seine erste Unterkunft in Würzburg nahm er für einige Wochen in
der Wohnung seines Bruders in der Unteren Wöllergasse (heute Kolpingstraße).
Nachdem sein
Bruder ihm zu einem ersten Engagement als Chordirektor und Chorrepetitor am
Würzburger Theater verholfen hatte, begann er am 20. Februar 1833 mit der
Komposition der Oper Die Feen. Anlässlich einer Aufführung
von Der Freischütz (mit seinem Bruder als Max)
hatte er das Theater am 18. Februar erstmals besucht. Neben seiner
Haupttätigkeit als Chorrepetitor musste er dort auch Schauspieler- und
Statistenrollen übernehmen und war als Theaterkomponist tätig. Im Herbst 1833
begann die neue Spielzeit des Theaters, und Wagner bezog am 17. Oktober
eine Wohnung in der Lochgasse 34 (das Haus am Ort der heutigen Spiegelstraße 19
wurde 1856 abgebrochen). Wie schon in den Theaterferien von Anfang Mai bis Ende
September sorgte seine Schwester Rosalie für seinen Unterhalt. Nachdem er am 6. Januar Die
Feen fertiggestellt hatte, verließ er Würzburg am 15. Januar 1834
und kehrte nach Leipzig zurück. Er beendete seine Liebesbeziehungen zu der
Choristin Therese Ringelmann und der ebenfalls am Theater tätigen Friederike
Galvagni.
In
Laubes Zeitung für die elegante Welt erschien bald darauf
(1834) sein Aufsatz Die Deutsche Oper. Als musikalischer Leiter der
Sommersaison in Bad Lauchstädt und des Theaters in Magdeburg lernte
er die Schauspielerin Minna Planer kennen und verliebte sich
leidenschaftlich in sie. Wagners erste selbstständige musikalische
Einstudierung betraf nach seiner Aussage Adolf Müller seniors Musik
zu Johann Nestroys Posse Lumpazivagabundus (1833).
Wagner
arbeitete 1835 an der Oper Das Liebesverbot, die am 29. März
1836 unter schlechten Bedingungen in Magdeburg uraufgeführt wurde. Über Berlin
reiste Wagner nach Königsberg. Am 24. November heiratete er Minna
Planer, die dort als Schauspielerin engagiert war, in der Tragheimer
Kirche. Am 1. April 1837 wurde er Musikdirektor in Königsberg.
Der Theaterbetrieb brach allerdings kurz darauf wegen Bankrotts der Direktion
zusammen. Im Juni 1837 erlangte er (engagiert von Theaterdirektor Karl von
Holtei) eine Kapellmeisterstelle in Riga, wo er sich zunächst
vor seinen preußischen Gläubigern in Sicherheit brachte. Im Juli
verließ ihn seine Frau Minna mit einem Kaufmann namens Dietrich, kehrte im
Oktober aber reumütig wieder zu ihm nach Riga zurück. Hier entstanden der Text
und der Beginn der Partitur seiner ersten Erfolgsoper Rienzi.
Wagner lernte hier auch Wilhelm Hauffs Märchen vom Gespensterschiff mit
dem Holländer-Stoff kennen. Mit dem Theaterdirektor Karl von Holtei plante er
ein Singspiel unter dem Titel Die glückliche Bärenfamilie, sperrte
sich aber bald gegen den Theaterbetrieb. In dieser Zeit ging die Epoche
der Wanderbühnen zu Ende, die zunehmend Stadttheatern mit festem
Personal weichen mussten.
Bereits 1839
verlor Wagner seine Stellung in Riga wieder. Aus Furcht vor seinen Gläubigern
machte sich das Ehepaar heimlich auf den Weg in die preußische Hafenstadt Pillau. Dabei
kam es in der Nähe von Königsberg zu einem schweren Unfall mit dem Leiterwagen,
bei dem die schwangere Frau so unglücklich stürzte, dass sie ihr Kind verlor.
Trotz der Verletzungen, die Minna offenbar gebärunfähig machten, setzten sie
die Flucht in Begleitung ihres großen Neufundländers fort.
Am 19. Juli
stachen sie mit dem kleinen Segelschiff Thetis in See,
durquerten das Kattegat und gerieten im Skagerrak in einen
so heftigen Sturm, dass der Kapitän die norwegische Insel Borøya anlaufen
musste. Eine Woche später kamen sie erneut in ein Unwetter, bei dem die Thetis
beinahe an einem Riff kenterte. Nach zwei weiteren Stürmen lief das Schiff am
12. August in die Mündung der Themse ein. Bei Gravesend stieg
das Paar auf ein Dampfschiff um, das London noch am selben Tag
erreichte. Dort mieteten die Wagners sich für acht Tage in einem Boardinghouse in
der Old Compton Street ein.
In
seiner Autobiografie Mein Leben beschrieb Wagner, wie er
die Eindrücke der abenteuerlichen Seefahrt in seinem Fliegenden
Holländer verarbeitete. Das Heulen des Sturms im Skagerrak und die
Seemannsrufe, die von den Granitwänden des norwegischen Fjords widerhallten,
prägten das Werk atmosphärisch wie musikalisch. Nach dem Aufenthalt in London
reiste das Paar mit dem Dampfschiff nach Boulogne-sur-Mer, wo Wagner die
Bekanntschaft Giacomo Meyerbeers machte, dem er die vollendeten Teile
des Rienzi zeigte. Meyerbeer lobte die Partitur und
machte ihn mit Ignaz Moscheles und der Pianistin Marie
Leopoldine Blahedka bekannt, deren Soireen er bald besuchte. Die so
gewonnenen Beziehungen sollten dem noch unbekannten Wagner den Start in Paris
erleichtern. Er bat Eduard Avenarius, den Verlobten seiner Schwester Cäcilie,
die Unterkunft in der Hauptstadt vorzubereiten, und brach am 16. September mit
der Postkutsche auf.
Jahre in Paris (1839–1842)
Am 17.
September 1839 traf das Paar in Paris ein, wo Wagner unter
schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen den Rienzi vollendete
und den Fliegenden Holländer (1841) komponierte. Giacomo Meyerbeer
half ihm dabei, in der französischen Hauptstadt Fuß zu fassen. Mit den
Opern Robert der Teufel und Die Hugenotten war
er sehr populär, stand aber noch nicht im Zenit des Ruhms, den er erst mit dem
großen Erfolg von Der Prophet erreichen sollte. In einem Essay
Wagners über die Hugenotten zeigen sich Spuren ehrlicher
Bewunderung. Der Komponist habe „Weltgeschichte“ geschrieben, die „Schranken
der Nationalvorurteile“ und „beengenden Grenzen der Sprachidiome“ überwunden
und „Taten der Musik“ vollbracht.
In der
französischen Hauptstadt befanden sich die führenden Theater der Welt. Gelehrig
nahm Wagner Anregungen der Grand opéra oder des Melodrams auf.
Um sich und seine Frau ernähren zu können, verfasste er Artikel für diverse
Journale und erledigte musikalische Lohnarbeiten. Die materielle Not zwang das
Paar, die seit April 1840 genutzte Wohnung in der Rue du Holder gegen eine
billigere Unterkunft in Meudon zu tauschen. Von dort zogen sie im
Oktober des folgenden Jahres zurück nach Paris, wo sie ein Hinterhaus in
der Rue Jacob bezogen.
Zu den
wichtigsten Begegnungen in Paris gehörte die Bekanntschaft mit Heinrich
Heine um die Jahreswende 1839/40. Sie war von Heinrich Laube vermittelt
worden, der Wagner immer wieder finanziell und geistig unterstützte. Wagner
vertonte Heines Romanze Die Grenadiere und widmete dem
Dichter den Druck der Komposition, den er selbst bezahlte. Wie er in der Autobiographischen
Skizze aus dem Jahre 1843 schrieb, hatte Heine ihm gestattet, die in
den Memoiren des Herren von Schnabelewopski bearbeitete Sage vom Fliegenden
Holländer „zu einem Opernsüjet zu benutzen“. Aus Geldnot musste
Wagner den Prosaentwurf des Werkes unter dem Titel Le vaisseau fantôme für
500 Francs an die Pariser Oper verkaufen, die den Kompositionsauftrag
an ihren Hauskomponisten Pierre-Louis Dietsch vergab – was
Wagner indes nicht davon abhielt, seine Idee selbst auszuführen und in Musik zu
setzen.
Wagner ließ
sich von Heines journalistischer Schreibweise beeinflussen, die er in Mein
Leben als „Manier im Journalstil“ bezeichnete. So lassen seine
Beiträge für die Dresdner Abend-Zeitung Heines Stil ebenso
deutlich erkennen wie die Novellen und feuilletonistischen Beiträge,
die er für die Revue et Gazette musicale schrieb. Dass Wagner
mit Heines Werk vertraut war, wird während der Zeit in Paris durch die häufigen
Reminiszenzen an dessen Buch der Lieder deutlich. So
parodierte er anlässlich seines Geburtstags am 22. Mai (1840 oder 1841)
selbstironisch das erste Gedicht (Im wunderschönen Monat Mai) aus
dem Lyrischen Intermezzo: „Im wunderschönen Monat Mai / kroch
Richard Wagner aus dem Ei; / ihm wünschen, die zumeist ihn lieben, / er wäre
besser drin geblieben.“ Wagners Schriften erinnerten Heine angeblich an die
Prosa E. T. A. Hoffmanns, der „so etwas“ allerdings nicht hätte „schreiben
können.“ Als Heine nach Veröffentlichung seiner Börne-Denkschrift in
Deutschland heftig angefeindet wurde, setzte Wagner sich emphatisch für ihn
ein. In einem Artikel für die Dresdner Abend-Zeitung vom 6.
Juli 1841 bezeichnete er ihn als ein „Talent [...] wie Deutschland wenig
ähnliche aufzuweisen“ habe. Heine wecke die „jungen Geister aus einer
vollständigen Lethargie“ und zeige ihnen, in welche Richtung sich die
„neuzugebärenden Kräfte unserer Literatur“ bewegen sollten, „um an ein neues,
unbekanntes, aber notwendiges Ziel“ zu gelangen. Kein anderer moderner
Dichter hat Wagner stärker geprägt als Heine. Sein Einfluss auf die Musikdramen
vom Liebesverbot bis zum Parsifal ist
deutlich zu erkennen. In der Folgezeit verleugnete Wagner die Spuren Heines zunehmend,
was sich in den unterschiedlichen Äußerungen zur Entstehungsgeschichte
des Holländers zeigt.
In Paris
setzte Wagner sich mit den politischen Vorgängen in Frankreich auseinander.
Während ihn in jungen Jahren die Gräuel der Französischen Revolution „mit
aufrichtigem Abscheu gegen ihre Helden“ erfüllt hatten, wie er in Mein
Leben schrieb, reagierte er ganz anders, als Lafayette die
liberale Opposition in Paris anführte: „Die geschichtliche Welt begann für mich
von diesem Tage an; und natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution, die
sich mir nun unter der Form eines mutigen und siegreichen Volkskampfes, frei
von allen den Flecken der schrecklichen Auswüchse der ersten französischen
Revolution darstellte.“
In diese Zeit
fiel auch die Beschäftigung mit Ludwig Feuerbachs religionskritischer Philosophie und
den Theorien des französischen Frühsozialisten und frühen
Theoretikers des modernen Anarchismus Pierre-Joseph Proudhon. Vor
allem die Formulierung Proudhons zur Frage: „Was ist Eigentum?“ beschäftigte
Wagner zeitlebens: „Solange Eigentum Privilegien birgt, solange bedeutet
privilegiertes – also erpresserisches – Eigentum Diebstahl.“ Diese
Einstellung wurde vor allem in seinem Nibelungendrama ein roter
Faden.
Dresdner Jahre (1842–1849)
Nachdem es
Wagner in Paris nicht gelungen war, seine künstlerischen Pläne umzusetzen,
verließ er die Stadt am 7. April 1842 und zog nach Dresden. Im Frühjahr
1842 hatte er von der Dresdner Hofoper die Nachricht erhalten, dass
man seinen Rienzi aufführen wolle. Unter der Leitung Carl
Gottlieb Reißigers wurde das Werk dort am 20. Oktober mit Josef
Tichatschek als Rienzi und Wilhelmine Schröder-Devrient in
der Hosenrolle des Adriano erfolgreich uraufgeführt. Die triumphale,
über sechs Stunden dauernde Inszenierung war der langersehnte Durchbruch für
den jungen Komponisten. Bereits 1845 distanzierte er sich von dem Werk,
das er in einem Brief an Alwine Frommann seinen „Schreihals“ nannte und
das erst 2013 in Bayreuth aufgeführt wurde.
Auf dem Schreckenstein entstand
der erste Tannhäuser-Entwurf. Wagner konnte am 2. Januar 1843
seine Oper Der fliegende Holländer zur Uraufführung bringen.
Am 2. Februar wurde er zum Königlich-Sächsischen Kapellmeister der
Dresdner Hofoper ernannt. Wenig später übernahm er zusätzlich die Leitung der
Dresdner Liedertafel, in deren Auftrag er das monumentale Chorwerk Das
Liebesmahl der Apostel komponierte; die Uraufführung am 6. Juli
1843 in der Frauenkirche im Rahmen des Zweiten Allgemeinen Dresdner
Männergesangsfestes war ein Erfolg. Wagner wollte später keine weiteren Oratorien komponieren
und führte das Werk nicht mehr auf.
Es entstanden
Freundschaften mit Anton Pusinelli und dem Musiker und
sozialistischen Publizisten August Röckel, mit dem er vor allem Gespräche
über Politik führte. Im Juli 1845 hielt er sich in Marienbad auf und
entwarf dort in einer ersten Inhaltsskizze die Handlung zu den Meistersingern
von Nürnberg. Nachdem er sich bereits 1823 mit griechischer und römischer
Mythologie befasst hatte, beschäftigte er sich nun intensiv mit den
deutschen Sagen, vor allem dem Nibelungen- und dem Gralsmythos, und begann mit
der Konzeption seiner Oper Lohengrin. In Dresden leitete er am
19. Oktober die Uraufführung seines Tannhäuser. Im Jahre 1846
dirigierte er Beethovens 9. Symphonie, wobei er u. a. den
jungen Hans von Bülow tief beeindruckte, und begann im Sommer,
während eines dreimonatigen Urlaubs in Graupa, mit der Komposition
des Lohengrin. Am 9. Januar 1848 verstarb Wagners Mutter in
Leipzig. Im Frühjahr 1848 besuchte Franz Liszt Wagner erstmals in Dresden,
wenig später kam es zu einem Gegenbesuch bei Liszt in Weimar, womit eine lange
Freundschaft begann.
Um sich
Anregungen für eine Theaterreform zu holen, reiste Wagner im Sommer 1848 nach
Wien. Anschließend unterstützte er die im Zuge der Märzrevolution verstärkten
republikanischen Reformbestrebungen in Sachsen und lernte dabei auch den
russischen Anarchisten Michail Bakunin kennen, den er später
gegenüber Cosima als „personifizierte Gestalt der Zukunft Rußlands“ und
„wilde(n) vornehme(n) Kerl“ bezeichnete. Wagner bemühte sich um eine
Theaterreform am Hoftheater und entwickelte seine Idealvorstellungen über den
Stellenwert der Kunst in der Gesellschaft. Er veröffentlichte einige Beiträge
in den radikaldemokratischen Volksblättern seines
Freundes August Röckel, u. a. die Schrift Die Revolution sowie
den anonym verfassten Artikel Der Mensch und die bestehende
Gesellschaft: Die Kämpfe in Österreich und Preußen hätten nur dazu gedient,
„das Schlachtfeld zu räumen für jenen letzten, erhabensten Kampf“, mit dem die
Menschheit zu „immer höherem, reinerem Glücke“ gelangen sollte. In dieser
Zeit entstand seine Abhandlung Die Wibelungen, Weltgeschichte
aus der Sage, eine Vorstufe zu seinem Hauptwerk Der Ring des
Nibelungen.
Als der Dresdner
Maiaufstand ausbrach, schloss Wagner sich den Aufständischen an. Er half
dabei, Waffen zu erhalten, verbreitete Propaganda und bestieg sogar den Turm
der Kreuzkirche, um von dort aus die Revolutionäre mit Signalen zu warnen.
Im weiteren Verlauf wurden Bakunin und August Röckel verhaftet und zum Tode
verurteilt; die Urteile wurden später in Gefängnisstrafen umgewandelt. Wagner
wurde der Brandstiftung bezichtigt, ein Gerücht, das sich bis in die
1860er Jahre hielt und durch unterschiedliche Schilderungen aufrechterhalten
wurde. So soll sein bald ebenfalls steckbrieflich gesuchter Freund Gottfried
Semper in einem Gespräch über die Inszenierung des Lohengrin gesagt
haben, er wolle „die Bude gleich niederbrennen.“ Am 16. Mai wurde in Dresden
ein Steckbrief veröffentlicht, mit dem Wagner „wegen wesentlicher Teilnahme an
der […] aufrührerischen Bewegung“ gesucht wurde. Auf Anraten Liszts begab er
sich am 20. Mai als „Professor Werder“ aus Berlin in das thüringische
Dorf Magdala, wo er seine Frau Minna traf.
Während der nächsten
Jahre komponierte Wagner nur noch wenig und konzentrierte sich auf Manifeste,
Aufsätze und dramatische Texte. In seinen Abhandlungen verlangte er von
Künstlern, sich dem Widerstand anzuschließen und sah im Theater der
griechischen Antike ein Modell dafür, die Künste im Sinne eines Gesamtkunstwerks zu
vereinen.
Zürcher Jahre (1849–1858)
Wagner floh
mit falschem Pass zunächst in die Schweiz und blieb nach einem kurzen
Aufenthalt in Paris bis 1858 dauerhaft in Zürich im Exil. Dort
entstanden in den Folgejahren die Zürcher Kunstschriften, unter
anderen Die Kunst und die Revolution, Das Kunstwerk der Zukunft und
seine große musiktheoretische Schrift Oper und Drama, sowie die
Hetzschrift Das Judentum in der Musik. In einem regen
Briefaustausch mit seinen Freunden Franz Liszt, August Röckel und Theodor
Uhlig entwickelte und erklärte er seine zukünftigen künstlerischen
Ambitionen. Mit seinem neuen Opernentwurf Wieland der Schmied versuchte
Wagner in Paris erneut sein Glück, allerdings vergeblich. Er lernte die junge
Jessie Laussot kennen, die in unglücklicher Ehe gebunden war, und folgte ihr
nach Bordeaux, in der Absicht, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und
mit ihr nach Griechenland zu fliehen. Nach einigen Wochen beendete er die
Affäre und kehrte zu seiner Frau nach Zürich zurück. In Weimar fand
am 28. August 1850 in Abwesenheit Wagners die Uraufführung von Lohengrin unter
der Leitung von Franz Liszt statt.
Wagner lernte
1852 Otto und Mathilde Wesendonck kennen und begann nach einer Kur in
der Wasserheilanstalt Albisbrunn, südlich von Zürich gelegen, mit der Dichtung
zum Ring des Nibelungen. Er lernte Georg Herwegh kennen,
einen Weggenossen von Karl Marx, der ein reger Diskussionspartner und
Wanderfreund wurde. Wagner unternahm ausgedehnte Bergtouren, unter anderem eine
mehrwöchige Fußwanderung nach Italien. In der Einsamkeit der
Hochgebirgslandschaften und erhabenen Gletscher sah er die idealen Szenenbilder
für seinen Ring. Am 16. Februar 1853 las Wagner erstmals
öffentlich seine komplette Ring-Dichtung an vier Abenden im Hotel Baur au
Lac in Zürich.
Im Mai 1853
gab Wagner enthusiastisch aufgenommene Konzerte mit Ausschnitten aus eigenen
Werken in Zürich. Im Juli besuchte ihn Liszt; bei dieser Gelegenheit kam es zum
Bruderschaftstrunk mit Liszt und Herwegh. Wagner reiste im September erneut
nach Italien, wo ihm in einem Hotel in La Spezia im Halbschlaf die
Ur-Idee zum musikalischen Beginn des Rings des Nibelungen kam,
und konzipierte das Rheingold-Vorspiel. Am 10. Oktober war
Wagner bei Liszt in Paris und sah zum ersten Mal dessen Tochter Cosima,
die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war. Im Herbst 1854 vollendete Wagner
die Rheingold-Komposition, an der er seit Oktober 1851 mit
zahlreichen Unterbrechungen gearbeitet hatte.
Richard
Wagner las 1854 auf Empfehlung von Herwegh Schopenhauers Hauptwerk Die
Welt als Wille und Vorstellung. Im selben Jahr begann er mit der Konzeption
der Oper Tristan und Isolde, die grundlegend von der Philosophie
Schopenhauers beeinflusst ist, wenn sie auch dessen Pessimismus nicht
folgt. Wie Dieter Borchmeyer ausführt, kann Isoldes Liebestod nicht
mit dem Erlöschen des Begehrens im Nirwana gleichgesetzt werden.
Wagner selbst distanzierte sich in einem Brief am Mathilde Wesendonck vom 1.
Dezember 1858 sowie im Fragment eines nicht abgeschickten Briefs an
Schopenhauer von dieser Vorstellung und beschrieb die Liebe als einen Weg des
Heils, der über den individuellen Willenstrieb hinausführe.
1855 gab
Wagner mehrere Konzerte in London, 1856 richtete er ein Gnadengesuch an
den sächsischen König. Zwischenzeitlich lebte er auf dem sogenannten
„Grünen Hügel“ neben der Villa Wesendonck in Zürich, arbeitete
an Siegfried und später an Tristan und Isolde und
vertonte – als musikalische Studien zum Tristan – fünf
Gedichte von Mathilde Wesendonck (Wesendonck-Lieder). Am
18. August 1857 wurden Hans von Bülow und Cosima in Berlin
getraut und unternahmen ihre Hochzeitsreise zu Wagner nach Zürich. Wagners
Affäre mit Mathilde Wesendonck spitzte sich 1858 zu: Nachdem Minna die
Beziehung ihres Mannes zur verheirateten Mathilde Wesendonck aufgedeckt und
einen Eklat provoziert hatte, trennte sich Wagner von seiner Frau. Er
reiste nach Venedig, wo er den zweiten Akt des Tristan komponierte.
Seine Frau übersiedelte nach Dresden.
Wanderjahre (1859–1865)
Im Frühjahr
1859 musste Wagner aus politischen Gründen das damals unter österreichischer
Verwaltung stehende Venedig verlassen. Er begab sich nach Luzern und
vollendete im Hotel Schweizerhof Luzern den Tristan.
Danach ging er wieder nach Paris, wohin Minna ihm nachfolgte. Fürstin Pauline
von Metternich und Marie von Kalergis unterstützten Wagner und
ermöglichten ihm Konzerte in Paris und Brüssel. Im August 1860 konnte er nach
einer Teilamnestie durch den sächsischen König wieder deutschen Boden
betreten.
Wagner
studierte 1861 an der Pariser Oper, Salle Le Peletier, eine neue,
französische Fassung seines Tannhäuser ein, für die er die
erste Szene neu komponiert und ein Ballett eingefügt hatte. Trotzdem entsprach
das Ergebnis nicht den vorgefassten Erwartungen einiger Pariser Publikumsclubs,
so dass es zum Tannhäuser-Skandal kam. Nach der dritten durch Zwischenrufe
gestörten Aufführung zog Wagner sein Werk zurück. Er verließ Paris und hielt
sich in Karlsruhe, Venedig und Wien auf, kehrte dann einige Wochen später
wieder nach Paris zurück, um im Auftrag des Musikverlegers Franz Schott aus
Mainz mit seiner neuen Arbeit Die Meistersinger von Nürnberg zu
beginnen. Anfang 1862 siedelte er nach Biebrich um, um die Musik zu
den Meistersingern zu komponieren.
Ein neues Zusammentreffen
mit Minna Anfang 1862 in Biebrich führte zur endgültigen Trennung des Ehepaars.
Im gleichen Jahr erließ der König von Sachsen eine vollständige Amnestie,
worauf Wagners Freund und Gönner Wendelin Weißheimer ihm erstmals
wieder ein Konzert in Leipzig, seiner Heimatstadt, ermöglichte. In Weimar sah
Wagner Franz Liszt wieder. Im Juli traf er sich mit den Bülows, danach blieb er
in Wien und wohnte einige Monate in Penzing, um die geplante Uraufführung
seines Tristan zu begleiten, zu der es aber wegen zahlreicher
Schwierigkeiten nicht kam. Im Wiener Musikverein gab er im Beisein
der Kaiserin Elisabeth einige umjubelte Konzerte, erstmals mit
Ausschnitten aus seinem Ring. Im Jahr 1863 gab Wagner Konzerte
in Sankt Petersburg, Moskau, Budapest, Prag und
Karlsruhe, die künstlerisch erfolgreich waren, jedoch nicht die erwarteten
Einnahmen brachten. Am 28. November bekannten sich Wagner und Cosima in
Berlin gegenseitig ihre Liebe. Im Frühjahr 1864 flüchtete Wagner vor
Steuerfahndung und Gläubigern aus Wien und besuchte Eliza Wille in
Mariafeld bei Zürich.
Eine Rettung
aus größter finanzieller Not und persönlicher Verzweiflung ergab sich für
Wagner indirekt dadurch, dass er am 4. Mai 1864 von König Ludwig II. in München empfangen
wurde, der wenige Wochen zuvor im Alter von 18 Jahren die Regentschaft
von Maximilian übernommen hatte. Wagner war nicht nur der
Lieblingskomponist des Königs, sondern wurde auch sein „väterlicher“ Freund und
Berater. Der König blieb bis zum Tode Wagners dessen Mäzen. Er widmete ihm
das „Märchenschloss“ Neuschwanstein, dessen Bilder auf Lohengrin und Parsifal beruhen,
während die Venusgrotte des Schlosses Linderhof von
Wagners Tannhäuser inspiriert wurde. In dieser exponierten
Stellung nahm Wagner Einfluss auf politische Entscheidungen des jungen Königs
und verfasste verschiedene politische Schriften.
Bereits im
Dezember 1864 leitete Wagner im Münchner Nationaltheater eine
von Ludwig II. geförderte Neuinszenierung des Fliegenden
Holländer. Nachdem eine Aufführung in anderen Städten gescheitert war,
wurde dort am 10. Juni 1865 Tristan und Isolde uraufgeführt.
Im weiteren Verlauf kam es zwischen Wagner und seinem Förderer zu Konflikten,
da der König als Inhaber der Rechte darauf bestand, Das Rheingold und Die
Walküre gegen den Wunsch des Komponisten im Nationaltheater
uraufführen zu lassen.
Im Juni und
Juli des gleichen Jahres weilte Cosima bei Wagner im Haus Pellet in
Kempfenhausen am Starnberger See, wo sie ihre Liebesbeziehung besiegelten.
Der König stellte ihm in der Brienner Straße in München als Wohnsitz
ein Haus zur Verfügung. Am 10. April 1865 wurde in München Isolde geboren,
das erste gemeinsame Kind von Cosima (noch eine verheiratete von Bülow)
und Richard Wagner (siehe Familie Richard Wagners). Am 17. Juli
begann Wagner seine Autobiographie Mein Leben zu diktieren.
Wegen heftiger Proteste der Bevölkerung und der Regierung, die Wagner und
Ludwig II. Verschwendungssucht vorhielten, verließ Wagner Bayern im
Dezember in Richtung Schweiz. Minna Wagner starb am 25. Januar 1866 in
Dresden.
Asyl in Tribschen (1866–1871)
Am 30. März
1866 erreichten Richard und Cosima Wagner nach einer Reise durch mehrere
Schweizer Städte den Vierwaldstättersee und entdeckten das idyllische
Haus Tribschen auf einer Landzunge bei Luzern. Einige Tage
später mietete Wagner das Haus an und konnte es bereits am 15. April beziehen.
Erneut übernahm der Förderer König Ludwig die Kosten und überwies die
Jahresmiete aus München. Wagner nahm seine unterbrochene Kompositionsarbeit an
den Meistersingern wieder auf und konnte das Werk am 24.
Oktober 1867 vollenden.
Am
22. Mai erhielt er überraschenden Besuch von König Ludwig und dessen Flügeladjutanten Paul
von Thurn und Taxis. Angesichts des drohenden Deutsch-Deutschen
Krieges wollte Ludwig als König abdanken und sich in die Nähe Richard
Wagners zurückziehen. Mit Hilfe des Adjutanten, der anschließend mehrfach
inkognito nach Tribschen reiste, konnte der König jedoch überzeugt werden, nach
München zurückzukehren und von seiner Rücktrittsabsicht Abstand zu nehmen.
Wenige Monate
später zog Cosima von Bülow mit ihren Kindern Daniela und Blandine und
der Wagner-Tochter Isolde bei ihm ein. Richards und Cosimas
gemeinsames zweites Kind Eva wurde dort am 17. Februar 1867
geboren. Die Uraufführung der Meistersinger von Nürnberg fand
am 21. Juni 1868 in München am Hoftheater statt. Am
8. November kam es in Leipzig zur ersten Begegnung mit Nietzsche. Ab
dem 16. November lebte Cosima endgültig bei Wagner und begann am
1. Januar 1869 ihr Tagebuch zu schreiben. Friedrich Nietzsche, seit kurzem
Professor in Basel, kam nun regelmäßig (insgesamt 23 mal) als Gast nach
Tribschen und war auch zugegen, als am 6. Juni 1869 Siegfried,
Cosimas und Richards drittes Kind, geboren wurde. Am 22. September fand
auf Veranlassung König Ludwigs, jedoch gegen den Willen Wagners, in München die
Uraufführung von Das Rheingold statt. Auch die Uraufführung
der Walküre erfolgte ohne Wagners Zustimmung, der den Ring nur
vollständig aufführen wollte, am 26. Juni 1870 in München.
Am
18. Juli 1870 wurde die Ehe Cosimas und Hans von Bülows geschieden,
am 25. August wurden Cosima und Richard Wagner in der protestantischen
Kirche von Luzern getraut. Am 25. Dezember 1870 fand die Uraufführung
des Siegfried-Idylls als Geburtstagsgeschenk für Cosima auf
der Treppe in Wagners Haus in Tribschen statt. Wagner wählte 1871 Bayreuth als
Festspielort und kündigte erstmals Festspiele zur Aufführung des Ring des
Nibelungen an. Im April reiste er mit Cosima über Bayreuth nach Berlin, wo
sie von Otto von Bismarck empfangen wurden. Eine finanzielle
Unterstützung der geplanten Festspiele durch das Deutsche Kaiserreich konnte
Wagner nicht erreichen. Zur Finanzierung der Festspiele wurden ab 1872
Wagnervereine gegründet und Patronatsscheine verkauft; eine wesentliche Rolle
spielte dabei Marie Gräfin Schleinitz, die Wagner 1863 kennengelernt hatte
und ihn zeitlebens enthusiastisch förderte.
Die Bayreuther Jahre (1872–1881)
Wagner
verließ im Frühjahr 1872 mit Cosima und den Kindern Tribschen, um nach Bayreuth zu
ziehen, Ende April zunächst ins Hotel Fantaisie neben dem gleichnamigen Schloss in Donndorf,
etwa sieben Kilometer westlich von Bayreuth, dann am 24. September in eine
Stadtwohnung (Dammallee 7). Am 22. Mai konnte er den Grundstein für
sein Festspielhaus legen. Er war 1873 oft auf Konzertreisen, um Geld
für seine Festspielstiftung einzuspielen. Bruckner und Nietzsche
waren zu Besuch in Bayreuth. Am 2. August 1873 fand das Richtfest des
Festspielhauses statt. In diesem Jahr hatte Friedrich Nietzsche seine
ersten schweren Krankheitsanfälle. Auch Wagner war von den vielfältigen
Belastungen seiner Arbeit zunehmend angegriffen und hatte in den letzten zehn
Lebensjahren unter regelmäßigen Herzanfällen zu leiden.
Im Dezember
1873 wurde ihm der Königliche Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft verliehen,
der ihm bereits 1864 zugedacht war und den er damals aus politisch-persönlichen
Überlegungen nicht angenommen hatte.
Am
28. April 1874 bezogen Cosima und Richard Wagner das Haus Wahnfried.
Die Partitur des Ring des Nibelungen wurde am 21. November
1874 beendet und König Ludwig gewidmet, der – nach längerem Zögern –
mit einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung das Festspielunternehmen
rettete, als Wagners eigene Mittel und eingehende Spenden zu versiegen drohten.
Das
Festspielhaus war 1875 so weit fertiggestellt, dass bereits die Proben beginnen
konnten. Im Bayreuther Festspielhaus hatte Wagner ein „unsichtbares Orchester“
anlegen lassen, indem der Orchestergraben mit einer Abdeckung
zum Publikum hin abgeschirmt wurde („mystischer Abgrund“). Dadurch
konnte die Konzentration der Zuschauer einzig auf die dramatische Handlung und
die akustische Wahrnehmung der Musik gerichtet werden, ohne dass deren
Tonerzeugung sichtbar wurde. Wie sich zeigte, war durch diese Einrichtung aber
auch eine besondere Klangqualität erreicht worden. Die einzigartige Akustik des
Hauses beruht außerdem darauf, dass der Raum ein Holzbau ist und der
Zuschauerraum keine Logen an den Seiten hat. Die Sitze sind
ungepolstert, so dass weniger Schall geschluckt wird. Die Idee zu dieser Anlage
des Festspielhauses geht zurück auf das Theater in Riga, wo Wagner in einer
Art Scheune dirigieren musste, die durch eine Bretterwand unterteilt
war, von deren Akustik er jedoch begeistert war.
In
Anwesenheit Kaiser Wilhelms I. begannen am 13. August 1876
die ersten Bayreuther Festspiele mit der vollständigen Aufführung
des Ring des Nibelungen. Im September reiste Wagner nach Italien
und hatte eine letzte Begegnung mit Nietzsche in Sorrent. In den Jahren
1877 bis 1879 arbeitete er in seinem Haus Wahnfried am Parsifal.
Während eines London-Aufenthalts wurde er von Königin Victoria von
Großbritannien empfangen. Am 31. Dezember 1879 reiste Wagner erneut nach
Italien und hielt sich im Folgejahr überwiegend in Neapel, Ravello, Siena und
Venedig auf. Dort entstanden auch seine sogenannten „Regenerationsschriften“,
die in den von Hans von Wolzogen herausgegebenen Bayreuther
Blättern veröffentlicht wurden.
Nachdem er
mit seiner Ring-Aufführung bei den ersten Festspielen 1876 ein finanzielles
Desaster erlebt hatte, trug sich Wagner eine Zeitlang mit Plänen, in die Vereinigten
Staaten auszuwandern und verband dies mit unrealistischen wirtschaftlichen
Erwartungen. Bereits 1854 und 1859 hatte er von einem Interesse aus den
Vereinigten Staaten erfahren und Angebote für eine Amerikareise
erhalten. Seinem Zahnarzt Newell Sill Jenkins berichtete er am
8. Februar 1880, er halte es nicht für unmöglich, mit seiner ganzen Familie in
die Vereinigten Staaten auszuwandern. Er überlegte, nach Minnesota zu
ziehen und den Amerikanern den Parsifal zu widmen. Wagner
besprach seine Pläne mit Jenkins, der sich im Verbund mit anderen Freunden
bemühte, ihm diese Pläne auszureden.
Im November
1881 reiste er, gesundheitlich angeschlagen, wegen des günstigeren Klimas mit
seiner Familie nach Sizilien und vollendete am 13. Januar 1882
in Palermo den Parsifal, der bei den zweiten Bayreuther
Festspielen am 26. Juli 1882 in Bayreuth uraufgeführt wurde. Zuvor
hatte es in München eine Privataufführung des Vorspiels für König Ludwig II.
gegeben; es war ihre letzte Begegnung.
Tod in Venedig 1883
Am
16. September 1882 reiste Wagner mit seiner Familie abermals nach Venedig,
wo er auch mehrere Wochen mit Franz Liszt zusammen war. Am 25. Dezember
gab er als Geburtstagsgeschenk für Cosima letztmals ein gemeinsames Konzert
im Teatro La Fenice; er dirigierte seine Jugendsymphonie in C-Dur.
Am
13. Februar 1883 hielt er sich in dem von ihm und seiner Familie bewohnten
Seitenflügel des Palazzo Vendramin-Calergi auf. Gegen 15 Uhr wartete
die Familie bei Tisch auf Wagner, der trotz Herzkrämpfen in seinem
Arbeitszimmer an einem Aufsatz Über das Weibliche im Menschlichen schrieb.
Das Hausmädchen fand ihn zusammengesunken an seinem Schreibtisch über den
Worten „Gleichwohl geht der Prozeß der Emanzipation des Weibes nur unter
ekstatischen Zuckungen vor sich. Liebe – Tragik“. Er sagte noch: „Meine
Frau und der Doktor“, bevor er in Bewusstlosigkeit fiel und gegen
15:30 Uhr in Cosimas Armen im Alter von 69 Jahren starb.
Der
Bildhauer Augusto Benvenuti nahm am 14. Februar die Totenmaske
ab. Am 16. Februar wurde Wagners einbalsamierter Leichnam, begleitet von
seiner Familie und einigen Freunden, in zwei Sonderwagen, die dem Zug aus
Venedig angehängt waren, über München nach Bayreuth überführt. Nach
der Ankunft am Sonntag, dem 18. Februar, in Bayreuth wurde der Sarg unter
den Klängen des Trauermarsches aus Götterdämmerung unter der
Anteilnahme der Bayreuther Bevölkerung vom Bahnhof zur Villa Wahnfried geleitet
und in der vorbereiteten Gruft im Garten beigesetzt.
Werk
Musik
Wagners
große Opern gehören zu den Höhepunkten romantischer Musik und
beeinflussten viele Zeitgenossen und spätere Komponisten erheblich. Für sie
schrieb er nicht nur die Musik, sondern auch die Libretti und
Regieanweisungen.
Vor allem
der Tristan gilt vielen als Ausgangspunkt der modernen
Musik. Wie bei Franz Liszt tritt die Melodik gegenüber
der Harmonik zurück, die weit über den Stand hinausgeführt wird, auf
dem Johannes Brahms noch 1892 in seinen späten Klavierstücken op. 119
blieb. Sie ist von schwebenden Dissonanzen und
charakteristischen Vierklängen, gesteigerter Chromatik und
häufigen Modulationen bis zur Polytonalität geprägt.
Der Tristan-Akkord wurde vermutlich häufiger analysiert und
interpretiert als jede andere Neuerung der Harmonik. Mehr als
100 Jahre nach der Komposition des Werkes war noch von der Krise der
modernen Harmonielehre die Rede.
Es wäre
allerdings überzogen, die Tristan-Harmonik zum Ausgangspunkt der atonalen
Musik zu machen, waren doch Chromatik und Enharmonik zum
Zeitpunkt der Komposition bereits etabliert. Gerade in den schwelgerischen
Momenten der Handlung verzichtete Wagner weitgehend auf die sprichwörtlich
gewordene Tristan-Chromatik und -Enharmonik.
Es gab zudem
zahlreiche Komponisten, die schon vor Wagner harmonische Neuerungen eingeführt
hatten. Dies gilt vor allem für Frédéric Chopin, der mit gewagter
Chromatik in einigen Préludes, Nocturnes und anderen Werken
seine Zeitgenossen überraschte. Einige Musiker beklagten die unvorbereiteten
Wendungen und jähen Übergänge in eine unerwartete Tonart während
einer Phrase. Chopin vermied es bisweilen, in eine eindeutig bestimmte
Tonart überzugehen und setzte die Akkorde gegen die Konventionen der Funktionsharmonik ein. Franz
Liszt strebte schon in frühen Jahren harmonische Neuerungen an. So zeigen die
1837 bis 1839 entstandenen Stücke aus dem zweiten Band der Années de
pèlerinage eine Tendenz zur schrittweisen Auflösung der
Funktionsharmonik.
In den
Werken Franz Schuberts sind variationsreiche und schweifende
Modulationen ebenfalls zu erkennen. So führt die späte Klaviersonate in
B-Dur (D 960) im ersten Satz ins ferne eses-Moll. Um diese Tonart zu
vereinfachen, macht Schubert aus ihr d-Moll und aus dem folgenden
Ceses-Dur wieder B-Dur, womit die Grundtonart am Anfang der Reprise erreicht
wird. Schubert gelangt in der Regel rechtzeitig zur Ausgangstonart, während
Wagner die Leittöne nicht oder nur an bestimmten Stellen auflöst oder
in andere leittönige Akkorde überführt, die selbst wiederum zu neuen
leittönigen Verbindungen führen.
Gattungsgeschichtlich
liegt Wagners Bedeutung in der Weiterentwicklung der sogenannten Nummernoper zum Musikdrama.
Während etwa Webers Freischütz eine Abfolge einzelner
Nummern (Arien, Duette, Chöre etc.) ist, die durch gesprochene Rezitative
miteinander verbunden werden, herrscht bei Wagner – vor allem in seinen
reifen Werken – die sogenannte unendliche Melodie, die eng mit
seiner Leitmotivtechnik verbunden ist. Das Orchester beginnt am
Anfang eines Aktes zu spielen und hört am Aktende auf; gesprochen wird nicht.
Es gibt keine einzelnen Gesangsstücke mehr, sondern gesungene
Erzählungen, Monologe und Dialoge. Sie stehen nicht isoliert neben- bzw.
nacheinander, sondern werden durch die Orchestermusik verwoben.
Leitmotivtechnik und Programmmusik[
Mit den
Leitmotiven ordnet Wagner einer Figur, einem Gegenstand oder einem Gefühl wie
Liebe, Wut oder Sehnsucht ein bestimmtes musikalisches Motiv zu, das
immer dann zu hören ist, wenn die Person, der Gegenstand oder das Gefühl
auftaucht.
Vorformen des
Leitmotivs sind mit der Gattung Oper selbst verbunden. Seit dem späten 18.
Jahrhundert finden sie sich in den Werken französischer Komponisten wie André-Ernest-Modeste
Grétry und Étienne-Nicolas Méhul, dann in der deutschen romantischen
Oper etwa von Louis Spohr, E. T. A. Hoffmann und Carl Maria
von Weber sowie in anderen Gattungen wie dem Melodram. Wagner
konnte an Hector Berlioz anknüpfen, der wie Hoffmann eine
musikalisch-literarische Doppelbegabung war. In seiner autobiographisch
kodierten Symphonie Fantastique hatte er sich von tradierten
Formen abgewandt und die Gesamtanlage als Charaktervariation eines
Hauptthemas konzipiert, womit auch die Auflösung der klassischen Sonatenhauptsatzform im Kopfsatz verbunden
war. Die sogenannte „idée fixe“, ein Vorgänger des Leitmotivs, erscheint
als jeweils abgewandeltes Kernthema (une pensée mus.) in den fünf Sätzen
der Sinfonie und bezieht sich auf unterschiedliche Lebenssituationen mit
der Geliebten.
Die damit
verbundenen außermusikalischen Inhalte spielen in der Programmmusik der
von Liszt geführten Neudeutschen Schule eine herausragende Rolle. Die
Vertreter dieser Schule beriefen sich auch auf Hegel, der in seinen Vorlesungen
über die Ästhetik für die Moderne ein „Ende der Kunst“
diagnostiziert hatte. Sie setzten sich für Reformen des Stils und der Gattungen
ein, um die Musik den Bedingungen der Zeit anzupassen und dabei
ideell-inhaltliche Aspekte gegenüber formalen Fragen zu bevorzugen.
Wagner griff
somit auf das zurück, was bereits üblich war und entwickelte es zu einer
systematischen Methode, die er begleitend in seiner Hauptschrift Oper
und Drama erklärte. In Bezug auf die Handlung sprach er
nicht von „Leit-“, sondern von „Haupt-“ oder „Grundmotiven“, während bezüglich
der Musik von „ahnungs- oder erinnerungsvollen melodischen Momenten“,
„thematischen Motiven“, „Grundthemen“ oder „Gefühlswegweisern“ die Rede war.
Sind die
Leitmotive im Lohengrin noch an bestimmte Perioden gebunden,
bestimmen sie im Ring des Nibelungen als dichtes Motivgewebe
das gesamte Werk und wirken formtragend. Ein Grund für diese Technik war der
Umfang der Tetralogie selbst, den Wagner erst im Laufe der Zeit erkannte und
der zu einer immer komplexeren epischen Verzweigung führte. Hatte er zunächst
nur Siegfrieds Tod komponieren wollen, merkte er bald, dass er
in der Historie bis zum Rheingold zurückgehen musste. Die
Tetralogie wurde auf diese Weise zu einer komplexen Einheit verbunden, die aus
voneinander abgeleiteten Motiven besteht, während parallel dazu die sinfonischen Möglichkeiten
der Musik zurückgenommen wurden: Die dramatische Entwicklung der Motive, die
sich in der Sinfonik Beethovens findet, ist den wiedererkennbaren
Motivgestalten Wagners versagt.
Die einzelnen
Motivnamen stammen nicht von Wagner, sondern wurden durch die Analyseliteratur
eingeführt, die Hans von Wolzogen 1876 mit seinem Thematischen
Leitfaden zur Uraufführung des Ring begründet hatte.
Wolzogen stützte sich vornehmlich auf Wagners zentrale Schrift Oper und
Drama. Dort hatte Wagner die „Versmelodie“ der Singstimme mit der
vorbereitenden „Orchestermelodie“ verknüpft. Die „Melodie“ des Orchesters werde
als „Erinnerung“ aufgegriffen und in das Gefüge eingebunden. Mit dieser
Literatur wurde Wagners Musik im weiteren Verlauf popularisiert und gegen
Verständnisschwierigkeiten verteidigt, so dass sie auch für Laien einfacher
erfassbar war. In der Folge entwickelten sich die Leitmotive zu einem
Markenzeiten des Komponisten. Die damit verbundene klischeehafte und
vereinfachende Reduktion der innovativen Musik auf diese Technik ergab sich
somit aus der Rezeptionsgeschichte. Das gilt auch für den Begriff „Leitmotiv“
selbst, der 1860 von August Wilhelm Ambros eingeführt worden war und
sich auf Wagner sowie Liszt bezog.
Dichterisch-musikalische Periode und Stabreim
Wagner sah
im Stabreim die älteste Eigenschaft aller dichterischen Sprache. Im
dritten Teil seiner Hauptschrift Oper und Drama befasste er
sich eingehend mit der Alliteration und prägte dort den Begriff der
„dichterisch-musikalischen Periode.“ Der Stabreim beziehe verwandte
Sprachwurzeln so aufeinander, „wie sie sich dem sinnlichen Gehöre als ähnlich
lautend darstellen“ und verbinde „ähnliche Gegenstände zu einem Gesamtbilde von
ihnen“. Auch unterschiedliche Empfindungen wie etwa „Lust und Leid“ oder „Wohl
und Weh“ könnten verbunden und dem Gefühl „als gattungsverwandt“ vorgestellt
werden. Mit Beispielen für syntaktische Einheiten wollte er
zeigen, wie die jeweilige dichterische Absicht die Musik formt. Nach Wagners
Auffassung erfordern die Verse in der Melodie und Harmonik eine bestimmte Modulation: Wenn
dieselben Empfindungsgehalte vorgestellt werden, wie etwa in „Liebe gibt Lust
zum Leben“, kann der Komponist in derselben Tonart bleiben, während
er bei gegensätzlichen Gefühlen („Die Liebe bringt Lust und Leid“) in eine
andere Tonart übergehen muss.
Von den
Überlegungen zum Stabreim abgesehen beschreibt Wagner hier eine typische
Beziehung lyrischer Sprache mit Musik, die sich bereits im Kunstlied von Franz
Schubert und Robert Schumann findet. Die
dichterisch-musikalische Periode wird durch eine Tonart
zusammengehalten, und die harmonische Entwicklung ist an den Verlauf des Textes
gebunden. Da der Begriff nur sehr knapp definiert war, wurde er unterschiedlich
gedeutet und eingesetzt. Für Alfred Ottokar Lorenz etwa handelte es
sich um einen Grundbegriff, mit dem er Perioden in längere Abschnitte
einteilte. Die Perioden konnten dabei eine Länge zwischen 14 und 840 Takten haben. Carl
Dahlhaus lehnte dies ab und setzte den Begriff nur für Einheiten von 20
bis 30 Takten ein. Ein Wechsel zwischen 14 Takten als untere und 840 als
obere Grenze sei auch bei großer Aufmerksamkeit unrealistisch und mache es
unmöglich, die musikalische Form zu erfassen.
Unendliche Melodie
Wagner führte
den Begriff „unendliche Melodie“ in der Broschüre Zukunftsmusik ein,
um seine durchkomponierten Werke von traditionellen Nummernopern abzugrenzen.
Orientiert sich dort der melodische Aufbau an den jeweiligen Erfordernissen der
Arien und Szenen und muss häufig unterbrochen werden, entwirft Wagner
eine durchgehende melodische Entwicklung selbst über die einzelnen Aufzüge hinweg.
So verändert sich auch die musikalische Syntax, die zu einer freieren
Gliederung übergeht und nicht länger an den regelmäßigen Phrasenbau der
Vokalmusik gebunden ist. Für Arnold Schönberg war dieses Konzept ein
Vorgänger der von ihm propagierten „musikalischen Prosa“.
Wie Diether
de la Motte ausführt, kann Wagners unendliche Melodie als „anonym
gewordene Melodik“ betrachtet werden, während sich in der Harmonik seine
Phantasie entfaltete und er einen unverkennbaren Personalstil entwickelte,
dessen Übernahme Wagnerepigonen hervorbringen musste. Die Phantasie ufert
in Wagners reifen Werken nicht aus, sondern wird durch die jeweilige
dramatische Situation des Geschehens in Grenzen gehalten.
Schriften
Neben seinen
Musikdramen hinterließ Richard Wagner ein umfangreiches schriftstellerisches
Œuvre. Es war ihm wichtig, über seine Werke zu schreiben und sie in eine
Perspektive zu stellen, die seiner Kunst- und Weltanschauung entsprach. In
etlichen Briefen und Äußerungen wies er darauf hin, man solle seine Schriften
lesen, um ihn ganz verstehen zu können. Mit über 200 Veröffentlichungen auf
etwa 4000 Druckseiten gehört Wagner zu den schreibfreudigsten Komponisten der
Geschichte.
Wagner sah
sich schon während seiner Zeit in Würzburg nicht nur als Komponist, sondern
auch als Dichter, was sich in der frühen Schrift Die deutsche Oper von
1834 widerspiegelt. Bis zu seinem Tod in Venedig arbeitete er nahezu unentwegt
an den Texten und schrieb zudem fast zehntausend Briefe, in denen er einzelne
Aspekte seiner Essays weiter erläuterte. Bereits 1844 plante er, die
während seiner Zeit in Paris geschriebenen Novellen und Aufsätze in
einer Sammelausgabe zu veröffentlichten. Dabei verwies er auf die
„eigentümliche Wichtigkeit“ der „Plänkeleien“, in denen er sich über die
„ganze, in jene Zeit fallende künstlerische Konfirmirung“ geäußert habe.
Seitdem ließ ihn diese Idee nicht mehr los, die er allerdings erst sehr spät
verwirklichen konnte: Zwischen 1871 bis 1873 erschien die neunbändige Ausgabe
der Gesammelten Schriften und Dichtungen. Ein 1883 posthum
herausgegebener Nachtragsband versammelte die zwischen 1873 und 1883
veröffentlichten Beiträge. Da er seinen Weg als Künstler dokumentieren wollte,
kam es immer wieder zu unterschiedlichen Plänen und Konzeptionen. Wie Cosima
Wagner am 14. Oktober 1869 in ihrem Tagebuch festhielt, war ihm auch zu
diesem Zeitpunkt noch unklar, wie er seine Schriften herausgeben und was er
davon weglassen wollte. Er sei kein Schriftsteller im eigentlichen Sinne des
Wortes.
Im vierten
Teil seiner Unzeitgemäßen Betrachtungen bezeichnete Nietzsche
den Ring des Nibelungen als ein gewaltiges „Gedankensystem
ohne die begriffliche Form des Gedankens.“ Laut Ulrich Konrad zeigen
sich hier die Spannungen zwischen dem rätselhaften Charakter der Kunst und dem
philosophischen Anspruch, Rätsel der Kunst lösen zu wollen. Wagner misstraute
dem Begriff, war aber in den Schriften darum bemüht, seine Ansichten
begrifflich zu fassen. Dies führte nicht selten zu einer schwer zugänglichen
Masse an Worten. Gerade in Bereichen, die begrifflich nur schwer festzuhalten
waren, tendierte Wagner zu ausufernder Metaphorik. So gelten viele
seiner Schriften als stilistisch verunglückt. Wagner neigte dazu, das häufig
unübersichtliche Konglomerat aus Gedankenblitzen und Lesefrüchten in einer
meist trocken deduzierenden, manchmal auch hymnischen Art vorzutragen. Ludwig
Reiners griff für Beispiele schlechter Prosa immer wieder auf Texte
Wagners zurück. Richard Strauss hingegen empfand Wagners Gedanken als
„unumstößlich überzeugend“ und empfahl, seine kunsttheoretische
Hauptschrift Oper und Drama „müßte auf jeder Universität, in
jedem Konservatorium als Jahreskollegium gelesen und erläutert werden“.
Die späte
Abhandlung Religion und Kunst (mit dem Nachtrag: Was
nützt diese Erkenntnis?) wurde 1880 in den Bayreuther Blättern veröffentlicht
und steht am Anfang der sogenannten Regenerationsschriften. In dieser Schrift
sowie in den ausdrücklich darauf bezogenen Texten Erkenne dich selbst (1881)
und Heldentum und Christentum (1881) entwickelte Wagner die
Grundlage einer Ideologie, die nach seinem Tod von Autoren um Hans von
Wolzogen systematisiert wurde. Inwieweit es bei der Rezeption durch den
„Bayreuther Kreis“ zu Verfälschungen kam, wird bis in die Gegenwart diskutiert.
In Religion und Kunst ging Wagner von dem Gedanken aus, dass
es nun der Kunst vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten.
Sie erreiche dies, „indem sie die mythischen Symbole“, welche die Religion „als
wahr geglaubt wissen will, [...] ihrem sinnbildlichen Werte nach“ erfasse. Auf
diese Weise werde ihre „verborgene tiefe Wahrheit“ sichtbar. Wagner griff
Positionen seiner an Schopenhauer angelehnten Beethoven-Schrift auf
und folgerte, dass die „der Erscheinungswelt gänzlich abgewendete“ Musik dies
leisten könne. Sie spreche das Gemüt an und sei mit nichts Realem vergleichbar.
Den Abschluss
bildet der Aufsatz Über das Weibliche im Menschlichen, an dem er
noch kurz vor seinem Tode schrieb. In ihm ging er von der ethischen
Notwendigkeit der Emanzipation der Frau ebenso aus wie von der
geistigen Liebe zwischen den Geschlechtern. Da Wagner noch während des
Schreibprozesses starb, wurde der Essay nicht abgeschlossen, sondern nach einem
ausformulierten Text mit zwei kurzen Schlagworten „Liebe – Tragik“ beendet.
Wie in vorhergehenden Aufsätzen bezieht sich Wagner auf die Rassentheorie
von Arthur de Gobineau und die Evolutionstheorie von Charles
Darwin. Ein Schwerpunkt seiner Gedanken bezieht sich auf die Ehe, die
nicht der Konventionsheirat entspricht, sondern von Gefühlen getragen sein
soll. Laut Wagner „ist es die Ehe, welche den Menschen so weit über die
Tierwelt zur höchsten Entwicklung seiner moralischen Fähigkeiten erhebt“. Im
Gegensatz sieht er die Konventionsheirat, somit den „ohne Liebe geschlossenen
Ehebund“, als „Mißbrauch der Ehe zu gänzlich außer ihr liegenden
Zwecken“ an. Würde der Mensch die Ehe missbrauchen, sieht Wagner als
logische Konsequenz daraus eine Abstufung „bis unter die Tierwelt“. Um diesen
Standpunkt zu verdeutlichen geht er in einem der folgenden Abschnitte genauer
auf den Unterschied des Verhältnisses von Männlichem und Weiblichem zwischen
der Tier- und der Menschenwelt ein. In der monogamischen Beziehung
ist es laut Wagner, „wo das Weib selbst über das natürliche Gattungsgesetz
erhoben wird, welchem es andererseits nach der Zunahme selbst der weitesten
Gesetzgeber so stark unterworfen bleibt“.
Themen
Erlösung
Wagners reife
Werke kreisen um das Motiv der Erlösung. Der Ausgangspunkt des
dramatischen Konflikts liegt im Kontrast zweier Welten, die sich feindlich
gegenüberstehen. So trifft im Tannhäuser die sinnliche Sphäre
des Venusberges auf die vergeistigte der Wartburg-Gesellschaft,
im Fliegenden Holländer stehen sich die unheimlich-dämonische
und die real-bürgerliche Welt gegenüber, im Lohengrin und Parsifal wiederum
heidnische Magie und Christentum. Die Ring-Tetralogie zeigt einen Gegensatz von
Licht- und Schwarzalben, während in den Meistersingern die
handwerkliche Genauigkeit Beckmessers auf die genialische Natur
Walther von Stolzings trifft.
Laut Peter
Steinacker führte der Säkularisierungsprozess im Kontext
der Modernisierung zu neuen, teils synkretistischen Formen
der Religion, reduzierte sich auf Ethik oder löste sich in eine vermeintlich
säkulare Anthropologie auf. Wie in der Politik gab es auch in der
Kunst eine Tendenz, auf Quellen zurückzugreifen, die als nationale
Grundschriften verstanden wurden, um sich gegenüber den europäischen
Großmächten behaupten zu können. So spielten Märchen, Sagen, nordische
Überlieferungen, mittelalterliche Epen und eben auch das Nibelungenlied eine
wichtige Rolle. In seinen Musikdramen verknüpfte Wagner diese Literatur auch
mit Stoffen aus der Antike.
Bereits in
seiner Oper Der Fliegende Holländer ist das Erlösungs-Motiv
gegenwärtig. Für die Figur des Holländers verband er Züge des Odysseus mit
solchen des Faust, dessen Hochmut dazu führt, sich mit dem Teufel
einzulassen. Dem fügte Wagner das antijüdische Ahasver-Motiv hinzu,
mit dem die vermeintliche Heimatlosigkeit der Juden erklärt werden sollte. Als
Strafe für die Mitleidlosigkeit gegenüber Jesu auf dem Kreuzweg und
die Zustimmung zur Kreuzigung sei Ahasver bis zur Wiederkunft Christi
zu ewiger Wanderschaft verurteilt worden. Nach Auffassung Dieter
Borchmeyers sah Wagner in der Gestalt des unbehausten Mannes, der nicht
sterben kann, ein Symbol seiner eigenen Persönlichkeit und seines Künstlertums,
das sich stetig wandelte.
Während „dem
ewigen Juden“ die Todessehnsucht verbleibt, steht Odysseus eine
irdische Erlösung offen. Dem Holländer hingegen wird ein Ausweg durch
göttliche Gnade und die erlösende Kraft der Liebe ermöglicht, denn
alle sieben Jahre darf er an Land und wird erlöst, wenn er eine Frau findet,
die ihm bis in den Tod treu bleibt. Zehn Jahre nach der Komposition
des Werkes erklärte Wagner, er habe mit der Senta-Ballade „den thematischen
Keim zu der Musik der ganzen Oper“ niedergelegt.
Für Konzerte
in Paris vom Januar und Februar 1860 erweiterte Wagner die Holländer-Ouvertüre
um 22 abschließende Takte. Er orientierte sich dabei an der Verklärung im Finale seines Tristan und
übertrug dies auch auf das Ende des dritten Aufzugs. Die so dargestellte
Erlösung soll das Glück schrankenloser Liebe verewigen. Mit der
Harmoniefolge des „Erlösungsmotivs“ fand Wagner ein kompositorisches Grundmuster,
mit dem er die Schlusswendungen in den meisten seiner Werke gestaltete. Es
handelt sich um einen Plagalschluss von der Moll-Subdominante in
die Dur-Tonika in Terzlage. Laut Hermann Danuser kann
dieser Akkord als Archetyp dramatisch-musikalischer Erlösung angesehen werden.
Am Ende des Holländers mache er die „Verklärung“ geradezu
sinnlich erfahrbar.
Auch
der Tannhäuser kreist um die erlösende Kraft der Liebe, die
mit christlichen Vorstellungen verbunden wird. Nachdem der Ritter das
Venus-Reich verlassen hat, „ruht“ sein Heil „in Maria“. Diese Marienfrömmigkeit zeigt
sich erneut im Gebet Elisabeths aus dem dritten Akt der Oper.
Martin Geck spricht
vom Motiv der „Erlösung durch den Untergang“, das Wagners Werke bestimmt und
sich bereits in dem frühen, handwerklich unausgereiften Leudbald findet,
in dem die Liebe tragisch endet und der Held im Schoß Adelaides stirbt.
Spiegele die Handlungsebene seiner Werke die Schlechtigkeit der Welt, deute die
Musik auf ein sinnlich erfahrbares „Prinzip Hoffnung“: Die Liebespaare Adriano
und Irene, Holländer und Senta, Tannhäuser und Elisabeth, Lohengrin und Elsa,
Tristan und Isolde, Siegfried und Brünnhilde werden erst im Tod in eine andere
Sphäre entrückt und kommen zur Ruhe. Dabei sorgt Wagners
psychologische Musik dafür, dass aus dem „entseelten Dahinsinken“ die
Versöhnung wird, wie sie sich etwa in Isoldes Liebestod zeigt.
Gesamtkunstwerk
Mit dem
Konzept des Gesamtkunstwerks zielte Wagner auf die Synthese
unterschiedliche Künste wie Musik, Dichtung und Schauspielkunst. Der Begriff
selbst geht auf Karl Friedrich Eusebius Trahndorff zurück. Für Wagner
war das „Kunstwerk der Zukunft“ nur in der „Genossenschaft aller Künstler“
denkbar. Die einzelnen Kunstgattungen sollten „als Mittel“ gleichsam verbraucht
werden, um den „Gesamtzweck“ zu erreichen – „eine unbedingte(n) und
unmittelbare(n) Darstellung der vollendeten menschlichen Natur“. In den
Musikdramen setzte er seine hohen Forderungen vor allem im
Sprach-Musik-Verhältnis um. So verstärkte er die klanglichen Eigenschaften der
Rede, indem er bestimmte Vokalfärbungen vornahm und den Stabreim bevorzugte.
Mit seiner ausprägten Leitmotivtechnik entfaltet sich ein
semantisches Netzwerk, das, vergleichbar mit dem Chor der Tragödie, das
jeweilige Geschehen kommentiert, Dramenhandlung und Musik verbindet.
Mythos
Im
Mittelpunkt der Abhandlung Oper und Drama steht Wagners
Theorie des Mythos. Das Modell für das erstrebte Kunstwerk der
Zukunft war die griechische Tragödie, die den Inhalt und Geist
„des griechischen Mythos“ verwirklicht habe.
Nachdem
die Aufklärung und die Naturwissenschaften das Mythische schrittweise
zurückgedrängt und die Welt entzaubert hatten, entwickelte sich eine
rückwärtsgewandte Sehnsucht nach dem Mythos, die exemplarisch in Schillers
Gedicht Die Götter Griechenlandes anklingt. Die „neue
Mythologie“, die angesichts der Entsinnlichung des Religiösen im Ältesten
Systemprogramm des deutschen Idealismus postuliert wurde, findet sich
auch in Friedrich Schlegels Rede über die Mythologie (1800).
Sie ist synkretistisch und setzt sich aus nordischen, indischen und
modernen Elementen zusammen. Wagner bevorzugte hingegen das Wort „Mythos“ und
lehnte die überkommene Vorstellung von „Mythologie“ als Lehre von
Göttergeschichten mit ihren didaktischen Implikationen ab.
Wagner interessierte
sich nicht für die historischen Vorlagen der zeitgenössischen Opern, die nur
vor dem jeweiligen zeitlichen Hintergrund verstanden werden konnten. Die
geschichtlichen Stoffe schienen ihm nicht geeignet, überzeitliche Fragen
darzustellen. Der Mythos hingegen brachte Grundkonflikte und allgemeine
Widersprüche des Lebens zum Vorschein, erzählte vom „Reinmenschlichen“ und
war ein Erklärungsmodell der Wirklichkeit: „Das Unvergleichliche des Mythos
ist, daß er jederzeit wahr, und sein Inhalt [...] für alle Zeiten
unerschöpflich ist.“ Der Dichter habe nur die Aufgabe, „ihn zu deuten.“ Der so
verstandene Mythos hatte für Wagner auch etwas Tröstliches: Er relativierte
individuelle Probleme, indem er zeigte, dass es immer schon große Konflikte
gab. Aus diesem Grund bediente er sich nach dem Rienzi nicht
erneut einer historischen Vorlage. Die Meistersinger gehen
zwar auf geschichtliche Vorlagen zurück, spielen aber in einem mythisch
verstandenen Nürnberg und umkreisen den Mythos der Kunst. Wagners Theorie
ist die ideelle Basis der Ring-Tetralogie und wirkte sich durch die
Rezeption bei Nietzsche auch auf die Kunst, Literatur und Philosophie der
Jahrhundertwende aus.
Nach Wagners
Auffassung entsprangen die anschaulichen Geschichten von Göttern und Heroen, Jenseits, Schöpfung und
Weltuntergang der „gemeinsamen Dichtungskraft des Volkes“, das im Mythos zum
Schöpfer der Kunst wurde. Die dichterische Kraft sei darauf gerichtet, den
Zusammenhang der Welt der Erscheinungen „in gedrängter Gestalt“ zu
versinnbildlichen.
In seiner
Schrift Die Wibelungen. Weltgeschichte aus der Sage bestimmte
er den Mythos, der romantischen Tradition folgend, als Inbegriff der
„Volksanschauung“ und postulierte ein „Urkönigtum“. Ausgehend von Karl
Wilhelm Göttlings Nibelungen und Ghibellinen und Franz
Joseph Mones Untersuchungen zur Geschichte der teutschen Heldensage entwickelte
er die (heute widerlegte) Theorie, die Nibelungen seien mit dem
Königsgeschlecht der Wibelungen (Ghibellinen) identisch. Laut Dieter
Borchmeyer ging es Wagner nicht um einen
wissenschaftlich-sprachgeschichtlichen Zusammenhang; auf den Spuren Herders habe
er vielmehr eine alternative Geschichtsschreibung gesucht, die sich nicht an
der üblichen „Herren- und Fürstengeschichte“, sondern an der „Volksgeschichte“
orientierte.
Der Mythos
bestand für Wagner aus einem narrativen Kern mit identischen Elementen, um den
sich neue Ausdeutungen legen wie Jahresringe um den Mittelpunkt eines Baumes.
Die Geschichte wird ausgeschmückt und erhält abweichende Perspektiven, was sich
an Wotans Erzählung im Ring des Nibelungen zeigt,
die mehrfach variiert wird. Der mythische Stoff konnte abgewandelt und auf
diese Weise in die Gegenwart übertragen werden, um der Nachwelt etwas
Allgemeingültiges zu präsentieren. Wie Udo Bermbach ausführt, entwickelte
sich so auch ein Mythos der deutschen Musik, der sich im 19. Jahrhundert
auf unterschiedliche Entwicklungen wie die Verbreitung des Klaviers in
bürgerlichen Wohnstuben stützen konnte.
Der
Ethnologe Claude Lévi-Strauss analysierte, wie Wagner mythische
Stoffe in seinen Werken verarbeitete und bezeichnete ihn als den
„unbestreitbaren Vater der strukturellen Analyse von Mythen.“ In den
mythischen Erzählungen unterschiedlicher Kulturen sah Lévi-Strauss universelle
Muster und allgemein vorhandene Strukturen der Weltordnung, ein Konzept, das
den Ausgangspunkt des ethnologischen Strukturalismus bildet.
Laut Alex
Ross führte die Übertragung der Mythen in die Gegenwart fatalerweise dazu,
dort auch die dunklen und monströsen Gegner zu vermuten. In den Wibelungen etwa
vergleiche Wagner Siegfrieds Tod mit der Kreuzigung
Christi. Siegfried sei „ermordet“ worden, „beklagt und gerächt [...] wie wir
noch heute an den Juden Christus rächen“.
Persönlichkeit und Einflüsse[
Verhältnis zu zeitgenössischen Komponisten[
Wagner war
schon früh davon überzeugt, ein Genie zu sein und später die musikalische Welt
zu beherrschen. Als 23-Jähriger sprach er hochmütig über die darniederliegenden
„jetzigen Binnen-Componisten“ und prophezeite sowohl Giacomo Meyerbeer als
auch Robert Schumann, er werde bald „gränzenlos berühmt“ werden. Sein
Überlegenheitsgefühl führte dazu, dass er sich kaum für zeitgenössische
Komponisten interessierte und „nur von den Toten Gutes“ reden konnte. Dies
spiegelt sich auch in seiner Büchersammlung und Korrespondenz wider: Unter den
etwa 2.500 Bänden der „Wahnfried-Bibliothek“ befinden sich nur etwa 50 Werke
zeitgenössischer Komponisten. Damit vergleichbar richten sich von den rund
9.000 erhaltenen Briefen nur 545 an Adressaten, die man im weiten Sinne als Komponisten
bezeichnen kann.
Wagner sah
sich als Nachfolger Beethovens und Kulminationspunkt der
Musikgeschichte und inszenierte sich als Erlöser von der trostlosen Gegenwart.
Er verstand das Musikdrama geschichtsphilosophisch als Telos der
Musikentwicklung schlechthin.
Wenn er
Zeitgenossen wie Spohr und Bellini, Rossini und Marschner unter
einem bestimmten Aspekt lobte, konnte er sie aus einer anderen Perspektive
wieder pauschal verdammen. So bezeichnete er Marschner als „hochbegabten
deutschen“ Musiker, bewertete nach einer Aufführung des Vampyr die
Musik aber als „rasend-dumm und geschmacklos“. Jüngere Komponisten wie
etwa Charles Gounod und Georges Bizet oder solche, die ihm
ästhetisch nahestanden, wie Joachim Raff oder Peter Cornelius,
nahm er nicht ernst. Gegenüber Anton Bruckner, der ihn sehr verehrte,
blieb er indifferent, indem er zwar die Widmung für dessen dritte Sinfonie akzeptierte,
sich ansonsten aber wenig für den österreichischen Komponisten interessierte.
Häufig
wird Johannes Brahms als Gegenspieler Wagners und der Neudeutschen angesehen. Brahms
schrieb keine Oper, setzte sich aber mit der Kunstform auseinander und erwarb
vor allem in seiner Wiener Zeit Kenntnisse der älteren wie zeitgenössischen
Opernliteratur. Mit zunehmendem Alter beschäftige er sich häufiger mit Wagner,
bewunderte und achtete ihn mit einem gewissen Widerwillen. Anders als seine
Anhänger sah er den Gegensatz zwischen sich selbst als Repräsentanten der
Vergangenheit und Wagner als Erneuerer nicht so verbissen. In seinen Erinnerungen
an Johannes Brahms schrieb Richard Heuberger, Brahms habe „immer
warm und fast ehrfurchtsvoll von Wagner“ gesprochen, aber nichts getan, um
„seine Ansicht öffentlich bekannt“ zu machen. Er nannte sich den „besten
Wagnerianer“, hielt dessen Theorien aber für „absurd“ und die „Methoden der
Publizität und Propaganda“ für „demagogisch“. Unter Vermittlung von Peter
Cornelius und dem Pianisten Carl Tausig kam es im Jahre 1862 zu
einer ersten Begegnung in Wien, als Wagner dort Tristan und Isolde aufführen
wollte.
Wagner
hingegen äußerte sich nur selten freundlich über Brahms. 1869 griff er den
vermeintlichen Gegner öffentlich als einen Komponisten an, der „unentwegt die
Hände nach dem ersehnten Opernerfolge“ ausstrecke. Er polemisierte gegen den
„Heiligen Johannes“ und die „Enthaltsamkeitskirche“, in der allenfalls Kammermusik zu
hören sei.
Bereits in
jungen Jahren war Wagner von der Idee beherrscht, Musik und Drama zu verknüpfen
(Das Kunstwerk der Zukunft, Oper und Drama), in Anlehnung an
die Tradition der griechischen Tragödien eine neue Kunstrichtung zu
begründen und die aus seiner Sicht dekadenten Theater zu reformieren.
In seinen Schriften beschrieb er, wie mittels Musik dramatische Handlungen zu
„Botschaften“ werden können und die Musik (das weiblich „gebärende Element“)
der Dichtung (der männlich „zeugende Samen“) zusätzliche Ausdruckskraft
verleiht.
In seiner
umfangreichen Zürcher Kunstschrift Oper und Drama zeichnete er
die Entwicklung der Oper als Verfallsgeschichte. Die Gattung Oper sei daran
gescheitert, über absolute Musik das eigentliche Drama verwirklichen
zu wollen. Die Musik als „Mittel des Ausdrucks“ sei hierbei zum Zweck, das
Drama als „Zweck des Ausdrucks“ hingegen zum Mittel gemacht worden. Wagner
wollte die Relation umkehren, die Musik aber nicht der Sprache unterordnen,
sondern beide in den Dienst des Dramas stellen. Den (empathischen) Begriff des
Dramas entwickelte er über eine Demontage des modernen „Literaturdramas“, als
dessen Quellen er die antike Tragödie und die Kunstform des Romans ansah.
Um das eigentliche Ziel zu erreichen, die Darstellung des Menschen, griff er
auf die Anthropologie Ludwig Feuerbachs zurück, den er neben
Schopenhauer sehr schätzte.
Arthur Schopenhauer
Wie kein
anderer Denker beeinflusste Arthur Schopenhauer die bedeutenden
späteren Werke Wagners. Das gilt nicht nur für den Tristan, sondern
auch für die Meistersinger und das Spätwerk Parsifal.
Darüber hinaus zeigen sich Spuren der Schopenhauer-Lektüre in den nach 1854
entstandenen Schriften. Vor dem Hintergrund des immerwährenden irdischen Leidens hat
die Kunst – vor allem die Musik – in Schopenhauers Philosophie eine überragende
Bedeutung und bildet ein Quietiv des rastlosen Willens. Für
Schopenhauer war die Musik die höchste aller Künste, zeigte sie doch den Willen selbst
als Ding an sich.
Wie
Schopenhauer ordnete Wagner dem Willen nur die Musik zu, die auf diese Weise
eine überlegene Position innerhalb der Künste erhält und zum Kern des
Dramas wird. Wagner erschienen die zentralen Thesen aus Oper und
Drama - die Abhängigkeit der Musik von der Sprache sowie die
Mittel-Zweck-Relation von Musik und Drama - nun problematisch, da die Musik im
Lichte Schopenhauers eine höhere metaphysische Würde hatte als die
anderen Künste, die an die Welt der Erscheinungen gebunden waren. Schopenhauer
hatte Wagner über François Wille mitteilen lassen, dass er die
Ansichten über die Beziehung von Sprache und Musik nicht teile und stattdessen
Mozart und Rossini treu bleibe. Auch der junge Friedrich Nietzsche lehnte
diese Thesen ab. Als Wagner das Werk 1872 für seine Gesammelten
Schriften korrigierte, ging er Cosima gegenüber auf Nietzsches und
Schopenhauers Einwände „über die Sprache als bedingenden Faktor der Musik“ ein.
Er habe damals nicht zu sagen gewagt, „daß die Musik das Drama produziert
habe“.
Die ersten
Ideen für den Tristan kamen Wagner im Herbst 1854 nach der
Lektüre von Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung.[110] In
dem zentralen Kapitel Über den Tod und sein Verhältnis zur
Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich charakterisiert Schopenhauer
das Sterben als den „Augenblick der Befreiung von der Einseitigkeit einer
Individualität“, „die nicht den innersten Kern unseres Wesens ausmacht“,
sondern eher „als eine Art der Verwirrung“ erscheint. Die wirkliche und
„ursprüngliche Freiheit“ zeige sich in diesem Moment vielmehr als „Restitutio
in integrum“. Für Schopenhauer stand der egoistische, auf Lebenserhaltung
gerichtete Eros dieser Befreiung im Wege, während Wagner ihn aus der
Abhängigkeit von der Selbsterhaltung herausnahm: Die Liebe überwindet die
Schranken der Individualität („Du Isolde, Tristan ich, nicht mehr Isolde!“) und
sehnt sich nach der Einheit mit dem All. In seinem ersten Roman Buddenbrooks griff
auch Thomas Mann dieses Kapitel als „metaphysische(n) Zaubertrank“
auf, der Thomas Buddenbrook den Tod als Glück und Befreiung von dem
„peinlichen Irrgang“ erscheinen lässt.
Wagner als Dirigent
Wie Mendelssohn und
später etwa Richard Strauss und Gustav Mahler gehörte Wagner zu den
dirigierenden Komponisten. Bereits Haydn, Mozart und Beethoven hatten als Kapellmeister bestimmte
Schwerpunkte in Dynamik, Phrasierung und Spieltechnik gesetzt.
Auch Carl Maria von Weber wirkte als Dirigent und nahm mit seinen
Äußerungen über bewegliche Tempi Wagners spätere Forderungen vorweg.
Als Kapellmeister
in Magdeburg, Königsberg und Riga hatte Wagner Erfahrungen
gesammelt und seinen eigenen Stil während der Zeit als Hofkapellmeister in Dresden entwickelt.
Von der romantisch-dramatischen Vortragskunst der berühmten Opernsängerin Wilhelmine
Schröder-Devrient angeregt, entwickelte er die Kunst des variablen
Zeitmaßes.
Mendelssohn, Spontini und Hector
Berlioz hingegen tendierten in eine andere Richtung, die sich durch
Ausgeglichenheit und raschere Tempi von der Ausdrucksfülle und den rhythmischen Freiheiten
Webers und Wagner absetzte. So verglich Berlioz das Dirigat Wagners mit einem
„Tanz auf einem schlaffen Seil, sempre tempo rubato.“ Wagner schätzte den
einflussreichen Komponisten zwar als Dirigenten eigener Werke, nannte ihn aber
einen „ordinären Taktschläger“, nachdem er 1855 in London die g-Moll-Sinfonie Mozarts
unter dessen Leitung gehört hatte und sehr enttäuscht war. Ihn beeindruckte
hingegen François-Antoine Habeneck, der die Uraufführung der Symphonie
fantastique geleitet hatte. In Europa war Habeneck für die
detailreichen Aufführungen der Beethoven-Sinfonien bekannt, die er stets
auswendig dirigierte. Unter seinem Einfluss hatte Wagner sich bereits in
Paris dafür entschieden, die zunächst sehr rasch gespielten Sinfonien langsamer
zu dirigieren und damit auch einen Trend in Deutschland umgekehrt.
In dem Essay
und Erfahrungsbericht Über Das Dirigieren (1869) zog Wagner
Bilanz und systematisierte seine Interpretationsästhetik. Das Werk steht im
Kontext mit der Wiederauflage der Zürcher Schriften Oper und Drama und Das
Judenthum in der Musik. Seine beabsichtigten Neuerungen hatte er bereits in
Dresden und dann erneut in München mit einem an den König von
Bayern adressierten Memorandum über eine „zu errichtende
deutsche Musikschule“ zusammengefasst.
Gab es für
Weber „kein langsames Tempo, das nicht Passagen enthielte, die raschere
Bewegungen verlangen“ und kein Presto, das nicht häufig „einen langsameren
Vortrag benötige“, schrieb Wagner in seiner Abhandlung, dass „nur die richtige
Erfassung des Melos [...] auch das richtige Zeitmaß“ angebe und kritisierte
damit die klassizistische Haltung Mendelssohns. Die zeitgenössischen Dirigenten
wüssten nichts „vom richtigen Tempo“, weil sie „nichts vom Gesange verstehen.“
Wie in
anderen ästhetischen Abhandlungen kamen die Neuerungen auch in dieser
wirkungsgeschichtlich bedeutenden Schrift nicht ohne Polemik gegen eine
Tradition aus, die es zu überwinden galt. Wagners Kritik richtete sich
allerdings nicht gegen die „Kapellmeister vom alten Schrot“, sondern zielte auf
einen bestimmten Typus des modernen Dirigenten. Er kritisierte eine angeblich
etablierte und schädliche Interpretationsweise und brachte sie mit dem vormals
geschätzten Mendelssohn in Verbindung. Die polemische Wendung vom
„Musikbankier“ lässt den antisemitischen Subtext auch dieses Essays
erkennen. Schlimmer als Mendelssohn schienen Wagner die gegenwärtigen
„Musikbankiers“, die aus dessen Schule hervorgegangen seien oder „durch dessen
Protektion der Welt empfohlen wurden.“ Trotz ihrer „eleganten Bildung“ würden
sie nur das effektvoll Äußerliche der Musik beachten und auf ihren eigenen
Erfolg schielen. Mit Bankiers vergleichbar hielten sie lediglich die
Zirkulation der Ware Musik in Gang und seien an Werten nicht
interessiert.
Wagner im Porträt
Die Reihe der
Wagner-Bilder beginnt mit einem Scherenschnitt von 1835 und reicht
bis zur Totenmaske, die am 14. Februar 1883 in Venedig abgenommen wurde.
In den dazwischenliegenden rund 50 Jahren entstanden etwa 100 Porträts,
unten denen die Fotografien die größte Gruppe bilden. Die vielen
Abbildungen spiegeln auch die Wirren und Extreme seines Lebens wider und
reichen vom Schandbild eines Steckbriefs bis zum Medaillon des
Wagner-Ordens, den der Namensgeber zum Jahrestag der Ring-Premiere gegründet
hatte. Dass diese Menge nicht ungewöhnlich ist, zeigt ein Vergleich mit
Zeitgenossen wie Berlioz, Brahms und Verdi, für die sich eine
entsprechende Ikonographie nachweisen lässt. Der Vorreiter war
Wagners späterer Schwiegervater Franz Liszt, der gleichsam eine zweite visuelle
Existenz führte.
Wagner
beurteilte Porträts von sich selbst häufig schwankend. Dabei ging er nicht auf
den Kunstcharakter der Werke ein, sondern verglich sie lediglich mit der
jeweiligen Stimmung oder Lebenssituation: So ist er in Franz von Lenbachs Profilbild
in altdeutscher Tracht zu sehen. Seinem Sohn Siegfried sagte er, es
drücke Lebensmut aus. Er verstehe das Bild, denn wer so glücklich sei wie er,
mache „keine melancholischen Augen“ und lasse „den Kopf nicht hängen“, sondern
wage „es mit dem Leben und“ nehme „es auf mit der Welt“. Auch Nietzsche
gegenüber bezeichnete er es als „ein ergreifend richtiges Bild“, während er
sich bei Cosima scherzhaft darüber beschwerte, dass es ihn „zu garstig“
darstelle.
Wagners
Kunstgeschmack war konservativ. Er machte sich über die Impressionisten lustig,
war aber bereit, für Auguste Renoir Modell zu sitzen. Die Treffen
fand im Jahre 1882 in Palermo statt, nachdem Wagner dort die Partitur
des Parsifal vollendet hatte.
Antisemitismus
Richard
Wagner gehört zu den bekanntesten Verfechtern des Antisemitismus. Bis in
die Gegenwart wird diskutiert, inwieweit seine Judenfeindlichkeit das eigene
ambivalente Verhältnis zum Judentum, zur Religion im Allgemeinen
und zur politischen Landschaft seiner Zeit widerspiegelt und Eingang in sein
musikdramatisches Werk gefunden hat. Kein Bereich der Wagner-Forschung ist
durch eine derart breite und stellenweise widersprüchliche Bewertung geprägt.
Blieben
finanzieller Erfolg und Anerkennung aus, wähnte Wagner sich nicht selten als
Opfer angeblicher jüdischer Gegner und Machenschaften. Seine Invektiven
richteten sich gegen jüdische Komponisten wie Giacomo Meyerbeer und Felix
Mendelssohn Bartholdy, deren Einfluss auf sein Werk deutlich erkennbar
ist. Trotz der persönlichen Vorbehalte rühmte Wagner Mendelssohns Musik in
anderen Zusammenhängen und bezeichnete dessen Hebriden-Ouvertüre in
der späten Abhandlung Über das Dichten und Komponieren als
„eines der schönsten Musikwerke, die wir besitzen“.
In seiner
Hetzschrift Das Judentum in der Musik ist Mendelssohn für ihn
ein Beispiel dafür, dass auch ein gebildeter Jude „von reichster spezifischer
Talentfülle“ niemals „die tiefe, Herz und Seele ergreifende Wirkung“
hervorbringen könne, die man von der Kunst erwarte. Während seiner Bayreuther
Zeit verglich Wagner ihn mit „den Affen, welche in der Jugend so begabt seien,
dann mit wachsender Kraft dumm würden“.
Mit der
Veröffentlichung des antisemitischen Pamphlets schrieb Wagner sich
unmissverständlich in die Geschichte des modernen Antisemitismus ein. Damit
nahm er auch an der Debatte über die Judenfrage teil, die in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geführt wurde und spätestens mit dem
aufflammenden Antisemitismus nach der Reichsgründung 1871 eine andere
Bedeutung gewann.
Wagner hatte
den Aufsatz bereits 1850 in der Neuen Zeitschrift für Musik unter
dem Pseudonym „K. Freigedank“ publiziert. Auf Cosimas Initiative trat er damit
1869 wieder an die Öffentlichkeit, diesmal unter eigenem Namen und ergänzt
durch einen Anhang (S. 31–57), der den ursprünglichen Aufsatz an Gehässigkeit
und Demagogie noch übertrifft. Darin findet sich gegen Ende der scheinbar
resignierende Aufruf: „Ob der Verfall unserer Cultur durch eine gewaltsame
Auswerfung des zersetzenden fremden Elementes aufgehalten werden könne, vermag
ich nicht zu beurtheilen, weil hierzu Kräfte gehören müssten, deren
Vorhandensein mir unbekannt ist.“
Wagner
bewunderte den Rassentheoretiker Arthur de Gobineau, grenzte sich von
dessen Vorstellungen aber stellenweise ab: Gegen die von Gobineau behauptete
Ungleichheit der „Rassen“ gebe es mit dem „Blut des Heilandes“ ein „Antidot“.
Wie er in der Schrift Heldentum und Christentum (1881)
ausführte, könne dies als „göttliches Sublimat“ der „ganzen leidenden
menschlichen Gattung (...) nicht für das Interesse einer noch so bevorzugten
Race fließen“, sondern spende „sich dem ganzen menschlichen
Geschlechte.“ Dem von Gobineau behaupteten Rassenunterschied stellte
Wagner die Einheit aller Menschen gegenüber, die sich aus christlichen
Vorstellungen ergebe und im Leiden und Mitleiden bestehe. So sagte er
gegenüber Cosima, dass die „Rassen [...] ausgespielt“ hätten und nur noch das „Blut
Christi wirken“ könne.[ Laut Dieter Borchmeyer erklärt
dieser Hintergrund Wagners späte widersprüchliche Haltung zum Judentum.
Einerseits fühlte er sich durch die antisemitische Bewegung seiner Zeit
bestätigt, andererseits widersprach diese Bewegung „seiner Überzeugung von der
Einheit des Menschengeschlechts und der bloßen ‚Vorläufigkeit‘ des
‚Rassengegensatzes‘“.
Im Laufe der
Zeit bildete sich ein Kreis von Wagner-Verehrern, die sich in der Villa
Wahnfried trafen. Sie priesen Wagner nicht nur als Musiker, sondern auch
als Philosophen und glaubten an sein Ideal, die gesellschaftliche Ordnung durch
die Macht der Kunst zu reformieren. Auf diese Weise wurde Bayreuth in Wagners
letzten Lebensjahren zum Sammelpunkt der Wagnerianer, die diese Vorstellungen
bis in die Zeit des Nationalsozialismus verfolgten.
Der
einflussreichste Anhänger war der von deutscher Kultur faszinierte Houston
Stewart Chamberlain, ein gebürtiger Brite, der die ersten Lebensjahre in
Frankreich verbracht und in der Schweiz studiert hatte. Mit seinen Schriften
und seiner 1908 geschlossenen Ehe mit Wagners Tochter Eva spielte er
eine herausragende Rolle im Bayreuther Kreis. Von allen Vertretern des
Wagners-Kreises schrieb nur er in nennenswertem Umfang für ausländische Leser.
Mit den von antisemitischem und rassistischem Gedankengut durchzogenen Grundlagen
des neunzehnten Jahrhunderts konnte er einen Publikumserfolg vorweisen.
Die Bedeutung der Grundlagen für die Vorkriegszeit ist laut
David Clay Large vergleichbar mit Oswald Spenglers Untergang des
Abendlandes für die Phase nach dem Ersten Weltkrieg.
Ähnlich wie
bei Nietzsche, Thomas Mann und George Bernard Shaw war seine
Verehrung ambivalent; wie er selbst schrieb, wollte er nicht bloß ein „Spiegel“
sein, „der das von einem bedeutenden Menschen ausstrahlende Licht zurückwerfe“.
1882 besuchte
er erstmals Bayreuth, erlebte die Uraufführung des Parsifal und
begegnete Wagner persönlich. Nach Zwischenstufen in Dresden und Wien ließ
er sich dauerhaft in Bayreuth nieder. Nach Gesprächen mit Wagners Witwe
und Mitgliedern des Kreises entwickelte er schrittweise eigene
politisch-religiöse und rassistische Vorstellungen. Die großen Kunstwerke seien
Ergebnis der historischen Erfahrungen eines Stammes, einer Nation oder Religionsgemeinschaft.
Später
entfremdete er sich von England und verurteilte in seinen während des Ersten
Weltkrieges geschriebenen Kriegsaufsätzen die englische Kultur.
Trotz einer Krankheit traf er Adolf Hitler, als dieser im Oktober 1923
Bayreuth besuchte. Bald darauf schrieb er ihm einen Brief, in dem er ihn als
jemanden rühmte, der „Gewaltiges zu leisten“ habe. Allerdings sei dieses
„Gewaltige“ nicht „eine Gewalt, die aus Chaos stammt und zu Chaos“ führe. Das
Wesen dieser Gewalt sei es, den „Kosmos zu gestalten.“ Hitler erkannte die
Bedeutung dieser Unterstützung, veröffentlichte den Brief und wollte so
demonstrieren, dass er mit der Welt Wagners ebenso verbunden sei wie mit dem
Gedankengut Chamberlains.
Mit
Anfeindungen gegen jüdische Künstler, auch aus Wagners Bekanntenkreis wie Hermann
Levi, Alexander Kipnis oder Ottilie Metzger-Lattermann trug
der Bayreuther Kreis dazu bei, antisemitische Ressentiments unter Intellektuellen
zu verbreiten. Durch das Engagement der Wahnfried-Zirkel wurde im Kaiserreich
eine Art Wagner-Bewegung ausgelöst, die sich in der Gründung zahlreicher
Kulturvereine zeigte. Hier wurde Wagner-Begeisterung mit Judenfeindlichkeit und
Nationalismus verbunden. Unter dem Einfluss des Hofpredigers Adolf
Stoecker sowie Philipp zu Eulenburgs, Cosima Wagners und Chamberlains
wurde auch Kaiser Wilhelm II. für die Unterstützung der
Wagner-Bewegung gewonnen.
Im Gefolge
des Berliner Antisemitismusstreits 1880/81 breitete sich in
Deutschland eine aggressive, antijüdische Stimmung aus, deren Kerngedanke die
Vorstellung war, Juden seien ein in Deutschland nicht integrierbarer
Fremdkörper und besäßen nach ihrer Emanzipation einen zerstörerischen Einfluss
auf die deutsche Kultur. Kurz vor seinem Tod stellte Wagner sich noch einmal
auf die Seite der antisemitischen Agitatoren und schrieb am 22. November
1881 in einem Brief an König Ludwig II., er halte „die jüdische Rasse für
den geborenen Feind der Menschheit und alles Edlen in ihr“. Es sei gewiss, dass
die Deutschen „an ihnen zugrunde gehen“ würden.
Hinsichtlich
der Antisemitenpetition 1880/1881 vertraute Cosima am 16. Juni 1880
ihrem Tagebuch an, Wagner sei aufgefordert worden, „eine Petition an den
Reichskanzler zu unterschreiben, behufs Ausnahmegesetze gegen die Juden.“ Er
unterschreibe aber nicht, da er „das Seinige getan“ habe und sich „ungern
an Bismarck wende“, den er als leichtsinnig und launisch einschätze.
„In der Sache“ sei „nichts mehr zu machen.“ Nach Auffassung Micha
Brumliks zeigt dies, dass Bayreuth eine Hochburg des mit Bildungsanspruch
verbrämten Antisemitismus war, in der sich auch „konkurrierende(n) und
gegeneinander intrigierende(n) antisemitische(n) Milieus“ äußern konnten.
Rezeption
Richard Wagner
gehört zu den einflussreichsten Komponisten und umstrittensten Persönlichkeiten
der Musikgeschichte. Wie kaum ein anderer Künstler des 19. Jahrhunderts polarisierte
er, und bis in die Gegenwart beschäftigen sich Interpreten unterschiedlicher
Disziplinen mit seinem vielschichtigen Werk.
Seine Werke
beherrschen neben denen Mozarts und Verdis, Puccinis die
Opernbühnen der Welt. Während er von Verehrern als beispielloses künstlerisches
Genie bezeichnet wird, hinterfragen andere seinen Rang und sehen ihn auch als
Medium einer fragwürdigen Ideologie. Derlei Grabenkämpfe sind für andere
bedeutende Künstler wie etwa Shakespeare und Mozart unbekannt, und
auch für Goethe, Beethoven und Thomas Mann lassen sich
apologetische oder polemische Parteistreitigkeiten wie im „Fall Wagner“ nicht
wahrnehmen. Entwickelten sich andere, zunächst umstrittene Künstler wie
etwa Bertolt Brecht in den Folgejahren häufig zu „Klassikern“, die in
der öffentlichen Wahrnehmung keine vergleichbaren Streitigkeiten auslösen,
bleibt Wagner auch in der Gegenwart umstritten. Schon zu seinen Lebzeiten,
etwa in den 1840er und 1870er Jahren, löste er heftige Debatten und
Kontroversen aus. Im Zusammenhang mit der wirkungsmächtigen Ring-Tetralogie erschienen
Artikel, Pamphlete und Karikaturen.
Wagners
Einfluss auf die Entwicklung der Neuen Musik bis zur Auflösung
der Tonalität ist vielfältig. Die ausgeprägte Chromatik und
die eigenwilligen harmonischen Wendungen wirkten bis zu Alexander Skrjabin, Arnold
Schönberg, Anton Webern und weiteren Komponisten. Bereits Franz
Liszt, Haupt der Neudeutschen Schule, hatte die raffinierten Akkordfolgen
des Lohengrin gelobt. Der spätere Kritiker Nietzsche sprach
von der Klangmagiemagie, die „mit einer aufgelösten und gleichsam elementarisch
gemachten Musik ausgeübt“ werde und erwähnte die „Bewegung, Farbe, kurz die
Sinnlichkeit der Musik.“ Die Idee des Gesamtkunstwerks war ebenfalls
wirkmächtig, wie etwa in Skrjabins späten Werken und in Schönbergs „Drama mit
Musik“ Die glückliche Hand zu sehen ist. Die Protagonisten
der Zweiten Wiener Schule sahen in Wagners Neuerungen seit dem Tristan einen
wesentlichen Schritt von der erweiterten zur schwebenden Tonalität.
In anderen
Kunstformen ist der Einfluss ebenfalls erkennbar. So rezipierten Autoren
des französischen Symbolismus wie Charles Baudelaire, Paul
Verlaine und Stéphane Mallarmé sein Werk emphatisch und bezogen
sich in ihrer Lyrik und Prosa auf Wagner. Die Entwicklung der modernen Malerei
sowie der Filmmusik wurde durch ihn entscheidend geprägt.
Musik
Bei Wagners
Einfluss kann nicht von einer kontinuierlichen, gleichförmigen Entwicklung
gesprochen werden. So bewegten sich Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Antonín
Dvořák und andere zeitgenössische Komponisten in vergleichsweise
traditionellen harmonischen Bahnen, während etwa Gustav Mahler, Claude
Debussy und Richard Strauss von Wagners Tonsprache deutlich
geprägt wurden.
Neben
Anhängern und Bewunderern wie Franz Liszt, Anton Bruckner und Richard
Strauss gab es zahlreiche Kritiker. Zu ihnen gehörten Erik Satie, Igor
Strawinsky und die Groupe des Six, deren Produktivität auf der
Abgrenzung von Wagner beruhte. Der als zu dominant wahrgenommene Einfluss
auf die französische Romantik führte zu Gegenentwürfen, in denen auch mit
Mitteln der Parodie gearbeitet wurde.
Vor allem
Johannes Brahms gilt als Antipode Wagners und Bruckners, als Galionsfigur der
Konservativen, die gegenüber den Neudeutschen eine absolute Musik anstrebten.
Bis in die Gegenwart wird Brahms fast durchgehend als Gegenpol zu Wagner
gesehen. Tatsächlich handelt es sich um ein komplexes Beziehungssystem, in
dem unterschiedliche musikpolitische und ästhetische Argumente eine
Rolle spielten. Bei dem Parteienstreit ging es auch um die Frage, welcher
Komponist legitimer Erbe Beethovens sei. Hielten die Neudeutschen Wagners
Musikdramen und die sinfonischen Dichtungen für die richtige Entwicklung nach
Beethoven, orientierten sich die „Konservativen“ an den Werken Brahms’, der
eine „dauerhafte Musik“ schaffen wollte, die durch ihre Qualität dem
historischen Wandel entzogen sei.
Richard
Strauss studierte bereits mit 17 Jahren begeistert die Tristan-Partitur und
löste sich schrittweise von Brahms. Gegen familiäre Einwände setzte er
sich bedingungslos für Wagner ein, leitete zahlreiche Neueinstudierungen – etwa
von Rienzi, Lohengrin und Tannhäuser – und
dirigierte auch in Bayreuth selbst.
In vielen
seiner Kompositionen ist Wagners Klangwelt ebenso gegenwärtig wie dessen
Leitmotivtechnik. Seiner Auffassung nach hatte die reine Instrumentalmusik seit
Beethoven ihre Berechtigung verloren – die Musikgeschichte kulminierte in
Wagners Musiktheater. Folgerichtig schrieb er selbst Opern, setzte sich aber
vom Erlösungsdrama des Vorbildes ab und suchte Individualität und musikalische
Vielfalt. Dies zeigt sich auch in den auf Berlioz und Liszt folgenden sinfonischen
Dichtungen, die mit ihrer virtuosen Instrumentation und den
Klangraffinessen über Wagner hinausgehen.
In Till
Eulenspiegels lustige Streiche findet sich der Tristan-Akkord als
halbverminderter Septakkord, der sich nun allerdings in einen F-Dur-Sextakkord auflöst;
die Eulenspiegel-Themen variieren das chromatische „Leidensmotiv“ des
Tristan-Vorspiels. Auch in seinen späteren Werken erklingen Wagner-Zitate:
Im ersten Akt von Arabella ist ein Lohengrin-Motiv erkennbar,
während in Ariadne auf Naxos und Intermezzo erneut
der Tristan-Akkord zu hören ist. Die Harmonik der spektakulären Einakter Salome und Elektra reicht
bis zu polytonalen Strukturen.
Insbesondere
die französische Musik wurde von den Neuerungen tief beeinflusst; das gilt für
Komponisten wie etwa Vincent d’Indy, Henri Duparc, Ernest
Chausson und Claude Debussy.
Debussys
Einstellung zu Wagner war ambivalent. Bereits als Schüler lehnte er das
überkommene Regelsystem des Pariser Konservatoriums ab, in dem die
Neuerungen nicht akzeptiert wurden. Einerseits empfand er Wagners Einfluss als
zu dominant, um sich künstlerisch entwickeln zu können, andererseits gingen von
dessen Œuvre zahlreiche Anregungen für sein eigenes Schaffen aus. Das betrifft
etwa die Klangflächenkomposition des Es-Dur-Akkords zu Beginn des Rheingolds,
der sich über das gesamte Vorspiel erstreckt und schrittweise Farbe und
Intensität variiert. In den wogenden Es-Dur-Klängen sah Debussy, dass sich
die Klangfarbe, die zuvor eher melodische Linien und thematische Aspekte
verdeutlichen sollte, nun endgültig emanzipierte. Debussy lobte auch
den Parsifal, das abgetönte Spätwerk, an dem sich die Geister
schieden. War das „Bühnenweihfestspiel“ mit der verdichteten Handlungsführung,
der Grals- und Erlösungsthematik für Nietzsche ein wesentlicher
Ausgangspunkt seiner Kritik, fanden der eingefleischte Wagner-Kritiker Hanslick und
Adorno lobende Worte. Debussy sprach von „Orchesterklänge(n), die einmalig
sind und ungeahnt, edel und voller Kraft.“ und ließ sich in den harmonischen
Abtönungen eigener Kompositionen von Parsifal beeinflussen.
Andererseits lassen innovative Werke wie das Ballet Jeux oder
das Klavierstück Brouillards aus dem zweiten Teil seiner Préludes nichts
Wagnerisches erkennen. Das gilt auch für die entfesselten Rhythmen in Bela
Bartóks Allegro barbaro, Sergej Prokofjews dritter
Klaviersonate op. 28 und Igor Strawinskys Ballettmusik Le sacre du
printemps.
Debussy
kritisierte an den Musikdramen Wagners die „Sinfonisierung“ der Opernmusik.
Ihre Entwicklungen sollten lediglich musikalisch, nicht aber dramatisch
motiviert sein, da ansonsten die Handlung aufgehalten würde und die
Protagonisten zum Schweigen verurteilt wären. Die Verbindung aus Text, Bühne
und Musik sei unwahrhaftig. Debussy schied „überflüssige Musik“ und
„sinfonische Abschweifungen“ aus und reduzierte das Drama so auf etwas
Skizzenhaftes wie in seiner Oper Pelléas et Mélisande. Vergleicht
man etwa das Liebesbekenntnis im zweiten Akt des Tristan, das als
Gipfel der Wagnerschen Gestaltungskunst gilt, mit dem des Pelléas,
wird der Bezug ebenso deutlich wie die Abgrenzung. Ist in der Harmonik und
dem deklamatorischen Gesang Wagner deutlich zu erkennen, sublimiert
Debussy die dramatische Steigerung zu einem eher offenen und motivischen
Zusammenhang. Die überschwängliche, nicht enden wollende Liebesbekundung wird
bei ihm zu einer leichten Veränderung des Tonfalls. In seinem
Klavierstück Golliwogg’s Cake-walk aus dem Zyklus Children’s
Corner verarbeitete er Elemente des Cakewalk und parodierte
im Mittelteil den Tristan: Er zitierte zwar die ersten Töne des
Vorspiels, ließ die Tonfolge aber nicht im Tristan-Akkord münden. So
entzauberte er die auratische Wirkung der Musik, ohne sie dabei der
Lächerlichkeit preiszugeben.
Paul Dukas hielt
Wagners Einfluss auf die folgende Opernmusik für unvermeidlich. Wie Debussy
ging er konzeptionell von den sinfonischen Dimensionen der Wagnerschen
Opernmusik aus, bewegte sich aber in die entgegengesetzte Richtung. Mit seiner
einzigen Oper Ariane et Barbe-Bleue überbot er die Mittel
Wagners und setzte die Musik dabei auch unabhängig von Text und Handlung
ein. Maurice Ravel wiederum störte sich nicht am Verführerischen der
Musik, sondern an der maßlosen Subjektivität Wagners, die zu mangelnder Distanz
führe. Für Künstler sei es gefährlich, sich auf diese Weise zu entäußern und zu
verlieren. Ravels Kritik entspringt seiner Aversion gegen den Irrationalismus,
den er in der Weltverneinungsphilosophie Schopenhauers witterte.
Im weiteren
Verlauf des 20. Jahrhunderts blieb die Wagner’sche Tonsprache bestimmend.
Die Alterationsharmonik und Chromatik, die orchestralen Mischklänge sowie
die Orchesterpolyphonie wirkten sich ebenso aus wie die Motivtechnik und Themenbildung. So
übernahm Joseph Guy Ropartz für den Kopfsatz seiner dritten Sinfonie
mit Soli und Chor eine von Wagner beeinflusste Orchestertechnik, die
entgegen Wagners Intentionen nicht in den Partien des Chors, sondern in der
Instrumentalmusik gipfelt. Im ersten Satz seiner vierten Sinfonie wiederum
finden sich Anklänge an Wagners Ring. Auch in Vincent d’Indys zweiter
Sinfonie ist Wagners Leitmotivtechnik zu erkennen.
Die Neuen
Musik wurde von Wagner entscheidend geprägt. Arnold Schönberg hatte bereits im
Alter von 25 Jahren sämtliche Wagner-Opern zwanzig- bis dreißigmal gehört. Die
frühen Werke seiner tonalen Periode wie die Zwei Gesänge für eine
Baritonstimme und Klavier, Verklärte Nacht und vor allem
die Gurre-Lieder knüpfen an Wagners Spätstil an. Etwas
später überschritt er die Dur-Moll-Tonalität und nutzte die innovativen Züge in
Wagners Musik, um sein eigenes Schaffen zu beglaubigen. In seinem Œuvre lässt
sich eine modellhafte Entwicklung von der Verklärten Nacht über Pelleas
und Melisande bis zu den Drei Klavierstücken op. 11 (1909)
erkennen. Neben Elementen wie Quartenharmonik, vagierenden
Akkorden und funktionslosen Harmonien ist sein Prinzip der Entwickelnden
Variation bekannt, das Anknüpfungspunkte in Wagners Leitmotivtechnik
hat. Schönberg selbst, der sich als genuiner Vertreter der Wiener
Geschichte sah und an die akademische Tradition anknüpfen wollte, brachte es in
seinem Vortrag Brahms, der Fortschrittliche allerdings mit
Johannes Brahms in Verbindung. In diesem Konzept wird die Variante zu
einem Prinzip, das den gesamten musikalischen Satz bestimmt und im
Vergleich zur motivisch-thematischen Verarbeitung weitere Umformungen mit
einbezieht.
Seit den
1930er Jahren lässt sich der Einfluss nicht mehr als grundsätzliche Übernahme
oder Ablehnung interpretieren, die sich häufig gegensätzlich ergänzten, sondern
wird individueller und geht von einzelnen Werken aus. Arthur Honegger etwa
verdeutlichte dies in seinem ersten Streichquartett. Die oft überraschende
Individualisierung bezieht sich auf unterschiedliche Elemente Wagners und war
mit ihren häufig parodistischen Zügen schon bei Debussy, Gabriel Fauré oder Emmanuel
Chabrier zu beobachten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging es zunächst um
unterschiedliche Deutungen des Werkes. Während die Dirigate weiterhin von
bewährten Kräften wie Joseph Keilberth und Hans Knappertsbusch übernommen
wurden, setzte Wieland Wagner sich mit seinen anti-historistischen
Bayreuther Inszenierungen deutlich von der ideologischen
Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus ab. Auch der von den
Nationalsozialisten verunglimpfte Paul Hindemith, dessen Musik mit einem
Aufführungsverbot belegt und als „entartet“ bezeichnet worden war, kam 1953
nach Bayreuth und dirigierte dort die neunte Sinfonie Beethovens. Es
gab zwar nach dem Zweiten Weltkrieg unter den jungen Komponisten keine
bekennenden Wagnerianer mehr, doch die überwältigende Klangsprache Wagners bot
sich für einige als ein Versuchsfeld an, wie sich etwa im Werk Wolfgang
Rihms erkennen lässt. Hans Werner Henze wiederum erklärte
anlässlich der Uraufführung seiner Bassariden, er habe versucht,
den noch nicht ausgeschrittenen „Weg von Wagners Tristan zu Mahler und
Schönberg [...] weiterzugehen.“ In einer Rede setzte er den Wagner’schen Stabreim auch
ironisch ein und spielte subtil auf den Emigranten und Revolutionär und damit
auf seine eigene Situation an.
Der Komponist und Messiaen-Schüler Pierre Boulez, der
1966 nach Bayreuth eingeladen wurde, setzte sich als Dirigent für Wagner ein.
In seinen Kompositionen hingegen sind Einflüsse nur selten zu erkennen. Er
selbst wollte die Verbindungen zum Œuvre objektiveren und historisch einordnen.
Für seine Generation habe es sich bei Wagner um „einen Teil der allgemeinen
Erziehung“ gehandelt, ebenso wie andere bedeutende Werke der Vergangenheit,
letztlich indes um „vergessene Musik“. Das Urteil über den Komponisten sei
„durch Polemik vergiftet“ gewesen und schließlich gegenstandslos geworden.
„Parteigängerische(r) Stellungnahmen“ seien durch Indifferenz ersetzt
worden. Nach seiner Auffassung war der Ring „so etwas wie
ein Tagebuch“ Wagners, das einen Entwicklungsprozess dokumentiert. Wagner habe
die für das Rheingold erfundenen Motive viele Jahre später in
der Götterdämmerung entwickelt, nachdem sich seine Tonsprache
bereits sehr verändert habe. Die Notations seien ein
„ähnliches Tagebuch“ wie der Ring. Die intensive
Zusammenarbeit mit Wieland Wagner ist in einem Briefwechsel dokumentiert. In
einem Schreiben vom 25. Juli 1966 bezeichnete Wieland Wagner ihn als den
„größte(n) lebende(n) Komponist(en)“, der sich des Parsifal annehme
und „dieses Werk wieder im Sinne Richard Wagners als lebendiges Kunstwerk“
dirigiere.
Während Boulez sich nahezu lebenslang auch in Essays, Rezensionen
sowie kompositorischen Reflexionen mit Wagner auseinandersetzte, war Luigi
Nono wesentlich zurückhaltender. Er zeigte keine Affinität zu Wagner und
reagierte eher abweisend, als er bei einem Podiumsgespräch über sein
Streichquartett Fragmente – Stille, an Diotima auf die „unendliche
Melodie“ angesprochen wurde. Im Zusammenhang mit seiner Oper Prometeo äußerte
er sich ausnahmsweise sehr ausführlich zum dritten Akt des Tristan. Mit
Wagners Oper dringe man „in einen Raum ein, der von Projektionen (Bildern)“
durchquert werde, „die zwischen dem Schweigen liegen“. Wagner sei es gelungen,
„das Unhörbare“ zu komponieren; darin bestehe die „Magie des Tristan.“ In
einer Tagebuchnotiz für Mathilde Wesendonck hatte Wagner den Tristan als
die „tiefe Kunst des tönenden Schweigens“ charakterisiert.
Literatur und
Philosophie
Friedrich Nietzsche
Friedrich Nietzsche hatte Wagner in der frühen Schrift Die
Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik als Erneuerer deutscher
Kultur gefeiert und ihm in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen den
hymnischen Essay Richard Wagner in Bayreuth gewidmet.
Bereits in Menschliches, Allzumenschliches löste
er sich schrittweise von Wagner, der die Schrift als Kampfansage verstand und
den Autor seinerseits angriff, ohne ihn namentlich zu nennen. Im Sommer 1878
verteidigte Wagner in den Bayreuther Blättern das „Genie“ und
„die Inspiration des Dichters“ gegen die „historische Kritik“. Wie er seiner
Förderin Marie von Schleinitz schrieb, hätten ihm einige Sätze des
Buches genügt, um es ad acta zu legen. Bei der Auseinandersetzung kam es auch
zu antisemitischen Sticheleien gegen Nietzsches Freund Paul Rée.
In den folgenden Jahren veröffentlichte Nietzsche etliche
kritische, ja hämische Schriften, in denen er Wagner, vor allem nach
dessen Parsifal, auch der Dekadenz, des „undeutschen“ Wesens
und der Sinnbenebelung bezichtigte und über das geistige Niveau der Wagnerianer
in Bayreuth spottete. Er gab allerdings halb ironisch zu, dass man schon aus
psychologischen Gründen auf Wagner nicht verzichten könne, wenngleich die
helle, südliche und diesseitige Welt in Georges Bizets Oper Carmen der
schweren und schwülen Atmosphäre Wagners vorzuziehen sei.
Obwohl sich Nietzsches Kritik vor allem am Spätwerk Parsifal entzündete,
bezog er sie auch auf frühere Werke und den Ring, den er in
den Unzeitgemäßen Betrachtungen noch gefeiert hatte. Als
ehemaliger „Schüler“ Schopenhauers, der sich nun gegen den Pessimismus seines
Lehrers stellte, analysierte er dessen Einfluss auf den Komponisten. Wagner
habe als revolutionärer Denker zunächst in Verträgen, Gesetzen, Institutionen
das Übel der Welt erblickt – das Vertragsmotiv im Ring –,
während später das christliche Motiv der Erlösung in den Mittelpunkt
getreten sei. Wagners „Schiff“ sei nach der „Götterdämmerung der alten Moral“
lange Zeit „lustig auf dieser Bahn“ (des Optimismus) gelaufen, bis es auf das
„Riff“ der schopenhauerschen Philosophie gefahren sei. Er habe dann
den Ring ins Schopenhauersche übersetzt: Alles auf der Welt
laufe schief, und alles gehe zugrunde. So sei nur das Nichts, die Auslöschung,
die „Götterdämmerung“ die Erlösung – und dieses Nichts werde von Wagner
nun unaufhörlich gefeiert.
In Spätwerken wie Ecce homo, Götzen-Dämmerung, Der
Fall Wagner und Nietzsche contra Wagner. Aktenstücke eines
Psychologen wollte Nietzsche das Dekadenzproblem auch mit heftigen
Angriffen auf das Christentum lösen. In diesem Zusammenhang wurde
Wagner zum Objekt der Polemik. Die Musik sei um ihren „jasagenden
Charakter gebracht“ worden, wie er in der Autobiographie Ecce homo schrieb. Hier
gestand er allerdings ein, in dem Moment „Wagnerianer“ geworden zu sein, als
„es einen Klavierauszug des Tristan gab“. Vergebens suche er seitdem
„nach einem Werke von gleich gefährlicher Fascination, von einer gleich
schauerlichen und süßen Unendlichkeit“. Das Werk sei das Non plus ultra
Wagners.
Nietzsche contra Wagner stellte er Ende 1888 aus früheren Texten
zusammen und war sich lange nicht sicher, ob das Werk nach den heftigen
Kontroversen, die sein Fall Wagner hervorgerufen hatte,
tatsächlich erscheinen sollte. Es zu veröffentlichen, war die letzte
Entscheidung vor seinem geistigen Zusammenbruch. Mit den „Aktenstücken“ wollte
er beweisen, dass er Wagner nicht erst mit seiner jüngsten Streitschrift,
sondern lange zuvor kritisiert hatte und zu einem Gegner mutiert war. Er habe
sich bereits 1878, in einer Vorrede zu Menschliches, Allzumenschliches,
von Wagner verabschiedet. Die Forschung hat anhand seiner Notizen bestätigt,
dass Nietzsche schon als junger Autor Zweifel an Wagner hegte, etwa als er
seine Schrift Richard Wagner in Bayreuth verfasste, die im
Sommer 1876 als Festschrift für die ersten Bayreuther Festspiele
fungierte. Umfangreiche Quellenstudien bietet der Kommentar zu dieser
Schrift.
Wie er Ferdinand Avenarius schrieb, sah er sich als
eine dionysische Natur, die das Schwerste spielerisch nehme und die
„aus der Überfülle der Kraft“ schöpfe, während der Antipode Wagner ein décadent
sei. Einige, wie er selbst, litten an der „Überfülle“ des Lebens, andere, wie
Wagner und Schopenhauer, an dessen Verarmung. Zwar finde Wagner wie kein
anderer Musiker seine „Töne aus dem Reich leidender“ und „gemarterter Seelen“
und könne dem „stummen Elend“ eine Sprache geben; seine Musik mache aber krank.
Die unendliche Melodie sei eine Gefahr für die Musik, da sie zur
„Entartung des rhythmischen Gefühls“ führe und „Chaos an Stelle des Rhythmus“
setze. Die Musik werde in den Dienst der Attitüde gestellt. Der
Erfindungsreichtum der unendlichen Melodie liege „gerade in dem, was einem
älteren Ohr als rhythmische Paradoxie und Lästerung“ klinge.
Nietzsche verachtete den Antisemitismus Wagners und den seiner
Anhänger. Nachdem der antisemitische Publizist Theodor Fritsch sich
im Frühjahr 1887 mehrfach an ihn gewandt hatte, verbat er sich derlei Briefe
und schrieb, das „abscheuliche(n) Mitredenwollen naiver Dilettanten über den
Werth von Menschen und Rassen“ werde „von jedem besonneneren Geiste mit kalter
Verachtung abgelehnt.“ Auf Wagners Schrift Was ist deutsch? (1878)
reagierte er mit der Bemerkung, „gut deutsch sein“ bedeute, sich zu
„entdeutschen“. In seiner noch im Banne Wagners stehenden Tragödienschrift
sowie in frühen Briefen an den jungen Komponisten finden sich antijüdische
Floskeln und völkische Tendenzen, von denen er sich später distanzierte und
seine Leser gleichsam um Vergebung bat. Wie Sven Brömsel ausführt, sind die
betreffenden Wendungen eher als Zugeständnisse an Wagner und nicht als Ausdruck
des Hasses zu interpretieren.
George Bernard Shaw
Der irische Dramatiker und Kritiker George Bernard Shaw hörte
bereits als Jugendlicher Wagners Musik, als er einen Klavierauszug des Lohengrin studierte.
1876 ging er nach London und besuchte im folgenden Jahr das
Wagnerfestival. Während er sich zwischen 1888 und 1894 als Dramatiker
etablierte, arbeitete er auch als Musikkritiker, der Wagner positiv
rezensierte, den Wagner-Kult aber ablehnte. So schrieb er über seine erste
Reise nach Bayreuth, man habe „schädlicherweise bereits damit begonnen“,
die Stadt „zu einem Tempel toter Traditionen zu machen“, nicht aber „zu einer
Arena für lebendige Ideen“. Shaw gehörte zur Fabian Society und
versuchte, Mitglieder für den Komponisten zu begeistern, womit er allerdings
wenig Erfolg hatte.
Zunächst dachte er daran, sein erstes Drama Widowers’
Houses als Huldigung an Wagner und moderne Fassung des Rheingold zu
konzipieren. Es sollte eine Szene am Ufer des Rheins, „kapitalistische
Schurken“ und auch „schmutziges Gold“ enthalten, das schließlich wieder in den
Fluss geworfen wird. In der abschließenden Fassung blieb der Rhein zwar
Schauplatz der Handlung, das Material aus dem Ring trat aber
in den Hintergrund. In anderen Dramen gibt es ebenfalls Anspielungen auf Wagner
sowie auf Nietzsches Kritik. Die Abhandlung The Perfect Wagnerite (1898)
ist Shaws wichtigster Beitrag zum Wagnerismus, der sich als einfache Einführung
in den Ring-Zyklus tarnt.
Thomas Mann
Thomas Mann beschäftigte sich in Essays und
Briefen, Vorträgen und dem epischen Werk immer wieder mit Richard Wagner.
Einerseits konnte er sich dem Klangrausch seiner Musik nicht entziehen,
andererseits analysierte er die Schwächen des Komponisten.
Im frühen Werk Manns hat Wagner eine Doppelfunktion: Die Musik
versinnbildlicht den Verfall des Bürgertums und wirkt struktur- und
stilbildend für das eigene Schreiben. Den häufig lebensuntüchtigen Figuren
zeigt sich das Rauschhaft-Abgründige der Musik als beglückendes „Stimulans und
Opiat“. Sie hat etwas Befreiendes, selbst wenn sie mit Todessympathie
einhergeht oder die Figur von gesellschaftlichen Normen abweicht. Von
Schopenhauer ausgehend ist die Musik mit dem Eros verbunden und deutet auf
den Willen zum Leben ebenso wie auf die Möglichkeit, ihn zu
überwinden. Anders als in Nietzsches Analyse ist die Dekadenz im
Frühwerk sowohl ästhetischer Reiz als auch Voraussetzung der Kunst und wird mit
ironischer Brechung geschildert.
Bereits in seinem ersten Roman Buddenbrooks ist
Wagner gegenwärtig. Am Ring des Nibelungen, für Mann der „Inbegriff des
Werkes“, sind Grundfiguration und Gesamtplan orientiert. Die Meistersinger wiederum
spielen auf der Geschehensebene eine Rolle. Der konservative und
„vierschrötige“ Organist Pfühl lehnt Wagners moderne Tristan-Klänge ab, spricht
von Chaos, Blasphemie und „parfümiertem Qualm“, findet dann aber anerkennende
Worte für einige handwerksbetonte Partien der Meistersinger und
spricht über den strengen Satz. In den Betrachtungen eines
Unpolitischen sind sie später die Kronzeugen gegen das „Zivilisationsliteratentum“.
Wie der sensible und musische Hanno sich vom bürgerlichen Alltag
löst, zeigt sich zunächst mittels Fidelio- und Lohengrin-Eindrücken. Die
Tristan-Klänge, über die er auch am Klavier improvisiert, sind hingegen
sein eigentliches Refugium. Die überbordende Chromatik wird zum Paradigma einer
dekadenten Überfeinerung und eines künstlerisch verklärten Untergangs.
Auch in der frühen Friedemann-Novelle ist Wagners
Einfluss deutlich. Eine Lohengrin-Aufführung führt zur Enthemmung des
Protagonisten und beeinflusst den weiteren Verlauf der Erzählung, die bereits
die Leitmotivtechnik aber auch Nietzsches Kritik erkennen lässt. In der
autobiographisch getönten Novelle Der Bajazzo ist Nietzsches
Kritik noch deutlicher. So ist von „ungeheuren und grausamen Schöpfungen“ die
Rede, die „mit dem verderbten Pomp eines ruchlos genialen Dilettantismus [...]
betäuben, peinigen, beseligen“. Gerade im Dilettantismus, den Mann auch in
seinem kritischen Essay von 1933 anspricht, liegt die Begabung
des Ich-Erzählers, der Wagner zudem musizierend parodiert. In
der Erzählung Tristan wirkt die todesaffine Musik der Oper ebenfalls
enthemmend und auflösend. Sie schwächt die lungenkranke Frau Klöterjahn
weiter, die einen Blutsturz erleidet und stirbt. Hermann Kurzke geht
so weit, das Musikdrama als „Mordwaffe“ zu bezeichnen, mit der Detlev Spinell
die idealisierte Frau tötet.
In seinem später als Essay erschienenen Vortrag Leiden und
Größe Richard Wagners, den er 1933 zum 50. Todestag Wagners in München
hielt, analysierte er dessen Œuvre und setzte sich derart kritisch mit der
Persönlichkeit und der Musik auseinander, dass es zu einem inszenierten Protest
gegen den Schriftsteller kam. Dieser „Protest der Richard-Wagner-Stadt
München“, der am 16./17. April 1933 in den Münchener Neuesten
Nachrichten erschien und u. a. von Hans Knappertsbusch, Richard
Strauss und Hans Pfitzner unterzeichnet war, bestärkte Thomas
Mann in dem Entschluss, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Die Verfasser
warfen Thomas Mann vor, von den Idealen der Betrachtungen eines
Unpolitischen abgerückt zu sein, mit „ästhetisierendem Snobismus“ das
„tiefste deutsche Gefühl“ zu beleidigen und den „großen deutschen Meister“
zu verunglimpfen.
Theodor W. Adorno
Theodor W. Adorno, der Sozialphilosoph und Musiktheoretiker
der Zweiten Wiener Schule, beschäftigte sich u. a. in seinem
Buch Versuch über Wagner mit dem Werk des Komponisten: Das
Konzept des Gesamtkunstwerks war für ihn ein später Abkömmling „der
großen metaphysischen Systeme“, der einerseits den Wegen des Fortschritts
folge, sich andererseits aber mit dem „Ursprung der Kulturindustrie“
verbinde. In späteren Ergänzungen der von Walter Benjamin und anderen
Autoren kritisierten Schrift ging er auf die Zäsur durch den
Nationalsozialismus ein. Er wolle helfen, „die Urlandschaft des Faschismus zu
verstehen, damit sie nicht länger die Träume des Kollektivs“ beherrsche. Man
solle sich hüten, bei der üblichen Einschätzung der Dekadenz zu
verbleiben, zeige sich in ihr doch die „Unfähigkeit eines [...] bis ins
Innerste beschädigten Subjekts, den Spielregeln eben dieses Bestehenden noch
Genüge zu tun.“ Gerade im Zweideutigen, in der Schwäche des Ichs
und der „Ohnmacht“ gegenüber den gesellschaftlichen Widersprüchen offenbare
sich etwas wie künstlerischer Fortschritt, womit Adorno sich von Nietzsches
Dekadenzanalyse absetzt.
Adorno bemühte sich, „der Kritik an Wagner dessen eigene kritische
Gehalte“ entgegenzusetzen. Wagner entziehe sich gerade „den Forderungen
von Gesundheit, Tüchtigkeit, Kommunikation und Einverständnis“ und wende sich
„sprachlos gegen die Macht, in deren Diensten seine Sprache“ stehe. Um
Wagner zu verstehen, müsse man „die Ambivalenzen bestimmen und
entziffern“ und nicht „dort Eindeutigkeit herstellen, wo die Sache“ sich
zunächst verweigere.
Film
Dass Wagners Musik mit dem Medium Film zusammenhängt,
ist kein neuer Gedanke. So verwiesen bereits Hanns Eisler und Theodor
W. Adorno auf eine Verbindung von „Kulturwaren“ aus Elementen
wie Drama und psychologischem Roman, Sinfoniekonzert, Kolportage, Operette und Revue,
die „schon im Wagnerschen Gesamtkunstwerk“ angelegt sei. Enjott Schneider untersuchte
die Wirkung Wagners auf den Film des 20. Jahrhunderts und formulierte die
überspitzte These, dass der Film „sein heimliches Kunstwerk der Zukunft“
gewesen sei. Es ist zum Gemeinplatz geworden, dass Wagner sich für die
Kunstform Film begeistert hätte. So schrieb der französische Filmkritiker Émile
Vuillermoz 1927, Wagner hätte „seine Tetralogie nicht für die Bühne,
sondern für die Leinwand“ konzipiert, wäre er „fünfzig Jahre später“ geboren
worden. Laut Max Steiner wäre Wagner „die Nummer Eins unter den
Filmkomponisten“ geworden. Nach Einschätzung Wolfgang Wagners wiederum
hätte sein Großvater „zweifellos in Hollywood“ gearbeitet.
Filmmusik
Die Entwicklung der Filmmusik wurde von Wagners Œuvre
beeinflusst. Giuseppe Becce, der wegen seiner Ähnlichkeit in dem Stummfilm von
1913 Richard Wagner verkörperte, komponierte auch die Filmmusik in dessen Stil,
nachdem die Erbverwalter des Komponisten sich gegen den Einsatz von Originalmusik
ausgesprochen hatten. Später sammelte er seine von Wagner beeinflussten Stummfilm-Begleitungen
in einer „Kinothek“, die auf zwölf Bände anwuchs. Sie wurde die Basis seiner
Tätigkeit als Dirigent des Berliner UFA-Orchesters, wodurch sich die enge
Verbindung zwischen Wagner und dem musikalischen Stil des mächtigen
Filmunternehmens erklärt.Der russisch-amerikanische Filmkomponist und
Dirigent Dimitri Tiomkin erwähnte in seiner humorvoll-ironischen
Dankesrede für die Oscarverleihung der Kategorie „Beste Filmmusik“ (The
High and the Mighty) 1955 unter anderem Johannes Brahms, Richard
Strauss, George Gershwin und auch Richard Wagner, bei denen er sich
zu bedanken habe.
Allerdings reichen Hinweise auf die filmische Leitmotivik nicht
aus, zumal die Technik nicht von Wagner erfunden, sondern ergänzt und
weiterentwickelt wurde und er bereits an ein entwickeltes Verfahren anknüpfen
konnte. Christoph Henzel hält es auch aus diesem Grund für eine Vereinfachung,
die Nähe der Filmmusik zu Wagner nur danach zu bestimmen, wie häufig Leitmotive
in ihr verwendet werden. Der Terminus „unendliche Melodie“ lasse sich nicht auf
die Musik Hollywoods anwenden. Die in den Filmen eingesetzten Stücke
seien dem Dialog nachgestellt und würden jeweils nur selektiv
verwendet, hätten somit keine durchgehend expressive Funktion wie in Wagners
Werken.[
Die Ausdruckskraft der Filmmusik ist nicht an eine komplexe
sinfonische Struktur gebunden, wie sie sich in Wagners Werken findet. Das gilt
auch für die umfangreichen Partituren von King Kong oder Vom
Winde verweht des Komponisten Max Steiner, der die Entwicklung des
Hollywoodstils maßgeblich beeinflusste. Laut Henzel wurde Steiner allerdings
nicht durch seine Leitmotivtechnik berühmt, sondern eher durch Stimmungskunst
und virtuose Illustration von Bewegungen.
Steiners üppige und nuancenreiche Musik für die Margaret-Mitchell-Adaption
gilt als Paradebeispiel dieses Stils. Wie viele Filmkomponisten war Steiner mit
Wagners Ideen und Ausdrucksformen vertraut und wollte dessen Techniken mit einem
großen Sinfonieorchester umsetzen. Anders als in King Kong und Der
Verräter, die eher von knappen Motiven bestimmt werden, setzte Steiner hier
längere Melodien leitmotivisch ein, um so die Figuren und ihre Beziehungen
charakterisieren zu können. Das bekannte Tara-Thema, das aus zwei
achttaktigen Perioden besteht, repräsentiert die Plantage, mit
der Scarlett O’Hara auch emotional verbunden ist. Es ist für Sequenzierungen geeignet
und kann an die filmtechnischen Gegebenheiten angepasst werden, ohne seine Ausdruckskraft
einzubüßen.
Komponisten wie etwa John Williams und Howard Shore verwenden
Leitmotive, ohne dass von einer Adaption der Technik gesprochen werden könnte,
die Wagner im Ring des Nibelungen entfaltet hat. Berufen sich
Komponisten dennoch auf Wagner, kann dies nach Auffassung Christoph Henzels
auch mit dem Wunsch zusammenhängen, ihre Werke in die Aura etablierter Kunst zu
rücken. In der Filmtrilogie Der Herr der Ringe finden
sich charakteristische Motive für Gollum und die Gefährten, Mordor, Isengard und
den Ring selbst. Wie in Steiners Musik zu Casablanca beziehen
sie sich weniger auf einzelne Charaktere als auf deren Ideen oder wichtige
Gegenstände und Orte.
Shores Musik hat stellenweise eine ergänzende Funktion und
verdoppelt nicht lediglich die Erzählungsinhalte. Wenn etwa um den Einen
Ring gestritten wird, erklingt nicht das Ring-, sondern das Mordor-Motiv,
das auf Sauron verweist. Die Motive werden allerdings anders
entwickelt als bei Wagner und in ihrer Instrumentierung kaum
variiert.
Wagners Musik im Kino
Wagners Musik wurde seit der Stummfilmzeit in mehr als
1000 Filmen eingesetzt. Von David Wark Griffiths Historienfilm Die
Geburt einer Nation bis zu Lars von Triers endzeitlicher Vision Melancholia und
weiteren Werken des 21. Jahrhunderts ist Wagner in Filmszenen präsent.
Häufig erklingen bekannte Stücke wie der Walkürenritt, der
für die unterschiedlichsten Szenen eingesetzt wurde und selbst in Zeichentrickfilmen und Filmkomödien zu
hören ist. Dazu gehören der Bugs-Bunny-Streifen Der Ring der
Niegelungen oder die erfolgreiche Komödie Blues Brothers von John
Landis, in der das Stück erklingt, als die Helden von Neonazis verfolgt
werden. Der von Arnold Schwarzenegger gespielte Ben Richards kämpft
in Running Man als Teil einer Reality-Show gegen
den Schurken Dynamo, während eine verkitschte Synthesizer-Version
des Stückes gespielt wird. Recht bekannt sind die Szenen aus Francis Ford
Coppolas Antikriegsfilm Apocalypse Now, in denen ein
Hubschraubergeschwader ein vietnamesisches Dorf angreift und das Stück aus den
Lautsprechern dröhnt, um die Gegner zu erschrecken.
Der italienische Film- und Opernregisseur Luchino Visconti befasste
sich in seiner Deutschen Trilogie intensiv mit Wagner und
stellte unterschiedliche Verfallserscheinungen deutscher Kultur und historische
Phasen des Nationalstaates in den Mittelpunkt. Während Wagner
in Tod in Venedig vor allem über die Musik Gustav Mahlers präsent
ist, sind die Bezüge in den beiden anderen Teilen wesentlich deutlicher. Der
Film Die Verdammten sollte nach Viscontis Willen zunächst
„Götterdämmerung“ heißen und lässt den Einfluss Wagners auf mehreren Ebenen
erkennen. So erinnert das leitmotivische Schmelzen des Kruppstahls an
das Schmieden des Ringes aus dem geraubten Rheingold In einer
Filmsequenz, die an den Ufern des Attersees gedreht wurde,
kontrastierte Visconti vulgäre Nazi-Lieder mit Isoldes Liebestod.
Wagner als Filmfigur
Neben Komponisten wie Mozart und Beethoven, Johann Straus und Franz
Schubert ist auch Richard Wagner als Figur in zahlreichen Filmbiografien zu
sehen. Aus Anlass seines 100. Todestages widmeten ihm die Filmfestspiele
von Venedig 1983 eine Gesamtschau, die von einer Monographie begleitet
wurde.
Während die biographischen Wagner-Filme wie Richard Wagner, Magic
Fire und der zehnteiligen Miniserie Wagner einen
nahezu vollständigen Lebensabriss geben, behandeln die Filme Die
Barrikade (1970), La Mort du Titan (1975) und Wahnfried (1987)
jeweils nur einzelne Facetten seines Lebens, in Wahnfried etwa
die Beziehung zu Cosima. Außerdem existieren zahlreiche biographische
Filme über Franz Liszt und König Ludwig II., in denen Wagner
auftritt und seine Musik eingesetzt wird, sowie kurze Cameo-Auftritte in Remontons
les Champs-Elysées (1938), Romanza final (Gayerre) (1986)
und schließlich Bruckners Entscheidung (1996), in dem Wagner
von Joachim Kaiser gespielt wird. Lediglich in Ludwig 1881 der
Brüder Fosco und Donatello Dubini, der Helmut Berger zwanzig
Jahre nach Luchino Viscontis opulentem Ludwig II. erneut
als Bayernkönig zeigt, geht es nicht um Wagner.
In dem Film Ludwig II. schildert Visconti Wagners
Beziehung zum König der Bayern, der die realen politischen Machtverhältnisse
ignoriert und in die romantische Musik des verehrten Komponisten flüchtet.
Visconti rückte Wagner ins Zentrum und analysierte ihn und seine Entourage nach
jahrzehntelanger filmischer Glorifizierung erstmals kritisch. Anders als
bei Helmut Käutner, der Wagners Musk überwiegend melodramatisch nutzte und
die Stimmung einzelner Szenen ausmalte, wurde Wagner bei Visconti und Hans-Jürgen
Syberberg auch eingesetzt, um das Konzept „Film als Gesamtkunstwerk“ zu
verwirklichen. Visconti bestätigte in einem Interview, dass er mit dem Ensemble
aus dramatischen und visuellen Mitteln etwas wie ein Gesamtkunstwerk schaffen
wollte, wie Wagner selbst es vertreten habe.
Syberberg wollte sich in Ludwig – Requiem für einen
jungfräulichen König vom überkommenen narrativen Kino absetzen. Er
zeichnete auch für das Drehbuch und die Musikauswahl verantwortlich
und setzte die Stücke ein, um die Handlung zu verbinden und zu erklären. Dabei
war ihm die mystische Klangwelt Lohengrins und Tristans,
des Rheingoldes und der Götterdämmerung näher
als die Töne des Holländers oder der Meistersinger.
So nahm er ungekürzt eine lange Passage aus dem Liebesduett des Tristan auf
und zeigte dazu eine lange Schlittenfahrt Ludwigs durch den verschneiten Wald.
In einigen Szenen ließ er Wagners Musik auf ironisierend eingesetzte Schlager-
und Volksmusik treffen.
Werke
Insgesamt sind nach dem Wagner-Werk-Verzeichnis (WWV) einschließlich
aller Gelegenheitskompositionen und Widmungsblätter, jedoch ohne die Schriften
Wagners, 113 Werke verzeichnet.
Musikdramatische Werke
·Die Hochzeit (unvollendete Oper, 1832)
·Die Feen WWV 32 (1833–1834). UA: 29. Juni 1888
Königliches Hof- und Nationaltheater München
·Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo WWV 38
(1834–1836). UA: 29. März 1836 Stadttheater Magdeburg
·Männerlist größer als Frauenlist oder Die glückliche
Bärenfamilie (um 1837, unvollendete Oper). Uraufführung als jeweils
unterschiedlich komplettiertes Fragment durch die Hauptstadtoper Berlin (7.
März 2013, „Berliner Fassung“) und die Pocket Opera Company Nürnberg
(27. Juni 2013, „Nürnberger Fassung“)
·Rienzi, der Letzte der Tribunen WWV 49
(1837–1840). UA: 20. Oktober 1842 Königlich Sächsisches Hoftheater Dresden
Nur die folgenden zehn Werke wählte Wagner für Aufführungen im
Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth aus:
·Der Fliegende Holländer WWV 63 (1840–1841). Überarbeitet
1852 (Zürich) und 1864 (München). UA: 2. Januar 1843 Königlich Sächsisches
Hoftheater Dresden
·Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg WWV 70
(1842–1845). Überarbeitet 1847, 1860 (Erstdruck der Partitur, sog. „Dresdener
Fassung“), 1861 (Paris, in frz. Sprache), 1875 (Wien, sog. „Pariser Fassung“).
UA: 19. Oktober 1845 Königlich Sächsisches Hoftheater Dresden
Viele Stoffe, die Wagner für Opern oder Musikdramen vorgesehen
hatte, blieben im Stadium des Entwurfs oder des Librettos.
·Leubald, WWV 1 (1828)
·Die hohe Braut, WWV 40 (1836)
·Die Sarazenin, WWV 66 (1843)
·Die Bergwerke zu Falun, nach E. T. A Hoffmanns Erzählung Die
Bergwerke zu Falun für den Komponisten Josef Dessauer (nicht
ausgeführt), WWV 67 (1842)
·Friedrich Barbarossa, WWV 76 (1849)
·Jesus von Nazareth, WWV 80 (1849)
·Achilleus, WWV 81 (1850)
·Wieland der Schmied, WWV 81 (1850)
·Der Sieger, WWV 89 (1856)
·Luthers Hochzeit, WWV 99 (1868)
·Eine Kapitulation, WWV 102 (1870)
Sonstige Musikwerke
(Auswahl)
·Symphonie C-Dur (1832)
·Symphonie E-Dur (unvollendet, es existieren nur 2 Sätze)
·Das Liebesmahl der Apostel, eine biblische Szene für Männerstimmen
und großes Orchester (1843)
·Fantasie für Klavier in fis-Moll (1831)
·3 Klaviersonaten
oKlaviersonate in B-Dur (1831)
oKlaviersonate in A-Dur (1832)
oKlaviersonate in As-Dur (1853)
·Züricher Vielliebchen-Walzer für Klavier in
Es-Dur (1854)
·Wesendonck-Lieder (1857/58)
·Siegfried-Idyll für kleines Orchester (1870)
·König Enzio-Ouvertüre (1832)
·Columbus-Ouvertüre (1835)
·Polonia, C-Dur (1836)
·Rule Britannia, D-Dur (1837)
·Eine Faust-Ouvertüre, d-Moll (1844)
·Festmusik Sei uns gegrüßt! (1844)
·Huldigungsmarsch für Ludwig II. von Bayern, Es-Dur (1864)
·Kaisermarsch, B-Dur (1871)
·Großer Festmarsch (zum hundertsten Jahrestag der Gründung
der Vereinigten Staaten), G-Dur (1876)
·Ankunft bei den schwarzen Schwänen – Albumblatt in As-Dur
für Klavier (1861)
·Albumblatt für Frau Betty Schott für Klavier (1875)
Schriften
Zu seinen Schriften gehören:
·Eine Pilgerfahrt zu Beethoven (1840)
·Zu Beethovens Neunter Symphonie (1846)
·Der Nibelungen-Mythos als Entwurf zu einem Drama (1848)
·Die Wibelungen. Weltgeschichte aus der Sage (1849)
·Die Revolution (1849) – die erste von mehreren
Kunst-Revolutions-Schriften
·Der Mensch und die bestehende Gesellschaft (1849)
·Die Kunst und die Revolution (1849)
·Das Kunstwerk der Zukunft (1850) (Digitalisat und Volltext im Deutschen
Textarchiv)
·Kunst und Klima (1850)
·Das Judenthum in der Musik (1850, erheblich erweitert 1869)
·Oper und Drama (1851) – ein Essay über die Theorie der
Oper
·Eine Mitteilung an meine Freunde (1851)
·Über Staat und Religion (1864) – eine theoretische
Abhandlung für König Ludwig II.
·Deutsche Kunst und Deutsche Politik (1868)
·Über das Dirigieren (1869)
·Beethoven (1870)
·Das Bühnenfestspielhaus zu Bayreuth (1873)
·Was ist deutsch? (1878)
·Wollen wir hoffen? (1879)
·Religion und Kunst (1880) mit Nachtrag: Was nützt
diese Erkenntnis?
·Erkenne dich selbst (1881)
·Heldentum und Christentum (1881)
·Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth (1882)
·Über das Weibliche im Menschlichen (1883, Fragment)
Literatur
Über Richard Wagner
·Dieter Borchmeyer: Richard Wagner: Werk – Leben – Zeit. Reclam,
Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-010914-4.
·Daniel Brandenburg, Rainer Franke und Anno Mungen (Hrsg.): Das
Wagner-Lexikon. Laaber-Verlag, Laaber 2012, ISBN
978-3-89007-550-1.
·John Deathridge, Martin Geck, Egon Voss (Hrsg.): Wagner
Werkverzeichnis. (WWV). Schott, Mainz 1986, ISBN 3-7957-2201-2.
·Martin Geck: Wagner: Biographie. Pantheon,
München 2015, ISBN 978-3-570-55239-1.
·Martin Gregor-Dellin: Richard Wagner – Sein Leben, sein
Werk, sein Jahrhundert. Piper, München 1980, ISBN 3-492-02527-7.
·Wolfgang Hofer (Hrsg.): Hans Mayer. Richard Wagner. Suhrkamp
Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-41014-8.
·Rüdiger Jacobs: Neue Text-Ausgabe Richard Wagner.
Projekte-Verlag Cornelius/ A. Dielmann, Halle 2013, ISBN 978-3-95486-335-8.
·Eckart Kröplin: Richard Wagner Chronik. J. B. Metzler
Verlag, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-02587-6.
·Laurenz Lütteken (Hrsg.): Wagner-Handbuch. Gemeinschaftsausgabe.
Bärenreiter-Verlag, Kassel 2012, ISBN 978-3-7618-2055-1 und J. B.
Metzler Verlag, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-7618-2521-1.
·Alex Ross: Die Welt nach Wagner. Ein deutscher Künstler
und sein Einfluss auf die Moderne. Rowohlt, Hamburg 2021, ISBN
978-3-498-00185-8.
·Dieter David Scholz: Richard Wagner. Eine europäische
Biographie. Parthas Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-86601-790-0.
·Egon Voss: Richard Wagner. C. H. Beck, München
2012, ISBN 978-3-406-63721-6.
·Peter Wapnewski: Richard Wagner – die Szene und ihr
Meister. Berlin-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-8270-0414-7.
Einzeluntersuchungen
·Udo Bermbach: Mythos Wagner. Rowohlt, Berlin
2013, ISBN 978-3-87134-731-3.
·Udo Bermbach: Richard Wagner in Deutschland. Rezeption –
Verfälschungen. Stuttgart / Weimar 2011, ISBN 978-3-476-01884-7.
·Udo Bermbach, Dieter Borchmeyer, Hermann Danuser etc.
(Hrsg.) Wagnerspectrum: Schwerpunkt Wagner und die Neue Musik. Königshausen
und Neumann, Heft 2. Würzburg 2010.
·Dieter Borchmeyer, Ami Maayani, Susanne Vill (Hrsg.): Richard
Wagner und die Juden. J. B. Metzler, Stuttgart/ Weimar
2000, ISBN 3-476-01754-0.
·Dieter Borchmeyer: Richard Wagner: Ahasvers Wandlungen. Insel
Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-458-17135-5
·Gunther Braam: Richard Wagner in der zeitgenössischen
Fotografie ConBrio, Regensburg 2015, ISBN 978-3-940768-44-5.
·Friedrich Dieckmann: Das Liebesverbot und die Revolution.
Über Wagner. Insel Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-458-17569-8.
·Johanna Dombois, Richard Klein: Richard Wagner und
seine Medien. Für eine kritische Praxis des Musiktheaters. Stuttgart
2012, ISBN 978-3-608-94740-3.
·Jan Drehmel, Kristina Jaspers, Steffen Vogt (Hrsg.): Richard
Wagner und das Kino der Dekadenz. Vorträge: Elisabeth Bronfen, Jörg
Buttergereit, Bernd Kiefer, Peter Moormann, Andreas Urs Sommer, Marcus
Stiglegger. Turia + Kant, Wien/ Berlin 2014, ISBN 978-3-85132-735-9.
·Jens Malte Fischer: Richard Wagners ‚Das Judentum in der
Musik‘. Eine kritische Dokumentation als Beitrag zur Geschichte des
europäischen Antisemitismus. Insel, Frankfurt am Main 2000, ISBN
3-458-34317-2.
·Jens Malte Fischer: Richard Wagner und seine Wirkung.
Zsolnay Verlag, Wien 2013, ISBN 978-3-552-05614-5.
·Sven Friedrich: Richard Wagner, Deutung und Wirkung. Würzburg
2004, ISBN 3-8260-2851-1.
·Constantin Grun: Arnold Schönberg und Richard Wagner. 2
Bände. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, Band 1: ISBN
3-89971-266-8, Band 2: ISBN 3-89971-267-6.
·Wolf-Daniel Hartwich: Deutsche Mythologie. Die Erfindung
einer nationalen Kunstreligion. Philo, Berlin/ Wien 2000, ISBN
3-8257-0083-6.
·Joseph Imorde, Andreas Zeising (Hrsg.): Wahn und Wirkung.
Perspektiven auf Richard Wagner. Universi Verlag, Siegen 2014, ISBN
978-3-936533-51-4.
·Rüdiger Jacobs: Revolutionsidee und Staatskritik in
Richard Wagners Schriften: Perspektiven metapolitischen Denkens. Königshausen
& Neumann, 2010, ISBN 978-3-8260-4280-5.
·Eckart Kröplin: Richard Wagner – Musik aus Licht:
Synästhesien von der Romantik bis zur Moderne. Eine Dokumentardarstellung,
3 Teile in 4 Bänden. Königshausen & Neumann, Würzburg 2011, ISBN
978-3-8260-4449-6.
·Eckart Kröplin: Richard Wagner und der Kommunismus. Studie
zu einem verdrängten Thema. Königshausen & Neumann, Würzburg
2013, ISBN 978-3-8260-5267-5.
·Heinz-Klaus Metzger, Rainer Riehn (Hrsg.): Richard
Wagner. Wie antisemitisch darf ein Künstler sein? (= Musik-Konzepte. Heft
5). Edition Text und Kritik, München 1978, ISBN 3-921402-67-0.
·Richard-Wagner-Verband-Leipzig e. V. (Hrsg.): Leipziger
Beiträge zur Wagner-Forschung. 2. Internationales Kolloquium 1983 in Leipzig.
Richard Wagner – Leben, Werk und Interpretation. Sax-Verlag,
Markkleeberg 2010, ISBN 978-3-86729-046-3.
·Dieter David Scholz: Wagners Antisemitismus:
Jahrhundertgenie im Zwielicht. Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Darmstadt 2013. ISBN 978-3-534-25802-4.
·Alexander Schmidt: Braune Brüder im Geiste? Volk und Rasse
bei Wagner und Hitler – Ein kritischer Schrift-Vergleich. Tectum,
Marburg 2007, ISBN 978-3-8288-9252-1.
·Sabine Sonntag: Richard Wagner im Kino. Studien zur
Geschichte, Dramaturgie und Rezeption filmmusikalischer Künstlerbiographien. Verlag
Dohr Köln, 2010. ISBN 978-3-936655-69-8.
·Stefan Lorenz Sorgner, H. James Birx, Nikolaus Knoepffler
(Hrsg.): Wagner und Nietzsche: Kultur – Werk – Wirkung. Ein Handbuch. Rowohlt,
Reinbek 2008, ISBN 978-3-499-55691-3.
·Peter Steinacker: „Erlösung ward der Welt zuteil“.
Säkularisierung und die Oper des 19. Jahrhunderts. Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, Darmstadt 2014. ISBN 978-3-534-25432-3. S. 45–133.
·Erik M. Vogt: Ästhetisch-Politische Lektüren zum 'Fall
Wagner: Adorno – Lacoue-Labarthe – Zizek – Badiou. Turia + Kant, Wien/
Berlin 2015, ISBN 978-3-85132-789-2.
Biographische Artikel in
Lexika
·Christoph Ballmer: Richard Wagner. In: Historisches
Lexikon der Schweiz. 27. Dezember 2014.
·Franz Muncker: Wagner, Richard. In: Allgemeine
Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot,
Leipzig 1896, S. 544–571.
·Ulrich Konrad: Wagner,
Richard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB).
Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1,
S. 211–215 (Digitalisat).
·Hanspeter Renggli: Richard Wagner. In: Andreas
Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3,
Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 2037 f.
·Thomas Röder: Wagner, Wilhelm Richard. In: Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon (BBKL). Band 29, Bautz, Nordhausen 2008, ISBN
978-3-88309-452-6, Sp. 1519–1542.
Filme
·1913: Richard Wagner – Filmbiographie,
Regie: Carl Froelich
·1954: Wagner - Die Richard Wagner Story (früher: Frauen
um Richard Wagner) – Filmbiographie, Regie: William Dieterle
·1983: Wagner – Das Leben und Werk Richard Wagners –
biographische Miniserie, Regie: Tony Palmer
·1996: Wagnerdämmerung – Dokumentationsfilm,
Regie: Petrus van der Let
·2005: Das Familientheater der Wagners: Leuchtende Liebe -
Lachender Tod – Dokumentarfilm, Regie: Oliver Becker
·2013: Der Wagner-Clan. Eine Familiengeschichte –
Fernsehfilm, Regie: Christiane Balthasar
·2014: Der Clan – Die Dokumentation –
Dokumentarfilm zum Fernsehfilm, Regie: Gero und Felix von Boehm
·2021: Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt –
Dokumentationsfilm, Regie: Axel Brüggemann
·Literatur von und über Richard Wagner im Katalog der Deutschen
Nationalbibliothek
·Werke von und über Richard Wagner in der Deutschen
Digitalen Bibliothek
·Zeitungsartikel über Richard Wagner in den Historischen
Pressearchiven der ZBW
·Literatur über Richard Wagner in der Bibliographie des
Musikschrifttums
·Werke von Richard Wagner bei Zeno.org.
·Werke von Richard Wagner im Projekt Gutenberg-DE
·Jubiläumswebseite zum Richard-Wagner-Jahr 2013 der SLUB Dresden
mit historischen Dokumenten und Quellen (Memento vom
14. Januar 2013 im Internet Archive)
·Auf der Flucht - Richard Wagner in Weimar und Magdala 13. bis
24. Mai 1849
·Notendrucke, Musikhandschriften und Briefmanuskripte in
der Bayerischen Staatsbibliothek
Noten und Hörbeispiele
·Noten und Audiodateien von Wagner im International Music
Score Library Project
·Gemeinfreie Noten von Richard Wagner in der Choral
Public Domain Library – ChoralWiki (englisch)
Biographisches
·Dorlis Blume: Richard Wagner. Tabellarischer
Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
·Carl Friedrich Glasenapps Wagner-Biographie Digitalisierter
Volltext
·Wagners Autobiographie Mein Leben Digitalisierter
Volltext
Thema Antisemitismus
·Wagner und die Juden (Memento vom
31. Oktober 2007 im Internet Archive). Auszüge aus den Beiträgen
zum internationalen Symposion 1998. Vollständige Texte bei Borchmeyer
u. a. (siehe Literatur).
·Auszüge aus Wagner und der Antisemitismus von
Paul Lawrence Rose, Zürich 1999.
·Kurt Oesterle: „Vergebens gelebt und gearbeitet“. Wie
Berthold Auerbach am Antisemitismus seines Ex-Freundes Richard Wagner zerbrach. (PDF;
124 kB)
·Jens Malte Fischers Richard Wagner: Das Judenthum in der
Musik (Rezension)
Hanns Georgi
Curt Johannes „Hanns“ Georgi (* 21. September 1901 in Dresden; † 23. Oktober 1989 in Malschendorf)
war ein deutscher Maler, Grafiker und Buchillustrator.
Hanns Georgi
wurde als jüngstes von fünf Kindern von August Friedrich Wilhelm Georgi und
Anna Georgi, geborene Scharschmidt, in Dresden geboren. Ab 1907 besuchte er
die Bürgerschule, wo er schon früh seine Aufsätze mit Bildern
illustrierte. Von 1915 bis 1922 absolvierte Georgi eine Ausbildung zum Lehrer
am Freiherrlich von Fletcherschen Lehrerseminar in Dresden-Neustadt.
Während seiner Ausbildung begegnete er dem Maler Osmar Schindler, der ihn
in der Freizeit in seinem Atelier arbeiten ließ und zu einem Kunststudium riet.
Georgi beendete aber erst seine Ausbildung und arbeitete von 1922 bis 1926 als
Lehrer in Hermsdorf.
1921 lernte
Georgi seine spätere Frau, Elfriede Engel, kennen, die er 1929 heiratete. Mit
ihr hatte er drei Kinder: Dieter (1932), Heinrich (1938) und Ulrich (1942).
1923 hatte Georgi seine erste größere Ausstellung in Sebnitz, wo er
Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Radierungen zeigte. Im Jahre 1926 nahm
Georgi an der Internationalen Kunstausstellung in Dresden teil und wurde ein
Jahr später Mitglied im Deutschen Künstlerbund, dem er bis zu dessen
Auflösung 1936 angehörte.
Von 1926 bis
1931 studierte Georgi an der Universität Leipzig Deutsch, Geschichte,
Philosophie und Pädagogik. Ab 1928 wurde Sebnitz sein ständiger Wohnsitz. 1931
promoviert er zum Dr. phil. an der Philosophischen Fakultät der Universität
Leipzig.
Von März 1931
bis zum Frühjahr 1933 war Georgi wissenschaftlicher Assistent am Pädagogischen
Institut der Technischen Hochschule Dresden. Von 1933 bis 1939 arbeitete
er als Lehrer in der Stadtschule in Sebnitz. Zum 1. Mai 1933 trat Georgi
der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 2.966.211), in der Hoffnung,
wieder in der akademischen Lehrerbildung tätig sein zu können. In den folgenden
Jahren malte Georgi viel und unternahm Reisen
nach Sassnitz, Stettin und ins Böhmische Mittelgebirge.
1936 scheiterte eine Bewerbung um eine bessere Stelle im Schuldienst.
Im August
1938 absolvierte er eine Reserveübung zur Ausbildung als Artillerist in
Frankenberg. Am 25. August 1939 wurde Georgi eingezogen und nahm erst
am Überfall auf Polen teil, später dann am Frankreichfeldzug. Ab
September 1940 war er wieder als Lehrer in Sebnitz tätig. Von 1941 bis 1945
baute Georgi in Bischofswerda eine Lehrerinnenbildungsanstalt mit
auf. 1945 wurde er in den letzten Kriegswochen zum Dienst
im Volkssturm herangezogen. Ab 1945, nach der Entlassung aus dem Schuldienst,
arbeitete Georgi als freischaffender Maler und Grafiker. 1947 bis 1949 wurde
Georgi in die Jury des von der
Stadt Zwickau gestifteten Max-Pechstein-Preises gerufen. In
den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren erreichte Georgi den Höhepunkt
seines illustratorischen Schaffens.
Von 1948 bis
1963 hielt er an der Volkshochschule in Sebnitz Vorträge über
Kunstgeschichte und Literatur. 1952 wurde Georgi Mitglied im Verband
Bildender Künstler der DDR. Ab 1955 bis 1960 unternahm er lange Reisen in die
Bundesrepublik, unter anderem an die Mosel,
nach Duisburg und München. 1961 starb seine Frau Elfriede. Durch
den Mauerbau konnte Georgi bis zu seinem Rentenalter 1966 nicht mehr
in die Bundesrepublik reisen und musste sogar auf Ausstellungen mit seinen
Bildern verzichten. Im Rentenalter reiste Georgi viel und brachte von seinen
Reisen viele Gemälde, Skizzen und Aquarelle mit. Auch weilte er oft bei seinen
drei Söhnen, die das Elternhaus längst verlassen hatten. Georgi malte
u. a. in der Sächsischen Schweiz, in der Böhmischen Schweiz,
auf Rügen und im Dresdner Land. Regelmäßig besuchte er
außerdem Gottfried Unterdörfer in Uhyst (Spree). Er malte
bevorzugt Landschaften und Personen im Alltag, aber auch Stillleben und religiöse
Bilder. Unter "Johannes Georgi" schrieb er für den Band 3 "Im
Süden der Barbarine" der Reihe "Werte der Deutschen Heimat" im
Jahr 1960 den bemerkenswerten Beitrag "Die Sächsische Schweiz in der
bildenden Kunst". Darin prägte er u. a. den Begriff von der
"Malerstraße auf dem rechten Elbufer". (Heute bekannt als
"Malerweg")
1987 und 1988
unternahm er seine letzten großen Reisen nach Bad Vilbel. Seit 1988
verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, die Hand wurde immer unsicherer,
und im Sommer 1989 malte er seine letzten Bilder.
Arbeiten
Georgis befinden sich u. a. in der Kinder- und Jugendbuchabteilung
der Staatsbibliothek zu Berlin.
In Sebnitz
wurde ein Weg nach Georgi benannt.
Werke (Auswahl)
Weitere Tafelbilder
·Alter Arbeiter (Öl, 90 × 80 cm; 1958/1959 auf der Vierten
Deutsche Kunstausstellung)
·Jahrmarkt in Sebnitz (Öl, 60 × 75 cm; 1958/1959 auf der Vierten
Deutsche Kunstausstellung)
Buchillustrationen
·Peter Rosegger: Als ich noch jung war. Union-Verlag,
Berlin, 1959
·Stefan Zweig: Schatten und Licht. Geschichten aus einem
geteilten Lande. List-Verlag, Leipzig, 1960
·2009: Dresden, Palais Großer Garten, und Pirna, Landschloss
Pirna-Zuschendorf („Wie ich zur Kunst kam; Aufzeichnung des Künstlers“)
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)
·1949, 1953 und 1958/1959: Dresden, Deutsche Kunstausstellung
·1979: Berlin, Ausstellungszentrum am Fernsehturm („Die
Buchillustrationen in der DDR. 1949 – 1979“)
Literatur (Auswahl)
·Manfred Schober: Hanns Georgi. Verlag der Kunst, Dresden,
1989 (Reihe „Maler und Werk“)
·Gert Claußnitzer: Glühende Innerlichkeit und seelische Vertiefung.
Zum 100. Geburtstag von Hanns Georgi. In: Illustration 63; Memmingen, 38
(2001), S. 47–50
·Hanns Georgi: (1901 - 1989); Maler, Grafiker, Buchillustrator; (Gedenkschrift
anlässlich des 100. Geburtstages von Hanns Georgi am 21. September 2001) /
Hrsg.: Große Kreisstadt Sebnitz in Zusammenarbeit mit Heinrich
Georgi, Manfred Schober u. a.
·Georgi, Hanns. In: Dietmar
Eisold (Hrsg.): Lexikon Künstler der DDR. Verlag Neues
Leben, Berlin, 2010, ISBN 978-3-355-01761-9, S. 244