Nur in limitierter Auflage erschienen.
Hochpigmentierter Druck und im Siebdruckverfahren lackiert von 2010
von
Gerhard Richter
zu der Bilderserie
Sindbad
Hinter einem Passepartout montiert im Format: 300x400mm.
Ausschnitt: 240x310mm.
Blattformat ca.: 250x320mm.
In gutem Zustand !!
Erschienen bei König in Köln in kleiner Auflage.
Gerhard Richter
(* 9. Februar 1932 in Dresden) ist ein
deutscher Maler, Bildhauer und Fotograf. Er war von 1971 bis 1993 Professor für
Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Werke zählen auf dem Kunstmarkt
zu den teuersten eines lebenden Künstlers.
Gerhard Richter wuchs als der erstgeborene Sohn von Horst und Hildegard Richter
in Reichenau und Waltersdorf (Amtshauptmannschaft Zittau) in der Oberlausitz
auf. 1948 beendete er die höhere Handelsschule in Zittau mit der Mittleren Reife
und wurde dort von 1949 bis 1951 zum Schriften- sowie Bühnen- und Werbemaler
ausgebildet. 1950 wurde sein Aufnahmeantrag für die Hochschule für Bildende
Künste Dresden abgelehnt. 1951 schließlich konnte er sein Studium an der
dortigen Kunstakademie antreten. Seine Lehrer waren Karl von Appen und Heinz
Lohmar. 1955 schuf Richter für sein Vordiplom ein Wandgemälde (Abendmahl mit
Picasso) für die Mensa der Dresdner Akademie. 1956 folgte ein weiteres Wandbild
in den Räumen des Dresdner Hygienemuseums (Lebensfreude) für seine Diplomarbeit.
Beide Gemälde wurden nach Richters Flucht in die Bundesrepublik 1961 übermalt;
nach der Wiedervereinigung wurde die Lebensfreude an zwei Stellen freigelegt und
erneut übermalt. 1957 heirateten Gerhard Richter und Marianne (Ema) Eufinger
(Tochter Heinrich Eufingers). Von 1957 bis 1961 arbeitete Richter als
Meisterschüler an der Akademie und übernahm Staatsaufträge der DDR. In dieser
Zeit entstand ein umfangreiches Werk an Wandbildern (z. B. Arbeiterkampf) und
Ölgemälden (Porträts von Angelica Domröse und von Richters erster Ehefrau
Marianne, genannt Ema). Die Lesende von 1960 gehört zum kaum noch erhaltenen
Frühwerk aus Richters Dresdner Zeit. In einem Interview mit der
Frühwerk-Expertin Jeanne Anne Nugent von der New York University wird Richter
konkret zu dieser seiner Lesenden Ema befragt und bestätigt die Einschätzung der
Expertin, dass dieses Bild zu den intimsten seiner Familienbilder zählt, genauso
wie das Stadtbild von Dresden und Zeichnungen (z. B. Selbstporträts).
Ende Februar 1961 flohen Gerhard Richter und seine Frau über West-Berlin nach
Westdeutschland, wo 1966 Betty, die gemeinsame Tochter, geboren wurde. Seine in
der DDR geschaffenen Kunstwerke musste er zurücklassen, teilweise soll er sie
noch vor seiner Abreise verbrannt haben. Nur wenige dieser Bilder blieben
erhalten und werden nicht in seinem Werkverzeichnis aufgeführt. Auch andere
frühe Bilder, wie das Hüttenwerk Rheinhausen, stehen nicht in Richters
Werkliste. In Band 3 und 4 von Richters Catalogue Raisonné (Hatje Cantz, 2015)
wird seine gesamte ostdeutsche Frühzeit ausdrücklich ausgeschlossen.
Von 1961 bis 1964 setzte Richter sein Kunststudium an der Kunstakademie
Düsseldorf bei Ferdinand Macketanz und Karl Otto Götz fort. Seine Mitstudenten
in der Klasse Götz waren Sigmar Polke, HA Schult, Kuno Gonschior, Franz Erhard
Walther, Konrad Lueg und Gotthard Graubner.
Nachdem Gerhard Richter Ende der 1960er Jahre als Kunsterzieher gearbeitet hatte
und 1967 Gastdozent an der Hochschule für bildende Künste Hamburg gewesen war,
erhielt er 1971 an der Düsseldorfer Kunstakademie eine Professur für Malerei.
Hier lehrte er bis zum Jahre 1993. 1972 setzte er sich mit Uwe Johnson, Heinrich
Böll, David Hockney, Günther Uecker, Henry Moore, Richard Hamilton, Peter Handke
und Martin Walser für seinen Kollegen Joseph Beuys ein, dem vom damaligen
nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Johannes Rau die Lehrerlaubnis
entzogen worden war.
Die Ehe mit Ema wurde 1982 geschieden. Im selben Jahr heiratete Richter die
Bildhauerin Isa Genzken, seine Meisterschülerin; die Ehe endete nach elf Jahren
durch Scheidung. Seit 1995 ist Richter mit der Malerin Sabine Moritz (* 1969)
verheiratet, der letzten Schülerin, die er vor seiner Pensionierung annahm. Das
Paar hat drei gemeinsame Kinder. Seit 1983 lebt Richter in Köln; sein Atelier
befindet sich im Kölner Stadtteil Hahnwald.
Im Juni 1964 hatte Richter unter dem Titel Gerd Richter. Fotobilder, Portraits
und Familien eine erste Einzelausstellung in der Galerie Friedrich & Dahlem in
München. Bereits in der zweiten Jahreshälfte wurden Einzelausstellungen bei
Alfred Schmela in Düsseldorf und bei René Block in Berlin eröffnet. Richter war
bald in vielen in- und ausländischen Galerien und Museen präsent. 1972 war er im
Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig mit der Werkgruppe 48 Portraits
vertreten. Im Sommersemester 1978 nahm er – in der Nachfolge von Kasper König
und Benjamin Buchloh – eine Gastprofessur am Nova Scotia College of Art and
Design in Halifax an. Da er hier kein Atelier zur Verfügung hatte, beschäftigte
er sich mit visuellen Phänomenen. So fotografierte er das Gemälde Halifax
analytisch in 4 cm × 4 cm großen Segmenten und stellte sie in einem Buch 128
details from a picture (Halifax 1978) zusammen, das im selben Jahr in der Press
of the Nova Scotia College of Art and Design erschien.
1984 war er bei der Ausstellung Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst
in Düsseldorf vertreten. Anfang der 1990er Jahre konnte die
Parlamentspräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Hanna-Renate Laurien,
den Künstler dafür gewinnen, fünf seiner Gemälde für den Festsaal des
Abgeordnetenhauses zur Verfügung zu stellen.
Gerhard Richters internationale künstlerische Anerkennung nahm in den
Folgejahren zu, sodass ihm in den Jahren 1993/1994 eine umfassende Retrospektive
mit Stationen in Paris, Bonn, Stockholm und Madrid gewidmet wurde. 2002 feierte
ihn das Museum of Modern Art, New York, anlässlich seines 70. Geburtstags mit
einer umfassenden Retrospektive. In ihr wurde mit 188 Exponaten die dort größte
jemals einem lebenden Künstler gewidmete Ausstellung gezeigt.
Am 20. August 2004 wurden die Gerhard-Richter-Räume im Dresdner Albertinum
eröffnet. Dort werden 32 Werke als Dauerleihgabe ausgestellt.
Die britische Tageszeitung The Guardian macht sich das Zitat eines Frankfurter
Galeristen zu eigen, der Richter als erfolgreichsten Maler der Gegenwart und als
„Picasso des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Anfang 2005 fand in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW K20 eine umfangreiche
Ausstellung statt, in der unter anderem die Scheibenbilder und die Gemäldegruppe
acht grau zu sehen waren. Im unteren Bereich befand sich das aus 130 C-Prints
bestehende 9 m × 9 m große Werk Strontium aus dem Jahre 2004 (für das M. H. de
Young Memorial Museum, USA). Die Ausstellung wurde anschließend in der Münchner
Städtischen Galerie im Lenbachhaus sowie in Kanazawa und Sakura in Japan
präsentiert.
2006 wurde in Dresden das Gerhard Richter Archiv ins Leben gerufen, das unter
der Leitung von Dietmar Elger steht. Er ist Richters langjähriger Assistent und
Biograf. Es soll neben der Erforschung von Leben und Werk des Künstlers auch ein
neues Werkverzeichnis erstellen.
2004 wurde durch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel, der vor dem Hintergrund
von Jürgen Schreibers Ein Maler aus Deutschland erschien, ein tragischer Aspekt
aus Gerhard Richters Familiengeschichte bekannt: Seine Tante Marianne
Schönfelder wurde 1945 im Rahmen der zweiten Phase der nationalsozialistischen
Euthanasie, der Aktion Brandt, durch NS-Ärzte ermordet. Richters erster
Schwiegervater Heinrich Eufinger, „Emas“ Vater, gehörte als
SS-Obersturmbannführer und Verantwortlicher für die Zwangssterilisationen in
Dresden zu den Tätern. Gerhard Richter, der seinen Schwiegervater mehrfach
porträtiert hat, wusste bei seiner Heirat mit Ema Eufinger von diesen
Zusammenhängen nichts. Er hat aber im Jahr 1965 mit dem Gemälde Herr Heyde, das
die Verhaftung des hauptverantwortlichen SS-Arztes für die Massenmorde an
körperlich und geistig behinderten Menschen zum Thema hat, die Euthanasie als
einer der ersten bildenden Künstler in der Nachkriegszeit behandelt, und mit dem
etwa zeitgleich entstandenen Gemälde Tante Marianne den Opfern der Euthanasie
ein Gesicht gegeben.
Im Zuge der Flüchtlingskrise in Europa 2015/2016 bezeichnete Richter die „Parole
der Willkommenskultur“ als „verlogen“ und „unnatürlich“. Die Flüchtlinge –
damals hauptsächlich aus Syrien, Irak und Afghanistan – seien „nicht
willkommen“. Beim russischen Überfall auf die Ukraine 2022 spendete er fünf
Kunstdrucke mit einem geschätzten Gesamtwert von über 150000 Euro für
Flüchtlinge aus der Ukraine und Kriegsopfer vor Ort.
Heute lebt Gerhard Richter zurückgezogen in seinem Haus in Köln.
Richter gab im September 2020 bekannt, den Pinsel aus der Hand zu legen, und
beschloss damit sein Werk als Maler im Alter von 88 Jahren. Sein letztes Werk
waren die Kirchenfenster in der saarländischen Benediktiner-Abtei Tholey.
Im Westen begann Gerhard Richter seine malerische Praxis mit einer kurzen Phase,
in der er praktisch alle aktuellen Ausdrucksformen und Stile der modernen
Malerei erprobte (zwischen Antoni Tàpies und Francis Bacon). Es handelt sich um
Werke, die Richter, wie er selbst berichtet, später im Innenhof der Staatlichen
Kunstakademie in Düsseldorf verbrannte.
Einflüsse für das sich nach dieser Phase entwickelnde umfangreiche Werk kamen
aus der Pop Art, aus dem Abstrakten Expressionismus, aber auch aus Neo-Dada und
Fluxus.
Die zum Teil enge Zusammenarbeit mit anderen Künstlern dürfte ebenfalls Einfluss
auf seine künstlerischen Positionen gehabt haben. So kooperierte Richter während
der ersten Hälfte der 1960er Jahre in gemeinsamen Ausstellungen mit Sigmar
Polke, Konrad Lueg und Manfred Kuttner. Mit ihnen kreierte er den
Kapitalistischen Realismus, der den Sozialistischen Realismus, die offizielle
Kunstdoktrin der damaligen sozialistischen Länder, ironisieren sollte und die
westliche Konsumgesellschaft kritisch reflektierte. 1968 führte er mit Günther
Uecker, seinem Freund und Studienkollegen, eine Aktion in der Kunsthalle
Baden-Baden durch. Das Gebäude wurde besetzt und Uecker erklärte: „Auch Museen
können Wohnorte sein.“
Eine andere Episode in Richters künstlerischem Werdegang ist die Zusammenarbeit
mit Blinky Palermo. Mit ihm verband ihn ab 1962 eine Freundschaft, die 1970 zu
einer gemeinsamen Galerieausstellung und 1971 zu zwei gemeinsamen Diptychen
führte. Richter stellte darüber hinaus Zwei Skulpturen für einen Raum von
Palermo her, Büsten nach Gipsabgüssen von Palermos und Richters Köpfen. Diese
für einen von Palermo malerisch gestalteten Kölner Galerieraum vorgesehenen
Skulpturen sind in Gerhard Richters Werk singulär. (Eine Rekonstruktion gehört
heute zum Bestand des Lenbachhauses in München.)
1962 begann Richter mit seinem Atlas, in dem er Zeitungsausschnitte,
Fotografien, fotografische Serien, Entwürfe, Farbstudien, Landschaften,
Porträts, Stillleben, historische Stoffe und Collagen sammelt. Es handelt sich
vielfach um Vorlagen für Gemälde, die oft erst Jahre später wieder aufgegriffen
wurden. 1996 konnte das Münchner Lenbachhaus den Atlas mit damals 583 Werken
ankaufen, Richter hat ihn seitdem ständig um weitere Stücke erweitert. 1997
wurde der Atlas auf der Documenta X in Kassel gezeigt und in einem Bildband
dokumentiert.
Im Dezember 2009 kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen ihm und Alexander
Kluge. Die im selben Jahr (1932) geborenen Männer trafen sich zu Silvester 2009
im „Waldhaus“ in Sils Maria (Engadin). Aus ihrer Kooperation ging eine
gemeinsame Veröffentlichung hervor: Dezember (Suhrkamp Verlag). Richter steuerte
39 Farbfotografien des Graubündner Hochgebirges und Kluge 39 Kalendergeschichten
bei. Eine zweite gemeinsame Arbeit – Nachricht von ruhigen Momenten (Suhrkamp
Verlag) – mit Bildern von Richter und weiteren Geschichten von Kluge erschien
2013.
2012 gestaltete Richter die Ausgabe der Tageszeitung Die Welt vom 5. Oktober als
Künstlerausgabe. Frühere Ausgaben der „Welt“ wurden bereits von Georg Baselitz
und Ellsworth Kelly gestaltet.
Zu Beginn der 1960er Jahre benutzte Gerhard Richter erstmals Fotografien als
Vorlagen für Gemälde, ein Verfahren, das er danach regelmäßig anwandte. Es
handelt sich dabei um beiläufige Motive aus Zeitungs- und
Illustriertenausschnitten (später auch auf eigenen Aufnahmen beruhend), die er
abmalend vergrößerte, überwiegend in Grau-Weiß auf die Leinwand übertrug und
damit überhöhte. Richter selbst kommentierte eines dieser und ähnliche Werke so:
„Es demonstriert die Zahllosigkeit der Aspekte, es nimmt uns unsere Sicherheit,
weil es uns die Meinung und den Namen von einem Ding nimmt, es zeigt uns das
Ding in seiner Vieldeutigkeit und Unendlichkeit, die eine Meinung und Ansicht
nicht aufkommen läßt.] In diesen Zusammenhang gehört auch das 200 × 650 cm
große, fünfteilige Bild Alpen (1968), in dem Richter das Alpenmotiv nicht
verwischt, sondern in einem Duktus (Strichführung), der an späte Bilder von
Cézanne erinnert, regelrecht ‚vermalt‘.
Diese dem Fotorealismus nahe Methode ist durch eine verwischt wirkende Unschärfe
gekennzeichnet, die den Realismus der Vorlagen verfremdet. Ein typisches
Beispiel ist die Nr. 1 des Werkverzeichnisses, Tisch. Mit seinem Gemälde Ema
(Akt auf einer Treppe) vom Mai 1966, dem eine Farbfotografie seiner damaligen
Frau zugrunde lag, zitierte Richter eines der bekanntesten Gemälde der Neuzeit,
den Akt, eine Treppe herabsteigend (1912) von Marcel Duchamp.
Die Kunstkritikerin Helga Meister hat als erste eine konkrete Beschreibung des
Abmalvorgangs geliefert: „In Illustrierten, Zeitungen, Fotoalben und Fachbüchern
sucht er seit Jahren nach geeigneten Fotos, schneidet sie aus, legt sie unter
ein Episkop und projiziert die nun stark vergrößerten Bilder auf eine leere
Leinwand. Auf ihr zieht er mit Kohle nach und pinselt Menschen wie Räume mit
schwarzer, grauer und weißer Farbe aus. […] Die noch nassen Farben übermalt er
mit einem breiten Pinsel, zieht die Konturen ineinander, egalisiert die
Farbunterschiede.“
Vielfach ging Richter über die Verfremdungstechnik der unscharfen Darstellung
hinaus und zog Furchen durch die Oberfläche der Gemälde, ein Mittel, das er
später in expressiv abstrakten Gemälden wieder aufgegriffen hat. Oder aber er
reduzierte die abgemalte Fotografie auf verschwimmende Ansichten, denen kaum
noch Bezüge zur fotografierten Wirklichkeit anzusehen sind. An diesen Bildern
wird deutlich, wie fern Richter in den 1960er Jahren den aktuellen Trends der
Pop Art, des Fotorealismus oder der Fluxus-Bewegung war: Strömungen, mit denen
sich Gerhard Richter auseinandersetzte, von denen er sich aber in seiner
künstlerischen Praxis absetzte – wenn man davon absieht, dass die Benutzung von
Fotografien von der Pop-Art angeregt worden sein dürfte. Richter erläuterte
hierzu, er verdanke Andy Warhol die Anerkennung des Mechanischen in seinem
Prozess des Abmalens von Fotografien. Damit triebe er der Malerei alle
idealistischen und subjektiven Momente aus. Dem Kunstwissenschaftler Johannes
Meinhardt zufolge schließt „die mechanische Arbeit des Abmalens […] alle bewußte
Wahl und Entscheidung aus, läßt der kreativen Imagination keinerlei Platz“. Das
Verwischen der Fotos verstärke den nicht subjektiven und nicht intentionalen
Charakter des Bildes als auch der Handarbeit und betone die Beliebigkeit des
gefundenen Sujets. Der Kunsthistoriker und Museumsdirektor Uwe M. Schneede
schreibt dem Foto bei Richter eine Bedeutung analog zum Readymade von Marcel
Duchamp zu. Stefan Germer weist darauf hin, dass Richter seine Kunst „weniger
zur Produktion neuer als zur Reflexion bereits vorhandener Bilder“ nutzt.
Neben den Abmalungen von Fotos banaler Gegenstände (wie Klorolle, Küchenstuhl,
Tisch oder Wäschetrockner) stehen Abmalungen von zeitgeschichtlichen Personen
oder Ereignissen, die nach Richters Worten „meine Gegenwart zeigen“; dazu zählen
Sportwagen, Motorboot und Militärflugzeug, Sekretärinnen, die Prostituierte
Helga Matura, der Euthanasietäter Werner Heyde, der verwandte Onkel Rudi im
Wehrmachtsuniform und der Kennedy-Attentäter Oswald. Für Uwe M. Schneede
gruppieren sie sich – schon durch ihre für Richter typische Verwischung – zu
„Bildern einer Epoche“, die ihren abschließenden Höhepunkt im sogenannten
RAF-Zyklus 18. Oktober 1977 fanden. Er beendete damit seine Arbeit an Bildern
nach Schwarz-Weiß-Fotos, mit seinen Worten: „in der Form einer komprimierten
Zusammenfassung, die kein Weitergehen mehr zulässt“. Zu den Kriterien seiner
Motivauswahl bekannte er sich 1986 in einem Interview mit dem Kunsthistoriker
Benjamin Buchloh „ganz bestimmt“ zu inhaltlichen Kriterien, die er „früher
vielleicht verleugnet habe“. Indirekt bestätigt Richter damit die Auffassung des
Kunsthistorikers Eckhart Gillen, der Richters Aussagen, seine Fotovorlagen seien
Zufallsfunde, willkürlich und bedeutungslos, „bei näherer Betrachtung als
Tarnung“ begreift.
Auch Stillleben, Landschaften und Meeresbilder sowie bekannte Sehenswürdigkeiten
wie die Niagarafälle sind Gegenstand der Abmalungen. Fotorealistisch wirken
hingegen das 1978 als Auftragsarbeit für das Landesamt für Datenverarbeitung und
Statistik NRW, Düsseldorf, entstandene Wolkenbild ohne Titel und aus den 1980ern
stammende Landschaftsbilder, z. B. Davos von 1981, Eis (1981 und geradezu in der
Tradition eines Caspar David Friedrich) oder Besetztes Haus 1989, das allerdings
auch nicht ohne Unschärfen auskommt. Es sind Gemälde, die in ihrer Perfektion
zwar abbilden, gleichermaßen jedoch mehr das Typische verfremdet darstellen.
Richters Biograf Dietmar Elger nennt sie „Anschauungsmaterial einer verlorenen
Wahrheit“.
Andere Gemälde erschließen sich erst, wenn die zugrunde liegenden Polizei- und
Pressefotos samt Zeitungsnachricht bekannt sind. Mit dem Zyklus der 15 Gemälde
18. Oktober 1977 von 1988 mit unterschiedlich verwischten Abbildungen von den
RAF-Terroristen Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Holger Meins,
die die unpersönlichen Bildtitel Tote, Erhängte und Erschossener erhalten,
setzte sich Richter mit einer der brisantesten Perioden westdeutscher Geschichte
auseinander. Jean-Christophe Ammann, Direktor des Museums für Moderne Kunst in
Frankfurt am Main von 1989 bis 2001, konnte den Zyklus für das Museum als
Leihgabe für 10 Jahre gewinnen. 1991 war die Werkgruppe Bestandteil der
Eröffnungsausstellung des Museums in Frankfurt am Main und hat zu heftigen
Reaktionen von Presse und Publikum geführt.Den Zyklus erwarb das New Yorker
Museum of Modern Art 1995 für drei Millionen US-Dollar.
Anlässlich der ersten Ausstellungen des Zyklus hob der deutsche Kunsthistoriker
und Ausstellungskurator Hubertus Butin Richters Widerstand gegen ideologisches
Denken und Handeln hervor, der ihn vor jeder Dogmatik bewahre. Sein gesamtes
Werk könne man „als Projekt der postmodernen Sensibilisierung für Pluralismus
und Differenz sowohl im künstlerischen als auch im nicht-künstlerischen Denken
und Handeln sehen“.
Bilder mit landschaftlichen Motiven stellen eine eigenständige Werkgruppe dar
und nehmen eine herausgehobene Stellung in Richters Gesamtwerk ein. Obwohl schon
1965 einzelne Landschaftsbilder entstanden (Landschaft, Niagarafälle, Waldstück,
Seestück, Italienische Landschaft), eröffnen für Dietmar Elger die
Korsika-Ansichten von 1968 (Werkverzeichnis 186-2, 199–201, 211, 212) nach
Richters eigenen Fotografien die eigenständige Werkgruppe. Die offizielle
Webseite von Gerhard Richter listet insgesamt 124 Landschafts-Werke auf, die
zwischen 1965 und 2004 entstanden. Abgemalt wird auch dabei wieder von fremden
oder eigenen Fotos, aber neu gegenüber der Schwarzweißmalerei ist die Verwendung
von Farbe. Dazu passt die häufig zitierte Aussage Richters: „Ich hatte Lust,
etwas Schönes zu malen“.
Bemerkenswert ist zudem, dass Richter zwar offen das Schema von Caspar David
Friedrich nachahmt („seitlich unbegrenzte Landschaften“ – „tiefgesetzter
Horizont, ein hoher leerer Himmel, ein unbetonter Vordergrund“), aber im
Gegensatz zu diesem ausdrücklich sogenannte Kulturlandschaften malt, also weder
unberührte, fiktive oder idealisierte Weltlandschaften.
Abstraktion war in den 1960er Jahren in beiden Teilen Deutschlands ein Reizwort.
Im Osten – Gerhard Richter studierte ab 1951 an der Hochschule für Bildende
Künste Dresden – wurde Abstraktion als elitärer, abgehobener Stil des Westens
bekämpft. Im Westen – Richter setzte sein Studium 1961 an der Düsseldorfer
Akademie fort – galt sie bereits als konservativ, weil sich die junge Kunst in
neuen Ausdrucksformen verwirklichte und Malerei obsolet erschien. Richter
ergriff die ungeliebte Abstraktion als Verfahren, die Malerei in ihren
Möglichkeiten neu zu befragen. Sie erlaubte ihm auch, sich mit den im
Nationalsozialismus verfemten Traditionen der Moderne zu verbinden und Malerei
zukunftsfähig zu machen.
Die Diskontinuität seines Werkes – Kritiker sprechen vom „Stilbruch als
Stilprinzip“ – zeigt sich in dessen Chronologie. Parallel zu den Abmalungen
entstanden schon 1966 Farbtafeln und im selben Jahr 4 Glasscheiben. 1967 malte
er Röhren, ein Grau-in-Grau-Bild, das – wie andere frühe Gemälde auch – als ein
Vorläufer für Strontium von 2004 gelten kann. Dazwischen aber liegen die
Zeiträume der Vermalungen, der grauen und Wolkenbilder, der unscharfen
abstrakten Bilder. Schließlich malte er in den 1980er und 1990er Jahren mit
erheblicher öffentlicher Resonanz aufgenommene große, expressiv farbige
abstrakte Gemälde, beispielsweise die Serie Abstraktes Bild (809-1,-2,-3,-4).
Sie bestehen aus mehreren Farbaufträgen mit zum Teil eingreifenden Abkratzungen
bis auf den Malgrund, impulsiver Gestik sowie Übermalungen. Es handelt sich um
Gemälde, die ihren Entstehungsprozess deutlich darstellen und ihn gleichzeitig
verschleiern (Richter macht sich hier u. a. technische Verfahren der Décollage
für seine Malerei dienstbar). Nach Aussagen des Künstlers sind diese Gemälde in
erheblichem Maße vom Zufall abhängig und widersprechen in ihrer Endfassung
häufig anfänglichen Absichten. Ein farbintensives großformatiges Bild ist das
Abstraktes Bild El. ], ausgestellt auf der Documenta 7, 1982 und dort von Peter
Iden für die Sammlung des Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main
erworben.
Für die Südquerhausfassade des Kölner Doms entwarf der aus der evangelischen
Kirche ausgetretene Atheist mit Hang zum Katholizismus 2006 ein 113 m² großes
Fenster bestehend aus 11.500 Quadraten aus mundgeblasenem Echt-Antik-Glas in 72
unterschiedlichen Farben. Die Idee geht zurück auf sein Werk 4096 Farben von
1974. Die Anordnung der einzelnen Farbflächen wurde mittels eines
Zufallsgenerators erstellt, dessen Ergebnisse Richter jedoch teilweise
bearbeitete. Die Dynamik der Farbfelder verändert sich durch den im Tageslauf
gebrochenen Einfallswinkel des Sonnenlichtes. Der Entwurf ist ein Geschenk
Richters an den Kölner Dom, die Herstellungskosten betrugen etwa 400.000 Euro.
Das Fenster wurde 2007 eingeweiht. Der Künstler Gerhard Richter wehrte sich
gegen die Kritik des Kölner Erzbischofs Kardinal Meisner an dem von ihm
gestalteten Domfenster. Meisner hatte das abstrakte Glasfenster als eher in eine
Moschee oder in ein Gebetshaus passend kritisiert. Der Kardinal hätte sich
lieber ein Motiv gewünscht, auf dem die christlichen Märtyrer des 20.
Jahrhunderts ins Bild gesetzt werden Richter betonte, dass er zum Islam
überhaupt keine Beziehung habe und niemals für eine Moschee gearbeitet hätte. Er
fühle sich als Spross des Christentums, der „ohne den Glauben an eine höhere
Macht oder etwas Unbegreifliches“ nicht leben könne.
Ende 2019 wurde bekannt, dass Gerhard Richter die drei neuen Altarfenster für
die saarländische Benediktinerabtei St. Mauritius Tholey gestalten würde.
Hergestellt wurden die Fenster in den Gustav van Treeck Werkstätten für Mosaik
und Glasmalerei mitten in München. Aus Anlass der feierlichen Wiedereröffnung
der renovierten Abteikirche im September 2020 wurden auch die Richter-Fenster in
Tholey der Öffentlichkeit vorgestellt.
2014 fertigte Richter den Zyklus Birkenau an, der aus abstrakten Übermalungen
von vier Zeichnungen besteht, die auf den 1944 aus dem Lager geschmuggelten
Photographien von Holocaustopfern und Leichenverbrennungen im Vernichtungslager
KZ Auschwitz-Birkenau basieren. Der Zyklus wurde zunächst ohne Titel im Dresdner
Albertinum gezeigt. Mit der späteren Titelgebung und der Realisierung des
realhistorischen Hintergrunds der Bilder erntete Richter Zustimmung und Kritik.
Zu dem Zyklus erschienen auch drei Bände mit Essays und Detailansichten. Richter
hat die Bilder dem Kunstmarkt entzogen und als ihren Bestimmungsort das Museum
des 20. Jahrhunderts, den Neubau auf dem Berliner Kulturforum, vorgesehen. Seit
2017 sind die Bilder in einer fotografischen Version auf Aluminiumtafeln
gegenüber Richters „Schwarz, Rot, Gold“ in der Westeingangshalle des
Reichstagsgebäudes in Berlin installiert.
In der Rezeption von Richters Werk wird betont, in welch hohem Maße Richters
Œuvre voller Widersprüche und Diskontinuitäten erscheint: zwischen
fotorealistischen Naturdarstellungen, den unscharfen Gemälden nach Fotografien
und Gemälden höchster Abstraktion bis hin zu Glas- und Spiegelobjekten bzw.
Installationen. Diese Elemente finden sich nicht nacheinander als
Entwicklungsstränge des Werks. Richter greift diese unterschiedlichen
Vorgehensweisen immer wieder auf. Was dieses Werk zusammenhält, ist Richters
forschende und experimentierende Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit. Es
geht um die mit den Augen wahrgenommene, die mit der Kamera fotografierte, die
gespiegelte, die im Glas transzendierte und auch um die malerisch inszenierte
Realität. Gerade diese vielfältige Befragung der Medien moderner Kunst nach der
Wirklichkeit wird als der eigentliche Kern des Richterschen Œuvre angesehen. Als
„Meister der unauflösbaren Ambivalenz“, charakterisierte ihn der Journalist der
Süddeutschen Zeitung, Sebastian Moll. In Gerhard Richters Spiegel- und
Glasobjekten geht es z. B. um die autonome mechanische Wirklichkeit der
Spiegelung (das irritierende Spiel von Seitenverkehrung usw.). Gleichzeitig
integrieren sie Betrachterin und Betrachter in das Werk und machen sie zu
Akteuren im Bild, plädieren gegen die Idee des autonomen Kunstwerks.
Andererseits knüpft Richter z. B. mit seinen Meeresansichten an Positionen der
Romantik an.
Im Kunstkompass, einer „Weltrangliste der lebenden Künstler“, der von 1970 bis
2007 in der Zeitschrift Capital und von 2008 bis 2014 in der Zeitschrift Manager
Magazin erschien und seit 2015 in der Zeitschrift Weltkunst erscheint, belegte
Gerhard Richter von 2004 bis 2008 und von 2010 bis 2018 den ersten Platz.
Gerhard Richter gehört laut einer Rangliste von Artnet zu den weltweit teuersten
lebenden Gegenwartskünstlern, vor Jeff Koons und Damien Hirst. Sein Marktvolumen
in Auktionen vergangener Jahre betrug umgerechnet 558 Millionen Euro. Das
Manager Magazin setzte ihn seit 2010 jedes Jahr auf die Liste der wichtigsten
Künstler und er gilt als einer der 500 reichsten Deutschen.
Bereits im November 2000 erreichte bei Christie’s das Gruppenbild Der Kongress
(Professor Zander) von 1965 ein Auktionsergebnis von 4,95 Millionen US-Dollar.
In den folgenden Jahren setzte sich der kommerzielle Erfolg des Künstlers auf
den internationalen Auktionen fort. So wurde das Gemälde Zwei Liebespaare (1966)
bei Christie’s für ca. 9,77 Mio. Euro verkauft,[63] während das Bild Kerze
(1983) bei Sotheby’s im Februar 2008 sogar 10,57 Mio. Euro erbrachte. Damit
wurde Gerhard Richter der teuerste lebende Maler Deutschlands. Bei der
Versteigerung eines weiteren Werkes mit demselben Titel und aus derselben Serie
im Oktober 2011 bei Christie’s ergab sich der Zuschlag bei 11,98 Millionen Euro.
Im Mai 2013 erzielte Richters Domplatz, Mailand von 1968 bei den
Frühjahrsauktionen von Sotheby’s New York den bis dahin höchsten für ein Werk
eines lebenden Künstler gezahlten Preis von 29 Mio. Euro (37,1 Mio. Dollar). Ein
weiteres Abstraktes Bild (1986, Öl auf Leinwand, 300 cm × 250 cm,
Werkverzeichnis 599) wurde im Februar 2015 bei Sotheby’s für 41 Millionen Euro
zugeschlagen. Es wurde bereits 1998 bei Sotheby’s versteigert und erbrachte
damals 600.000 US-Dollar.
In den Anfangsjahren war Richters finanzieller Erfolg eher bescheiden.
Spätestens seit den 1990er Jahren setzte Richters Boom auch im Ausland,
vornehmlich in den Vereinigten Staaten, ein. Mitte der 1980er Jahre wurde der
Londoner Galerist Anthony d’Offay und in den 1990er Jahren die Galeristin Marian
Goodman in New York seine Galerievertretungen, die seine Karriere maßgeblich
aufbauten. Im Dezember 2022 wechselte der Maler nach fast 40-jähriger
Zusammenarbeit mit Marian Goodman zum Galeristen David Zwirner. Heutzutage sind
Gemälde nahezu nur noch auf dem Auktionsmarkt erhältlich, da die meisten Eingang
in Privatsammlungen fanden oder von Museen gesammelt wurden.
Anfang 2022 wurde durch einen Dresdner Galeristen ein Sgraffito von Richter an
der Giebelwand einer ehemaligen Schule in Hagenwerder wiederentdeckt. Dieser
fand im Gerhard Richter Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in einem
Buch diese Auftragsarbeit aufgeführt: „gemalt vom Hochschulabsolventen Richter,
um 1956/57“. Der Kunsthistoriker des Kulturhistorischen Museums Görlitz Kai
Wenzel vertritt die Meinung, dass das Wandbild vermutlich 1961 von Richters
Künstlerkollegen Dietrich Peter nach Richters Entwürfen angefertigt wurde. Peter
hatte mit Richter zusammen in den 1950ern studiert und beherrschte die
Kratzputztechnik. Er beschreibt die Entstehung des Bildes im „Kulturspiegel
Stadt- und Landkreis Görlitz“ im März 1961. Das Bild blieb als Werk Richters
unerkannt, da dieses sich nicht von der in der DDR allgegenwärtigen Alltagskunst
unterschied und Richter alle seine vor der Flucht aus der DDR 1961 entstandenen
Werke aus seinem Œuvre ausschloss.