Jugendstil Schmuck für eine neue Zeit
Zum
Ende des 19. Jahrhunderts wird die bisherige Verehrung der historischen
Stile zunehmend in Frage gestellt. Anstatt weiter nach Vorbildern in
der Vergangenheit zu suchen, unternahmen Künstler in ganz Europa einen
Neuanfang und entwarfen unverbrauchte, ungesehene Formen mit Anleihen
aus dem Reich der Natur und der Geometrie. Der Jugendstil war damit die
erste der Avantgarden der Moderne.
In Frankreich und Belgien fand man
die Antwort im Reich der Natur. Das Art Nouveau, die „neue Kunst“, die
in den Jahren um 1890 entstand, lebt von eleganten Schwüngen, die an
Stengel von Wasserpflanzen erinnern. Alles fließt in den Entwürfen von
Hector Guimard und René Lalique, die Formen wiegen sich wie Haar im
Wind. Dem entsprechend sind elegante Vögel, geheimnisvolle Pflanzen und
schöne junge Frauen die beliebtesten gestalterischen Motive, auch im
Bereich des Schmucks. Zudem liebte die Zeit kräftige Farben. Überwiegend
in Gelbgold und Silber gefertigt, spielt oft farbenfrohes Email eine
zentrale Rolle, etwa um die Flügel von Libellen auszukleiden oder reiche
Blüten damit zu belegen.
Im deutschsprachigen Raum wurden diese
Ideen aus Frankreich zunächst dankbar aufgenommen. Nach einer in München
erscheinenden Zeitschrift, der „Jugend“, erhielt der Stil hier den
Namen Jugendstil. Doch schon bald nach 1900 gerieten die Formen weniger
naturalistisch und ein Hang zur Geometrie gewann die Oberhand. Die
Entwürfe der Wiener Werkstätte unter Josef Hoffmann sind hier nun
stilbildend, die Farbigkeit tritt in den Hintergrund und die Formen
leiten zur klassischen Moderne über.
Zeitgleich zu den letzten
Atemzügen der Belle Époque bildet der Jugendstil so eine ganz eigene
Kunstströmung. Seinen Anspruch, das ganze Leben im Sinne eines
Gesamtkunstwerkes zu gestalten, vom Haus über das Kleid bis zum
Fingerring, teilt er bereits mit der späteren Moderne. Anders als diese
blieb der Jugendstil jedoch stets eine Kunst des Luxus, gefertigt von
wenigen Künstlern für eine kleine Käuferschicht. Auch wenn er uns an
verschiedenen Orten somit völlig verschiedene Gesichter zeigt – an
seiner Vorliebe für kostbare Materialien,
eingängige Formen und dem Hang
zu delikater Ausführung bleibt er doch stets leicht wiederzuerkennen.